Tina Blase
Polizeiruf 110
Die Bad Homburg-Folgen
nach den Filmen von
Titus Selge

Prolog

Der magere schwarze Kater hatte Hunger. In dem niedrigen alten Fachwerkhaus am Rand der Bad Homburger Altstadt hatte er stets Futter vorgefunden. Seit zehn Tagen aber blieb sein Napf leer, und es war schwierig, in der unter Schnee und Frost erstarrten Stadt etwas Fressbares aufzutreiben. Er sprang durch das wie immer gekippte Kellerfenster in den Heizungsraum des Hauses und lief die Treppe hoch in den Flur und weiter in die Küche. Zielstrebig steuerte er seinen Napf an, der aber immer noch leer war. Er hob den Kopf und schnupperte. Allmählich verströmte der Körper auf dem Stuhl am Küchentisch einen starken Geruch. Er hatte bereits Fliegen und anderes Getier angezogen. Geschmeidig sprang der schwarze Kater auf den Tisch.
Der alte Mann hing schwer in seinem Stuhl, mit dem Kopf auf der Brust, so dass die weit geöffneten Augen auf seinen Schoß herab starrten. Ein Arm lag vor ihm auf der grau melierten Resopalplatte, direkt neben einem tiefen Teller mit verkrusteten Essensresten. Der Esslöffel war zu Boden gefallen.
Interessiert schnupperte der Kater an dem Teller, der ihm aber nichts Genießbares zu bieten hatte. Er wandte sich der Hand zu. Seit er dem Alten vor zwei Jahren zugelaufen war, hatte er nicht solchen Hunger leiden müssen.