Eine äußerst dunkle Zeit das Mittelalter!
Eine äußerst unmoralische Gesellschaft die Raubritter!
Es ist ja wahr: unsere Gardekavallerieoffiziere stammen meistens von ihnen ab. Aber auch sie müssen heutzutage so viel Examina machen, daß wir mit Genugtuung konstatieren können: die Wurzelbürste der allgemeinen Bildung hat sie bürgerlich moralisiert, und kein ehrsamer Zivilist braucht sich mehr vor ihnen zu fürchten. Ja: sie selbst weinen nun viel Druckerschwärze über die schlechten Sitten ihrer Vorfahren und sind gar sehr betrübt darüber, daß in ihren Familien solche Sachen passiert sind.
Was für Sachen! Ah: was für Sachen! Man möchte wirklich manchmal daran zweifeln, daß unsre heutigen lieben glatten Herren von, auf und zu die richtigen Nachkommen dieser unmoralischen Rauhbeine sind, die solche Sachen gemacht haben.
Denn, um das gelindeste Wort zu brauchen: saftige Kumpane sind sie gewesen, diese Herren von Eisenbeiß auf Eisensteiß, und rund um sie herum war nicht der Exerzierplatz, nicht das Büro, sondern der dicke, dunkle Wald.
Der gehörte ihnen; den hatten sie lieb. Aber die Städte und die Städter konnten sie nicht leiden.
Was da in engen Gassen herum kroch, war ihnen ein übel tugendhaft Gesindel: einzeln feig, in Masse frech; geschäftig und geschwätzig; krummbucklig und scheelsüchtig; krittlich und profitlich; in allen Dingen nach der Elle gerichtet und abgemessen; eingepackt in Sippschaften und Zünfte; klettentreu zusammengefilzt und miteinander verbacken in Schmutz und Schweiß und schmieriger Biederkeit.
Sie dagegen, die edlen Herren vom spitzen Sporn und Stegreif, die Junker-Schlagdrauf, Greifzu, Haltfest, fühlten sich als Einzelne, Eigene, Freie, und es schien ihnen ihr gutes Recht zu sein, die Säcke der Krämer in ihre Kammern zu leeren, obwohl es die Obrigkeit nicht gut hieß.
Denn die Obrigkeit konnten sie auch nicht leiden, außer wenn sie selber Obrigkeit waren.
Man ersieht aus alledem, wie ungebildet die Raubritter gewesen sind.
Hätten sie Schulbildung genossen gehabt, so würden sie sich ohne weiteres haben sagen müssen, daß das so auf die Dauer nicht fortgehen konnte, und daß sie sich mit einem solchen Betragen für alle Zeit in der Weltgeschichte ein miserables Renommé schaffen mußten. So ist es auch gekommen. Die Tugend hat gesiegt; überall herrscht Ordnung und Gesetz; jede Körperverletzung wird unnachsichtig bestraft; wer seinen Mitbürger an seinem Eigentum schädigt, kommt, mit oder ohne Wappen, hinter Schloß und Riegel: und die ganze gebildete Menschheit hat alle Ursache, jene abscheulichen Zeiten höchst verächtlich zu finden, mit sich aber sehr zufrieden zu sein.
Nur Degenerierte und Dichter (was auf Eins hinausläuft) sind imstande, an diesem Chorus der Freude nicht mit teilzunehmen. Sie allein vermögen es auch, dem Raubrittertume noch einigen Geschmack abzugewinnen.
Es muß da irgend eine Verwandtschaft bestehen. Vielleicht war das Raubrittertum eine Art angewandter Lyrik? Vielleicht ist Lyrik eine Art verhindertes Raubrittertum? Wie es auch sei: dem tüchtigen Bürger sind beide gleich unsympathisch, und dieser Umstand beweist allein schon, daß sie irgendwie zusammengehören.