Impressum

Liebe Nicolette, …

Vom ersten Date bis zum letzten Kuss

1. Auflage

© 2021 Community Editions GmbH

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger aller Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.

Text: Nicolette Fountaris

www.community-editions.de

Nicolette Fountaris

Liebe
Nicolette, …

VOM ERSTEN DATE
BIS ZUM LETZTEN KUSS

Es steht in keinem Buch geschrieben, wie Liebe funktioniert.

Inhalt

1. Kapitel

Wie alles begann

2. Kapitel

Über Frauen und Männer

3. Kapitel

Über mich

4. Kapitel

Dating: Über Tinder, Manieren, Ladys und Gentlemen

5. Kapitel

Sex: Über Selbstbefriedigung, Praktiken und Pannen

6. Kapitel

Selbstliebe: Über Selbstachtung, Mindset und Bewusstsein

7. Kapitel

Beziehungen: Über Konflikte, Kompromisse und Klischees

8. Kapitel

Singledasein: Über Kaffeekinder, Ansprüche, Heiraten und Kinderkriegen

9. Kapitel

Nachwort

1

Wie alles begann

Wie alles begann

Welch ein Erfolg! Bei allem, was ich tue, bin ich selbst immer meine größte Kritikerin – und dennoch ging meine Idee mit dem Dirty Donnerstag durch die Decke: auf Instagram ganz ungeniert und offenherzig Tipps zu Beziehungen, Sex und allzu Menschlichem geben. Die Zahl der Follower*innen steigt und steigt bis heute und bestätigt mich jede Woche aufs Neue, dass ich nicht so ganz falsch liegen kann, auch wenn ich mir manchmal wünschte, ich würde nicht immer zu allem meinen Mund aufmachen. Doch gerade das lieben Menschen an mir. Schließlich fing so auch alles an.

Viele Start-ups und Topunternehmen wurden in Hinterhofgaragen gegründet, so zumindest wollen es einem immer wieder die schicken Marketingkampagnen verkaufen. Okay, ich gebe es zu, bei mir war es – richtig! – das Großraumbüro. Was soll ich auch mit ölverschmierten Lappen und dem Geruch nach Gummi anfangen? Bei mir war es der gepflegte Schreibtisch und um mich herum ausschließlich Frauen, alle nett, bunt vom Arbeitsleben zusammengewürfelt und auf meiner Humor-Wellenlänge. Das war ein Superteam, mit dem ich gut zusammenarbeiten konnte und mit dem ich – natürlich nur in den Pausenzeiten und nach Feierabend – Mädelsthemen rauf und runter bequatschen konnte: über Männer, die auf ihrem Handy immer noch die Fotos von Ex-Freundinnen wie Trophäen gespeichert hatten, über Ehemänner, die zwar jeden Samstag ihr Auto mit Hingabe wienerten, aber nicht in der Lage waren, ihre Zehennägel zu schneiden, über Anregungen für Rollenspiele, um das Sexleben aufzupeppen, oder einfach Tipps, wo das beste Nagelstudio in der Stadt zu finden war. Die Bandbreite unserer Gesprächsthemen war so groß wie das Leben. Und da ich zu allem eine Meinung habe, mit der ich nicht hinterm Berg halten kann, die ich also mit Verve und Humor raushaue, war der Schritt zum Dirty Donnerstag nur ein kleiner. Wie heißt es immer? „Das Gute liegt so nah und doch so fern.“ Man sieht es dann selbst nicht. Und so ging’s auch mir: Ich brauchte jemanden, der mich darauf stieß.

Am Schreibtisch hinter mir saß die Social-Media-Beauftragte des Unternehmens, für das ich zu dem Zeitpunkt arbeitete – eine entzückende Frau und echte Expertin darin, wie man Instagram & Co. dafür nutzen kann, kreative Ideen, Lifestyle und eigene Ansichten einer großen Community zugänglich zu machen. Sie ist als @aboutdina bei Instagram unterwegs. Eines Tages kamen wir darüber ins Gespräch und sie setzte mir diesen Floh ins Ohr, dass meine Art, über Männer und Frauen, Liebe und Sex zu sprechen, so witzig und erfrischend sei, das dürfe ich nicht nur in unserer kleinen Mädelsrunde kundtun. Schon damals war ich nicht von vorgestern und sogar schon auf Instagram aktiv, aber bei Weitem nicht so rege wie jetzt. Dina bearbeitete mich jedoch förmlich, sie motivierte mich, plauderte aus ihrem Marketing-Nähkästchen und zeigte mir ein paar Kniffe. Und sie versprach mir, wenn ich den ersten Schritt wagen würde, dann wird sie mich pushen und die Werbetrommel für mich rühren. Ohne sie hätte ich sicherlich nicht so schnell so großen Erfolg gehabt!

Also war es an einem Abend dann so weit: Eine Story über ‚typisch Mann, typisch Frau‘ ging live. Meine allererste Story! Ich weiß noch, wie nervös ich war und wie ich mich zuerst in die Technik reinfuchsen musste – Handgriffe, die heute gar nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken sind. Mein Handy ist jetzt quasi meine dritte Hand. Oh mein Gott, das darf ich echt niemandem erzählen, wie lange es damals gedauert hat, bis diese Geschichte im Kasten war. Aber ich hatte es geschafft – und Dina war so begeistert von dem, was sie sah, dass sie ihr Versprechen wahrmachte: Sie teilte meine Story, verlinkte und supportete mich damit sehr. Die ersten Fans fanden zu mir und bereits einen Monat später entwickelte das Ganze eine Eigendynamik. Die Ereignisse überschlugen sich. Immer mehr Menschen schrieben mir, dass sie mehr von mir sehen wollten – die Nachfrage stieg und damit in gleichem Maße meine Lust, mich weiter in diesem Bereich auszuprobieren und mir mein eigenes Start-up aufzubauen. Eine der besten Entscheidungen meines Lebens!

Es steht in keinem Buch geschrieben, wie Liebe funktioniert.

Meinen Job in diesem Großraumbüro, mit diesen fantastischen Kolleg*innen, hängte ich an den Nagel. Das erforderte großen Mut – denn finanziell bedeutete das für die erste Zeit eine enorme Unsicherheit. Doch diesen Sprung ins kalte Wasser war ich mir schuldig: Endlich hatte ich die Chance, meine Träume zu verwirklichen! Und unter uns gesagt: Es gab schlicht keine Alternative. Mit den Inhalten meiner Storys bin ich schon früh angeeckt, ich war unbequem, unverblümt und manch einem zu direkt. Das gefiel nicht allen, und meine Art, die für meinen heutigen Geschmack zu vulgär war, wurde kontrovers diskutiert. Für Arbeitgeber*innen, die herkömmliche Nine-to-five-Jobs zu vergeben haben, war ich als Arbeitnehmerin somit zu riskant.

Interessant wurde ich dadurch aber für Medien und Verlagshäuser. Eines Tages kam die Redaktion eines Onlinemagazins mit einer Anfrage auf mich zu: Ob ich mir vorstellen könnte, zehn ausgewählte Leser*innen-Fragen im Zungenschlag meiner Instagram-Storys zu beantworten? Und wie ich das konnte! So bot sich mir die Möglichkeit, Menschen anzusprechen, die bisher noch nichts von mir wussten. Das ließ ich mir nicht entgehen! Der Artikel erschien und war eine Steilvorlage für den Dirty Donnerstag. Die donnerstägliche Plauderstunde auf Instagram war geboren – mein Herzensprojekt. Mit ihr erblickte auch Mademoiselle Nicolette das Licht der Welt. Innerhalb von achtundvierzig Stunden hatte ich weitere zehntausend Follower*innen. Inzwischen schauen jede Woche Follower*innen im sechsstelligen Bereich zu, schicken mir Fragen, wollen meine Einschätzung zu eigenen Unsicherheiten bei Reizwäsche oder zur Suche nach dem perfekten Partner hören.

Heute genießt das Format einen Kultstatus und das Interesse daran steigt weiterhin. Darauf bin ich stolz und dafür unendlich dankbar, weil sich damit ständig weitere Türen öffnen, um Ideen zu entwickeln und in meiner Arbeit als Künstlerin umzusetzen.

Der Dirty Donnerstag war der Grundstein meines neuen Lebens als Freiberuflerin, mittlerweile ist er die solide Basis für so viele andere Projekte: für Fernsehshows, in denen ich zu Gast sein darf, für die ruckzuck ausverkauften Tourauftritte in großen Veranstaltungshallen, und dafür, dass ich meine eigene Fernsehshow machen durfte.

Der Dirty Donnerstag hat mich zu meinem eigentlichen Beruf gebracht, zu meiner Berufung: dem Dasein als Comedienne.

Diesem Format verdanke ich unglaublich viel. Meine Freude darüber überwiegt deutlich – aber auch das musste ich erst lernen. Denn immer wieder hagelte es Kritik, und lange Zeit war ich von vielen Menschen in die Schublade der „Einfach strukturierten Sexblogger*innen“ einsortiert. Für sie war ich nur die Nicolette vom Dirty Donnerstag. Einfach nur die Frau, die kein Blatt vor den Mund nahm und ausschließlich über Sex, Erotik und Beziehungen redete. Inzwischen – und das hat lange gedauert! – konnte ich dieses Image ablegen und habe unter Beweis gestellt, dass mein Horizont weit über die Bettkante hinausgeht.

Heute weiß ich zu schätzen, dass es Teil meines Berufs ist, über meine Leidenschaft, Beziehungen und Zwischenmenschlichkeit zu sprechen. Ich wurde sogar von Fakultäten angefragt, in denen angehende Beziehungstherapeut*innen und Lifecoaches ihren Beruf erlernen. Dort habe ich Vorlesungen gehalten – während mich andere für meine Arbeit belächelt und sie nur als Entertainment gesehen haben. Diese Anfragen von Expert*innen haben mich bestätigt, sie gaben meiner Arbeit ein größeres Gewicht und eine außerordentliche Wertschätzung.

Viele Punkte, die ich ausspreche, oder viele Auffassungen, die ich vertrete, haben ihren Ursprung auch im eigenen empfundenen Schmerz und in seiner Verarbeitung. Ich habe oft versucht zu lieben, ich habe intensiv geliebt und wurde geliebt – und wer zu tiefen Gefühlen und Zuneigung fähig ist, der läuft Gefahr, genauso tief verletzt zu werden. Auch ich war und bin davor nicht gefeit. Doch ich versuche immer, stärker aus solchen Situationen herauszugehen und dazuzulernen. Deshalb setze ich mich schon lange mit den Geschlechtern und mit meinem Geschlecht auseinander, das mir physisch nicht von Geburt an gegeben war. Vielleicht hat meine Transsexualität ihren Anteil daran, dass ich mich immer besonders mit der Beziehung zwischen Mann und Frau beschäftigt habe – weil Männer mich zu der Frau gemacht haben, die ich heute bin, eben die Frau, die ich sein möchte, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob andere das gut oder schlecht finden. Aus diesem Grund habe ich diesen Ratgeber geschrieben. Alle, die dieses Buch lesen, sollen daraus lernen: Lässt man sich auf die Liebe ein, sind Frust, Trauer, Enttäuschung oder Angst fehl am Platz. Liebe sollte keine harte Arbeit und schon gar nicht mit Schmerz verbunden sein. Enttäuscht zu werden, vor Sorge und Grübelei schlaflos im Bett zu liegen – das alles hat nichts mit echter Liebe zu tun. Und das sage ich nicht, weil ich es in Artikeln, Büchern und Reportagen gelesen oder gesehen habe, sondern kann es (leider) mit der Überzeugung aus eigener Erfahrung weitergeben.

Trotzdem bin ich keine Therapeutin, keine Psychologin und halte mich auch nicht dafür – auch wenn Kritiker*innen immer wieder meinen, mir Letzteres vorwerfen zu müssen. Dennoch habe ich für mich Werte und Erkenntnisse gewonnen und kann zu Problemen von anderen mit meiner eigenen Sichtweise Stellung nehmen – wie es gute Freund*innen auch tun würden. Sie helfen einem durch Schwierigkeiten und Momente des Kopf- und Herzzerbrechens, indem sie zuhören und spiegeln, was man vielleicht eh schon lange für sich erkannt hatte – eben nur tief verborgen in der eigenen Seele. So ist es auch beim Dirty Donnerstag. Alle, die mir eine Frage geschickt haben, tragen die Antwort in sich. Ich bin kein allwissendes Orakel. Ich helfe nur, diese Antworten offenzulegen. Ist nur eine einzige Person darunter, die sie dank meiner Hilfe findet, oder nur eine Person, die durch meine Art befreit(er) lachen kann, dann habe ich meinen Job richtig gemacht.

DIRTY-DONNERSTAG-SHORT

„Liebe Nicolette, wie definierst du eine gesunde Beziehung?“

Meine Antwort

Mein Prinzip lautet 80/20. 80 Prozent der Beziehung sollte gut sein, 20 Prozent dürfen Lappalien sein. Punkte, bei denen du mal die Augen rollst, mal diskutierst. Eine gut funktionierende Beziehung bedeutet, dass dieser Mensch mein Fels in der Brandung ist, dass mein Mann meine Familie ist – und das auch in Zeiten der 20 Prozent.

DIRTY-DONNERSTAG-SHORT

„Liebe Nicolette, ich hätte von meinem Partner so gerne mehr romantische Gesten, zum Beispiel Dates, Kuscheln oder Blumen. Was soll ich tun?“

Meine Antwort

Diese Wünsche gehören für mich ganz klar in die Kategorie „Beziehungspflege“ und leider beobachte ich immer wieder, dass das einigen – vor allem männlichen Partnern – schwerfällt. Dabei ist es doch so einfach, eine Frau glücklich zu machen! Jeder Mensch freut sich über die Kleinigkeiten, die die Beziehung am Laufen halten. Sei es ein Überraschungsei von der Tankstelle, eine selbst gepflückte Blume oder ein Zettel mit ein paar lieben Worten auf dem Badezimmerspiegel – klingt kitschig, zeigt aber Wirkung! Am besten machst du deinem Partner klar, dass dir das wichtig ist und du das zu schätzen weißt. Ich empfehle dir außerdem, das Buch „Die fünf Sprachen der Liebe“ zu lesen. Dein Partner scheint im Gegensatz zu dir vielleicht nicht der Typ zu sein, der seine Liebe mit Geschenken oder gemeinsamer Zeit zum Ausdruck bringt – dafür vielleicht eher mit Hilfsbereitschaft, Worten der Anerkennung oder Zärtlichkeit.

Nicolettes Weisheit:

DANKBARKEIT

Glück empfinden zu können, ist eine wichtige Fähigkeit. Dafür ist es elementar, für Sachen, die einem widerfahren oder begegnen, dankbar sein zu können. Diese Dankbarkeit lenkt in jeder Situation den Blick auf das Positive, sei sie noch so deprimierend oder krisenbehaftet. Das bedeutet aber im Umkehrschluss eben auch: Sehe ich das Glück in meinem Leben, erkenne ich, wie privilegiert ich bin. Das Positive wertschätzen zu können, ist wahnsinnig zufriedenstellend und erfüllend. Läuft es mal nicht so, wie ich es mir wünsche, versuche ich dennoch, mir vor Augen zu führen, wofür ich dankbar sein kann. Mein Glas ist immer halb voll, niemals halb leer. In den ersten siebenundzwanzig Jahren meines Lebens habe ich mich schwer damit getan und ich musste diese Lektion im Leben erst lernen. Aber seit ich Dankbarkeit spüren kann, hat sich das gesamte Blatt für mich zum Positiven gewendet.

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Über Frauen und Männer

Über Frauen und Männer

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern haben sowohl physiologische als auch psychologische Gründe, sie beschränken sich also längst nicht nur auf die offensichtlichen körperlichen Merkmale. Das zu ignorieren oder gar leugnen zu wollen, bringt nur eines mit sich: Probleme. Sich die Andersartigkeit vor Augen zu führen und ihr auf den Grund zu gehen, ist hingegen spannend und erhellend zugleich. Denn mit dieser Erkenntnis findet man auch das ein oder andere Puzzleteil, um das Gegenüber mit seinen Bedürfnissen und seiner Motivation besser zu verstehen. Ein zentrales Thema dabei ist Angst, wie der Psychologe John Gottman erforscht hat.

Frauen und Männer sind gleichwertig, aber nicht gleichartig!

Stell dir folgendes Szenario vor: Du bist in einem Saal voller Menschen, also eine bunte Mischung aus Männern und Frauen. Fragst du, wer in den vergangenen fünf Jahren vor irgendetwas Angst gehabt habe, dürften sowohl die meisten Frauen als auch die meisten Männer ihre Hand heben. Beziehst du aber die Frage auf Zeiträume, die nicht so weit zurückliegen, fallen die Reaktionen gemischter aus. Wie siehts mit den vergangenen zwei Jahren aus? Dann melden sich vermutlich nicht mehr so viele Männer, jedoch immer noch alle Frauen. Würdest du die Männer fragen, wer in den letzten vier Monaten Angst gehabt habe, streckt wahrscheinlich keiner von ihnen den Arm. Ganz anders sieht es allerdings bei Frauen aus. Alle würden sagen, dass sie Angst gehabt hätten.

Forscher wie Gottman haben herausgefunden, dass Angst für Frauen allgegenwärtig ist. Damit meine ich nicht, dass sie panischer sind und sich vor allem verkriechen, obwohl auch Angststörungen bei Frauen häufiger vorkommen. Ich spreche davon, dass Frauen von Natur aus vorsichtiger sind als Männer, wenn es um andere Menschen geht, um ihren Partner, ihre Familie, ihre Kinder. Sie machen sich mehr Sorgen um das gesundheitliche Wohlbefinden anderer oder darum, dass die finanzielle Existenz bedroht sein könnte, oder über körperliche Bedrohungen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Dabei meinen sie gar nicht immer Männer – in den seltensten Fällen sogar. Dennoch schwingt dieses Gefühl meist unterbewusst bei der Partnerwahl mit.

Angst ist für Frauen eine ständige Begleiterin.

Denn was sucht jemand, der sich unsicher und ängstlich fühlt? Schutz! Frauen sehnen sich nach Sicherheit, nach dem Fels in der Brandung, der starken Schulter zum Anlehnen. Die einen finden das im durchtrainierten Beschützer, die anderen in dem erfahrenen Mann von Welt, den so schnell nichts aus der Ruhe bringen kann. Lernen Frauen einen Mann kennen, überprüfen sie unbewusst bei jedem einzelnen, ob er ihr die Sicherheit bieten kann, die sie braucht. Sicherheit und Vertrauen gehen für Frauen Hand in Hand – spüren sie das eine, ist das andere fast ein Selbstläufer. Strahlt ein Mann Sicherheit aus, können sie ihm auch leichter vertrauen.

Manche Männer sind mit einer solchen Menge an Sensibilität überfordert. Und schlimmer noch: Sie äußern ihr Unverständnis, indem sie die Gefühle der Frau kleinreden. Wie viele Männer sagen immer wieder den scheinbar lapidaren Satz „Sei nicht so empfindlich“, weil sie glauben, damit könnten sie die Frau dazu bewegen, ihre Emotionen zu überdenken und stärker zu werden? Aber damit erreichen sie das genaue Gegenteil, denn einer Frau versetzt dieser Satz einen Stich ins Herz. Er bestätigt ihre Befürchtungen und erschüttert das Vertrauen in ihren Partner, der ihr keinen Schutz mehr bietet.

Emanzipation bedeutet nicht, dass ich alles besser machen kann als die Männer. Es bedeutet, dass ich in keinerlei Konkurrenz mit irgendeinem Mann stehe.

Darin liegt einer der Knackpunkte in einer Partnerschaft, einer der Gründe, warum sie scheitert und eine Frau irgendwann der Meinung ist, ihr Partner verstünde sie nicht. Natürlich gibt es eine unendliche Menge an möglichen Missverständnissen, die zwischen Männern und Frauen auftreten können. Aber das hier ist das ursprünglichste – eine Frau sucht Schutz und möchte Vertrauen, aber ihr Partner versteht dieses Bedürfnis nicht. Würde er das tun, wäre das ein erster großer Schritt, besser miteinander auszukommen. Abgesehen davon, wie elementar das wäre, um eine tragfähige Beziehung aufzubauen. Stattdessen finden Frauen leider allzu oft die Bestätigung ihrer Ängste. Mir ist da noch deutlich ein Erlebnis vor Augen, angesichts dessen ich mich heute noch wundere, dass ich nicht den Glauben an schöne Dates verloren habe.

Die Erdbeerfeld-Affäre

Mit Anfang zwanzig zog ich von zu Hause aus – eine aufregende Zeit. Zum ersten Mal auf eigenen, wenn auch finanziell eher wackligen Beinen stehen und den Sprung ins Erwachsenenleben wagen, das fühlt sich wohl für alle abenteuerlich an. Obwohl der chronisch leere Geldbeutel mit mir schimpfte, machte ich es mir in meiner kleinen Dachgeschosswohnung richtig gemütlich. Auf dem Tisch musste zum Beispiel immer ein frischer Blumenstrauß stehen – so holte ich mir die Aussicht auf den Waldrand, die weiten Wiesen und Weiden ins Wohnzimmer. Der Anblick unterstrich im Sommer bei geöffneten Fenstern noch den Duft saftiger Erdbeeren vom nahen Feld. Natur pur – und der für mich herrlichste Ort für den Feierabend! Obwohl ich meinen Job als Verkäuferin mochte, konnte ich es auf dem Heimweg kaum erwarten, mein Auto vor dem Haus zu parken und in mein kleines Reich zurückzukehren. Nach einem langen Tag endlich die Füße hochlegen und meine gemütlichen vier Wände genießen.

Damals war ich nach längerer Zeit das erste Mal wieder Single und datete den ein oder anderen Mann – man gönnt sich ja sonst nichts. Leider waren nicht nur nette dabei, sondern teilweise richtige Katastrophen. Eine Verabredung ist mir noch lebhaft in Erinnerung geblieben. Er sah gut aus und entsprach genau meinem Beuteschema, zumindest äußerlich. Aber kaum saßen wir im Restaurant am Tisch, wurde er touchy und merkte nicht, wie unangenehm mir sein geschmackloses Verhalten war. Aus falscher Höflichkeit traute ich mich nicht, ihm klare Kante zu zeigen – inzwischen werde ich da viel deutlicher, wenn meine Grenzen überschritten werden. Etwas, das ich an diesem Abend noch lernen sollte …

Trotz seiner Anhänglich- und Übergriffigkeit ließ ich mich nach dem Essen von ihm nach Hause fahren. Das macht ein anständiger Mann schließlich. Was mir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar war: Der Kerl hatte nur Sex im Kopf! Schon im Auto wollte er mir an die Wäsche. Als wir dann vor meinem Haus ankamen und im Licht der Straßenlaterne stehen blieben, war ihm das wohl für das, wonach ihm der Sinn stand, zu hell. Also fuhr er den Sportwagen kurzerhand mitten aufs Erdbeerfeld. Jetzt wollte er offenbar aufs Ganze gehen, stieg aus, umrundete das Auto und machte mir die Tür auf. Die Nachtluft mit der Erdbeernote war wunderbar betörend und das Ambiente wie für ein Abenteuer unter freiem Himmel gemacht. Er ließ sich davon allerdings etwas zu sehr mitreißen, kam immer mehr in Fahrt und presste mich irgendwann recht grob gegen die Seitentür.

Da war für mich das Maß voll. Ich wies ihn in die Schranken und stieß ihn von mir, nachdem er sich von meinem Nein nicht hatte beeindrucken lassen, sondern einfach weitergemacht hatte. Ich hatte keine andere Wahl, als laut zu werden und ihn anzuschreien, er solle die Hände von mir lassen. Er ließ wutentbrannt von mir ab, setzte sich hinters Steuer und warf meine Handtasche in hohem Bogen aus dem Fenster. Mit durchdrehenden Reifen raste er davon – und ließ mich mitten in der Nacht auf dem Erdbeerfeld zurück. Meine Schuhe begleiteten ihn im Fußraum auf der Beifahrerseite.

Ich musste mich zusammenreißen und meine Tränen unterdrücken. Rasch zupfte ich also meine Frisur zurecht und strich das Kleid glatt, um mit hoch erhobenem Haupt im Stockfinsteren über die reifen Erdbeeren nach Hause zu staksen. Zu Hause hatte ich meine liebe Mühe, mir den Erdbeersaft von den Füßen zu waschen. Und die roten Fußabdrücke auf der Straße und im Treppenhaus erinnerten mich am nächsten Morgen daran, dass das kein Traum gewesen war. Während ich die Stufen wischte, schwor ich mir, dass mir so etwas nie wieder passieren würde!

Emanzipation

Ich habe aus diesem Date gelernt, dieser Kerl sicher nicht. Dabei wären einige Männer gut beraten, sich ihr Hirn nicht nur darüber zu zermartern, wie sie schnell die nächste Frau erfolgreich abschleppen, sondern ihr eigenes Rollenverständnis zu überdenken. Das würde ihnen weitaus besser zu Gesicht stehen – und sie sicherlich auch glücklicher machen.

Der Mann war Jahrhunderte lang der starke Krieger, der Held. Seine Aufgabe war es, Frau und Familie zu beschützen und die Versorgung zu sichern. Ein Mann wie ein Baum – solche sprachlichen Bilder zeigen, wie wichtig es war, dass er unerschütterlich und fest verwurzelt Stärke zeigte. Dieses traditionelle Rollenbild hatte die letzten Jahrhunderte in der Menschheitsgeschichte Bestand, ebenso wie die Frau ihre Rolle erfüllte. Ihr Aufgabenbereich lag im Heim und am Herd, daran gab es ebenso wenig zu rütteln. Jedes Geschlecht hatte sich arrangiert und gefügt – bis die Frauen aufbegehrten. Die Frauenbewegung, die in der Geschichte unterschiedliche Ausformungen hatte, mehrere Anläufe brauchte und vermutlich auch heute immer wieder braucht, hat das traditionell Bewährte gehörig ins Wanken gebracht. Mit ihr wurden die Aufgaben und Positionen infrage gestellt – die von Männern ebenso wie die von Frauen.