Tania Konnerth

Von der Seele schreiben

Auf Entdeckungsreise zu mir selbst

Impressum

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2015

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Umschlagmotiv:© Designbüro Gestaltungssaal

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book) 978-3-451-80377-2

ISBN (Buch) 978-3-451-31576-3

Dieses Buch widme ich meiner Oma,

die mich zum Schreiben brachte,

und Frau Liebig, die mich ermutigte,

dabei zu bleiben.

Inhalt

Von der Seele schreiben – ein Vorwort

Worum es in diesem Buch geht

Es geht um Sie!

Aber ich kann doch gar nicht schreiben 

Sind Sie bereit?

Sie brauchen Schreibmaterial

Kleine Portionen Zeit

Noch ein paar Tipps zu diesem Buch

Bitte nur keinen Druck!

Frei und spielerisch

Alles zulassen

Warum eigentlich über sich selbst schreiben?

Hier schreibe ich!

Der Beginn eines Dialogs der anderen Art

Anfangen ist alles

Abenteuer Schreiben – Abenteuer Ich

Mein Leben – meine Zeit

Rückblicke – unsere Vergangenheit

Einblicke – die Gegenwart

Ausblicke – das, was kommt

Über das ganze Leben schreiben

Rückblicke – Was alles hinter mir liegt

All unsere Erinnerungen annehmen

Das Kind, das wir einmal waren, neu kennenlernen

Über die Tiefe entscheiden Sie

Mitgefühl mit sich selbst entwickeln

Mit den dunklen Zeiten Frieden schließen

Alte Wunden versorgen

Die inneren Muster erkennen

Erkennen, heilen und loslassen – drei Schritte, um intensiver zu leben

Einblicke – Was jetzt ist

Schreiben im Alltag

Achtsamkeit im Alltag

Mein Tagebuch – ganz allein für mich

Ein kostbares Stück privater Raum

Tagebücher für besondere Zeiten

Auf der Spur zu mir

Schreibend durch dunkle Zeiten

Das Leben ist nicht immer glücklich

Sich besser zu verstehen macht es möglich, besser für sich zu sorgen

Der Schmerz des Verlustes

Jetzt leben heißt intensiv leben

Ausblicke – Was vor mir liegt

Lebenszeit ist unser kostbarstes Gut

Klassische Zukunftsschreibübungen

Der Kopf spricht, der Bauch fühlt

Was brauche ich eigentlich?

Zukunft nicht nur planen, sondern auch fühlen

Und wie geht es weiter?

Die Sammlung meines Lebens

Loslassen und Ballast abwerfen

Oder auch mehr daraus machen

Vom Schreiben für mich zum Schreiben für andere

Was ist mein Ziel?

Was jetzt dazukommt: die Bewertung

Der erste Schritt: einen Überblick bekommen

Die nächsten Schritte bestimmen

Von der Sammlung zum Konzept

Texte feilen – wenn Schreiben zur Arbeit wird

Mein Leben – ein Buch

Ein kurzer Gedanke an die anderen

Mein Leben in Kurzgeschichten

Autobiografische Lyrik

Ein kunterbuntes Lesebuch

Alternativen zur Buchveröffentlichung

Kleines Verzeichnis der Schreibmethoden

Literaturtipps

Von der Seele schreiben – ein Vorwort

„Schreiben heißt finden, was in dir lebt.“

Rutger Kopland

Von der Seele schreiben – als mir dieser Titel für ein neues Buch vorgeschlagen wurde, jubelte ich und sagte sofort zu. Das Schreiben über sich selbst, das ist mein Thema! Wie oft habe ich mir schon etwas von der Seele geschrieben, wie oft konnte ich mich durch das Schreiben befreien und wie vieles wurde mir durch das Schreiben klarer. Eine Menge von dem, was ich erst nur für mich selbst schrieb, konnte ich später in Artikeln, Büchern und Gedichten verarbeiten und so auch andere Menschen damit bereichern.

Ich schreibe schon, solange ich denken kann. Als Kind bekam ich von meiner Oma ein Tagebuch geschenkt, ein grünes, denn Grün war damals meine Lieblingsfarbe. Es hatte eine goldene Schnittkante, und es gab einen kleinen goldenen Schlüssel für ein winziges Schloss. Seit diesem Tag ist das Schreiben mein treuer Begleiter geworden und ich habe ungezählte Tagebücher, Blöcke und Dateien gefüllt. Das Schreiben hat mich durch schöne und durch dunkle Zeiten begleitet, und ich habe aus dem Schreiben meinen Beruf gemacht.

Ich schreibe Bücher, betreibe mehrere Blogs, entwickele Selbstlernkurse, coache im Schreiben und habe Schreibkurse zu verschiedenen Themen veranstaltet. In diesen Kursen konnte ich schon viele Menschen dafür begeistern, das Schreiben auch für sich zu entdecken.

Das Schreiben und ich – das gehört zusammen. Und mit diesem Buch möchte ich Ihnen einen Weg zeigen, wie das Schreiben auch Teil Ihres Lebens werden kann. Viele, die sich von mir zum Schreiben verlocken lassen haben, melden mir bis heute zurück, wie wichtig und wertvoll ihnen das Schreiben geworden ist, und das freut mich sehr!

Von der Seele schreiben – das hat einen ganz wundervollen Doppelklang für mich: Einmal geht es darum, sich durch das Schreiben zu erleichtern, sich zu befreien, Ballast abzuwerfen und etwas verarbeiten zu können, vielleicht, um es besser zu verstehen, vielleicht auch, um es loszulassen. Es steckt aber noch eine zweite Ebene darin. Nämlich die, statt unseres Verstandes unsere Seele sprechen zu lassen, sich also auf das Abenteuer einzulassen, aus den Tiefen unseres ganz eigenen Seins mit dem Schreiben zu beginnen.

Mit diesem Buch werden Sie erleben, wie vielfältig sich das Schreiben nutzen lässt.

Freuen Sie sich auf das, was Sie entdecken werden!

Ihre Tania Konnerth

Worum es in diesem Buch geht

Es gibt etliche Bücher, die zum autobiografischen Schreiben anleiten, und es gibt viele, die mit Schreibmethoden arbeiten, um z. B. zu mehr Kreativität oder Selbsterkenntnis zu gelangen. Das vorliegende Buch will deshalb keine weitere Anleitung sein und auch kein Programm bieten. Ich präsentiere Ihnen vielmehr meine ganz persönliche, reich gefüllte Schatzkiste an Ideen, Anregungen, Übungen und Methoden, mit denen ich das Schreiben auf vielfältigste Weise für mich selbst nutze. Damit möchte ich Ihnen Lust darauf machen, das Schreiben auch für sich auszuprobieren, um herauszufinden, welche Geschenke es für Sie bereithält.

Aber über das eigene Leben schreiben – ist das nicht vor allem Berühmtheiten vorbehalten? Schauspielern, die auf eine bewegte Karriere zurückschauen? Schriftstellern, die ihr ganzes Leben geschrieben haben? Oder klugen Köpfen wie Wissenschaftlern und Philosophen, die viel zu sagen haben? Und schreiben – kann ich das überhaupt? Wo ich doch noch nie wirklich etwas geschrieben habe? In der Schule hat mir Deutsch schon Spaß gemacht, aber ich und schreiben? Tja, und wozu soll ich das eigentlich tun? Als ob ich nicht genug zu tun hätte! Wann soll ich dafür Zeit finden? Und worüber soll ich denn schreiben? Wirklich spannend ist mein Leben ja auch nicht gerade …

Vielleicht gehen Ihnen solche und ähnliche Gedanken durch den Kopf. Vielleicht können Sie es aber auch kaum erwarten, loszulegen, denn Sie wissen oder ahnen zumindest, dass das Schreiben genau das Richtige für Sie sein könnte. Vielleicht sind Sie gerade auf der Suche nach einem Sinn oder einer Richtung. Vielleicht geht es Ihnen auch gerade rundum gut und Sie wünschen sich, diese Energie ausleben zu können. Vielleicht sind Sie in einer Umbruchphase oder auch in einer Sackgasse. Vielleicht sind Sie müde und erschöpft oder aufgedreht und quirlig. Vielleicht sind Sie schon etwas älter oder Sie sind noch ganz jung. Vielleicht blicken Sie auf Erfolge zurück, vielleicht auf ein Scheitern. Vielleicht haben Sie Kinder, vielleicht leben Sie allein.

Was auch immer es ist, das Sie mitbringen – alles darf sein, und vor allem: Alles darf sich ausdrücken. Denn darum geht es in diesem Buch: um Selbstausdruck. Es geht darum, Worte zu finden für sich, die eigenen Gefühle und das, was man erlebt. Es geht darum, auszusprechen und zuzuhören – sich selbst zuzuhören.

Es gibt für dieses Buch kein festgesetztes Ziel. Was Sie daraus machen, ist deshalb vollkommen offen. Vielleicht beginnen Sie, ein Tagebuch zu führen, vielleicht entdecken Sie die Lyrik für sich. Vielleicht finden Sie zu einem Dialog mit sich selbst oder Sie bringen Ihre Lebensgeschichte aufs Papier. Vielleicht beleuchten Sie einige Phasen Ihrer Vergangenheit, vielleicht konzentrieren Sie sich ganz auf das Jetzt oder Sie planen das, was kommen soll. Vielleicht auch all das zusammen. Das Einzige, was zählt, sind Sie selbst. Mit genau dem, was in Ihnen ist, was Ihnen guttut und was Sie möchten. Es geht um das Schreiben für sich selbst und um nichts anderes.

Mit welcher Motivation Sie auch immer zu diesem Buch greifen, ob Sie es geschenkt bekommen oder es sich selbst gekauft haben, ob Sie skeptisch sind oder ganz offen – ich möchte Sie an dieser Stelle abholen zu einer mehr als spannenden Reise.

Es geht um Sie!

Es wird eine Reise durch Ihr Leben werden und auch eine Reise zu Ihnen selbst. Wir werden Wörter und Sätze dazu nutzen, Verborgenes zu entdecken und Bestehendes strahlen zu lassen. Wir werden auf den Flügeln von Schreibmethoden reisen und dem, was in uns ist, Ausdruck verleihen. Wir werden kleine und große Gefühle benennen, Alltäglichkeiten und Besonderes festhalten, Geschichten erzählen und Poesie erschaffen und vieles, vieles mehr.

Dabei ist es vollkommen unerheblich, welche Vorerfahrungen Sie haben. Sie starten einfach genau da, wo Sie ganz persönlich gerade stehen. Vielleicht haben Sie noch nie für sich geschrieben, vielleicht aber schreiben Sie schon lange und suchen nach neuen Impulsen oder stecken gerade in einer kreativen Schaffensblockade. Die Ideen und Methoden, die Sie hier kennenlernen, können viel in Ihnen bewegen, können Ihnen Neues über sich zeigen und bereits Vergessenes wieder aufleben lassen – und das unabhängig davon, ob Sie die Techniken nun schon kennen oder nicht. Ich greife auf all die vorgestellten Methoden selbst immer und immer wieder zurück und nutze sie für alle möglichen Bereiche in meinem Leben. Sie finden in diesem Buch auch ganz persönliche Beispiele, denn ich glaube, dass diese Texte am besten illustrieren, wie vielfältig Sie das Schreiben für sich selbst nutzen können. Wie ich schon sagte: Ich teile hier meine ganz persönliche Schatzkiste mit Ihnen.

Aber ich kann doch gar nicht schreiben …

Wann immer ich über das Schreiben rede, erlebe ich bei ganz vielen Menschen eine ähnliche Reaktion: Die meisten sind fasziniert vom Scheiben und würden es zu gerne selbst tun, aber genauso viele sagen auch sofort: Aber ich kann doch gar nicht schreiben! Dann antworte ich: Schreiben kann jeder! Und das meine ich so.

Über sich selbst zu schreiben stellt grundsätzlich keine Ansprüche oder Erwartungen und es braucht keine Voraussetzungen. Sie müssen also nichts können, nichts erfüllen und nichts erreichen. Ja, Sie lesen richtig: Es geht ausdrücklich nicht darum, „gut“ zu schreiben oder „richtig“ oder „mit einem guten Stil“. Leider sind sehr viele Menschen wesentlich von den Bewertungen im Deutschunterricht geprägt, in denen uns der Rotstift zeigte, was alles „falsch“ und „schlecht“ an unseren Texten war. Der „innere Kritiker“ ist beim Schreiben ähnlich stark am Werk, als wenn es ums Malen oder Zeichnen geht. Das ist schade, denn damit hemmen und blockieren wir uns oft massiv selbst.

Versuchen Sie bitte, sich von den Regeln und Vorgaben zu befreien, die Sie zum Schreiben im Kopf haben. Je freier Sie sich davon machen können, desto freier werden die Wörter fließen. Über sich selbst zu schreiben, ist einfach nur ein Weg, stellt Ihnen ein Reisemittel zur Verfügung, will Sie verlocken und verführen. Es fordert Sie vielleicht heraus und zeigt Ihnen Neues. Oder es bringt Ihnen Altes neu in Erinnerung und lässt Sie manches anders sehen. Es bringt Sie sich selbst nahe und lässt Sie sich selbst ausprobieren.

Beim autobiografischen Schreiben, wie ich es verstehe, geht es nicht um literarische Bewertungsmaßstäbe, nicht um Stilvorgaben oder Ausdrucksrichtlinien. Es geht um etwas ganz anderes: um Sie und um Ihre ganz eigene Stimme. Und die finden Sie nur, wenn Sie den Mut haben, tatsächlich zu schreiben.

Glauben Sie mir: Sie müssen wirklich nichts können für die Übungen in diesem Buch. Seien Sie einfach nur ein bisschen neugierig und offen. Dann werden Sie erleben, dass viel mehr in Ihnen steckt, als Sie ahnen.

Sind Sie bereit?

Um loszulegen, brauchen Sie nicht viel.

Sie brauchen Schreibmaterial

Sie sollten etwas Schreibmaterial parat haben, also am besten verschiedene Stifte und einige große Bögen Papier, dazu noch ein schönes Journal oder einen Schreibblock, ganz wie es Ihnen gefällt.

 Tipp: Viele kaufen sich für ein solches Schreibprojekt ein besonders schönes Blankobuch. Wenn es aber zu wertvoll erscheint, kann das hemmen, auch wirklich hineinzuschreiben. Ich kann Ihnen jetzt schon versichern, dass Sie nicht nur in Schönschrift schreiben, sondern manchmal auch einfach nur schnell einige Wörter oder Einfälle aufkritzeln werden. Bitte wählen Sie deshalb ein Journal, in dem Sie sich das erlauben. Niemand außer Ihnen wird lesen, was Sie für sich schreiben, und es gibt keine Noten für Schönschrift.

Sie können natürlich auch den Computer nutzen, um die Übungen zu bearbeiten. Dabei ist aber wichtig zu wissen, dass das Schreiben mit der Hand oft eine ganz andere Wirkung hat als das Tippen auf der Tastatur. Ich empfehle Ihnen, ruhig beides auszuprobieren und dem nachzuspüren, was Ihnen für welche Themen oder Projekte mehr liegt. Meine Lyrik und persönlichen Gedanken notiere ich zum Beispiel immer mit der Hand, während ich Blogbeiträge und meine Bücher am Rechner schreibe.

Kleine Portionen Zeit

Was Sie noch brauchen, ist Zeit – und genau das ist für viele Menschen ein heikler Punkt. Wer hat schon heute noch die Muße, sich für Stunden ins Schreiben zu versenken (auch wenn genau das ihm vielleicht sogar sehr gut tun würde)? Wie bei den meisten Menschen wird auch Ihr Terminkalender eher zu gut gefüllt sein. Aber oder auch gerade deshalb kann das Schreiben für Sie eine gute Möglichkeit sein, etwas für sich selbst zu tun. Denn tatsächlich brauchen Sie keine Stunden. Es können fünf Minuten ausreichen, um sich schreibend etwas näherzukommen! Ich werde Ihnen in diesem Buch genau solche Schreibanregungen geben, aber auch solche, die etwas mehr Zeit brauchen, damit Sie ganz nach Bedarf Zeitinseln schreibend füllen können.

Noch ein paar Tipps zu diesem Buch

Dieses Buch ist vor allem eines: gehaltvoll. Sie werden hier eine große Fülle von Anregungen und Übungen zum Schreiben über sich selbst finden. Manche sind leicht und unbeschwert, andere gehen tiefer, und manche wiegen auch etwas mehr.

Das Buch ist weniger dazu gedacht, es mit Tempo von vorne nach hinten durchzuarbeiten. Es ist vielmehr eine Art Reisebegleiter. Es öffnet die Türen zum autobiografischen Schreiben für Sie und nimmt Sie mit auf die spannende, aufregende und abenteuerliche Reise durch Ihr eigenes Leben und zu sich selbst. Das Buch macht Sie auf Themen und Techniken aufmerksam, die Sie bisher noch nicht kannten oder vielleicht aus den Augen verloren haben. Es will Sie ermutigen, anregen, verführen und einladen, und es wird sie durch die lichten und bunten Schreibmomente genauso begleiten, wie durch die eher dunklen.

Haben Sie bitte keine Angst vor dem, was Ihnen das Schreiben über sich selbst zeigen wird. Keine der vorgestellten Übungen ist eine manipulative, denn ich glaube nicht, dass wir die Schutzmechanismen unserer Psyche umgehen sollten. Sie weiß in den meisten Fällen sehr gut, was wir verarbeiten können und was vielleicht noch nicht. Manchmal wird das Blatt auch leer bleiben. Das ist nicht schlimm, sondern in diesem Moment dann einfach richtig.

Sie haben eine wahrhaft wundervolle Reise vor sich. Vertrauen Sie dem Prozess des Schreibens und vertrauen Sie sich selbst. Es geht hier nicht nur um Ihr Leben, sondern es geht auch um Ihren Weg, Ihren ganz eigenen, persönlichen Schreibweg. Suchen Sie sich einfach die Übungen aus, die Sie ansprechen, und lassen Sie sich von den Themen dazu verlocken, sich immer mehr mit sich selbst zu befassen.

Bitte nur keinen Druck!

Schreiben zu wollen, kann einiges an Druck erzeugen. Dann nimmt man sich übel, dass man nicht vorankommt, nur „Blödsinn“ schreibt oder nicht so dranbleibt, wie man das vorhatte.

Für berufliche Projekte ist die Fähigkeit, sich auch mal selbst anzutreiben, oft förderlich, nicht aber, wenn es um das Schreiben für sich selbst geht. Da ist Druck fehl am Platz. Sie sollen ja nicht schreiben, weil Sie glauben, das tun zu müssen, sondern das Schreiben sollte eher zu einem inneren Bedürfnis werden. Ich zwinge mich nie dazu, für mich selbst zu schreiben, weil das nichts bringt. Der Impuls, mich hinzusetzen und „ein bisschen zu schreiben“ (so nenne ich das, wenn ich schriftlich meinen Gedanken und Gefühlen folge oder einfach nur notiere, was gerade in mir ist), kommt von ganz allein, weil es mir ein Bedürfnis ist. Manchmal mehrmals in der Woche, dann wieder für einige Wochen gar nicht.

Früher habe ich sehr regelmäßig Tagebuch geführt. Ich stellte aber fest, dass viele Einträge nichtssagend und oberflächlich blieben. Das lag daran, dass ich das Tagebuchschreiben an manchen Tagen wie eine lästige Hausaufgabe empfand, die ich zwar pflichtbewusst erfüllte, aber bei der mein Herz nicht beteiligt war. Bis mir irgendwann der Gedanke kam, dass es doch gar keinen Sinn macht, mich zum Schreiben zu bringen, wenn nichts zum Schreiben in mir ist oder ich nicht bereit bin, mich darauf einzulassen. Wem wollte ich damit denn etwas beweisen? Dieser Gedanke erleichterte mich enorm, und ich schrieb von da an nur noch dann für mich selbst, wenn ich wirklich schreiben wollte.

Damit möchte ich Sie ermutigen, das Schreiben ebenfalls ganz nach Ihren eigenen Bedürfnissen zu nutzen. Bei einigen Übungen schlage ich Ihnen vor, diese eine Zeit lang täglich zu wiederholen, aber das ist nur eine Anregung, keine Vorschrift! Noch einmal, weil es so wichtig ist: Es gibt kein Muss beim Schreiben über sich selbst, sondern nur Möglichkeiten. Sie entscheiden immer selbst.

Ich glaube, das Wichtigste beim Schreiben für sich selbst ist, sich klar zu machen, dass es hier ganz allein um Sie geht und um niemanden sonst (und damit auch um keine Erwartungen, Anforderungen oder Ansprüche von anderen). Sie müssen niemandem gefallen, niemanden beeindrucken und sind niemandem Rechenschaft schuldig.

Frei und spielerisch

So, wie nicht jeder Tag zum Schreiben geeignet ist, ist auch nicht jede Methode für jedes Thema passend und auch nicht jedes Thema jeden Tag bearbeitbar. Wenn Sie also mit einer von mir vorgeschlagenen Übung nicht weiterkommen, probieren Sie diese vielleicht einfach an einem anderen Tag aus oder nutzen Sie eine andere Methode für das Thema.

Es gibt auch bei den Methoden selbst keine unabänderlichen Regeln, sondern es handelt sich auch dabei um Vorschläge. Die dargestellten Methoden funktionieren in der beschriebenen Weise für viele Menschen gut, aber wenn Sie eine andere Idee haben und eine Technik anpassen oder umwandeln wollen, dann nur zu! Spielen Sie mit all den Möglichkeiten, die Sie haben. Nutzen Sie die Methode, die Ihnen spontan in den Sinn kommt, kombinieren Sie Techniken und erfinden Sie sie neu. Springen Sie nach Lust und Laune von Thema zu Thema, schreiben Sie mal hier, mal da. 

Am Ende des Buches finden Sie eine Übersicht über die hilfreichsten Schreibmethoden, damit Sie diese jederzeit nachlesen und anwenden können, auch wenn sie in diesem Buch an der Stelle, an der Sie ins Stocken geraten, vielleicht gerade nicht erwähnt sind. Wählen Sie immer das, was am besten für Sie funktioniert. Das Schreiben soll ja nicht Selbstzweck sein, sondern es soll Ihnen etwas geben: Freude, Erkenntnisse, die Möglichkeit zum Selbstausdruck und sich auszuprobieren. Je freier und spielerischer Sie mit den Methoden umgehen, desto besser können sie ihre Wirkung entfalten.

Alles zulassen

Bitte lassen Sie alles zu, was während den Übungen aus Ihnen heraus will. Die meisten Menschen neigen dazu, sich gewisse Gedanken oder Formulierungen nicht zu gestatten, und schreiben diese nicht auf. Mit einer solchen Selbstzensur verhindern Sie sehr wirkungsvoll einen freien Schreibfluss. Wenn Sie aber alles zulassen, auch das, was Ihnen vielleicht peinlich ist, was Sie für dumm oder falsch halten oder was Ihnen sogar ungeheuerlich vorkommt, ermutigen Sie sich selbst dazu, wirklich aus sich zu schöpfen.

Beim Schreiben für sich selbst geht es darum, sich selbst zu entdecken – und das eben in allen Facetten. Ihr Vorzeige-Ich leben Sie schon den lieben langen Tag, seien Sie einmal gespannt, wer oder was sich alles in Ihnen zeigt, wenn Sie sich keinen Maulkorb verpassen.