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© Philip Brohl

Carolin Kebekus

Die Kölnerin wurde 1980 geboren und ist als Komikerin, Sängerin und Schauspielerin bekannt geworden. So sah man sie unter anderem in Comedy-Formaten wie Quatsch Comedy Club , RTL Freitag Nacht News oder Die Sat.1-Wochenshow . Ihre Comedyshow Broken Comedy (Pro7) wurde 2010 für den Adolf-Grimme-Preis nominiert. Für die RTL -Produktion Kinder, Kinder stand sie als Schauspielerin vor der Kamera, die Serie wurde 2007 mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. 2011 erschien ihr Debütalbum »Ghetto Kabarett«, gleichzeitig ging sie mit ihrem erstem Bühnenprogramm »Pussyterror« auf Tournee.

Carolin Kebekus

Pussyterror

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

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Copyright © 2011 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Mitarbeit: Lutz Birkner und Marc Löb

Redaktion: Dr. Annalisa Viviani, München

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie, Zürich,
unter Verwendung eines Fotos von Philip Brohl

Satz und eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-06531-7
V002

www.heyne.de

Für deine Mutter

Inhalt

Vorwort

Sitzen mit Witzen

Knattern, Kotzen und Kamelle – Karneval in Köln

Who’s ya Daddy?

Mein dunkelstes Geheimnis

Mein Ghetto

Jesus sieht alles

Wenn der Dildo den Gameboy ersetzt – meine Pubertät

Ich bin keine Frau

Das letzte Geheimnis der Menschheit

Ich glotz TV

Exfrau – der härteste Job der Welt

Einmal erschrocken bitte!

Wissen macht »Au-Ah!«

Maskenball mit Stroh – mein Pornokonsum

Vorwort

Ja, ich habe ein Buch geschrieben. Sonst könnten Sie es ja auch nicht in Ihren Händen halten.

Ich habe das Buch geschrieben, weil ich das Bedürfnis danach hatte, und auch mein Arzt hatte mir dazu geraten. Er hofft, dass es sich gut verkauft, damit ich endlich meine Rechnungen bei ihm bezahlen kann. Es ist also quasi eine sogenannte Win-win-Situation für mich und meinen Arzt.

Aber auch für Sie liebe Leser. »Wat? Hä? Steht da etwa derselbe Schrott drin, den die Tante schon abends auf der Bühne faselt?!«, mag manch ein aufmerksamer Kunde einwenden. Weit gefehlt, junger Freund denn Pussyterror ist nicht bloß mein allererstes Soloprogramm in Schriftform. Dieses Buch enthält auch Geschichten, die ich gerne auf der Bühne erzählen würde, aber nur im Beisein meines Anwalts erzählen dürfte und der kann nun mal nicht jeden Abend. Das Buch hat er mit mir so formuliert, dass uns keiner an den Karren pissen kann.

Also auch für Sie, der Sie mich schon live gesehen haben, eine Win-win-Situation, denn Sie bekommen ganz neue Storys aufgetischt. Und jetzt kommt das Verkaufsargument Numero uno: Sie können sich mein Liveprogramm abends im Theater anschauen, sich danach hemmungslos besaufen, ohne Angst zu haben, alles wieder zu vergessen, was ich erzählt habe, denn Sie können die wesentlichen Teile am nächsten Tag in diesem Werk nachschlagen!

Seltsam? Aber so steht es geschrieben.

Ihre Carolin Kebekus

Sitzen mit Witzen

Ich habe neulich was erlebt, von dem ich dachte, das hast du zum Glück endlich hinter dir. Ich hatte seit Langem wieder einen Auftritt, bei dem die Leute nicht freiwillig zu mir gekommen sind, sondern im Publikum saßen, weil sie nix Besseres zu tun hatten und weil ihr Alltag noch langweiliger ist als das, was ich von mir gebe: Ich bin in einer JVA aufgetreten. JVA steht nicht für Jägerverein Aachen, sondern für Justizvollzugsanstalt. Also Knast, Bau, Kittchen, Gefängnis.

Es ist ja nun mal so, jeder, der vor einem Publikum auftritt, hat dasselbe Ziel: Egal ob im Stadion vor 50000 Menschen, in kleinen Clubs oder wie Roberto Blanco bei einer Baumarkteröffnung, alle wollen, dass das Publikum aus freien Stücken zu einem kommt und sich möglichst kaputtlacht … Also, im Fall von Roberto Blanco ist es nicht so toll, wenn sie sich kaputtlachen, bei mir schon. Aber ich kann Ihnen sagen, es dauert eine Weile, bis das Ding einmal rund läuft. Das war zumindest bei mir so. Bei meinen ersten Auftritten waren mehr Personen auf der Bühne als im Publikum. Und noch mal zur Erinnerung: »Ich bin alleine unterwegs!« In der nächsten Phase waren es immer so um die zwanzig Leute, aber nach drei, vier Auftritten hatten meine Freunde dann auch keinen Bock mehr, sich meine Witze wieder und wieder anzuhören.

Man nutzt am Anfang einfach jede Möglichkeit aufzutreten und erlebt dabei Momente, bei denen man sich erschießen möchte und sich fragt, warum man nicht einfach was Vernünftiges gelernt hat.

Zuerst ist man unfassbar stolz, weil man beim »Open Air Humorfest« auftritt, und vor Ort stellt man fest, dass es einfach nur ein pupsiges Straßenfest mit drei Bierständen ist, die von allen acht Besuchern des Straßenfestes schon so gut besucht wurden, dass die Hälfte von ihnen bereits unter dem Kinderschminkstand eingeschlafen ist.

Man wird also vom Moderator/ortsansässigen Frisör und Schützenkönig angekündigt mit den Worten: »Jetzt kommt eine, die ist mal ’ne richtige Ulknudel (dieses Wort verursacht allein schon schlimmen Brechreiz), die eure Lachmuskeln strapazieren wird! Hier ist Caaaaroliiin Kiickskibuuuuu!«

Wenn man Glück hat, dann bekommt den Auftritt einfach niemand mit außer der stark angetrunkenen Oma, die alleine vor der Bühne steht und wartet, dass endlich ihre Enkelin mit der Ballettgruppe auftritt. Oder man wird während des Auftritts von Passanten gefragt, wo denn die Toilettenhäuschen sind

Und dann kam die Phase, die auch Roberto Blanco und seine alternden Schlagerkollegen kennen. Zwar bin ich noch nicht bei einer Baumarkteröffnung aufgetreten, aber dafür schon einmal in einem Flugzeughangar. »KABARETTFESTIVAL IM HANGAR« hieß es. Wow! Im Endeffekt ist es so ähnlich wie bei »ROBERTO BLANCO IN DÜSSELDORF«, man muss immer auch das Kleingedruckte lesen: »ROBERTO BLANCO IN DÜSSELDORF im Toom-Baumarkt«. Und so war es auch bei mir, das »KABARETTFESTIVAL IM HANGAR«, von dem ich natürlich all meinen zwanzig Freunden schon vorgeschwärmt hatte, war das KABARETTFESTIVAL beim stinknormalen Tag der offenen Tür im Flughafen Hof–Plauen. Vor mir ist ein Zauberer aufgetreten, der Luftballons für Kinder geknotet hat. Warum der sich Zauberer nennt, ist mir bis heute ein Rätsel. »Ich kann Luftballons nehmen und sie so lange mit sich selbst verknoten, bis sie aussehen wie verknotete Luftballons.« Er hätte mit einem Stift dranschreiben sollen, um was für ein Tier es sich handelt, das hätte geholfen. Außerdem hatten alle Anwesenden einen Tinnitus von der Luftballonquietscherei, die er vor einem angeschalteten Mikro durchgezogen hat. Und nachdem er mir den Weg bereitet hatte, durfte ich dann vor die Familien treten. Jedes Kind hat fröhlich mit seinem geknoteten Tier weitergequietscht, die meisten von ihnen saßen nicht bei ihren Müttern, sondern direkt bei mir auf der Bühne und schauten mich mit riesigen, unschuldigen Kinderaugen an. Ich stellte mir, als ich da so vor den Familien stand, die Frage: »Was genau hast du noch mal im Programm, das jugendfrei ist?« Nun, die Antwort fiel recht kurz aus NICHTS.

Es gibt einen Kollegen aus Hamburg, dem ist so was scheißegal. Der sagt sich, der Veranstalter weiß, wen er sich da auf die Bühne geholt hat, und zieht seinen Stiefel eiskalt durch. »So, ihr Drecksblagen, runter von der Bühne und Ohren zuhalten. Der Onkel erzählt jetzt eurer Mama, wie das mit dem klitoralen Orgasmus und der Fellatio am besten funktioniert und wie man Colaflaschen wieder aus dem Rektum entfernt, ohne dass man sich ernsthaft verletzt.« Ja, aber dem Kollegen aus Hamburg ist es auch egal, wenn er mit Bierflaschen und Frittenschalen beworfen wird. Ich glaub, da wird der erst richtig geil. Ich bin da etwas anders gestrickt.

Wie soll ich das sagen, es bremst schon etwas aus, wenn man sich über idiotische Kindernamen wie Jacqueline lustig macht und auf einmal fünf Mädchen im Publikum anfangen zu weinen, weil sie denken, sie seien gemeint. Aber auf irgendeine Weise waren selbst diese Menschen freiwillig bei meinem Auftritt oder zumindest freiwillig im Flughafen.

Wie gesagt, die meisten Menschen kommen freiwillig zu meinen Auftritten, es sei denn, ich trete in einer JVA auf. Denn ja, auch dort wird für die Insassen Programm gemacht. In diesem Fall war es so ein Kulturförderprogramm, das hieß »Länger sitzen mit Witzen« oder so ähnlich. Warum Programm für die Insassen einer JVA gemacht wird? Na ja, weil denen manchmal oft immer langweilig ist. Mein Management meinte: »Mach das doch mal, Carolin. Das ist doch ’ne superneue Erfahrung.« Tolles Management Loch im Kopf ist auch ’ne Erfahrung. Brauch ich aber auch nicht. Ich habe mein Leben lang darauf hingearbeitet, nicht in den Bau gehen zu müssen (siehe auch Kapitel »Who’s ya Daddy?« oder alles, wo mein Vater seine Finger drinhat), und dann marschier ich freiwillig da rein. Ich muss schon sagen, am Anfang hatte ich ein bisschen Schiss. Man weiß ja nie, was da so passiert. Ich hab damals alle Folgen »Hinter Gittern« gesehen, und ich kann mir Schöneres vorstellen, als die nächste Geisel von »Walter« zu werden und von ihm offiziell zu seiner neuen Leckschwester geschlagen zu werden. Sicher, andere sind auch schon im Knast aufgetreten. Die Jungs von Metallica zum Beispiel, doch die sind groß, zu viert und tätowiert. Aber ich muss sagen, als ich erst mal da war, wurde es dann richtig nett. Ich habe mich fast wie zu Hause gefühlt. Jetzt nicht im übertragenen Sinne, sondern wirklich wie zu Hause. Ich habe nämlich viele von meinen alten Kumpels aus der Grundschule wiedergetroffen und wohlgemerkt, nicht weil sie eine Karriere als Wärter gemacht haben. Es war wie ein kleines Klassentreffen.

Und weil ich mich so gefreut habe, sie alle wiederzusehen, habe ich auch schon direkt bei der ersten Begrüßung den ersten Fauxpas gerissen: »Ey Mensch, das gibt’s doch nicht. Wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen. Was macht ihr denn jetzt so? Wo habt ihr denn die letzten Jahre bloß gesteckt?« Die Frage war echt noch blöder als diese Scheißfernsehquizfragen:

Was ist ein italienisches Dessert?

a) Tiramisu?

Oder

b) Hirschgulasch?

Wo habt ihr denn die letzten Jahre bloß gesteckt?

a) Wir waren auf sehr langen Reiterferien auf Amrum!

Oder

b) Im Knast, du Arsch?

Ja, man muss wirklich ein bisschen umdenken, wenn man im Knast auftritt. Mein Programm musste ich auch anpassen. Ich hab einfach einiges weggelassen. Ich konnte ja schlecht da rausgehen und sagen:

»Boah, kennt ihr das, im Wald spazieren gehen? Superspießig.«

Oder

»In den Urlaub fahren? Superstressig.«

Oder

»Wie blöd ist es bitte, wenn man sich selbst ausgesperrt hat? Superärgerlich.«

Das hätte sich vor Gefängnisinsassen irgendwie falsch angefühlt. Auch den sonst so harmlosen Tipp zum Abschluss: »Leute, kommt gut nach Hause!«, habe ich lieber weggelassen. Na ja, aber alles in allem war mein Auftritt in der JVA ein Erfolg. Ich glaube, es hat allen gefallen. Sie sind immerhin alle bis zum Schluss geblieben.