Das Buch
Der Rote Ritter, Held zahlreicher Kämpfe mit magischen wie menschlichen Gegnern und Hauptmann des furchtlosesten Söldnerheeres von ganz Alba, steht vor der größten Herausforderung seines Lebens: Er wird in die Stadt Harndon gerufen, um dort an einem Turnier teilzunehmen – einem Turnier, bei dem viel mehr auf dem Spiel steht, als nur den Gegner aus dem Sattel zu heben. Denn wenn die wilde Magie an die Grenzen der menschlichen Zivilisation drängt, werden Freunde zu Feinden. Und wenn der Drache erwacht, werden Wettkämpfe unter Rittern zu blutigen Kriegen …
Der Autor
Miles Cameron hat mittelalterliche Geschichte studiert und als Soldat selbst an vielen Kriegsschauplätzen gekämpft. Inzwischen widmet er sich jedoch ganz dem Schreiben und dem historischen Schwertkampf. Miles Cameron ist verheiratet und lebt in Kanada.
MILES CAMERON
DER
DRACHE
ERWACHT
ROMAN
Aus dem Amerikanischen
von Michael Siefener
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
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Titel der Originalausgabe:
THE DREAD WYRM
Copyright © 2015 by Miles Cameron
Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Joern Rauser
Karten: Steven Sandford
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Satz: Schaber Datentechnik, Austria
ISBN: 978-3-641-16488-1
V002
Für die Mitglieder der
Compagnia della Rose nel Sole
PROLOG
Überall im Norden der Terra Nova und der Terra Antica setzte der Frühling ein. Er kam auch nach Gallyen und Etrusca, nach Arelat, wo die Menschen wieder gelernt hatten, die Nacht zu fürchten, und nach Iberia, wo er sich ungewöhnlich früh zeigte. Aber zuerst war er auf den Feldern von Occitan zu bemerken, wo sich die Landwirte und Hausfrauen an die schwere Arbeit des Düngens und Pflanzens machten, sobald das Eis in den alten Ackerfurchen getaut war und der Boden wieder weich wurde. Wie tief und zahlreich die neuen Furchen waren, hing vom Reichtum der Bauern ab – manche von ihnen waren Freisassen mit Steinhäusern und zwei Pflügen, vor die Ochsen oder starke Pferdepaare gespannt werden mussten. Doch viele besaßen nur winzige Hütten am Rande dürftiger Äcker, auf denen sich ein junges Paar gemeinsam vor einen selbstgemachten Pflug spannte und das größte Kind hinter ihm herging. Die Furchen wurden in den kalten Boden getrieben, und jeden Tag krochen sie weiter nordwärts, von der frühen Sonne Occitans bis zu den Grenzlanden und zu den bisweilen vom Feuer geschwärzten Feldern Jarsays – und dann wieder nach Norden zum Albin und Brogat, wo es weniger arme Bauern und mehr Freisassen gab, aber auch etliche Landarbeiter ohne eigene Krume, und wo große eiserne Pflugscharen tiefer in die Erde schnitten, um die späte Sonne ein wenig wettzumachen.
Von Süden bis Norden wurde die Erde also überall dort umgegraben, wohin die Hand des Menschen reichte.
Und dieselbe Sonne, die die Felder wärmte, wärmte auch die Turnierplätze. In den Burghöfen oder bei den Stallungen oder unter den äußeren Mauern oder in alten Burggräben befanden sich die Felder des Mars, jene grausamen Orte, an denen junge Männer und einige wenige Frauen lernten, hart zu sein. Ältere Männer streckten ihre schmerzenden Muskeln, wärmten die vom Winter steifen Gelenke und verfluchten ihre verblasste Jugend oder ihre allzu weit fortgeschrittene Reife. Männer, die vom Krieg lebten, betrachteten voller Besorgnis die Zunahme ihres Leibesumfangs und arbeiteten während der fastenzeitlichen Enthaltsamkeit noch härter, sodass ihre Schläge gegen Sandsack und Stechpuppe durch Krieg und Kriegsgerücht beschleunigt wurden. Westlich von Occitan, Jarsay und dem Brogat brachte der Frühling auch Überfälle der Wildnis mit sich; hungrige Menschen und schlimmere Wesen nutzten das noch unbeständige Wetter dazu, einsame Besitzungen und Waldhäuser anzugreifen. Einige Ritter hatten sich dadurch schon am ersten Sonntag der Fastenzeit mehr als genug Übung erworben. Derselbe Drachenblick aus der Luft, der die Arbeiten der Bauern beobachtete, fiel auch auf den Rauch, der aus brennenden Häusern überall entlang der Westgrenze zur Wildnis aufstieg.
An sicheren Orten, die weiter entfernt von den Bedrohungen durch die Irks und die Kobolde lagen, hörten die Berufskämpfer vom Turnier des Königs in Harndon und träumten davon. Neue Rüstungen wurden geschmiedet und angepasst, Kettenhemden ausgebessert, älteres Rüstzeug wurde poliert und geflickt und abermals poliert, während sich die Krieger darauf vorbereiteten, zum Gefolge der großen Lords zu stoßen, die vor dem König von Albia höchstpersönlich kämpfen würden. Nachrichten über die Vorbereitungen für das Turnier wurden von Jongleuren und Troubadouren und Sängern und Huren verbreitet, von Zigeunern und Söldnern und Schulzen und Mönchen und all den anderen Männern und Frauen, die durch den scheußlichen Matsch der auftauenden Straßen stapfen mussten.
Und von Occitan bis zum Brogat lief das Gerücht um, der Rote Ritter habe in Morea einen weiteren überraschenden Sieg errungen, bevor der Boden vollständig aufgetaut war. Damit habe er sich zum Herrn über das ganze Land aufgeschwungen. In Occitan stimmten die Menschen ein neues Lied über ihn und seine Rote Truppe an, und als einer der Troubadoure sang, er rekrutiere wieder, umarmten zwanzig jüngere Söhne ihre Mütter, legten ihre Rüstungen an und ritten nordwärts an einen fernen Ort, der die Herberge von Dorling genannt wurde.
Es war Frühling, und die Gedanken der jungen Männer wandten sich dem Kriege zu.