Die Autorinnen und Autoren

Dr. jur. Stephan Porten, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Institut für moderne Versorgung – InMove.

Dr. med. Katharina Schmid, Ärztliche Leitung DRK Landesschule Bildungseinrichtung Pfalzgrafenweiler, zuvor viele Jahre leitende Ärztin einer ZNA, CRM-Instruktorin und Autorin zahlreicher Fachtexte im Bereich ZNA.

Rolf Dubb B.Sc. M.A., Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie, Intensive Care Practitioner und Fachbereichsleitung Weiterbildungen an der Akademie der Kreiskliniken Reutlingen GmbH.

Dr. med. Michael Beier, Leitender Arzt Zentrale Notaufnahme, medius KLINIK OSTFILDERN-RUIT, Klinischer Risikomanager medius KLINIKEN.

Arnold Kaltwasser B.Sc., Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie, Intensive Care Practitioner, Akademie der Kreiskliniken Reutlingen GmbH.

Nadine Witt LL.M. (Medizinrecht), Rechtsreferendarin am Landgericht Bonn.

Unter Mitwirkung von:

Prof. Dr. Dietlind Tittelbach-Helmrich, Leiterin Studiengang Arztassistent, Duale Hochschule Baden-Württemberg Karlsruhe.

Stephan Porten, Katharina Schmid, Rolf Dubb, Michael Beier, Arnold Kaltwasser, Nadine Witt

Rechtsfragen in der Notaufnahme

Grundlagen mit Hinweisen für die Praxis

Unter Mitwirkung von: Dietlind Tittelbach-Helmrich

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

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ISBN 978-3-17-033634-6

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mobi:     ISBN 978-3-17-033637-7

Inhalt

 

 

 

  1. Vorwort
  2. 1   Rechtsgrundlagen der Notaufnahme
  3. Stephan Porten, Nadine Witt (Fallbeispiele: Marcus Beier)
  4. 1.1   Die Versorgungspflicht von Notaufnahmen
  5. 1.1.1   Wartezeiten und Versorgungspflicht
  6. 1.1.2   Wartezeiten als Pflichtenverstoß im Rahmen der Versorgungspflicht?
  7. 1.1.3   Patient und Wartezeit – Was schuldet die Ambulanz?
  8. 1.2   Sorgfaltspflichten und Behandlungsstandards in der Notaufnahme
  9. 1.2.1   Ärztliche Sorgfaltspflicht: Facharztstandard
  10. 1.2.2   Sorgfaltspflichten der Pflege
  11. 1.2.3   Sorgfaltspflichten sonstiger Berufsgruppen in der Ambulanz
  12. 1.3   Rechtliche Grundlagen der Triage
  13. 1.3.1   Triage durch nichtärztliches Personal
  14. 1.3.2   Dokumentation der Erstbeurteilung
  15. 1.3.3   Beispiele zur Triage
  16. 2   Organisationsstrukturen in der Notaufnahme
  17. 2.1   Rolle der Pflegekräfte in den Notaufnahmen
  18. Rolf Dubb, Arnold Kaltwasser
  19. 2.2   Einsatzmöglichkeiten pflegefremder Berufsgruppen in der Notaufnahme – rechtliche Eckpunkte
  20. Katharina Schmid, Rolf Dubb, Stephan Porten (Fallbeispiele: Marcus Beier)
  21. 2.2.1   Behandlungsstandards und pflegefremde Berufe
  22. 2.2.2   Notfallpflegerische Kompetenzen
  23. 2.2.3   Kompetenzen verschiedener Berufsgruppen im Vergleich zum notfallpflegerischen Standard
  24. 2.2.4   Fazit
  25. 2.2.5   Ein Sonderfall – Handlung abseits der definierten Kompetenz
  26. 2.3   Rechtliche Aspekte bei der Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Physician Assistants in der Notaufnahme
  27. Dietlind Tittelbach-Helmrich
  28. 2.3.1   Einleitung
  29. 2.3.2   Juristische Aspekte der Delegation ärztlicher Leistungen
  30. 2.3.3   Haftung
  31. 2.3.4   Fazit
  32. 3   Grundbegriffe des Behandlungsrechts in der Notaufnahme
  33. Stephan Porten, Nadine Witt (Fallbeispiele: Marcus Beier)
  34. 3.1   Behandlungsvertrag in der Notaufnahme
  35. 3.1.1   Vertragsparteien
  36. 3.1.2   Behandlung ohne Vertrag/Notfall- behandlung
  37. 3.2   Aufklärung
  38. 3.2.1   Allgemeines
  39. 3.2.2   Inhalt der Aufklärungspflichten
  40. 3.2.3   Aufklärungsperson und Aufklärungsadressat
  41. 3.2.4   Form, Zeitpunkt und Verständlichkeit der Aufklärung
  42. 3.2.5   Patientenverfügung
  43. 3.2.6   Entbehrlichkeit der Aufklärung
  44. 3.3   Einwilligung
  45. 3.3.1   Mutmaßliche Einwilligung
  46. 3.3.2   Hypothetische Einwilligung
  47. 3.4   Haftung/Beweislast
  48. 3.5   Schweigepflicht
  49. 4   Besondere Patientengruppen in der Notaufnahme
  50. Stephan Porten, Nadine Witt
  51. 4.1   Minderjährige und Einwilligungsunfähige in der Notaufnahme
  52. 4.1.1   Abschluss des Behandlungsvertrages
  53. 4.1.2   Besonderheiten bei der Notfallbehandlung
  54. 4.1.3   Besonderheiten bei Aufklärung und Einwilligung
  55. 4.1.4   Aufklärungsadressat
  56. 4.1.5   Einwilligungszuständigkeit der Eltern: Reicht ein Elternteil?
  57. 4.1.6   Zustimmungsverweigerung der Eltern
  58. 4.1.7   Mutmaßliche Einwilligung
  59. 4.1.8   Schweigepflicht bei Minderjährigen
  60. 4.1.9   Misshandlungsverdacht
  61. 4.1.10 Einwilligungsunfähige volljährige Patienten
  62. 4.2   Gewalttätige und aggressive Personen in der Ambulanz
  63. 4.2.1   Gewalttätige, Störer und psychisch Veränderte mit Selbst- und Fremd- gefährdung
  64. 4.2.2   Der Gewaltbegriff des Rechts
  65. 4.2.3   Schutzpflichten des Arbeitgebers bei Gewalt
  66. 4.3.3   Rechtliche Eckpunkte für den Umgang mit Gewalttätigen und Störern
  67. 4.3   Patienten mit Sprachbarrieren
  68. 4.3.1   Sprachbarrieren bei der Aufklärung und Einwilligung
  69. 4.3.2   Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Fremdsprachendolmetschers
  70. 4.3.3   Krankenhaus- oder Ambulanzpersonal als Sprachmittler
  71. 4.3.4   Angehörige als Sprachmittler
  72. 4.3.5   Minderjährige als Übersetzer bei der Risikoaufklärung
  73. 4.3.6   Sprachbarrieren im Notfall
  74. 4.4   Patienten mit kulturell oder religiös motivierten Besonderheiten
  75. 4.4.1   Gesetzliche Verpflichtungen, gesetzliche Verbote
  76. 4.4.2   Migrantenrechte in den Behandlungs- standards?
  77. 4.4.3   Grenzen der Ausübung der Patienten- autonomie aus kulturellen und religiösen Gründen
  78. Literatur
  79. Stichwortverzeichnis

Vorwort

 

 

 

Dieses Buch bietet als eine der ersten Veröffentlichungen im deutschen Sprachraum eine zusammenfassende Darstellung des Behandlungsrechts der Notaufnahmen. Es richtet sich an die Praktiker in den Ambulanzen, die schnelle Orientierung zu täglich auftauchenden Problemen suchen. In dem ebenfalls im Kohlhammer-Verlag erschienenen »Fallbuch Recht in der Notaufnahme« sind eine Vielzahl von Fallbeispielen aus dem Arbeitsalltag der Notaufnahmen enthalten, die medizinisch und rechtlich besprochen werden. Das Buch ist eine ideale Ergänzung zu diesem Band. Beide Werke ermöglichen eine direkte Umsetzung der Inhalte in den Arbeitsalltag. Die Autoren dieses Bandes haben sich auf das Behandlungsrecht konzentriert.

Die in Notaufnahmen auftretenden Rechtsfragen sind außerordentlich vielfältig. Während viele Gesundheitsbereiche, z. B. die Vertragsärzte, nahezu überreguliert sind, bleibt in den Ambulanzen die Entscheidung bei vielen, teilweise höchst diffizilen Rechtsfragen mangels genauerer Regelungen häufig dem Ambulanzpersonal überlassen – meist auch noch unter Zeitdruck. Hierbei soll dieses Buch praktische Hilfestellung leisten. Damit sind auch die Notaufnahmen in Krankenhäusern gemeint, die damit nicht einmal eine ausdrückliche Erwähnung im Gesetz finden.

Juni 2020

Stephan Porten, Katharina Schmid, Rolf Dubb, Michael Beier, Arnold Kaltwasser, Nadine Witt, Dietlind Tittelbach-Helmrich

1          Rechtsgrundlagen der Notaufnahme

Stephan Porten, Nadine Witt (Fallbeispiele: Marcus Beier)

Notaufnahmen weisen rechtliche Besonderheiten auf, die sich aus der Eigenart der medizinischen Versorgung ergeben. Sie sollen praxisnah mit besonderem Blick auf die Pflege dargestellt werden:

1.  Die Rahmenbedingungen der Notfallversorgung sind nur unzusammenhängend und teilweise auch lückenhaft im Gesetz erfasst. So ist die Versorgungspflicht der Krankenhäuser zur Notfallversorgung zwar abstrakt geregelt. Aber was bedeutet sie konkret? Stellen eigentlich regelhafte Wartezeiten, zum Beispiel wegen personeller Unterausstattung der Ambulanz, einen Verstoß gegen die Versorgungspflicht dar?

2.  Welcher ärztliche Standard und welcher Pflegestandard gelten in der Notaufnahme? Was ist mit Weiterbildungsassistenten und nicht examinierten Kräften? Was gilt beim akuten Notfall?

3.  Die rechtlichen Verhältnisse der Triage bzw. Erstbeurteilung sind bislang kaum mit Blick auf die Praxis der Notaufnahmen beleuchtet worden. Heute ist die Erstbeurteilung vor allem ein Feld der Pflege. Was müssen die Erstbeurteilungsfachkräfte beachten? Wie müssen sie ärztlicherseits angeleitet und überwacht werden? Das Thema ist rechtlich komplexer, als es die inzwischen selbstverständliche Handhabung in der Praxis vermuten lässt.

1.1       Die Versorgungspflicht von Notaufnahmen

1.1.1     Wartezeiten und Versorgungspflicht

Lange Wartezeiten sind in Notaufnahmen an der Tagesordnung. Sie sind immer wieder Gegenstand von Presseberichten (z. B. Merlot et al. 2017). Auch wenn die Ambulanzen zunehmend medizinisch besser organisiert scheinen als noch vor Jahren, hat sich dieser Eindruck nicht wirklich geändert. Gründe gibt es hierfür so einige. So ist derzeit z. B. noch keine stimmige und übergreifende Kapazitätenplanung der Notfallversorgung vorhanden. Zudem sind die unterschiedlichen »Säulen« der Notfallversorgung (Notaufnahmen der Krankenhäuser, der öffentliche Rettungsdienst und die vertragsärztliche Notfallversorgung) nicht hinreichend aufeinander abgestimmt.

Zum Thema Patientenversorgung und Wartezeit stellen sich folgende Fragen:

a)  Welchen noch tolerierbaren Umfang dürfen Wartezeiten in Notaufnahmen insgesamt aufweisen? Gibt es eine Grenze, ab derer man davon ausgehen muss, dass eine Notaufnahme ihrer Versorgungspflicht nicht mehr nachkommt?

b)  Sind Wartezeiten nur bei Bedarfsspitzen zulässig oder dürfen sie auch täglich wiederkehrend auftauchen? Macht es im Übrigen einen Unterschied, ob der Bedarf unvorhersehbar für das Krankenhaus war oder Wartezeiten ihre Ursache in ambulanzinternen Mängeln (fehlendes Personal, schlechte Organisation o. ä.) haben? Und wenn ja, welchen?

Diese Fragen sind vielschichtig. Man kann sie auf den einzelnen Patienten beziehen oder auf das gesamte Behandlungsgeschehen. Nachfolgend soll das Thema einmal rechtlich durchleuchtet werden.

1.1.2     Wartezeiten als Pflichtenverstoß im Rahmen der Versorgungspflicht?

Kann es ein öffentlich-rechtliches Pflichtversäumnis des Krankenhauses darstellen, wenn es in einer Ambulanz zu unangemessenen Wartezeiten kommt? Diese Frage ist rechtlich nicht ganz eindeutig zu beantworten, da zunächst einmal zu bestimmen wäre, wie genau denn die »Versorgungspflicht« von Krankenhausambulanzen überhaupt aussieht. Was muss eine Ambulanz im Rahmen der Notfallversorgung leisten und wann erbringt sie diese Leistungen nicht mehr ordnungsgemäß? Hier gibt es unterschiedliche Blickwinkel:

Versorgungspflicht unter strafrechtlichen Aspekten

Das Strafgesetzbuch regelt unter Strafandrohung, dass jeder verpflichtet ist, bei Unglücksfällen Hilfe zu leisten, soweit er dazu in der Lage und es ihm zumutbar ist (§ 323c StGB). Dies gilt in besonderem Maße für Krankenhäuser und Krankenhauspersonal. Aber diese Regelung betrifft nur den Einzelfall. Sie sagt nichts darüber aus, ob es für die Versorgung einer bestimmten Organisationstruktur bedarf und wie diese aussehen soll. Weiterhin ist die Behandlungspflicht im Einzelfall auch insoweit beschränkt, als ja viele Patienten gleichzeitig behandelt werden müssen und schon deshalb Patienten mit weniger dringlichen Erkrankungen durchaus aus sachlichen Gründen auf das Warten verwiesen werden. Wir können dem Strafrecht daher nur entnehmen, dass es auch strafrechtliche Folgen haben kann, wenn ein Patient schuldhaft nicht behandelt wird, obwohl er der Behandlung bedurft hätte. Eine Aussage über die Frage, wie die Versorgungspflicht der Notaufnahme im Allgemeinen aussieht, ist aber nicht im Strafrecht zu finden.

Versorgungspflichten aus dem Sozialrecht

Auch das Sozialrecht macht im SGB V keine konkreten Vorgaben – weder zur Vorhaltung von Ambulanzen noch zu deren Leistungsumfang. Eine Sicherstellungsverpflichtung ist dort lediglich für die Ambulanzen der Kassenärztliche Vereinigung (KV-Ambulanzen) geregelt. Auch hier bleibt allerdings der konkrete Versorgungsumfang unklar. Immerhin gibt es jedenfalls eine Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Sicherstellung der Versorgung – also zumindest einen Anknüpfungspunkt für eine Soll-Feststellung. Bei Notaufnahmen findet sich aber nichts Entsprechendes. Hier bleibt das SGB V kursorisch. Regelungen finden sich im SGB V bzw. den darauf beruhenden Regelungen (z. B. den G-BA-Beschlüssen zur gestaffelten Notfallversorgung) im Wesentlichen nur zur Vergütung.

Lediglich in § 76 Abs. 1 SGB V ist darüber hinausgehend geregelt, dass Notaufnahmen auch von gesetzlich Krankenversicherten aufgesucht werden können, wenn ein Notfall vorliegt. In welchem Umfang allerdings eine solche Versorgung zu gewährleisten ist und wer hierfür verantwortlich ist, bleibt offen.

Krankenhausplanungsrecht und ambulante Notfallversorgung

Konkretere Aussagen zur Pflicht von Krankenhäusern zur Versorgung von Notfällen machen die meisten Krankenhausgesetze der Länder. Aber nicht alle sprechen das Thema der ambulanten Notfallversorgung durch Krankenhäuser an. (Eine gute Zusammenstellung findet sich bei DKG 2018).

In Baden-Württemberg heißt es z. B. in § 28 LKHG BW, dass das Krankenhaus im Rahmen seiner Aufgabenstellung und Leistungsfähigkeit zur Aufnahme und Versorgung verpflichtet ist. Über die Leistungsfähigkeit hinaus hat es zumindest eine einstweilige Aufnahme sicherzustellen, bis der Patient verlegt werden kann. Damit ist auch die ambulante Versorgung miterfasst. Ähnlich ist dies z. B. im Sächsischen Krankenhausgesetz geregelt. Auch in Thüringen wird der Gesetzgeber konkreter. Hier regelt das Krankenhausgesetz (§ 18 Abs. 3 und 4 ThürKHG), dass eine rechtzeitige ärztliche Hilfeleistung gewährleistet sein muss und dass die Krankenhausplanungsbehörde prüfen muss, ob ein Krankenhaus im Krankenhausplan verbleiben kann, wenn es seine Verpflichtung zur Notfallversorgung nicht erfüllt. Richtig weiter hilft das aber auch nicht, da das Gesetz nicht sagt, was denn die Verpflichtung beinhaltet.

Demgegenüber finden sich in anderen Krankenhausgesetzen nur allgemeine Festlegungen, dass entweder alle Krankenhäuser oder jedenfalls einige konkret benannten Krankenhäuser zur ambulanten (und stationären) Notfallversorgung verpflichtet sind. Manchmal findet sich auch, dass Krankenhäuser vorrangig im Krankenhausplan berücksichtigt werden sollen, wenn sie an der Notfallversorgung teilnehmen. In großen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern und Niedersachsen werden keine expliziten Vorgaben zur ambulanten Versorgung gemacht.

Damit ergibt sich folgendes Bild: Das deutsche Gesundheitssystem legt mehr oder weniger stillschweigend zu Grunde, dass die ambulante Notfallversorgung von den Krankenhäusern sichergestellt wird, zumindest soweit ein Krankenhaus für ein Fachgebiet auch einen entsprechenden stationären Versorgungsauftrag hat. Damit ist die ambulante Notfallversorgung eine Art Annex zur stationären Krankenhausplanung. Diese lässt den konkreten ambulanten Versorgungsbedarf, der durch Notaufnahmen abzudecken ist, aber weitgehend unberücksichtigt. Krankenhäuser müssen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit grundsätzlich Notfälle versorgen. Wie sie das tun, mit welcher Organisationsstruktur und ob diese effizient oder geeignet ist, ist hingegen nicht geregelt. Kapazitätenplanung und Wartezeiten sind keine rechtlichen Kategorien der ambulanten Notfallversorgung.

Fazit

Versorgungspflichten der Notaufnahmen sind bezogen auf den Einzelfall recht genau zu bestimmen. Eine Bedarfsplanung, die einen allgemeinen Soll/Ist-Abgleich der Versorgungssituation ermöglichen würde, fehlt hingegen. Aus einer Gesamtsichtung der sich auf Ambulanzen beziehenden Regelungen (Krankenhausgesetze, Abrechnungsregelungen usw.) ergibt sich, dass Krankenhäuser verpflichtet sind, auch für ambulante Notfälle die Versorgung sicherzustellen und dazu organisatorisch abgegrenzte Einheiten in Form von Notaufnahmen betreiben können bzw. müssen.

Die Versorgungspflicht bezieht sich im Wesentlichen auf die stationären Fachgebiete, wobei aber auch akute Notfallpatienten aus anderen Fachgebieten zumindest vorläufig aufzunehmen sind. Die Versorgungspflicht besteht im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses. Notfälle sind zu versorgen. Wie lange sie warten dürfen, ist rechtlich nicht geregelt.

Strafrechtlich ist recht genau zu ermitteln, welche Hilfeleistungen in Notfällen im Einzelfall zu erbringen sind. Hieraus ergibt sich eine Verpflichtung der Krankenhäuser, bei Not- bzw. Unglücksfällen durch ihr Personal Hilfe zu leisten, soweit dies dazu in der Lage und es zumutbar ist (§ 323c StGB).

Aber die Norm beinhaltet keine Handlungspflicht der Krankenhäuser, Einrichtungen in einem bestimmten Umfang zu betreiben und zu unterhalten, um bei Notfällen bereitzustehen. Soweit Personal im Krankenhaus bei einem Notfall anwesend ist, ergeben sich individuelle Hilfspflichten. Aber wie diese Hilfeleistung durch das Krankenhaus organisiert wird, ist nicht vorgegeben. Zusätzliche Personalvorhaltungen, um besser oder schneller Hilfe zu leisten, sind nicht verpflichtend.

Verstöße gegen die Versorgungspflicht

Entsprechend dem unklaren Begriff der Versorgungspflicht ist auch schwierig zu bestimmen, wann ein Krankenhaus gegen Pflichten bei der ambulanten Versorgung verstößt. Das wäre aber wünschenswert, nicht so sehr um Krankenhäuser besser sanktionieren zu können, sondern um den Krankenhäusern, den ärztlichen Leitungen und dem Personal einer Ambulanz ein Instrument an die Hand zu geben, das auf drohende Pflichtversäumnisse frühzeitig hinzuweist, um diesen entsprechend entgegenzuwirken zu können.

Wenn Notfallbehandlung überhaupt nicht mehr oder nicht mehr durchgängig gewährt wird, lässt sich für eine Aufsichtsbehörde noch am einfachsten damit argumentieren, dass das Krankenhaus eine ambulante Notfall-Versorgungspflicht im Zusammenhang mit seinem stationären Versorgungsauftrag verletzt. Dies liegt umso näher, wenn das Krankenhaus – wie in Hessen – im Krankenhausplan für die Notfallversorgung ausgewiesen ist. Auch strafrechtlich dürfte das problematisch sein. Dies meint den Fall, dass ein Krankenhaus seine Ambulanz für Patienten sperrt oder diese, z. B. aus Kapazitätsgründen, pauschal ohne Erstbeurteilung ablehnt oder verweist.

Das sogenannte »Abmelden« des Krankenhauses aus der Notfallversorgung bei der Leitstelle ist im Übrigen kein Entschuldigungsgrund, um Behandlungen nicht mehr durchzuführen, sondern nur ein organisatorischer Hinweis an den Rettungsdienst, das Krankenhaus nicht mehr anzufahren.

Bei allen anderen Gestaltungen ist unklar, ob ein Pflichtversäumnis vorliegt: Wenn es organisatorische Mängel oder Personalunterbesetzungen gibt – z. B. mit der Folge von regelmäßig überlangen Wartezeiten – so lässt sich daraus nicht ohne Weiteres ein Pflichtversäumnis ableiten. Wie viel Personal müssen Krankenhäuser für die Erstbeurteilung, die ärztliche Behandlung und spezifische Erstversorgungsaufgaben tatsächlich vorhalten? Wie weit dürfen Krankenhäuser angesichts schlechter Refinanzierung die Ambulanzen personell ausdünnen? Wie oft darf ein Krankenhaus seine Notaufnahme bei der Leitstelle abmelden? Hierzu gibt es keine verbindlichen Regelungen oder Grenzen. Zugespitzt gesagt, ist ein Pflichtversäumnis immer dann kaum nachweisbar, wenn alle Patienten zumindest eine Erstbeurteilung erhalten und bei der Versorgung nicht systemhaft Haftungsfälle auftreten, die auf einen organisatorischen Mangel hindeuten. Wartezeiten sind hingegen irrelevant, auch wenn sie regelhaft auftreten und die Zeitvorgaben des jeweiligen Triage-Systems immer wieder überschritten werden.

Wartezeiten und Qualitätssicherung

Die oben dargestellte unbefriedigende Unklarheit zu den tatsächlichen Versorgungspflichten einer Notaufnahme wird dadurch verschärft, dass auch hinsichtlich der Qualitätssicherungspflichten in der Notaufnahme rechtlich grundlegende Unklarheiten bestehen. Die §§ 135 ff. SGB V beschäftigen sich mit der Qualitätssicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Dort gibt es im Grundsatz nur Vertragsärzte und Krankenhäuser. Notaufnahmen sind formal den Krankenhäusern zuzuordnen, obwohl sie ambulante Versorgung durchführen. Sie unterliegen der vertragsärztlichen Qualitätssicherung nur, wenn sie im Rahmen des § 95 Abs. 1b SGB V durch Vertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung in die vertragsärztliche Notfallversorgung einbezogen sind. Im Bereich der Krankenhäuser finden die Notaufnahmen aber meist trotz ihrer atypischen Leistungsstruktur bei der Qualitätssicherung keine besondere Berücksichtigung. Insofern sind Wartezeiten oder Überschreitungen der Zeit, bis der triagierte Patient den Arzt sehen sollte, oder die allgemeine Patientenzufriedenheit derzeit zwar im Rahmen der privaten oder von den medizinischen Fachgesellschaften angebotenen Zertifizierungen zu berücksichtigen, spielen aber im Rahmen der Qualitätssicherung keine Rolle.

Vielleicht werden die G-BA-Beschlüsse (in Verbindung mit den Empfehlungen der Fachgesellschaften) bald auch im Hinblick auf dieses Thema an Bedeutung gewinnen. Derzeit führen sie dazu, dass die Höhe der Vergütungszuschläge sinkt, die die Krankenhäuser für die Notfallversorgung erhalten. Unbefriedigend ist weiterhin, dass sie im Wesentlichen nur Aspekte der Strukturqualität benennen. Wichtige Elemente der Sicherung der Prozessqualität sind jedoch noch nicht zu finden, wie z. B. die Vorgabe von verpflichtenden Teamtrainings oder Simulationstrainings.

Eine grundlegende Änderung der Situation ist nicht zu erwarten, jedoch wohl eine gewisse Weiterentwicklung im Bereich der Qualitätssicherung. Der Gesetzgeber hält sich auf Bundes- und Landesebene mit belastbaren Vorgaben zur Versorgungspflicht von Notaufnahmen vielleicht auch deshalb zurück, weil durch momentane Unterfinanzierung der Notaufnahmen selbst ein erheblicher Anteil an dem Problem verursacht wird. Stattdessen wird derzeit der Fokus auf die Verbesserung der Patientensteuerung gelegt. Diese soll dafür sorgen, dass Leichterkrankte von Anfang an nicht in den Notaufnahmen anlaufen und diese entlastet werden. Das ist vernünftig. Nur muss dann auch die Steuerung vernünftig funktionieren. Das wird wohl eine Zukunftsaufgabe werden.

1.1.3     Patient und Wartezeit – Was schuldet die Ambulanz?

Bezogen auf den einzelnen Patienten verbirgt sich hinter der Frage nach der zulässigen Obergrenze von Wartezeiten die Rechtsfrage, ob ein Patient Rechtsansprüche im Zusammenhang mit überlangem Warten haben kann.

Unproblematisch ist dies zu bejahen, soweit Wartezeiten als Ergebnis einer falschen ärztlichen Ersteinschätzung zu einer Gesundheitsschädigung bei dem Patienten geführt haben. In diesem Fall ist jedoch nicht die Wartezeit, sondern die medizinische Fehlbeurteilung des Sachverhaltes Grund für den Schadenersatzanspruch.

Kann aber der Patient auch wegen einer unangemessenen Wartezeit selbst Forderungen geltend machen? Auch wenn dies eine in der Praxis kaum auftretende Frage ist, lohnt sich die Betrachtung, um das Verhältnis der Rechte und Pflichten zwischen Notaufnahme und Notfallpatient etwas tiefer zu beleuchten.

Wenn der Patient nach Vorsprache am Ambulanztresen in den Wartebereich verwiesen wird, um dort vom Arzt aufgerufen zu werden, ist in der Regel durch schlüssiges Verhalten ein Vertragsverhältnis begründet worden, auch wenn dazu keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen wurden. So sagt die Krankenhausambulanz dem Patienten durch dieses Verhalten stillschweigend zu, ihn zu behandeln (§ 630a BGB) – es entsteht ein Behandlungsvertrag. Wann die Behandlung zu erfolgen hat, wird hierbei nicht genau vereinbart. Jedoch lässt sich dies durch Auslegung näher bestimmen. Nach den Umständen (§ 271 BGB) wird die Behandlungsleistung nämlich damit erst fällig, wenn nach der Verkehrsauffassung (§ 157 BGB) mit einer Behandlungsaufnahme zu rechnen ist. Und hier ist nun einmal zu bedenken, dass Notaufnahmen kein planbares Behandlungsgeschehen haben und eben auch längere Wartezeiten regelmäßig zu erwarten sind. Wann Wartezeiten aber das übliche Maß übersteigen, ist schwer zu sagen. Dies hängt von der Art und Schwere der Erkrankung ab, aber auch z. B. von der Frage, ob die Behandlung durch einen spezialisierten Facharzt durchgeführt werden muss und es deshalb üblicherweise längere Wartezeiten gibt. Mehrere Stunden sind allerdings sicherlich als Wartezeit nicht mehr tolerabel, insbesondere wenn nach der Erstbeurteilung eine wesentlich frühere Behandlung hätte erfolgen müssen. Aber dies allein reicht nicht für einen Schadenersatzanspruch. Vielmehr muss der Patient noch weitere Dinge darlegen und beweisen. So muss er ernstlich die Behandlung unter Verweis auf die Wartezeit angemahnt haben. Und dann muss er konkret vortragen, dass die Krankenhausambulanz die übermäßige Wartezeit zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB), diese also schuldhaft gehandelt hat. Das ist natürlich für den Patienten in der Regel nur schwer darzulegen und zu beweisen. Es hängt insoweit ein wenig von den Gegebenheiten vor Ort ab, ob der Patient hier wirklich Hintergründe erfährt. In der Praxis wird es daher nur äußerst selten vorkommen, dass Patienten aufgrund bloßen Wartens einen Schadenersatzanspruch verwirklichen können.

Umgekehrt ist aber der Patient regelmäßig auch keinen Ersatzansprüchen ausgesetzt, wenn er entnervt die Ambulanz verlässt – auch wenn dies natürlich keine wirklich sehr befriedigende Situation für ihn ist.

1.2       Sorgfaltspflichten und Behandlungsstandards in der Notaufnahme

Der vorstehende Abschnitt beschäftigte sich mit der Versorgungspflicht von Notaufnahmen, also der Frage, in welchem Umfang Notfallversorgung zu gewährleisten ist. Nachstehend soll die Frage erörtert werden, in welcher Qualität und Güte die Leistungen der Notaufnahmen erbracht werden müssen.

1.2.1     Ärztliche Sorgfaltspflicht: Facharztstandard

Grundsatz

Auch für Notaufnahmen gilt der in der Rechtsprechung entwickelte sogenannte Facharztstandard. Dieser besagt, dass bei der ärztlichen Behandlung im Regelfall auf den jeweiligen Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlicher Erfahrung abgestellt werden muss, der zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat. Maßgeblich sind insoweit regelmäßig Leitlinien, die von wissenschaftlichen Fachgesellschaften vorgegebenen werden (BGH, VersR 2010, S. 214 f.; vgl. auch OLG Hamm, NJW 2000, S. 1801 ff., Carstensen 1989, B 1736/7).

Behandlung durch Nicht-Fachärzte – Was ist zu beachten?