Geschichten aus den Bergen

von


Mitten im Glück.

Nicht weit vom Dorfe mit dem kühn aufragenden spitzen Kirchturm, umfriedet von einem Ziergärtchen steht das Forsthaus, dessen Stirnseite ein mächtiges Hirschgeweih und der Spruch ziert:

»Das ist des Jägers Ehrenschild,
Der treu beschützt und hegt das Wild,
Waidmännisch jagt wie sich's gehört,
Den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.«

Wilder Wein rankt sich an den Latten empor zu den Fenstern, von denen aus man einen entzückenden Anblick auf die wuchtigen Felsmassen der gigantischen Zugspitze und die Schrofen und Wände des Wettersteingebirges genießt. Levkojen und Bergnelken nicken mit ihren leuchtenden Köpfchen von den Fenstern herab und zwischen durch ist gar oft das Blumengesichtchen der schönen Försterstochter zu erblicken, wenn's »Regerl mit die nußbraunen Haar« mit emsiger Nadel Stich auf Stich arbeitet. Ein Prachtmädel ist die Försterstochter, schlank mit weichen, runden und vollen Formen, die das silberbehangene, reich verschnürte Mieder knapp umschließt, die schweren braunen Flechten zierlich geflochten um das Engelsköpfchen, aus dessen Rehaugen schelmisches Feuer strahlt. Öffnen sich die frischen Kirschenlippen, dann lachen einem schneeweiße Zähne entgegen und silberhell klingt des Mädchens wohllautende Stimme. Klein und niedlich sind Hände und Füße, aber die weichen Patschhändchen scheuen die Arbeit nicht und fleißig greifen sie zu in Vaters Küche, wenn der alte Graubart oder seine kraftstrotzenden Gehilfen das oben in den Bergen erlegte Wild ablieferen. Dem alten Förster lacht das Herz im Leibe, 4 wenn sein Mädel vor ihm steht im Liebreiz der Jugend, Kraft und Schönheit, einfach und doch geschmackvoll gekleidet. Wie angegossen sitzen dem Kernmädel die Kleider – ein Bild zum malen, meinten die Jägersleute, wenn sie unter sich waren unten in der getäfelten braunen Wohnstube, wo sich's so wohlig kühl sitzt, wenn draußen die Sonne glühend herabbrennt ins Thal der glitzernden Partnach.

Wie das Mädel vom Förster es versteht, das Haus in Ordnung zu halten! Kein Stäubchen ist zu entdecken, in der Küche blinkt das Kupfer- und Messinggeschirr wie lachendes Gold, blank gescheuert erglänzt der Fußboden, in den Zimmern peinliche Sauberkeit, überall deutlich sichtbar die sorgsame Hand der emsig waltenden Hausfrau. Das hat 's Regerl der Mutter abgeguckt, die draußen im stillen Friedhof der Rasen deckt. Das ist lange her, das Mädel ist inzwischen herangewachsen zur blühenden Jungfrau, verzärtelt und gehätschelt vom alten Papa.

Nur ein Mädel, aber wie 's Regerl es versteht, die rauhen Forstleute gefügig zu machen, daß sie bald mehr Respekt vor der Tochter als vor dem brummigen Alten haben, dem 's keiner recht machen kann. Bloß einer hatte es los, den mürrischen Alten 'rumzukriegen, das war aber auch ein ganzer richtiger Bursche, dem man schon am aufgezwirbelten Schnauzer die »Schneid'« ansah, die ihn zum Schrecken der Wilderer im ganzen Bezirk gemacht. Schorschl ist schon mehrere Jahre Forstaufseher, ein schmucker, strammer Bursche, der schon beim Militär als der sauberste von der Compagnie galt, dabei von einem Pflichteifer, daß der Compagnievater, der gestrenge Herr Hauptmann, ihn gar oft einen »Mustersoldaten« nannte. Wie Schorschl, armer Leute Sohn, die ihn allein ließen auf der Welt, als er eben die ersten Höslein zerriß, mit der Dienstzeit fertig ward, ging er mit Leib und Seele zur Jägerei und bald war er der beste Schütz weit und breit. Der Förster konnte ihm auftragen, was er wollte, Schorschl brachte alles fertig, 5 je schwieriger der Befehl, desto lieber und sicherer ward er ausgeführt. Dabei war der Dienst kein leichter, die Wilderer waren kühn und verwegen, listig und verschlagen und paßten die Jäger scharf auf, so nicht minder die geschworenen Feinde des Hochwildes und seiner Heger. Aber im Schorschl fanden sie ihren Meister, gar manchen Burschen fing er ab zu höchst oben auf den Graten, wenn einer den Gemsen nachpirschte. Oft sprang er klaftertief von den Felsen, um einen Jagdfrevler lebend mit der Beute zu erwischen und ihn einzuliefern zur verdienten Strafe. Das trug ihm gar bald bittere Feindschaft ein, manche Kugel galt ihm, die aber bisher stets ihr Ziel verfehlte. Der alte Förster anerkannte die Bravour und Todesverachtung seines Gehilfen voll und ganz und warnte ihn oft, die Gefahr nicht zu unterschätzen; allein Schorschl kannte keine Furcht. Mochte das Unwetter noch so arg toben und wüten mit allen Schrecknissen der Hochgebirgswelt und die Wilderer die Fäuste ballen, Schorschl kam immer heil und gesund zurück, er schien – fast glaubten es die Bauern – schußgefeit und stichsicher. Und war er einmal dienstfrei und saß er beim schäumenden Naß drunten beim Dorfwirt, so gab es keinen fideleren Burschen, und ward nach alter Landessitte am Kirchtagfeste von den Burschen, denen der rote Tiroler zu Kopf gestiegen, zum Messer gegriffen, der Schorschl war es, der allein mit seinen wuchtigen Fäusten aufräumte und die Bauernbursche mit spielender Leichtigkeit auf die Straße warf, daß ihnen Hören und Sehen und die Rauflust verging.

So keck der Schorschl sonst war, so verlegen that er, wenn er dem Förstermädel in den Weg lief.

An einem Sonntag war's, ein herrlicher Sommermorgen. Goldig flammte es am azurnen Firmament, in seltener Reinheit traten die Zacken und Schrofen und Schründe des zerklüfteten wilden Wettersteins hervor, duftig zeigte die majestätische Zugspitze den Weg zum Äther. Der Schorschl 6 war spät heim'kommen aus dem oberen Revier, aber der junge frische Morgen trieb ihn früh wieder heraus, die Sonn' darf ja keinen richtigen Jägersmann im Bett überraschen. Eine Zeitlang putzte der Schorschl sein Schießzeug und richtete Patronen zurecht, dann ward sein Sonntagsstaat gemustert, die grün gestickte lederne Kniehose, die graugrünen Boanhöseln (Kniestrümpfe), das jaagerische »Giletwestlleibl« und der Lodenrock mit grünem Passepoil und großen Hirschhornknöpfen. Wie schmuck der Bursch im Jaagerg'wandl aussieht! Ein feuerrotes Halstüchl steckt er unter den weißen Hemdkragen, dann setzt er sein Jagdhütel mit dem halben Spielhahnstoß auf das blonde Haar. So, jetzt ist er sauber g'nug zum Kirchgang.

Oben im Stübchen hat sich auch 's Regerl 'rausgeputzt für den Tag des Herrn zu Amt und Predigt. G'rad nobel sieht sie heute aus, eng umschließt der dunkle Rock den schlanken Leib, hell schillert das grünseidene Fürtuch, den zierlichen Hals schmückt die Silberkette. Eng umschließt das silberverzierte Mieder die volle Büste, die neidisch das seidene blauweiße Brusttuch verhüllt. Hielt bisher das Förstermädel die schmucke Tracht der Bergbewohner ein, zur Kopfbedeckung nahm das bildsaubere Regerl doch etwas »Besseres« als das die Mädeln des Gebirges so nett kleidende Hütel mit dem Adlerflaum, sie hüllte das liebliche, von schweren Flechten umrahmte Köpfchen in ein zartes Seidengeflecht, das die Tante aus der Stadt ihr einst gespendet. Daß der »Staat« auch ganz sei für den schönen Sonntagskirchengang, wurden auch die weißen Strümpfe mit den eingestrickten roten Sternchen, sowie die Schnallschuhe hervorgesucht. Und noch das Gebetbuch. Aber halt, vor das Mieder gehört ein Blümelein und da gerade ein vollerblühtes Nagerl dem schönen Kinde entgegennickt im frischen Morgenwind, so greifen die Fingerchen nach der Alpenblume vor dem Fenster und gleich darauf thront die leuchtende Nelke stolz auf der schmucken Büste.

7 Nun geht's hinab die blanke Treppe zu Papa, der lange schon den Knaster aus seiner kurzen Pfeife in den jungen Sonntag bläst und scharf hinüberguckt auf die Felswände, wo gleich schwarzen Punkten die Gemsen äsen. Rasch hat der Alte seinen Morgenkuß weg und fort huscht das Töchterchen gleich dem flüchtigen Reh.

Just am Gartenzaun stoßen sie schier zusammen, der Schorschl und 's Regerl. Jähes Rot fliegt den beiden auf die Wangen vor Überraschung über das rasche Begegnen.

Regerl faßt sich rascher, dann aber auch der Schorschl, der artig, wenn auch verlegen nach dem Hütl greift und der Jungfer »einen guten Morgen« wünscht.

»An guat'n Morgen aa«, wünschte ihm lieblich errötend das bildsaubere Mädel zurück. Dann standen sie einige Sekunden lang wortlos sich gegenüber, bis drinnen in der Stube der Alte hustete, dem wohl etwas Tabaksrauch in die »unrechte Kehl'« gefahren sein mochte. Das Husten aber scheuchte die Zwei draußen am Staketenzaun auseinander, das Mädchen wandte den Schritt hinab das Sträßlein zur Kirche. Schier drei Schritt war 's Regerl schon weg, da dämmerte dem Schorschl die Idee auf, daß er ja ganz gut 's Regerl begleiten könnte zur Kirche drinnen im Dorf. Gedacht, gethan. »Warum denn net«, hat 's Regerl gesagt, aber rot ist sie doch wieder worden im Gesicht. Die Dörfler machten weiters keine Augen, wie sie das schöne Paar zur Kirche wandern sahen! Und erst das Geschau nach dem Amt, wie der Schorschl nicht ins Wirtshaus ging, sondern beim Kramer auf 's Regerl wartete, die nach dem Einkaufe einiger Notwendigkeiten wie selbstverständlich wieder mit dem Forstgehilfen heimwärts marschierte. Erst ziemlich rasch, aber wie sie das letzte Häusel hinter sich hatten, da verlangsamte sich der Schritt, schier wie die Schnecken krochen sie die Straße entlang, die ins Nachbardorf führt. Ja, beim Birnbaum auf'm halben Weg blieben sie ganz stehen und setzten sich, als wenn sie arg müde 8 wären vom kurzen Kirchgang, auf die Bank, von wo man eine herrliche Aussicht genoß auf die schöne Hochgebirgslandschaft, die wie übergossen schien vom Sonnengolde. Aber der Schorschl und 's Regerl hatten keinen Blick dafür, sie guckten sich angelegentlichst gegenseitig in die Augen.

Beim Schorschl sagten die Augen bald mehr als der Mund und merkwürdig, beim schönen Regerl auch, das in holder Verwirrung auf der Bank saß und mit dem feinen Patschhändchen an den silbernen Miederkettchen nestelte. Dann fing der Schorschl von der Herzensfreud' zu reden an, die es ihm gemacht, daß er mit »der Fräul'n« habe zur Kirche gehen dürfen und wieder zurück. Das war so herzlich gesprochen, daß 's Regerl doch 'was drauf antworten mußte von der gleichen Freud'. Das löste dem schüchternen Burschen sichtlich die Zunge und gleich erfaßte er die Gelegenheit und fragte, ob er die nächsten Sonn- und Feiertäg' wieder mitgehen dürfe. Und 's Regerl sagte nicht »nein«, sie meinte nur, daß der »Herr Forstg'hilf'« nicht alle Sonntag' daheim wäre, oft sei er ja droben in die Berg' auf 'm Anstand oder auf der Pirsch.

»Ja,« meinte der Schorschl, »das wohl, aber deswegen denke er doch immer ans ›Fräul'n Regerl‹. Ob ihr die Ohren net 'klungen hätten, wenn er so recht stark an sie 'denkt habe?« fragte er die Försterstochter dann, die verlegen neben ihm saß und ein leises »ja« lispelte. Dann wurde der Schorschl noch kecker und meinte, daß er auch ans »Fräul'n Regerl« denke, wenn's heiß zugehe droben in der Verfolgung von Wilderern und wie's ihn immer mit Stolz erfülle, wenn er die Spitzbuben einliefern könne.

Da unterbrach ihn aber 's Regerl, um ihm zu sagen, daß sie immer eine fürchterliche Angst habe . . .

»A Angst? Um wen denn?«

»Ja, a Angst!«

»Do net um mi?«

»Um wen denn?«

9 »Jessas, um mi? Ja, wie wird mir denn? So a Glück, Regerl, Fräul'n Regerl, a Angst um mi? Ja, bin i Enk denn was, i a armer Forstg'hilf'.«

»Arm, aber brav,« meinte lieblich errötend Regerl und ehe sie sich's versah, hatte Schorschl auch schon das Händchen erwischt, das er nimmer los ließ. Und dann meinte 's Regerl, daß der Schorschl net gar so verwegen sein sollte, sonst bringen s' ihn amal derschossen heim und das könnt' sie gar net derleben.

»Net derleben!« rief glückselig der Schorschl aus. »Net derleben, wenn mir 'was passieret! Ja, aft'n hat mi 's Fräul'n ja gern.«

»Freili,« versicherte 's Regerl treuherzig.

»Und i erst!« rief der Schorschl. »Auf der Welt giebt's ja kein', der Enk liaber hat wie-r-i.«

»Hab's ja selber g'merkt,« sagte sie mit tiefer Glut auf den Wangen. »Aber Ihr seid's ja z' brav zum Eing'stehen und da . . . hab . . . i wohl selber z' erst 'n Mund aufmachen müssen.«

»Regerl,« jubelte er auf und wollte sie umschlingen in höchster Glückseligkeit. Aber sie wehrte ab und sagte. »Net halsen, Schorschl! eh' der Vater nit drum weiß.«

»Ja, der Herr Förster,« seufzte der Schorschl, dem die Armut und seine untergeordnete Stellung centnerschwer auf die Brust fiel. »Was der dazu sagen wird! Der wird mi auslachen und zum Teufel jagen!«

»Koa' Angst, Schorschl, der Vater hat mi viel z' gern, daß er mir a Herzensbitt' abschlaget und 'n Schorschl hat er ja auch gern, weil er so tüchtig und brav ist.«

»Wohl kann er mi leiden, aber ob er mir die Tochter zur Hochzeiterin giebt? . . . . .«

»G'wiß aa no. D'Hauptsach' ist, daß i 'n Schorschl will, gel?«

»Freili.«

»Na, also und drum net verzagt. Auf jetzt, hoffen wir 10 's beste in treuer Lieb.« Damit erhob sich 's Regerl. Schorschl, strahlend in seinem Glück, hätte wohl ein Verspruchbusserl mögen, aber das gestattete 's Regerl nicht. »Vor'm Vater, ja!« sagte sie, »ehnder net.« Dann wanderten sie aufs Forsthaus zu.

»Na, dös schreckliche Glück,« murmelte selig lächelnd der Schorschl am Abend dieses für ihn so bedeutungsvollen Tages vor sich hin, wie er oben in seinem Kammerl saß und die kühle Luft hereinstreichen ließ durchs Fenster. Ganz unmenschlich viel Glück schien es ihm zu sein, daß der gefürchtete Alte nicht »nein« gesagt und erklärt hat, er hätt' nix dagegen, sobald der Schorschl »definitiv« sein werde. So lange müßten die zwei schon warten und weil die Karessiererei in einem königlich bayerischen Forsthause nicht erlaubt sei, so müßte der Schorschl fort. Das hat der Glückliche auch gleich eingesehen von wegen dem Mädel, aber es wär' halt gar so viel schön g'west, jetzt erst recht da z' bleiben, in allen Ehren natürlich. Der Schorschl, der Schwieger vom Alten, nein, es ist schier unmenschlich viel Glück. So was hat er sich nicht zu träumen getraut, nein, wahrhaftig nicht. Mit einem Frieden und einer Glückseligkeit im Herzen, um die ihn ein König hätte beneiden können, schlief diesmal der Schorschl ein.

Trübe Tage folgten dem herrlichen Sonntag. Der alte Förster hat fortgeschrieben, sobald die Antwort da ist, muß Schorschl fort nach der neuen Stelle. Die zwei Lieb'sleut' guckten sich selig in die Augen, wenn sie einander begegneten, das Verspruchbusserl haben sie inzwischen schon oft erneuert. »Zum abg'wöhnen,« meinte Schorschl lachenden Mundes, müsse er jetzt sein'n Schatz abbusseln, weil er später a so nimmer dazu käm', wenn er versetzt sei. Und Regerl lachte mit und küßte tapfer, auch zum »abgewöhnen« während der langen Fastenzeit, sobald ihr Liebster fort ist. Ging aber schrecklich langsam dieses »abgewöhnen«, im Gegenteil, sie gewöhnten sich an das Schmatzen und Halsen 11 immer mehr und dachten gar nimmer an Trennung und langes, langes Warten auf den Hochzeitstag.

Es sollte aber bald anders kommen. Mit ernster Miene kam an einem Abend, an dem es Tropfen so dick wie Bauernbuben regnete, der Herr Förster heim. Gleich darauf auch der Schorschl aus dem unteren Revier. Kaum daß der Forstgehilfe die durchnäßte Kleidung gewechselt hatte, ward er schon zum Förster gerufen. Die Ahnung, daß die Versetzungsordre jetzt da sei, bestätigte sich. Er müsse fort, aber vorher gäbe es einen Hauptschlag im oberen Revier auszuführen. Und zwar am nächsten Feiertag, an dem das dörfliche Scheibenschießen stattfindet. Der alte Fuchs kalkulierte so; wenn alles, was den Stutzen halten kann, draußen steht am Stand, Schuß auf Schuß kracht und pfeifend die Kugeln einschlagen, daß die Zieler die Blattlschüsse nicht rasch genug anzeigen können, die Forstaufseher und Jagdgehilfen mit einbegriffen, werden die Wildpratschützen glauben, daß die Reviere »rein« seien. Wahrscheinlich werden nun einige es riskieren, statt am Stand auf die Weitscheibe, lieber auf einen Rehbock zu visieren. Und gerade an diesem Tage soll der Schorschl mit einem Burschen hinaus und ins obere Revier, das sich bis zu den Ausläufern der Wetterstein-Kette gegen die Dreithorspitze zu erstreckt. Aber vorher müsse der Schorschl am Stand so wie alle anderen sein »Blattl« schießen, damit er von allen gesehen werde. So ward es ausgemacht zwischen beiden.

Ein herrlicher Tag brach an, es flammte die Sonne in unbeschreiblicher Pracht über dem schmucken Alpendorfe, über der vom letzten Regen reingewaschenen Natur. Das ist das richtige Wetter zum Scheibenschießen. Von Nah und Fern sind sie herbeigeeilt die Schützen und Schützenfreunde, den Ettaler Berg herab, von Graswang und Ammergau, herein vom Loisachthal, selbst über'n Herzogenstand und Heimgarten waren Schützen herübergestiegen vom Walchensee und 12 die Mittenwalder fehlten erst recht nicht beim Johannischießen. Während drinnen am Stand Schuß auf Schuß kracht, jubelt das Jungvolk heraußen beim schäumenden Murnauer Bier, von dem Banzen auf Banzen geleert wurde zur Freude derjenigen, die keinen Platz mehr fanden zum Sitzen und die daher aus den leeren Fässern Tisch und Bank improvisierten. Den sauberen Madeln in ihrer schmucken Tracht mit Silbergeschnür am Mieder und um den Hals und das fesche Hütel mit dem weißen Adlerflaum auf dem Kopfe lachte die Tanzlust schon aus den Augen, sie konnten es nicht mehr erwarten, bis der letzte Schuß abgegeben ist und dann drinnen im Dorf der Schuhplattler los geht. Ehe noch die Dämmerung völlig hereingebrochen war, hatte Schorschl den Stand unauffällig verlassen und sich nach dem Forsthause begeben, wo er den Scheibenstutzen mit seinem Zwilling vertauschte, zum Rucksack und Bergstock griff, sich zum Abschied vom Regerl ein schmackhaft Busserl holte und dann zwischen den Feldern quer hindurch davon schlich.

Statt am Schießen unten im Dorf teilzunehmen, war gleich nach Tisch ein junger Gebirgler aufgestiegen in mehrstündiger, mühevoller Wanderung durch den Bergwald. Ein junger Bursche, schmächtig aber sehnig, schmuck in die Gebirgstracht gekleidet, in abgewetzter Lederhose, ein verwittertes Hütel mit richtigem Gemsbart darauf und am Rücken den blutgeschweiften Rucksack. Mußte schon lang herumsteigen, dieser Bursche in der verwitterten, echten Tracht! So verändert sich das Berglerg'wandl nur im langjährigen Gebrauche. Oben auf dem Wechsel angelangt, äugte der Bursche vorsichtig die wildromantische Gegend ab, ob er auch sicher sei. Aber weit und breit ist nichts zu hören, als das gleichmäßige Rauschen des Waldes, über dessen Wipfel der Bergwind streicht. Ruhe ringsum bis es Abend wird. Da sichern an der Lichtung unter der Felswand die Böcke heraus und ihnen folgen die Geißen mit den Kitzen zur 13 Abendäsung. Längst hat der Bursche aus einem hohlen Baum die Büchsenteile hervorgeholt und sie zusammengeschraubt zum schußfertigen Gewehr, das ihm jetzt vor Jagdlust und Aufregung in den Händen bebt. Warum er aber nicht Feuer giebt auf den kaum dreißig Schritt vor ihm im guten Wind äsenden Bock? Ein Schuljunge mit der Stopselbüchse muß den Sechserbock ja aufs Blatt treffen. Und wenn der Wind dreht, ist's augenblicklich aus mit dieser Herrlichkeit. Der Bursch dort an der Wand, gedeckt durch ein Latschengebüsch, muß aufs Schießen vergessen haben! Immer wieder blickt er mit aufgerissenen Lichtern auf das bezaubernde Bild, den Finger am Drücker und doch nicht imstande, Feuer zu geben. Da knackt es drüben am Rand der Lichtung, über die der Mond jetzt sein Silberlicht ausgießt. Im Nu hebt der Bock die Nüstern und sichert vorsichtig in der Runde; wie er wendet, da plötzlich ein Blitzstrahl und Donner, kerzengerade wirft sich der Bock auf, um, sich überschlagend, einzubrechen schier im Feuer noch.

Erschrocken springt der Bursche an der Wand auf und wie unbewußt drückt der Finger am Stecher; ein Luftschuß fährt aus seiner Büchse.

Mit der flüchtigen Rehfamilie enteilt im rasenden Lauf ein älterer wilder Kerl. Er hat gefeuert in heißer Jagdlust, aber just im letzten Augenblick den Jäger erblickt, der eben den Sattel erreicht hat und der Lichtung zuschreitet in vorsichtigen Schritten. Kaum am Rande, halb gedeckt durch eine magere Föhre, erblickt ihn der junge Bursche und gleichzeitig aber auch der Forstgehilfe. Im Nu sind die Büchsen an den Wangen, heiß jagt das Blut durch die Adern, jeder Nerv fiebert, nun gilt es Leben oder Tod! Beide suchen Deckung vor dem tödlichen Blei, von Stamm zu Stamm springen sie, eine Jagd auf Tod und Leben. Der Bursch ist am letzten Stamm, nun muß er über die Lichtung, wenn er abwärts will, denn hinauf geht kein Pfad über die schroff abstürzende Felswand. Der 14 Forstgehilfe Schorschl erkennt augenblicklich die Situation, er ruft den Burschen an, schußbereit: »Halt! G'wehr ab!« Doch der Bursche, bebend vor Aufregung, drückt den zweiten Schuß ab, daß die Schrote durch die Luft pfeifen und flüchtet in rasenden Sätzen. Doch schon nach wenigen Sprüngen knallt es wieder und mit einem gellenden Aufschrei stürzt der Bursche nieder. Noch ein kurzes Röcheln und das Leben ist entflohen. Aus der Wunde träufelt das warme Blut, das der Jäger stillen will, bis er erkennt, daß der Wilderer verschieden. Seltsam, ein so zartes Gesicht hat der Forstgehilfe noch nie gesehen in der Bergwildnis. Für die abgenützte Bergtracht ein merkwürdig feines Stadtherrngesicht, nur etwas geschwärzt, wie das die Professionswilddiebe thun. Der Forstgehilfe durchsucht die Kleidung des Toten, alle Wetter, da drinnen steckt etwas Hartes, ein Notizbuch, dem Gramminger Hansl sein Büchl; deutlich steht der Name des als Wilderer berüchtigten Eigentümers eingeschrieben. Aber dem Gramminger Hansl sein Gesicht ist das nicht, die ganze Gestalt auch nicht. Seltsam! Aber was steht in dem Büchel! Kruzitürken, welch' ein Fund! Da standen sie alle verzeichnet, die Mitglieder der Wildschützenbande des Partnachbezirkes, dazu ihre Schußlisten, die Wildwechsel und gar noch die Wildhehler dabei mit den Angaben über die eingelieferte Stückzahl. Wer hätte das gedacht! Wer nur der Erschossene sein mag! Ein Vaterunser für ihn, das der Forstgehilfe an der Leiche betet. Das herzliche Bedauern hilft hier nichts und macht den Burschen nicht lebendig. Der Jäger hat nur vorschriftsmäßig gehandelt. Beinahe hätte die volle Schrotladung des Burschen ihn selbst getroffen. Dann läge der Jäger jetzt bestrahlt vom Mondenschein im thaufrischen Grase. Die eiserne Pflicht kennt keinen Pardon, da heroben hängt das Leben gar oft am Drücker. – –

Ein fürchterliches Strafgericht brach über zahlreiche Menschen herein; die Behörde, im Besitz des in der Tasche des 15 Erschossenen gefundenen Materiales griff energisch ein, mancher Familienvater ward aus dem Kreise der Seinigen herausgeholt und dem Strafrichter übergeben, indes die Familien des Ernährers beraubt, ins Elend gerieten. Schorschl mußte sich verantworten, wurde aber, weil er pflichtgemäß gehandelt, rasch freigesprochen.

Wer war aber der Erschossene? Ein vierundzwanzigjähriger Maler aus Preußisch-Schlesien, der zum Studienaufenthalt in das herrliche Thal gekommen war. Im Wirtshause kam er in Berührung mit gefährlichen Wilddieben, deren Erzählungen die Phantasie des jungen Künstlers lebhaft anregten, bis er darauf brannte, eine solche dämonisch aufregende Jagd im Hochgebirge selbst mitzumachen. Er entlieh sich einen Gebirgsanzug und erwischte noch dazu die Kleidung des Anführers der Bande. Mit Gewehr bei einem erlegten Bock betroffen, mußte der Jäger ihn für einen Wilderer halten und als der Künstler in seiner Angst gar noch auf den Forstgehilfen schoß, mußte dieser Feuer geben.1

Ehe sich die Aufregung über diesen Vorfall legte, mußte Schorschl fort auf seinen neuen Posten an der Grenze des bayerischen Hochlandes. Tief in den Bergwinkel eingebettet liegt das Forsthaus, das fürderhin den Forstgehilfen beherbergt. Mit einer gewissen Scheu weichen ihm die Burschen dieses Bezirkes aus, ihm war der Ruf eines unerbittlichen strengen Waidmannes vorausgegangen, sie wußten, wen sie vor sich hatten und das hielt die Jagdlust der »Unberechtigten« im Zaume. Der Abschied war dem Schorschl bös' zu Herzen gegangen, jetzt in der Entfernung fühlte er erst, wie unendlich lieb er sein Regerl hatte. Wie gern 16 hätte er seinen Gedanken, seiner Sehnsucht brieflichen Ausdruck gegeben, allein der anstrengende Dienst erlaubte keine lebhafte Korrespondenz und wie sich der Schorschl selber eingestand, handhabte er lieber die treue Büchse, als die zierliche Feder aus Stahl. Von Zeit zu Zeit wanderte aber doch ein Brieflein aus seiner Bergwildnis hinaus und hinüber zum Regerl im Partnachthal und prompt kam auch dann wieder die ersehnte Antwort, die der verliebte Forstgehilfe dem Postboten abnahm, oft ehe er noch ins Dorf gekommen war, denn der Schorschl fing den langsamen Verkehrsmann schon auf dem schmalen Landsträßlein ab.

Der harte Winter ist vorüber, mehr wie ein halbes Jahr ist's, seit der Schorschl scheiden gemußt. Wie langsam die Zeit vergeht, wenn man auf etwas sehnsüchtig wartet. Jetzt noch ein gutes Vierteljahr, hat kürzlich der Forstmeister zu ihm gesagt, dann wird wohl von München das Dekret mit dem »Definitivum« kommen. Die Knie haben dem Schorschl gezittert bei dieser Freudennachricht und noch mehr die Hand, als er gleich darauf dem lieben Regerl Botschaft schrieb. Nicht ganz hundert Tage noch, dann kann Hochzeit gefeiert werden und die soll nobel, g'rad' nobel werden und auf den Händen will er sein junges Weiberl tragen.

Der Herbst zog seine Silberfäden durch Flur und Wald, das Sedanfest stand vor der Thür, das die tapfern Bayern so wacker mitfeiern, wie sie tapfer mit den übrigen Deutschen gegen den Erbfeind kämpften. Wenn die Fahnen lustig im Winde flattern, die Böller von den Bergen krachen und donnerndes Echo in den Schluchten erwecken, die Blechmusik in kräftigen Marschliedern das Blut rascher durch die Adern treibt, dann wird die Erinnerung an Weißenburg, Wörth und Sedan wieder wach und kräftig tönt es von den Männerlippen. »Und wir Bayern, wir Bayern, wir fürchten uns net.« Jauchzend treten dann die Paare zum Schuhplattlertanz, der durchgetanzt wird, bis die Morgensonne über die Berge steigt.

17 Für Schorschl brachte das Sedanfest eine große, besondere Überraschung, denn am Tage vor dem denkwürdigen 2. September ward ihm die Botschaft, noch am gleichen Tage sich im benachbarten Forsthaus einzufinden und dort erwartete ihn Regerl mit dem Vater. Und das freudige Wiedersehen erhielt noch eine Verstärkung durch das ersehnte Dekret, das ihm Regerls alter Vater mit dem Segen zur Hochzeit überreichte. Dem Schorschl ward ganz schwindelig vor Glück, er konnte sich kaum fassen und ein Juhschrei ertönte aus seiner übervollen Brust, daß das Echo über den See und hinauf zu den gigantischen Mühlsturzhörnern flog. So fidel war noch keiner beim Sedanfest gewesen, wie der Schorschl und mit Neid sahen die Burschen auf sein junges Glück.

Spät am Abend mußte der Glückliche fort in sein eigenes Revier, der Dienst duldete keinen Aufschub und Regerls Vater sehnte sich auch nach des Festes Aufregung nach Ruhe. Es dämmerte bereits, als Schorschl mit einigen Zechgenossen auf der Straße marschierte. Die jungen Leute waren fidel und freuten sich ihres Lebens, ab und zu ward ein lustiger Juhschrei in den jungen Morgen geschickt, daß die Vöglein munter wurden im Walde, die Hunde auf den einsamen Gehöften rebellisch und die Hähne gereizt wurden, ihr Kikeriki kräftiger zu krächzen. Von dem lustigen Marschlied kamen die Burschen bald auf die Vierzeiligen:

Schlierseerisch, pinzgerisch
Z'samma kemma bal' 's finster is –
Und a wen'g Busserln geb'n,
Dös is mei' Leb'n.

Damit war ein unglückselig Schlagwort gegeben, denn im Nu begriffen die Bursche die günstige Gelegenheit, den »Grünen« aufzuziehen.

Schorschl war vom Regerl, weil gar so viel Burschen herumstanden, ohne Gutenachtkuß geschieden, das wußten die Burschen und hier wollten sie ihn fassen und mit ländlicher 18 Derbheit verhöhnen. Vergebens wehrte der Forstaufseher ab, immer wieder kamen die Bursche auf dieses Thema, sie erhielten ja so selten eine Gelegenheit, den »Grünen« wirklich ärgern zu können. Eine Zeitlang meisterte sich Schorschl selbst und schritt fürbaß seines Weges, aber als ein baumlanger, zaundürrer Bauernbub des »Grünen« »Schneid« anzweifelte, da fuhr dem Schorschl die Galle ins Blut und die Faust dem Spötter ins Gesicht.

»Heut' Nacht noch, jetzt gleich, noch in dieser Stund' krieg i mei Busserl vom Regerl,« rief der Gekränkte und seine Begleiter mußten mit als Zeugen; alles kehrte um und marschierte zum Forsthaus nach H.

Dort angekommen, erklomm Schorschl sofort am Staketenzaun die Mauer, schwang sich von Latte zu Latte und rief seinen Schatz und schmeichelte um das Gutenachtbusserl. Schon wisperten die Burschen unten, weil das Fensterl sich nicht aufthun wollte, da riß der Nagel, an dem der Waghalsige gehangen, – – mit einem wilden Schrei stürzte der Unglückliche sausend zur Tiefe, mitten unter die entsetzten Burschen. Noch ein Röchler und der dreiundzwanzigjährige Forstmann hatte ausgelitten; – – der Arzt konstatierte Genickbruch.

Zum unbeschreiblichen Jammer der unglücklichen Braut wurde der Ärmste wenige Tage darauf in die kühle Erde des Dorffriedhofes gebettet. Inmitten der einfachen Holzkreuze erhebt sich ein Grabstein aus Untersberger Marmor, mit Goldbuchstaben verkündet der Marmelstein, daß ein junges kaum erblühtes Leben rasch und unerwartet mitten im Glück geendet.2 19

  1. Der Künstler ist im Friedhofe zu P. begraben. Auf seinem von Freunden gewidmeten Grabstein steht: »Hier ruht in Gott H. P., Maler, geb. 1861 zu Neustadt in Schlesien und endete seine irdische Laufbahn am 25. August 1885.«
  2. Der Grabstein aus Untersberger Marmor steht im kleinen Friedhof zu R. Die Grabschrift lautet: »Hier ruht der ehrengeachtete H. S., kgl. Forstaufseher, geb. zu Voderek 29. April 1863, † 3. September 1886.«

Der Daaschdodl.

Ein herrlich Land, diese grüne Steiermark mit ihren Felsriesen, Bergkuppen und Matten. Grün ist die Landesfarbe: ein unvergleichlich Grün tragen die Bergwiesen, auf denen das Almvieh das würzige Futter findet, grün ist das Band, das um die Steierer Hüte gewunden ist und ihnen das fesche Aussehen, den steierischen »Chic« giebt. Grün und weiß sind die Grenzpfähle und Wegweiser des prächtigen Landes angestrichen und grüne Seidenbänder flicht sich das echte steierische Deandl in die Zöpfe. Das Herz lacht einem beim Anblick eines echt steierischen Paares!

Schön ist das Land, das Auge weilt trunken auf der Fülle alpiner Naturreize, die dem Touristen ein Eldorado bieten. Aber wie jedes Hochland hat auch die grüne Steiermark in ihrem nördlichen »oberen« Teile eine Kehrseite. Karg ist das Erträgnis der alpinen Landwirtschaft, je höher das braunverwitterte Bauernhaus liegt, desto mühsamer und weniger lohnend die Arbeit. Nur die Viehzucht blüht, sie ist in Obersteiermark zu Hause und für den wirklichen Bauer eine wichtige Erwerbsquelle. Nicht aber für den Keuschler, den Bewohner einer kleinen Blockhütte mit bescheidenem Grundbesitz, der kaum Futter für eine Kuh und ein paar Gaisen abwirft. Hier wird das Leben zum erbitterten Kampf ums elende Dasein und gar oft ist der billige Schnaps Tröster, bis der Fusel zum Verderber wird. Wer wahrhafte Armut finden will, steige empor und dringe in Obersteiermarks Bergwelt ein. Erhaben die Natur, 36 nichtig der in ihr kämpfende Mensch, der nicht immer ein Ebenbild Gottes ist. Liegt es im Wasser, ist die Ernährung Ursache, der Cretinismus ist für das herrliche obersteierische Land eine Beigabe, die zunächst das Mitgefühl anregt für die bedauernswerten Geschöpfe, Menschen genannt, wiewohl sie dem Tiere näherstehen, dann aber das Interesse des Beobachters beansprucht.

Hoch droben am Bergrücken, wo die letzten Fichten stehen und die Latschenregion beginnt, wo sich die Felsschrofen aufbauen zur Steinwüste, steht eine Keuschen, umfriedet von wenigen Quadratfuß Wiesengrund und einem steinigen Haferfeld. Schwere Balken, grob gehauen und ineinandergefügt, bilden die Wohnung für eine mit Kindern reich gesegnete Keuschlerfamilie. Zwei mit Heu gefüllte Holzpritschen sind die Ruhestätte für Eltern und Kinder, ein aus Backsteinen zusammengesetzter offener Herd, der Rauch entflieht durch die Thüre, darüber der geschwärzte Kochkessel und wenige Geschirre zum täglichen Bedarf bilden die Einrichtung. Ein Verschlag ist zur Milchkammer bestimmt, während rückwärts ein kleiner Stall nebst Futtertenne angebaut ist, in dem das wenige Vieh bei schlechter und rauher Witterung Unterkunft findet. Der Keuschler arbeitet als Holzknecht, das Weib besorgt die kleinen landwirtschaftlichen Geschäfte, die halbwüchsigen Kinder hüten das Vieh, bis sie auf stundenweitem Wege zur Schule müssen, nicht gerade zum Vergnügen der Eltern, die die jungen Kräfte zur Arbeit brauchen. Roggen- und Hafermehl mit Wasser angemacht und mit Fett geröstet, bildet nebst der Schottsuppe, einem Erzeugnis aus geronnener Milch mit Schwarzbrot aufgekocht, jahraus, jahrein die Nahrung dieser armen Gebirgler. Getränk ist Wasser und wenn etwas Kupfergeld im Hause ist, greifen die Keuschler zum Schnaps. Wild wie die Natur werden die heranwachsenden Kinder, rauhe Kehllaute, dem Städter unverständlich, vermischen sich in die Sprache, der Hals verdickt sich, bald ist der Kropf da, stier wird der Blick, blöde 37 der Gesichtsausdruck, das Fassungsvermögen schwindet, es degeneriert der Mensch.

Diesen Wandlungsprozeß machte auch der Daaschdodl durch. In der Jugend verschoppt, d. h. mit der oben erwähnten schweren, groben Kost verfüttert, blieb der Keuschlerbub in der geistigen Entwickelung zurück, während sein Körper eine Höhe von fast zwei Meter erlangte. Vater und Mutter waren längst von Holzknechten auf den Friedhof im Thale getragen worden, die übrigen Geschwister bei Bauern in Dienst getreten, der Älteste von ihnen hat die Keuschen übernommen, für den Jüngsten war kein Platz. Wozu auch, er ist ja ein Dodl, d. h. ein Schwachsinniger, den der steirische Dialekt auch »Trottl« oder »Tepp« nennt. Heimatlos, ohne Obdach fristet der Dodl ein für städtische Begriffe entsetzliches Leben. Er bettelt sich von Bauernhof zu Bauernhof, klettert, notdürftig bekleidet, an den Füßen wahre Ungeheuer von massig beschlagenen Schuhen, thalwärts und vertrinkt die erhaltenen Kreuzer in Schnaps. Im Sommer in Heuschuppen übernachtend, flüchtet der Dodl zur rauhen Jahreszeit zu mildthätigen Bauern, von denen einer ein menschlich Rühren verspürte und ihm für Lebenszeit eine »Daasch« überließ. Eine Flachsbrecherhütte, Daasch genannt, wird das Heim des einsamen Bettlers. Eine Liegerstatt aus Holz, mit Heu gepolstert, in einem kleinen Holzraume ohne Fenster, das ist die letzte Zuflucht. Ein Herd ist nicht darin, der Dodl könnte unachtsam mit dem Feuer umgehen, und den roten Hahn fürchtet man im Gebirge noch mehr wie auf dem Flachlande. 's Unglück ist hussig (schnell), sagt man in Obersteiermark. Jahre verlebte der Dodl in diesem dürftigen Heim, harmlos und stumpfsinnig, bis er auf seiner Bettelwanderung oben auf der Alm von einer bösartigen Kuh »angenommen«, d. h. verfolgt und aufgespießt wurde. Das eine Horn des Tieres drang dem Ärmsten mit Vehemenz in den Leib, die Gedärme quollen heraus, gräßlich zugerichtet blieb er hinter einem Zaun 38 liegen, bis der Senner ihn am Abend fand. Zum Landarzt unten im Dorfe gebracht, wurde der Daaschdodl, wie er fortan hieß, in Behandlung und ihm die schier entzweigestochene Milz herausgenommen. Die »Kur« gelang, der Cretin kam davon und lebte ohne Milz jahrelang weiter, nur haßte er fortan den Tabak. Vor Tabaksqualm flüchtete er in rasender Schnelligkeit, Schnupftabak, ihm scherzweise in die Nase gesteckt, brachte den Dodl außer sich.

Für Wohlthaten hatte der Halbstumme ein ziemlich gutes Gedächtnis, lallend, die riesigen Beine mühsam schleppend, eilte er auf seine Gutthäter zu und suchte die Hand derselben zu haschen. Vielfach enteilten die Bewohner des Marktfleckens diesem Dank, schlugen dem Dodl die Thüre vor der Nase zu. Sein Anblick war allerdings nicht gerade vertrauenerweckend.

Ich kannte den Burschen mehrere Jahre durch meinen Sommeraufenthalt im steierischen Hochland, und habe noch eine Reminiscenz an ihn im Gedächtnis.

Wir saßen eines schönen Sonntagmorgens im »Postgarten« beim Frühschoppen, indes eine der Damen mit dem Amateurphotographen aus den um das Wirtshaus rumstehenden Bauern Gruppenbildchen entnahm, sie durch Momentaufnahmen fixierte, ohne daß die Bauern die geringste Ahnung hatten. Plötzlich kündigte ein Geschrei die Ankunft des Daaschdodls an, der richtig auf die »Post« zusteuerte mit seinen Spinnenbeinen. »Ach, wenn ich den fixieren könnte,« rief unsere Photographin. »Das kann bald geschehen,« meinte ich, fing den Dodl ab, um ihn für eine Momentaufnahme aufzuhalten. Mit einigen Kreuzern auf der Hand gelang dies, nur zeigte der Krüppel ein gewisses Mißtrauen. Plötzlich erblickte er den Photographenapparat, die Mündung auf sich gerichtet: ein grauenhafter Schrei und mit unbegreiflicher Schnelligkeit entfloh der Daaschdodl. Aber sein Bild war schon auf der Platte. Nach acht Tagen hatten wir alle ein Exemplar von Daaschdodls Photographie 39 und einer von uns zeigte sie ihm. Neugierig warf der Dodl einen Blick auf das Bild, dann packte er es und machte eine Geste, die für den Ausdruck gründlichster Abscheu gelten konnte.

Auf meine Frage im vorigen Sommer nach dem Daaschdodl wies man nach dem Friedhof. Der Ärmste war im Februar oben im Gebirge tot aufgefunden worden. 40

 

 

's adrahte Nandl.

Der heurige Sommer ist also richtig genau so niederträchtig schlecht wie sein Vorgänger im vorigen Jahre. Seit zehn Tagen regnet es Bauernbuben (große Tropfen), daß man nicht einmal die paar Schritte ins nahe Wirtshaus thun mag, und das will bei einem Isar-Athener was heißen. Nachgerade wird mir aber die Geschichte zu bunt, die Bergschuhe ermöglichen es, den Sumpf, von einer Straße kann man nicht reden, zu durchwaten, und so geht es denn im Sturmschritt der Wirtschaft zu, wo Grazer Bier ausgeschänkt wird. Die erste Frage ist natürlich, wann der Banzen angezapft wird. Die prompte Antwort lautet: Sobald der Herr Kaplan kommt! Hm! Wann kommt der? Nach dem Abendessen. Wann ißt er zu Abend? Nach sieben Uhr. Und jetzt ist es halb sechs Uhr. Hm! O Hofbräuhaus!

Was thun? Ein Gedanke! Ich gehe zum Herrn Kaplan im Pfarrhof, stelle mich als durstigen Münchner vor und lade ihn ein, mit ins Wirtshaus zu gehen, damit angezapft wird. Läuft einmal der frische Quell, dann kann Hochwürden ja wieder zu den Penaten zurückkehren. Gedacht, gethan! Und richtig, der Herr Kaplan lacht, daß sein Bäuchlein wackelt und meint: Auf so eine Idee kann auch bloß ein Münchner kommen. Die Hauptsache ist, daß die Frau Wirtin richtig den frischen Banzen anzapft, wie sie des Talars ansichtig wird. »Gut dressiert haben Hochwürden Ihre Leute!« sagte ich respektvoll und trinke dem würdigen 41 Benediktiner-Expositus ein Prosit zu. Da auch noch der Notar und der Wildmeister im Extrastübel sitzen, die über das frisches Bier bedeutende Erscheinen des Kaplans höchlich vergnügt sind, so kommt auch bald die richtige feucht-fröhliche Stimmung in die Gesellschaft. Jetzt kann es draußen meinetwegen Tropfen wie der Dachstein so groß regnen, ich sitze und trinke. Prosit, meine Herren!

Kaleidoskopartig wechselte das Gespräch. Jeder hat nun schon was zum Besten gegeben aus fröhlicher Jugend- und Wanderzeit, bloß der Wildmeister pafft gewaltige Wolken aus seiner Pfeife und hüllt sich in Qualm und Schweigen. Nutzt ihm aber nichts, 'raus muß er aus seiner olympisch-obersteierischen Ruhe und eine stoasteierische Geschichte muß er erzählen, er weiß deren genug, versicherte der Kaplan . Der wackere Graubart läßt sich auch nicht lange bitten und er erzählt:

»Wie ich einmal von einer Schwoagerin (Sennerin) ang'führt worden bin.«

»Ist jetzt lang' genug her, daher kann man schon davon erzählen, und solche Dummheiten habe ich nicht mehr verübt seit jener Zeit.

Vor etwa dreißig Jahren war ich hier als Forst- und Wildmeistergehilfe thätig und das Kemmathgebirgsrevier gehörte noch in unseren Bezirk. Wie jetzt, hat es auch damals schon Wildpratschützen gegeben und besonders am Stoder wurde den Gemsen arg zugesetzt, sodaß ich alle Augenblicke dem stattlichen Felsenkoloß meinen Besuch abstatten und das Revier nach den Spitzbuben absuchen mußte. In diesem Revier lag und liegt noch heute die Stoderalm, die jetzt von einer Tochter unserer Wirtin bezogen ist. Damals hauste als Brentlerin (Sennerin oder Schwoagerin) 's saubere Nandl auf dieser Alm, sicher das schönste Deandl im ganzen Oberennsthal. Na, weil die Alm in mein' Revier war, hab' ich auch's Nandl öfter zum 42 Sehen 'kriegt, und was nutzt das Leugnen, ich hab' mich nie satt sehen können an den mudelsauberen Madl. Wer ihr Schatz war, hab' ich natürlich auch gewußt, und daß er einer der Hauptwildpratschützen war, dito. Aber zum Abfangen war der Kerl nie, ich hab' es anstellen mögen, wie ich wollte.

An einem Nachmittag wanderte ich gerade über der Assacher Scharten aufwärts, als ein Schuß fiel drüben in der Nähe vom Haasenstrich. Das ist g'wiß der Nandl ihr Bua, denk' ich mir und kalkulierte so: Der Wildpratschütz wird jetzt 's Wild verstecken und dann der Brentlerin zueilen, damit diese weiß, wo der Braten liegt zum Abholen in der Nacht. Also ist's am g'scheitesten, wenn ich gleich auf die Stoderalm zuwatschle und die Brentlerin ausfratschle. Ich geh' also stramm auf die Hütten zu, aber die Brentlerin hat mich schon lang' gesehen und juchzt mir zu, als wär' i ihr Bua und nicht der Jaager, der ihn sucht. Gleich wart' sie mir auch auf mit einem Vogelbirenen (Vogelbeerbranntwein), und statt daß ich sie ausfrage, fratschelt sie mich aus, wo ich 'rauf wär' und wo's wieder heimzu ging. Trotz ihrer prachtvollen Augen, in die zu schauen eine Seligkeit an und für sich war (na, na! räusperte sich der Kaplan), merkte ich die Absicht, doch kam es nicht bis zur Verstimmung. Ich frug endlich doch direkt, obs Deandl keinen Schuß g'hört hätt', aber Schnecken – nix hat's g'hört, dös narrische Deandl, und vom Schießen will's überhaupt nix wissen, beim Wildpratschützen nit und beim Jaager nit. Ja vom Jaager schon gar nicht, weil ihre Mutter schon g'sagt hätt':

Diandl nit, nit,
Koan Jaager liab' nit,
Denn sie woll'n ja nia schlafen
Und geben a koan Fried'.

Weiß der Teufel, wie's gangen ist, ich hab' mich von die schönen Augen nicht losreißen können, der Arm war 43 um die schlanke Taille des Prachtmädels gelegt – ich weiß auch nicht, wie der dahin gekommen ist – und während dem spielt's Madel alleweil mit mein' Gwehr, redet vom schweren Gewicht, fragt, ob's auch geladen ist und ob's auch recht laut tuscht. Und ich geb' auf all das G'schwatz gar nichts, hör' nichts, seh' nichts, und wie ich dem Prachtmadel g'rad einen tüchtigen Schmatz auf den rosigen Mund 'naufpappen will, da druckt das Herrgottsakramentsdeandl los und der Kugelschuß fahrt mit lustigem Knall in die Luft.

Wie zu Tode erschrocken wirft das Deandl das G'wehr weg mitten in den »Sumpf« vor der Hütten und flüchtet mit einem Satz ins Milchkammerl.

Das g'scheiteste Gesicht, glaub' ich, hab' ich in selbem Augenblick g'rad nicht g'macht, aber hängen laß i' mi' noch heut', daß die adrahte Nandl selbigsmal hinterm Kammerthürl g'standen ist und hat sich 'denkt: Für heut' bist g'warnt, liaber Bua, und woaßt jetzt, daß da Jaager heroben ist.

Natürlich haben alle Wildpratschützen im ganzen Revier g'wußt, wie sie dran sind, und ich hab' mit langer Nase abziehen können von der Stoderalm in der Überzeugung, daß mich die adrahte Nandl nicht schlecht derbleckt hat. Ein hörbarer Beweis dafür war das Schnaderhüpfl, das mir das sakrische Deandl nachg'schickt hat beim Abmarsch von der Hütten:

»Und a Jaager siacht guat.
Aber d' Liab macht 'n blind;
Und do fangt oft den größten
A kloans Deandl geschwind.«

Daß der Jaager, der Wildpratschützen fangen will, jeder Brentlerin auf gut a Stund' ausweichen muß, hab' i' mir von dieser Stund' an g'merkt und danach gehandelt.

44 So, meine Herren, das ist die Gschicht von der adrahten Nandl.«

Damit schloß der Wildmeister seine Erzählung.

Eine Viertelstunde später patschten wir durch den Straßensumpf in stockfinsterer Nacht der Sommerfrisch – (Risum teneatis!) Behausung zu. 45

 

 

Der Almstummerl.

Zu Füßen des mächtigen Gebirgsstockes des Hochrisses dehnt sich eine große Hochebene aus, welche der Samerberg genannt wird. Es ist dies ein wenig gekanntes, wenig besuchtes romantisch schönes Gebirgsgebiet im oberbayerischen Hochlande, von kleinen Ortschaften besäet, von einem braven Volksstamm bevölkert.

In einem Dörflein dieses uralt besiedelten Gebietes ist es ein altes schwaches Männlein mit dünnen Silberlocken und weißen Bartstoppeln, das von Jung und Alt verehrt und geliebt wird. Man nennt ihn schlankweg den »Almstummerl«; der biedere Alte in der abgewetzten ledernen Hose spricht durch die Hände, da die Zunge den Dienst ihm schier seit einem Menschenalter versagt. Als der Hans noch in der Vollkraft des Mannesalters stand, gab es keinen schneidigeren und kernigeren Burschen auf dem ganzen Samerberg, und unten im Innthal auch nicht und ganz berechtigt war dem Hansl und seiner Dorfgenossen ständiger Spruch: »Herrgott san mir Leut!« (sind wir [respektable] Leute!)

Ein uralter Erwerb der Bewohner dieses Hochplateaus ist das Geschäft des Säumens gewesen, dem fast ständig ein Viertel der männlichen Bevölkerung oblag. Auf struppigen Pferden führten die Säumer, nach deren Beschäftigung der Gebirgsstrich den Namen »Samerberg« erhielt, von den Salinen der Städte Rosenheim und Traunstein Salz auf engen Saumwegen das Gebirge entlang bis zur Isar nach dem heilkräftigen Tölz und weiter bis zum Lech. Wurde der Schritt von Tier und Säumer heimwärts gewendet, brachten sie Hammerschlag und Zunder mit für die Eisenschmelzer 46 von Bergen und Aschau, auch Getreide zur Schranne im lieblichen Rosenheim. Zur Mitte unseres hastenden Jahrhunderts verminderte sich bereits dieser Transport und die Säumer mußten auf eine neue Art der Verwertung ihres Pferdematerials bedacht sein. Aus dem Säumer ward der Fuhrmann und Schiffreiter, der zur Gegenfuhr (Bergfahrt auf Donau und Inn) mit thalwärts zog und guten Lohn gewann aus der neuen Beschäftigung.

Hans war in seiner Jugend Schiffreiter und hochgeschätzt ob seiner Tüchtigkeit und Verlässigkeit. Trug eine Plätte ihn und sein Roß, durfte der Eigentümer des Fuhrwerkes der glücklichen Heimkehr Aller sicher sein. War Hans in der Fremde, so schaffte wacker am häuslichen Herd sein treffliches Weib, und lieblich erblühte den kernigen Eltern ein blondes blauäugiges Mädchen zu ihrer und des ganzen Dorfes Freude.

Von einer langen Fahrt, die sich bis Wien erstreckte, kam der gute Hans zum Entsetzen seines Weibes stumm zurück, seiner Brust entstiegen nur unartikulierte, unverständliche Laute. Bei den Greiner Strudeln war es, daß ein Kahn mit Weibern, von den Wirbeln erfaßt, zur Tiefe fuhr. Der von schwerer Bootsarbeit erhitzte Hans besann sich, als er das Unglück ersah, keinen Augenblick; kopfüber sprang er in die eiskalte Donau und mit Heldenmut und Herkuleskraft brachte er ein bewußtloses Weib ans Land. Und noch einmal tauchte der brave Hans in die Tiefe, das angebotene Seil wies er lächelnd zurück. Doch für eines Menschen Kräfte war diese Arbeit im eiskalten Wasser zu viel, seine Riesenkräfte ließen nach; schon schien der Retter selbst verloren, da gelang es ihm, die Arme aus der Umschlingung des geretteten zweiten Weibes frei zu bringen und mit letzter Kraftanstrengung strebte er dem Ufer zu. Aus tiefer Ohnmacht und starkem Fiebertraum erwachte der Retter aus Todesnot stumm, der Schrecken, der Sprung in das eiskalte Wasser hatten ihm die Sprache geraubt.

47 Wohl ertrug er diesen schweren Schicksalsschlag mannhaft, seinem treuen Weib aber ging diese Prüfung Gottes arg zu Herzen. Sie härmte sich ab und weinte bittere Thränen. Sie fluchte dem Wasser, das ihren Mann unglücklich gemacht, und vermochte schließlich den Gatten, den Schiffreiterdienst aufzugeben. Der Hochwald bot lohnenden Verdienst, für das Abholzen wurden kräftige Leute gern genommen. Hans stieg in die Wildnis und führte still ein hartes Leben als Holzfäller. War die Woche um, dann kam das treue Weib mit Lebensmitteln für die nächste Zeit, so reihte sich Woche an Woche.