Gesa Schwartz

Die Chroniken der Schattenwelt

Band 1:
Nephilim

Roman

47

Nando erwachte von einem Duft. Es war eine seltsame Mischung aus Schnee und Sonnenlicht, die ihn langsam aus seiner Ohnmacht rief. Er hörte den Straßenverkehr der Menschenwelt und spürte die Helligkeit des Mondes auf seiner Haut.

Mühsam öffnete er die Augen, seine Schläfen pochten unter einem stechenden Kopfschmerz. Er lag auf einem Hausdach in der Nähe des Orto Botanico, die Schiefersplitter der regennassen Dachpappe bohrten sich in seine Wange. Rings um den Rand des Daches züngelten winzige weiße Flämmchen und dort, mit dem Rücken an einen Schornstein gelehnt, saß ein Engel und schaute mit wachsamen Augen über die Stadt.

Für einen Moment meinte Nando, Antonio zu sehen, wie damals, als er vor der Entscheidung gestanden hatte, mit seinem Mentor in die Unterwelt zu gehen. Sein Herz schlug schneller. Er griff nach dem Glücksgefühl in seiner Brust, nach der Wärme, die ihn bei dieser Vorstellung durchströmte, doch schon glitt sie ihm durch die Finger und wurde von der Kälte des Schreckens abgelöst, als er das Gesicht des Engels erkannte.

Avartos war es, der regungslos ganz in seiner Nähe saß, Avartos, der Engelskrieger, der ihn gejagt hatte und dessen oberstes Ziel es in den letzten Monaten gewesen war, ihn zu töten. Nun schaute er wie eine steinerne Statue über die Dächer Roms, scheinbar gelassen und mit diesem Ausdruck in den Augen, den Nando auch bei Antonio häufig gesehen hatte – dieser Mischung aus Sehnsucht und Schmerz, nachlässig verdeckt von einer kalten Maske der Gleichgültigkeit.

Nandos Blick glitt über das ebenmäßige Antlitz des Engels, über seine blutbesudelte Kleidung und das Schwert, auf dessen Knauf Avartos’ Hand ruhte, als würde er es jeden Moment ziehen und gegen ein mögliches Opfer führen wollen. Nando erinnerte sich gut daran, wie der Engel im Forum Romanum auf ihn zugetreten war, wie Silas ihn vor seiner Kälte bewahrt hatte, und er spürte wieder den Schrecken in seinen Gliedern beim Anblick des reglosen Engelsgesichts. Doch gleich darauf dachte er an Bhrorok, sah ihn noch einmal von einem schwarzen Pfeil getroffen rückwärts taumeln, und er spürte wieder den Griff des Engels an seinem Arm, als dieser ihn im Mohnfeld mit sich gezogen hatte. Gemeinsam waren sie abgetaucht in die Dunkelheit der Brak’ Az’ghur, und Avartos hatte ihn in Sicherheit gebracht – in die Welt der Menschen.

Nando wollte sich aufrichten, doch sofort schoss ein heftiger Schmerz in seinen Nacken und ließ ihn stöhnen. Avartos kam auf die Beine, so lautlos und schnell, dass Nando den Arm emporriss und einen Flammenzauber in seine Faust schickte. Entschlossen sah er den Engel an, der abrupt stehen blieb, und stemmte sich rücklings an dem Schornstein hoch, neben dem er gelegen hatte. Ein belustigtes Flackern glitt über Avartos’ Gesicht, doch Nando beachtete es nicht. Er drängte jeden Anflug von Furcht, jede Verwirrung und Unsicherheit hinter die Maske des Kriegers zurück, der Bantoryn würdig war, und richtete seine Faust auf die Stirn des Engels.

»Was willst du von mir?«, fragte er und bemühte sich nicht, die Kälte in seiner Stimme zu unterdrücken.

Mit dieser Reaktion hatte Avartos offensichtlich nicht gerechnet. Verächtlich hob er die Brauen, als wäre er für gewöhnlich derjenige, der die Fragen stellte, und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Ich habe dir das Leben gerettet«, stellte er fest. »Du …«

»Warum?«

Der Engel war es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden, das konnte Nando sehen. Zorn flackerte in seinen Augen auf, ehe er die Luft ausstieß, langsam und geduldig, als wäre Nando ein ungezogener Hund, und schüttelte mit mildem Lächeln den Kopf. »Weil ich es so beschlossen habe. Du magst der Sohn des Teufels sein, aber noch zerquetscht dich jeder mittelmäßig begabte Dämon zwischen zwei Fingern, und genau das wäre passiert, wenn ich nicht gekommen wäre. Die Schergen Luzifers hätten dir die Kraft geraubt und ihren Fürsten befreit. Das konnte ich nicht zulassen.«

»Und warum hast du mich nicht getötet?« Die Worte brachen wie Gewehrsalven über Nandos Lippen. »Noch vor Kurzem hast du selbst alles darangesetzt, mich höchstpersönlich ins Jenseits zu befördern! Warum tötest du mich nicht, warum stehst du hier bei mir auf einem regennassen Dach und tust so, als wären dein Hass und deine Abscheu vor mir, dem Teufelssohn, nichts als Illusionen gewesen?«

Avartos musterte ihn für einen Moment, sein Gesicht verlor den höhnischen Schatten, der sich um seine Augen gelegt hatte. »Ich bin ein Engel«, erwiderte er kaum hörbar. »Hass und Abscheu sind Empfindungen, denen ich mich nicht hingebe, ein Umstand, den du wohl nie begreifen wirst. Wir Engel sind Geschöpfe des Lichts, Menschensohn, Kreaturen der Ehre, und …«

»Ich habe gesehen, was ihr mit den Nephilim gemacht habt«, erwiderte Nando kalt. »Ich habe die Chroniken Bantoryns gelesen, ich habe die Bilder der Verfolgung betrachtet und ich habe Silas’ Hand gehalten, während er starb. Sprich nicht von Ehre, Sklave des Lichts!«

Die letzten Worte glitten zischend durch die Luft und hieben nach Avartos’ Wange, sodass er zurückfuhr. Nando sah den Schrecken, der über das Gesicht des Engels zuckte, doch er ließ sich nicht davon täuschen. Mit ausgestreckter Hand ging er auf Avartos zu, er merkte kaum, wie der Engel vor ihm zurückwich.

»Ich mag ein Nephilim sein«, sagte Nando und spürte seinen Puls in den Schläfen. »Ich mag schwach sein und unwissend und vermutlich hätten mich die Dämonen der Hölle tatsächlich in der Luft zerrissen, wenn du nicht gekommen wärest. Aber ich lasse mich nicht zum Narren halten! Du hast mir das Leben gerettet! Warum?«

Avartos stieß mit dem Rücken gegen die Brüstung des Daches, das Gold seiner Augen leuchtete auf.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte er, und in diesem Moment zerbrach die Maske aus Eis vor seinem Gesicht. Dahinter lag Verwunderung, Furcht und Zerrissenheit, aber auch eine Hilflosigkeit, die Nando erschütterte, und obgleich er wusste, wer da vor ihm stand, obgleich die Bilder des strahlenden Engelskriegers Avartos deutlich vor seinem inneren Auge auftauchten, ließ er die Hand mit seinem Zauber sinken. Er fühlte die Verzweiflung, die in diesen Worten lag, aber er spürte auch die Stärke, die aus ihnen entsprang, und die in der Entscheidung wurzelte, einen vertrauten Weg zu verlassen und kopfüber in die Dunkelheit zu stürzen.

Da wandte Avartos sich ab. Er schaute über die Stadt, als wollte er jedes Licht, jeden Schein des Mondes und jede menschliche Stimme in sich aufsaugen. Seine Hände ruhten auf der Brüstung, kurz gruben sie sich in den Stein wie in weiche Butter. Nando spürte den Kampf, den Avartos in seinem Inneren ausfocht, und er sah das Muskelspiel an dessen Schläfen.

Doch frage dich, Engel höchsten Ranges, drang auf einmal Antonios Stimme durch Nandos Kopf. Er schrak zusammen, das Atmen fiel ihm schwer, so vertraut durchzogen ihn diese Worte, und er brauchte einen Moment, bis er begriff, dass Avartos ihn an seinen Gedanken teilhaben ließ. Diese Worte hatte Antonio zu ihm gesprochen, damals im Dorf der Varja, als er Avartos zu Nandos Überraschung nicht getötet hatte. Was in dir ist es, das dir diesen Rang verleiht? Was ist es, das dich von jenen in der Hölle unterscheidet? Was ist es, das dich am Leben hält in den dunklen Nächten in der Kälte deines Geistes? Warum beschützt du die Menschen?

Avartos holte tief Atem und Nando schien es, als würde er diese Geste zum ersten Mal bei dem Engel wahrnehmen, der plötzlich so jung und verwundbar wirkte, als würde er ohne Waffen dastehen und ohne jeglichen Schutz.

»Ich habe mir diese Frage nie gestellt«, sagte er leise. »Ich habe niemals Zweifel gehabt an dem Weg, den ich gegangen bin – bis zu dem Moment, da der Teufelssohn mir das Leben rettete. Der Moment war wie ein Spiegel. Noch weiß ich nicht, wohin ich mich wenden soll in der Dunkelheit, in die er mich gestoßen hat. Doch eines weiß ich sicher: Dass es keinen Weg zurück gibt, wenn man einmal hineingesehen hat.«

Nando dachte daran, wie er seine Hand an die Schläfe des tödlich verwundeten Engels gelegt hatte, an die eiskalte Haut unter seinen Fingern und an die Bilder, die durch Avartos’ Augen geflackert waren wie Erinnerungen aus einem anderen Leben. Er erinnerte sich an die Gestalt der Frau, an den Schnee auf frisch geschlossenen Gräbern und an die Kälte, die über ihn gekommen war beim Anblick des sterbenden Engels. Und wieder spürte er die Furcht, die in Avartos aufwallte. Du bist ein Engel – und jede Träne bringt dich den Schatten näher, die in dir lauern! Nando spürte die Angst davor, den Sturm und die Finsternis im eigenen Inneren zu ertragen – und dann die Entscheidung für diesen Schritt, auch wenn das Kampf bedeutete und Schwäche und Einsamkeit.

Langsam trat er neben Avartos an den Rand des Daches. Es fiel ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen, und kaum dass er den Blick von dem Engel abgewandt hatte, rasten Erinnerungen durch seine Gedanken, Bilder von der brennenden Stadt Bantoryn, von den Dämonen, die wie aus dem Schlund der Hölle gebrochen waren, und von den Engeln, wie sie in Scharen die Nephilim gejagt und getötet hatten. Viele waren entkommen und hatten es womöglich bis in die Rote Höhle geschafft, jenen Ort, der in den Brak’ Az’ghur lag und den Bewohnern Bantoryns seit jeher als Schutzraum in Notfällen diente. Nandos Magen zog sich zusammen, als er an Noemi dachte, und er ballte die Hände zu Fäusten.

»Was hast du jetzt vor?«, fragte Avartos, dem diese Geste nicht entgangen war.

Nando schwieg für einen Moment. Er ließ die Kälte der Luft in seine Lunge strömen und drängte den Zorn zurück, der hinter seiner Stirn aufglomm, als er an Bhrorok dachte und an das flammende Zeichen auf Noemis Stirn. Nur der Tod kann einen solchen Bund zerbrechen, raunte Antonios Stimme durch seine Gedanken, und Nando nickte kaum merklich. Bhrorok war von niemandem zu bezwingen, von niemandem als dem Teufel selbst – oder seinem Sohn. Er würde Noemi, Kaya und die anderen nicht den Dämonen überlassen. Er würde Bhrorok besiegen, um sie zu befreien.

»Die Bewohner Bantoryns, die überlebt haben, werden alles daransetzen, um die Gefangenen zu befreien«, erwiderte er ruhig. »Und ich werde ihnen dabei helfen. Ich werde in die Unterwelt gehen, ich werde Bhrorok bezwingen und die retten, die meinetwegen in seinen Klauen liegen.«

Da stieß Avartos heftig die Luft aus. »Unsinn«, erwiderte er. »Du bist Bhrorok noch nicht gewachsen. Du …«

Doch Nando schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen anderen Weg. Ich habe einen Eid geschworen, die Nephilim Bantoryns zu beschützen, ich bin ein Krieger der Schatten und ich werde tun, was ich kann, um die Gefangenen zu befreien. Niemand außer mir kann Bhrorok bezwingen, denn er ist ein Geschöpf der Hölle – und nur die Kraft, die ihn erschuf, kann ihn vernichten. Die Kraft, die ich in mir trage.«

Er sah Avartos an und für einen Moment wich die Abwehr auf dessen Zügen einem kaum merklichen Schimmer. Achtung schlich sich auf das Gesicht des Engels, eine Regung, die Nando so fremd erschien, dass er lächeln musste.

»Dann gehe ich mit dir«, sagte Avartos ruhig.

Nando lachte auf, er konnte nicht anders. Avartos’ Worte erschienen ihm so absurd, dass er kurz glaubte, zu träumen. Doch der Engel musterte ihn kühl, und als der Mond hinter zwei Wolken hervorbrach und seinen Schein wie ein Tuch aus schimmernder Seide auf Nandos Schläfen legte, wusste er, dass alles wirklich geschah. Ein Schauer flog über seinen Rücken, als er die Entschlossenheit in Avartos’ Augen bemerkte und den ungewohnten Ausdruck darin, der jede Ablehnung vermissen ließ, die sonst die Züge des Engels bestimmt hatte.

»Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt«, versetzte Avartos und hob stolz den Kopf. »Ich bin ein Engel, ein Geschöpf aus Sehnsucht und Eis. Ich habe die Schlange von Bagdad mit bloßen Händen zerrissen und die Ghule der Wälder im Norden gelehrt, was Furcht bedeutet. Ich bin in die Ruinen unter Moskau hinabgestiegen, um den Lindwurm zu jagen, und ich habe den Kopf des letzten Basilisken der lichten Welt mit einem einzigen Hieb von dessen Leib getrennt. Für mein Volk habe ich das getan, und das alles nur aus einem einzigen Grund: Da ich ein Krieger und ein Jäger bin. Du wirst meine Hilfe brauchen können, um die Gefangenen zu befreien – nun, da Antonio uns verlassen hat.«

Nando schrak zusammen, vielleicht wegen des Namens seines Mentors, der ihm sanft durch die Haare strich, oder wegen des verwundbaren Ausdrucks in Avartos’ Augen, und er wusste, dass nicht nur er in diesem Moment Antonios Worte hörte, jene Worte, die er einst zu Avartos gesprochen hatte. Weil sie dir Antwort geben, dir oder dem jämmerlichen Rest jener Wahrheit, die du in dir verbirgst, weil sie alles vernichten könnte, was du bist. Eines Tages, das steht außer Zweifel, wirst du sie erkennen, und du wirst sehen, dass dein größter Wert mehr ist als die Kälte deines Geistes und Augen aus Gold und Farben.

Vor ihm stand Avartos, der Krieger, der Engel, der ihm nach dem Leben getrachtet hatte und an dessen Händen das Blut klebte von unzähligen Nephilim. Doch Avartos war in den Abgrund in seinem Inneren gefallen, mehr noch – er war selbst hineingesprungen. Nando erinnerte sich daran, wie er seine Hand zurückgezogen hatte, wie er beschlossen hatte, Avartos nicht zu töten, und daran, dass ihm nicht vollständig bewusst gewesen war, warum er diese Entscheidung getroffen hatte. Noch immer wusste er darauf keine Antwort, und dieselbe Unsicherheit, dasselbe Erstaunen und Zögern sah er nun in den Zügen des Engels. Er spürte noch einmal Avartos’ Herzschlag, als würde gerade in diesem Moment erneut ein Heilungszauber über seine Lippen kommen, und er sah, wie goldene Funken die Dunkelheit im Blick des Engels durchbrachen. Langsam holte er Atem. Er hatte Avartos gefürchtet, ja, er fürchtete ihn noch immer – und doch sagte er die Wahrheit, das spürte er ohne jeden Zweifel, und er würde nichts mehr tun, das Nando schaden könnte.

Für einen Moment schwiegen sie beide und als Nando zum Zeichen seiner Zustimmung den Kopf neigte, senkte sich eine samtene, fast friedliche Stille über sie.

»Du darfst Bhrorok nicht sofort gegenübertreten, wenn wir nach Bantoryn hinabsteigen«, sagte Avartos dann. »Zuvor müssen wir ihn schwächen, wir müssen ihn verwunden, damit du eine Chance hast gegen ihn. Ansonsten würde er dich zwischen den Fingern zerquetschen, er ist das Böse in Person, und du … du kannst noch nicht einmal aus eigener Kraft fliegen.«

Nando holte tief Luft. Er schaute Avartos nicht an, als er näher an den Rand des Daches herantrat. Stattdessen sah er Antonio vor sich, der sich grazil auf der Brüstung vor und zurück bewegte und ihn zu sich heranwinkte wie damals. Doch dieses Mal schüttelte Nando nicht den Kopf. Er sah zu, wie Antonio innehielt, die Position eines Tänzers einnahm, Standbein und Spielbein gekreuzt, und die Arme auf dem Rücken verschränkte, und er sprach die Worte aus, die lautlos über Antonios Lippen kamen.

»Das wirklich Böse ist die Furcht. Nichts hat gerade über die Menschen so große Macht wie sie.«

Er spürte Avartos’ erstaunten Blick kaum, als er sich mit klopfendem Herzen auf die Brüstung schwang. Er betrachtete die Dunkelheit direkt vor sich, jene Finsternis, in die Antonio damals getreten war, griff sich an die Brust und streifte den Harnisch ab, der mit klirrendem Geräusch zu Boden glitt. Kühl strich der Nachtwind über seine Brust. Er sah Antonio in der Dunkelheit, sah, wie der Engel ihn anschaute – regungslos, als blickte er durch ein Fenster aus einer anderen Welt. Dieser Engel hatte an ihn geglaubt, mehr als das: Er war für ihn gestorben.

Unsere Entscheidungen machen uns zu dem, was wir sind, flüsterte Nando in Gedanken. Dann verbeugte er sich, fixierte den Engel mit seinem Blick – und trat in den Abgrund.

Er schrie auf, der Wind riss an seinem Haar und seiner Kleidung, und er schlug die Arme vor sein Gesicht, um einen Sturz abzufangen. Du fliegst nicht aus eigener Kraft, weil du Angst hast zu fallen, raunte Antonios Stimme durch seine Gedanken, und als hätten die Worte des Engels eine Fessel um seinen Körper gesprengt, warf Nando den Kopf in den Nacken, spannte die Schwingen – und er fiel nicht. Tränen strömten über seine Wangen, als er über die Dächer Roms dahinjagte, während das Licht Nhor’ Kharadhins und die Schatten der Gassen sich vereinten. Sie pulsten durch seine Glieder, sie waren sein Herzschlag und sein Atem, und als er sie durchdrang und Teil der Welt wurde, der er immer schon gewesen war, schrie er noch einmal. Doch dieses Mal war es ein Schrei der Befreiung und der Freude, ein Schrei, der seine Lunge zum Brennen brachte und ihn zur gleichen Zeit weinen und lachen ließ, während er durch die Schleier aus Licht und Farben tauchte, mit dem Wind in seinen Haaren. Die Kraft der Welt durchströmte ihn, diese Macht, die er erst begriffen hatte, als Antonio für ihn gestorben war – jene Stärke, die jede Teufelsmacht der Welt bezwingen konnte. Eines Tages wirst du ihr einen Namen geben, flüsterte Antonio und Nando hörte an seiner Stimme, dass er lächelte. Dessen sei gewiss.

48

Schwaden aus Asche stoben über das Pflaster wie Geisterhorden. Kalt fegte der Wind um die Ecken und das fahle Licht der Häuser, die sich zu beiden Seiten der Gassen auftürmten, tauchte die Brak’ Az’ghur in düsteres Zwielicht.

Mit angezogenen Schultern ging Nando neben Avartos die Gänge hinab. Der Engel bewegte sich vollkommen lautlos, den Körper in seinen dunklen Umhang gehüllt, der ihn mit den Schatten der Umgebung verschmolz. Er hielt ziemlich genau eine Armlänge Abstand zu Nando und dieser stellte zu seinem Erstaunen fest, dass Avartos diese Distanz instinktiv zu wahren schien: Näherte Nando sich ihm nur um wenige Fingerbreit, entfernte der Engel sich von ihm, als gelte es, den vorherigen Abstand zwischen ihnen wiederherzustellen. Sie hatten kaum ein Wort mehr miteinander gesprochen, seit sie in die Unterwelt zurückgekehrt waren, und doch herrschte eine stille Übereinkunft in dem, was nun zu tun war, die Nando Sicherheit gab inmitten der Dunkelheit.

Er erinnerte sich gut daran, wie er die Brak’ Az’ghur erstmals betreten hatte. Argwöhnisch hatte er in Giorgios Taxi gesessen, die Augen weit aufgerissen beim Anblick der verzweigten Wege, der Glutbäume und der schemenhaften Gestalten, die hin und wieder hinter einem der Fenster aufgetaucht waren. Er hatte Angst gehabt, ohne jeden Zweifel, doch nun erschien ihm diese Furcht wie eine ferne Erinnerung. Die Schatten waren für ihn zu Vertrauten geworden, zu Freunden, die ihn in ihre Dunkelheit hüllten und ihn vor feindlichen Augen verbargen. Nie hätte er damals geglaubt, bei dem Anblick der Hexen und Nekromanten hinter den Fenstern der heruntergekommenen Häuser einmal etwas anderes zu empfinden als Furcht oder Misstrauen, doch nun erschienen ihm ihre Gesichter beinahe vertraut. Vereinzelt fing er einen Blick aus zwei aufglimmenden Augen auf, sah eine struppige Katze im Fensterrahmen sitzen und bemerkte ein Wispern, das fast lautlos über das Pflaster strich. Die Bewohner der Brak’ Az’ghur hatten vom Fall Bantoryns gehört und es war, als würden ihre Häuser Trauer tragen, als wollten sie durch ihr Schweigen und dadurch, dass keiner von ihnen auf die Straße trat, der Stadt jenseits des Lichts gedenken.

Nandos Unruhe nahm zu, je näher sie der Roten Höhle kamen. Es war still, so still in den Gängen der Schatten, und es fiel ihm zunehmend schwerer, die Fragen in sich zurückzudrängen, die quälend von innen gegen seine Stirn klopften. Immer wieder sah er die Nephilim durch die Portale fliehen, sah ihre entsetzten, fassungslosen Gesichter und die Hilflosigkeit in ihren Blicken. Was, wenn sie sich in ihrer Panik zerstreut hatten, wenn sie geflohen waren, so weit ihre Schwingen sie getragen hatten? Was, wenn sie sich fürchteten, die Rote Höhle aufzusuchen, oder wenn sie den Dämonen in die Klauen geraten waren oder den Engeln? Was, wenn sie die Regeln Bantoryns vergessen hatten, und …

»Ich höre deinen Herzschlag wie eine Blaskapelle in meinem Kopf«, sagte Avartos ruhig. Erstaunt sah Nando ihn an, doch der Engel schaute die Gasse hinab, als erwartete er jeden Augenblick einen Angriff aus einem der Häuser. »Du musst lernen, deine Gefühle zu kontrollieren. Du verlierst deine Konzentration, wenn du das nicht tust, und fehlende Achtsamkeit kann dich das Leben kosten.«

Nando verdrehte die Augen. Antonio und Drengur hatten ihm des Öfteren Ähnliches gesagt. »Das ist nicht leicht, wenn man sich um seine Freunde sorgt.«

»Freunde«, sagte Avartos leise und es klang, als hätte er dieses Wort bisher selten ausgesprochen. »Deine Sorgen werden ihnen nicht helfen. Deine Taten sind es, die zählen. Du bist kein Tellerwäscher mehr, vergiss das nicht. Du darfst dich nicht in die Irre führen lassen von deinen Emotionen. Bewahre einen kühlen Kopf, das rate ich dir. Du wirst ihn brauchen, wenn du den Weg eines Kriegers gehen willst.«

Nando betrachtete Avartos von der Seite. Die Haare des Engels schimmerten leicht im Zwielicht und durch seinen lautlosen Gang schien es fast, als würde er schweben. »Der Weg eines Kriegers«, sagte er nachdenklich. »Als ich Antonio zum ersten Mal begegnet bin, da habe ich nicht so sehr darauf geachtet, dass er eine düstere Gestalt war, die bedrohlich und unheimlich wirkte – nicht sofort jedenfalls. Das Erste, das ich wahrnahm, war der Duft des Mohns, der vor den Toren Bantoryns wächst. Und noch immer ist es dieser Duft, den ich mit Antonio verbinde und der mir jede Erinnerung an ihn zurückbringt.« Er hielt kurz inne. »Es mag dir merkwürdig erscheinen«, fuhr er dann fort und ein schwaches Lächeln glitt über seine Lippen. »Aber ich glaube, dass ich beides sein möchte: ein Tellerwäscher und ein Krieger. Glaubst du, dass das möglich wäre?«

Da wandte Avartos den Blick. Erstaunen flackerte in seinen Augen auf. Er öffnete den Mund und Nando meinte bereits, die abgeklärten Worte zu hören, die sich auf die Zunge des Engels stahlen, als Avartos leicht den Kopf neigte. Eindringlich sah er Nando an, als wäre dieser ein Gemälde, dessen Maltechnik er noch nicht durchdrungen hatte, schob dann das Kinn vor und nickte langsam. »Vielleicht«, erwiderte er leise. Und kaum merklich lächelte er.

Dieses Lächeln schmolz die Maske von seinen Zügen und Nando wollte gerade etwas erwidern, als er den Speer sah, der zischend auf sie zuraste. Mit einem Schrei hob er den Arm, um die Waffe mit einem Zauber abzuwehren, doch schon streckte Avartos die Hand aus und fing den Speer noch im Flug. Knisternd brachen Flammen zwischen seinen Fingern hervor – und die Waffe verkohlte binnen weniger Augenblicke zu Asche.

Nando kam nicht dazu, einen Ton hervorzubringen, denn schon stürzte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit zwischen zwei Häusernischen und schleuderte eine glühende Peitsche auf Avartos. Sofort packte der Engel die Peitsche und riss sie zu sich heran. Seine Bewegungen waren so schnell, dass Nando sie kaum verfolgen konnte, doch er sah, wie Avartos die Peitsche zu Boden warf, eine Gestalt an der Kehle packte und sie gegen die nächste Hauswand drückte. Es war ein Nephilim, der ihn angegriffen hatte – ein Nephilim mit dunklem, lockigem Haar und braunen Augen.

»Riccardo!«, rief Nando und eilte zu ihnen, doch keiner der beiden schien ihn zu hören. Sie starrten sich an, feindselig und mit einer Kälte in den Augen, die ihre Gesichter in zwei Fratzen verwandelte. Frostzauber drangen aus den Fingern des Engels, schon überzog sich Riccardos Brust mit Kristallen aus Eis. Da legte Nando die Hand auf Avartos’ Arm. »Er ist ein Freund«, sagte er eindringlich, und nach kurzem Zögern nahm der Engel die Hand zurück.

Riccardo landete auf dem Boden, hustend kam er auf die Beine und ließ sich von Nando stützen. »Er ist ein Engel!«, keuchte er außer sich und deutete mit zitternder Hand auf Avartos, der ihn seelenruhig und mit abfälligem Blick betrachtete.

»Es ist doch immer wieder erstaunlich, welche Klugheit aus den Reihen deines Volkes geboren wird«, stellte der Engel an Nando gewandt fest, doch dieser achtete nicht auf ihn.

»Er hat mir das Leben gerettet«, sagte er zu Riccardo, der ungläubig die Augen aufriss. »Mir und Antonio. Bhrorok hätte uns beide erschlagen, wenn Avartos nicht gekommen wäre, und … Ich kann ihm vertrauen, Riccardo – wir alle können das.«

Misstrauisch warf Riccardo Avartos einen Blick zu, doch Nando konnte sehen, dass seine Worte die Furcht in ihm verringert hatten. »Du willst ihn mitnehmen?«, fragte er leise, und obwohl er mit Nando sprach, wandte er den Blick nicht von dem Engel ab. »Das wird einigen gar nicht gefallen.«

Nando holte erleichtert Atem. »Dann haben sie sich also in der Höhle versammelt?«

Riccardo nickte und wollte gerade etwas erwidern, als Avartos die Hände hob.

»Keine Sorge«, sagte er mit spöttischem Lächeln. »Ich habe nicht vor, die Nephilim in Panik zu versetzen. Vermutlich wäre es in der Tat zu viel verlangt, meinen Anblick in ihren Reihen ohne Weiteres hinzunehmen. Ich werde euch begleiten, doch vergesst eines nicht: Es gibt kein anderes Geschöpf auf dieser Welt, das sich besser auf Tarnung versteht als ein Engel.« Mit diesen Worten zog er sich die Kapuze so tief ins Gesicht, dass seine Züge in der Dunkelheit versanken. Sein Umhang verschmolz noch stärker mit der Dämmerung rings herum und verwandelte ihn beinahe selbst in einen Schatten. Nando nickte langsam und bemerkte, wie ein Hauch von Faszination über Riccardos Gesicht flackerte, den dieser jedoch umgehend hinter einem zornigen Ausdruck verbarg.

»Gut«, sagte Riccardo und starrte einen Moment lang in die Finsternis von Avartos’ Kapuze. »Aber ich behalte dich im Auge.«

Der Engel lachte leise. »Nichts anderes habe ich erwartet von einem Nephilim, dessen Speerwurf mehr Lärm verursacht als ein Kampfflugzeug der Menschen.«

Riccardo wollte etwas erwidern, doch Nando legte ihm die Hand auf den Arm. Sie hatten Wichtigeres zu tun, als sich in den Gängen der Schatten herumzustreiten. »Haben es viele in die Höhle geschafft?«, fragte er deshalb und zog Riccardos Aufmerksamkeit auf sich.

»Die meisten schon«, erwiderte dieser, während sie die Gasse hinaufgingen. »Doch viele sind verwundet, manche schwer, und Morpheus und die Heiler haben alle Hände voll zu tun, sich um sie zu kümmern. Es gibt Tote, doch wir können sie nicht beisetzen, solange wir uns verstecken müssen, und …« Er hielt kurz inne. »Die Senatoren haben eine Versammlung anberaumt, auf der alles Weitere besprochen werden soll, aber … Unsere Heimat wurde zerschlagen. Jetzt haben wir nichts mehr.«

Nando senkte den Blick. Schweigend gingen sie nebeneinander her, doch als sie den Eingang zur Roten Höhle erreichten, spürte er sein Herz schneller in seiner Brust schlagen. Er sah zu, wie Riccardo sich daran machte, Tarn- und Schallzauber vor dem Eingang zu durchdringen, und hielt ihn zurück.

»Geben sie mir die Schuld?«, fragte er und sah erst das Unverständnis und dann das Erstaunen, das über Riccardos Gesicht flackerte. »Ich bin dem Teufel verfallen«, fuhr er fort, ehe dieser etwas erwidern konnte. »Genau wie einst Aldros. Ich habe Bhrorok in die Stadt geholt und den Dämonen den Einzug nach Bantoryn ermöglicht, und …«

Da stieß Riccardo scharf die Luft aus. »Du hast die Engel zurückgeschlagen«, erwiderte er eindringlich und warf Avartos einen Blick zu. »Diese verfluchten Sklaven des Lichts, die uns vernichtet hätten, wenn du nicht gewesen wärest. Du magst dem Teufel gefolgt sein, aber nur, um uns zu retten. Wir können alle froh sein, dass wir nicht von der Hand eines Engels niedergestreckt wurden!«

»Ohne mich wären die Engel niemals in die Stadt gelangt«, sagte Nando kaum hörbar. »Paolo hat mich gehasst, er …«

»Paolo war verblendet und zerfressen von seinem Neid und seiner Gier«, erwiderte Riccardo kühl. »Er war es, der Bantoryn verraten hat – er ganz allein! Du bist nicht verantwortlich für unser aller Schicksal.«

Nando senkte den Blick. »Es hätte nicht viel gefehlt und der Teufel wäre befreit worden. Wäre Antonio nicht gekommen …«

»Aber er ist gekommen«, unterbrach Riccardo ihn und seine Stimme klang plötzlich hart, fast abweisend. Erstaunt sah Nando seinen Freund an, Zorn stand in dessen Augen. »Willst du dich aufschwingen und über Antonio urteilen, Antonio, den ersten Engel und unser aller Mentor? Wenn es stimmt, was man sich erzählt, so war er es, durch dessen Schuld Bhrorok an den Schlüssel zu den Höllenpforten gelangt ist, denn er entschied sich dafür, dich zu retten.« Er hielt kurz inne, ein kaum merkliches Lächeln glitt über sein Gesicht. »Und ich zweifle diese Entscheidung nicht an.«

Nando spürte die Wärme, die von Riccardos Worten ausging, und er erwiderte das Lächeln, auch wenn noch immer die Kälte in ihm glomm, die sich seit dem Fall Bantoryns in ihm festgesetzt hatte.

»Bantoryn ist gefallen, Nando, und es scheint so …« Riccardo holte tief Atem, ein Schatten flackerte über sein Gesicht und sammelte sich in seinen Augen, bis sie aussahen wie reglose Seen. »Es scheint so, als wären die Bewohner der Stadt mit in den Abgrund gestürzt. Es ist besser, wenn du darauf vorbereitet bist.«

Noch nie zuvor hatte Nando einen solchen Ausdruck auf Riccardos Zügen gesehen, nie zuvor seine Stimme in diesem Widerhall aus Resignation und Schwäche gehört, und ein Schauer flog über seinen Rücken, als sein Freund den Zauber sprach und sie in die Rote Höhle eintraten.

Das Erste, was Nando wahrnahm, war der Geruch von Blut. Süßlich und metallisch lag er über unzähligen Zelten, hinter denen sich Heiler und Pfleger bewegten und Schattenrisse gegen die Planen warfen. Schleierartige Steinformationen unterteilten die Höhle in mehrere Bereiche, und Nando roch den scharfen Geruch von Desinfektionsmitteln und nahm die Impulse der Magie wahr, die für Operationen benötigt wurde, während er Riccardo folgte.

Es herrschte eine beklemmende Stille, die nur vereinzelt von Weinen oder erstickten Schreien unterbrochen wurde. Die metallenen Roboter von Morpheus eilten zwischen den Gängen hin und her und gingen ihrem Herrn ebenso zur Hand wie den zahlreichen Heilern. Viele Nephilim lagen mit kleineren Wunden auf schmalen Pritschen und warteten auf ihre Behandlung, andere hockten aschfahl und schweigend da wie unter einem Schock. Unzählige weitere saßen neben soeben Verstorbenen. Viele der toten Gesichter waren zu Fratzen entstellt und verfolgten Nando, sobald er sich von ihnen abgewandt hatte. Du bist nicht verantwortlich für unser aller Schicksal, ging Riccardos Stimme durch seine Gedanken, doch nun, da er zwischen den Verwundeten, den Sterbenden und den Trauernden hindurchging, nun, da er ihre Blicke auf seiner Haut fühlte, da spürte er, dass Riccardo sich irrte. Er trug die Verantwortung für die Nephilim, so wie er die Verantwortung für sich selbst trug und für all das, was Antonio ihn gelehrt hatte. Er ließ die Laute der Verwundeten durch sich hindurchziehen, während er an den Zelten vorüberging, und er wehrte sich nicht dagegen, dass die Stille der Toten sich in seinem Inneren festkrallte und Samen aussäte. Er musste sich davor bewahren, sie zu vergessen, und auch, wenn er ihre Gesichter kaum ertrug, würde er sie dennoch mit sich nehmen – jedes einzelne von ihnen.

Er warf einen flüchtigen Blick zu Avartos hinüber, und obwohl er in der Finsternis unter der Kapuze nichts erkennen konnte, lag doch eine Sanftheit, eine Ehrfurcht und Anmut in seinen Bewegungen, die wie eine stille Andacht war und eine Buße für all das, was die Bewohner Bantoryns durch die Herrschaft der Engel erleiden mussten.

Sie gelangten in einen durch mehrere durchbrochene Steinschleier ein wenig vom Krankenbereich abgetrennten Raum der Höhle, in dem sich die Nephilim versammelt hatten, die keiner Behandlung bedurften. Der Bereich war gewaltig, er erstreckte sich über aufgeschüttete Hügel und Abhänge, und in einiger Entfernung erhob sich ein Podest, auf dem Nando die Senatoren der Stadt vermutete. Langsam schob er sich mit Avartos und Riccardo voran, ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten, sah Ilja in der Menge, die schlafend an der Schulter ihres Vaters lehnte, und viele andere vertraute Gesichter.

Riccardo erzählte ihm halblaut, dass Salados schwer verwundet worden war und Morpheus sich seit Stunden darum kümmerte, ihm das Leben zu retten, und er berichtete von einigen Novizen, die von den Engeln getötet worden waren. Bei jedem Namen tauchte ein Gesicht in Nando auf, eine Stimme, ein Geruch, und als er das Podest der Senatoren erreichte und Drengur als Vorsitzenden neben seinem Panther Althos darauf erblickte, durchströmte ihn für einen Moment ein Gefühl der Erleichterung. Der Dämon war ins Gespräch vertieft, doch allein sein Anblick brachte Nando das Gefühl zurück, dass er damals nach ihrem Gespräch auf dem Drachenplatz empfunden hatte, und er spürte die Stärke und Tapferkeit, die von Drengur ausging und jeden in seiner Nähe daran hinderte, sich in Schmerz und Traurigkeit zu verlieren. Und dennoch schien es Nando, als er sich neben Riccardo und Avartos niederließ, als würde er in einem Morast der Stille versinken, einem Sumpf aus erschöpfter Resignation, der ihm das Atmen schwer machte. Er roch ihn ebenfalls, den Duft des Blutes, der aus dem Krankenlager herüberwehte, und er hörte sie auch, die Schreie der Sterbenden und die der Trauernden. Doch er zwang sich, an Noemi zu denken – und an all die anderen, die in dieser Stunde in den Klauen der Dämonen lagen und der Hilfe derer bedurften, die schweigend und niedergeschlagen beieinandersaßen, als wären sie es gewesen, die im Mohnfeld Bantoryns ihr Leben verloren hatten.

Nando fixierte Drengur mit seinem Blick. Unruhig sehnte er den Moment herbei, da der Senator die Versammlung eröffnen würde, von der Riccardo gesprochen hatte, und als der Dämon sich schließlich erhob und an den Rand des Podestes trat, spürte Nando seinen Herzschlag in der Kehle. Er rechnete mit einem tadelnden Blick von Avartos, doch der Engel schaute regungslos zu Drengur hinauf, als würde er dessen Dämonenblut wie Feuer auf seiner Haut spüren.

»Bewohner Bantoryns«, rief Drengur und ließ seine Stimme auf den Schwingen eines Sturmzaubers durch die Höhle branden. »Das, was wir seit Jahrhunderten fürchteten, das, wovor wir uns verwahrten und das wir dennoch nicht verhindern konnten, ist eingetreten. Bantoryn, die Stadt jenseits des Lichts, ist gefallen.«

Er hielt kurz inne. Seine Worte drangen wie Messerstiche in Nandos Bewusstsein und dieser musste die metallenen Kuppen seiner linken Hand in sein Fleisch bohren, um den Schmerz in sich kleinzuhalten.

»Die Engel kamen über uns«, fuhr Drengur fort. »Und sie haben uns alles genommen, was einst das unsere war. Sie stürzten unsere Stadt in die Dunkelheit, sie raubten vielen von uns das Leben und sie nahmen uns unsere Heimat. Unzählige von uns sind gefallen, viele weitere kämpfen in diesen Stunden ums nackte Überleben. Viele andere haben Wunden an Leib und Seele davongetragen, die auf den ersten Blick zu heilen scheinen, die sie aber niemals ganz wieder abstreifen werden. Die vergangene Nacht wird als Schicksalsnacht in die Geschichte unseres Volkes eingehen, das steht außer Zweifel. Doch nun gilt es, die Zukunft ins Auge zu fassen. Hier, in dieser Höhle, können wir nicht bleiben. Zwar wird sie von den Engeln wenig frequentiert und die Zauber, die wir vor ihren Eingang legten, werden uns zunächst schützen. Aber dauerhaft werden wir hier nicht sicher sein.« Schreckenslaute drangen über die Reihen, doch Drengur ließ die Unruhe nicht die Oberhand gewinnen. »Es wird Zeit brauchen, um ein neues Bantoryn zu errichten. Noch ist unsicher, ob wir überhaupt jemals wieder eine solche Stadt unsere Heimat nennen werden. Doch bis es so weit ist, werden wir nach Katnan ziehen – in die Stadt der Zwischenweltler.«

Sofort brandete ein Raunen auf, Nando hörte Missfallen wie Zustimmung in den Stimmen der Zuhörer. Er hatte viel von Katnan gehört, jener Stadt, die Menschen beherbergte, Obdachlose, Bettler, Vagabunden und andere Wesen, die sich zu keinem Volk und keiner Gruppe zählten. Es sollte eine Stadt des Zwielichts sein, heruntergekommen, schmutzig, ein Moloch, in den sich nicht einmal die Engel begaben, wenn es sich vermeiden ließ. Dennoch würde sie der ideale Schutzraum sein, sie, in deren Mauern viele andere Heimatlose so etwas wie ein Zuhause gefunden hatten.

»In mehreren Trupps werden wir Katnan erreichen«, fuhr Drengur fort, als sich das Raunen in überwiegend zustimmendes Gemurmel gewandelt hatte. »Noch heute Nacht werden wir die Listen für die einzelnen Gruppen zusammenstellen – und morgen werden wir mit der ersten Einheit nach Katnan ziehen.«

Verhaltener Beifall erklang, der Nando die Brauen zusammenziehen ließ. »Was soll das bedeuten?«, flüsterte er Riccardo zu. »Wir können nicht einfach nach Katnan aufbrechen, Noemi und die anderen befinden sich noch in der Hand der Dämonen, sie …«

Er beendete seinen Satz nicht, denn in diesem Moment wandte Riccardo den Blick und sah ihn an. Nichts als Finsternis lag in seinen Augen und Nando begriff, dass es das war, was Riccardo ihm hatte sagen wollen: Die Bewohner Bantoryns würden den Gefangenen nicht helfen. Fassungslos riss Nando seinen Blick los und starrte Drengur an, und nun erkannte er auch die Anspannung hinter dessen Stirn, den Zorn, der in den Schläfen des Dämons pulste und nur mit Mühe zurückgehalten werden konnte.

»Der Senat hat festgestellt«, begann Drengur und Nando konnte hören, dass er die Worte über seine Lippen zwingen musste, »dass die Gefangenen, die sich zu dieser Stunde in der Gewalt der Dämonen befinden, für uns nicht mehr zu retten sind. Wir haben weder die Stärke noch verfügen wir über die Anzahl an Kriegern, um den Dämonen die Stirn bieten zu können, schon gar nicht Bhrorok, dem Höllengeschöpf, das nicht zu bezwingen ist. Uns bleibt nichts anderes übrig, als diese Gefangenen zurückzulassen. Doch vergessen werden wir sie nicht und wir werden ihnen zu Ehren nun die Augen schließen und für einen Moment schweigen.«

Nando starrte Drengur an, er sah, wie der Dämon den Blick über die Reihen schweifen ließ – und schrak zusammen, als fast sämtliche Umsitzenden die Köpfe neigten und die Augen schlossen. Er bemerkte Riccardos Blick auf seinem Gesicht, fühlte auch Avartos, der ihn aus der Finsternis heraus fixierte, doch stärker noch als dies spürte er die Stille, die sich als todbringende Schlinge um seine Kehle legen und sich zuziehen wollte.

»Krieger der Schatten!«, rief er und kam auf die Beine. Die Zuhörer zuckten zusammen wie unter einem Schlag, doch sie alle wandten die Köpfe und sahen Nando an, einige erstaunt, andere fragend. Hilflos hob er die Arme und ließ sie wieder sinken. »Wisst ihr, was ihr da tut?«, fragte er und hörte, wie seine Stimme wie der Wind Bantoryns über ihre Köpfe flog. »Ihr schweigt für jene, die ihr im Stich lassen wollt? Ihr gebt sie auf, überlasst sie den Dämonen, sie, eure Nachbarn, eure Brüder, eure Schwestern, eure Freunde? Sie warten auf uns! Sie brauchen unsere Hilfe, wenn sie nicht sterben sollen! Wie könnt ihr sie zurücklassen! Wie könnt ihr das tun!«

Drengur fixierte Nando mit seinem Blick und dieser konnte sehen, dass der Dämon am liebsten in seine Empörung eingefallen wäre. Doch er war der Stellvertreter von Antonio und damit dessen Erbe. Er durfte den Vorsitz des Senats nicht seinen eigenen Interessen unterordnen. »Das Volk Bantoryns ist am Ende«, sagte er und Nando schien es, als würde er diese Worte nur zu ihm sagen. »Seht euch um. Keiner hier kann mehr kämpfen. Wir mögen Krieger der Schatten gewesen sein, doch dieses Erbe ist zerschlagen worden wie der Nebel der Ovo, der durch den Niedergang Bantoryns zerrissen wurde und sich in alle Winde zerstreute. Das, was wir einst waren, ist vorbei.«

Nando fuhr sich an die Kehle, auf einmal bekam er keine Luft mehr, doch noch ehe er einen Laut hervorbringen konnte, erhob sich eine Gestalt neben ihm. Erschrocken erkannte er, dass es Avartos war. Langsam zog der Engel sich die Kapuze vom Kopf.

Ein Aufschrei ging durch die Menge, nackte Panik stand in jedem Gesicht, doch da hob Avartos die Hand, und als hätte er einen Flammenzauber auf jeden Einzelnen gerichtet, hielten die Nephilim inne und starrten ihn schreckensbleich an. Selbst Drengur stand regungslos und in seiner Haltung lag etwas, das Nando gerade noch in der angespannten Wartestellung des Engels bemerkt hatte, eine Unruhe und Wachsamkeit, die nur angesichts des eigenen, in Licht oder Finsternis getauchten Spiegelbildes entstehen konnte. Drengur rührte sich nicht, doch seine Augen standen in schwarzen Flammen.

»Nephilim«, raunte Avartos, doch seine Stimme drang an jedes Ohr. »Ihr seid also das sagenhafte Volk Bantoryns, das unter dem Engel Alvoron Melechai Di Heposotam zu wahrer Schönheit heranwuchs. Ihr seid das Volk, das mir und meinesgleichen immer wieder durch die Finger schlüpfte. Ich hörte von eurer Tapferkeit, von eurem Mut und eurem Ehrgefühl – und ich hörte von dem Ideal der Freiheit und Verbundenheit, auf dem eure Stadt einst gegründet wurde. Nichts davon scheint der Wahrheit zu entsprechen, denn in euren Augen sehe ich nichts als Resignation und Furcht!«

Kaum hatte er das letzte Wort über ihre Köpfe geschickt, schrien die Anwesenden erneut auf.

»Was hast du hier zu suchen?«, donnerte da Drengurs Stimme durch die Höhle und zwang jeden, an seinem Platz zu bleiben. »Was willst du hier in der dunkelsten Stunde unseres Volkes, du, Abschaum des Lichts?«

Nando fühlte das Kräftemessen zwischen diesen beiden, die nichts mehr waren als Abgrund und Sturm, doch er stellte sich vor Avartos, mitten hinein in die Kälte, die von dem Engel ausging, und die glühende Hitze, die von Drengurs Leib auf ihn zuraste, und er ertrug den Wind, der über sein Gesicht peitschte wie Schwärme aus tausend Scherben.

»Sein Name ist Avartos«, sagte er und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme ein wenig zitterte. »Und er ist hier, weil er mir das Leben rettete und Antonio vor einem Tod unter den Augen des Teufels bewahrte!« Laute des Erstaunens brandeten aus den Reihen auf und Nando ließ seinen Blick durch die Menge schweifen. »Er, ein kalter, gleichgültiger Engel, scheint mehr Hoffnung in sich zu tragen als ihr alle zusammen, denn er will mich nach Bantoryn begleiten, um die Gefangenen zu befreien – mich, den er einst jagte! Aber wie ich sehe, habt ihr euren Glauben verloren, und mehr als das! Was ist mit euren Idealen, mit den Säulen, die Bantoryn einst begründeten?«

»Die Engel haben unsere Stadt zerstört!«, rief eine junge Frau und mehrere Zuhörer stimmten ihr zu, doch Nando streckte die linke Hand vor und ballte sie zur Faust.

»Dann errichten wir sie neu!«, rief er und ließ seinen Zorn jedes seiner Worte wie Donner über die Köpfe treiben. »Oder haben sie auch uns zerstört? Ich weigere mich, das zu glauben! Unter euch sitzen die besten Krieger der Schatten, die Bantoryn je hervorgebracht hat! Ich bin nur ein Tellerwäscher aus der Oberwelt! Und dennoch werde ich morgen Nacht nach Bantoryn ziehen und die Gefangenen befreien!«

»Das ist es, worauf Bhrorok wartet«, rief ihm ein älterer Nephilim zu. »Er will dich in eine Falle locken, um dich zu vernichten! Vermutlich sind die Gefangenen schon längst hingerichtet worden!«

»Die Dämonen warten auf mich, das ist mir bewusst«, erwiderte Nando regungslos. »Aber ich werde keine Toten beklagen, solange die Hoffnung besteht, dass die Gefangenen noch leben!«

Der Nephilim stieß die Luft aus. »Und was willst du tun? Ganz allein gegen Bhrorok antreten, du, der noch nicht einmal seine Ausbildung beendet hat?«

Nando hielt seinem Blick stand. »Nein«, erwiderte er. »Nicht allein – sondern mit eurer Hilfe! Du hast recht, was die Falle betrifft. Ich fürchte mich davor, ich schäme mich nicht, das zuzugeben – aber dennoch werde ich es tun, genau so, wie Antonio es mich gelehrt hat!«

Da sah der alte Nephilim ihn an, etwas wie Schmerz flackerte in seinen Augen auf. »Antonio ist tot«, sagte er kaum hörbar, und doch schien es Nando, als würden die Worte ihm ins Gesicht schlagen.

»Nein«, erwiderte er, aber in diesem Moment brandete der Schmerz in ihm auf, er fühlte wieder Antonios Hand in der seinen und sah, wie der Engel lautlos von ihm Abschied nahm. Gerade wollte er Atem holen, wollte die Stille durchbrechen, die sich aus seinem Inneren gedrängt hatte und ihn in seine eigene Finsternis zog, doch da drang ein Geräusch durch die Halle, ein metallenes Geräusch von Schwingenschlägen.

Erstaunt wandten die Anwesenden die Köpfe und Nando sah, wie sich zwei von Morpheus’ Engeln auf sie zubewegten. In ihrer Mitte hielten sie einen Nephilim, doch erst, als sie nahe bei dem Podest landeten, erkannte Nando Salados zwischen ihnen.

Der Senator löste sich von ihren Griffen, zahlreiche Verbände bedeckten seinen Körper, und sein Gesicht war so bleich, dass es schien, als würde ein Toter durch die Reihen zum Podest schreiten. Doch Salados war nicht tot. In seinem Blick brannten der alte Zorn und dieselbe ungebrochene Sturheit, die Nando bereits bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen waren.

Mehrere Nephilim wollten Salados helfen, als er hinauf zum Podest schritt, doch er wehrte jede ihrer Bemühungen ab. Die metallenen Engel standen am Ende des Ganges, den Salados durch die Menge gebildet hatte, als wären sie seine Diener. Wortlos ging Salados zu Drengur. Der Dämon neigte respektvoll den Kopf, ehe er zurücktrat und dem Senator das Feld überließ. Für einen Moment glitt Salados’ Blick durch die Reihen, er traf auch Nando, doch sein Antlitz blieb regungslos.

»Du sprichst von den Säulen Bantoryns«, begann er und Nando schauderte, als die heisere Kälte in seiner Stimme ihn traf. »Du, der erst seit so kurzer Zeit in unserer Stadt lebte, du, den wir nur mit Mühe in unseren Reihen akzeptierten, du, der Sohn des Teufels – ausgerechnet du willst uns erzählen, worauf Bantoryn gegründet wurde?«

Er stieß verächtlich die Luft aus, schon taten es ihm einige Nephilim nach, doch noch während er Nando ansah, noch während er den Mund zu einem verbitterten Grinsen verzog und sich langsam den anderen zuwandte, nickte er.

»Ja«, raunte er und Nando schauderte, als plötzliche Wärme die steinerne Fassade von Salados durchbrach. »Wir brauchen den Sohn des Teufels, der uns daran erinnert – denn wir haben es vergessen.«

Ein Raunen erklang, verunsichert schauten die Nephilim zu ihm auf, und Nando spürte sein Herz im ganzen Körper, so unwirklich erschien es ihm, Salados bei diesen Worten zu sehen.

»Ihr sprecht von den Säulen Bantoryns«, fuhr der Senator fort und seine Stimme befreite sich von Heiserkeit und Verbitterung und klang ruhig und kraftvoll an jedes Ohr. »In den vergangenen Wochen war ich immer wieder kurz davor, unser Ideal zu verraten – aus Furcht, aus Schmerz, aus Zorn. Antonio hingegen hat es seit dem Beginn Bantoryns stets hochgehalten, er hat unsere Gemeinschaft geeint und uns stark gemacht als das, was wir sind: Nephilim – und mehr als das! Wir sind frei, wir gehen aufrecht und wir lassen uns nicht bezwingen, von niemandem, auch nicht von unserer eigenen Furcht und Trauer! Antonio hat an Nando geglaubt, und er hatte recht! Dieser junge Nephilim dort unten hat die Engel zurückgeschlagen, er hat vielen von uns das Leben gerettet! Er lebt das Ideal, auf dessen Säulen Antonio unsere Stadt einst gründete. Jetzt ist die Frage, ob wir ihm folgen wollen. Folgen wir dem Teufelssohn – oder verlieren wir uns in Schmutz und Dunkelheit?«

Er hielt inne und in diesem Moment glommen seine Augen in einem Feuer, das jede Blässe, jede Schwäche und Erschöpfung von seinem Gesicht vertrieb. Nando hielt den Atem an. Auf einmal sah er Salados in der Schlacht, er sah ihn um seine Frau weinen, um seine Kinder, er sah ihn als Senator und als General der Garde und immer, in jedem einzelnen Bild, sah er dieselbe Stärke in seinen Augen, dieselbe Kraft und Entschlossenheit, die nun in seinem Blick aufflackerte und alles andere, jeden Zorn und jede Sturheit, aus seinen Zügen verdrängte.

»Wir sind noch immer frei«, fuhr Salados fort. »Wir sind noch immer Krieger der Schatten. Und es ist unsere Pflicht, niemanden auf dem Schlachtfeld zurückzulassen. So hat Antonio es jeden von uns gelehrt. Wenn wir ihn vergessen, ihn und alles, was er uns beibrachte und worauf er unsere Gemeinschaft einst gründete – wenn wir ihm das antun – erst dann ist er tot!«

Kühl und befreiend strömte die Luft in Nandos Lunge und er neigte den Kopf vor Salados, als dieser in die Reihen der Senatoren zurücktrat. Alle Anwesenden schwiegen, doch in ihren Gesichtern lag etwas, das wie eine Knospe war kurz vor dem Erblühen.