© 2015 Peter Halfar
Redaktion: Esther Schöler
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7386-7738-6
Unsere Segelfahrt beginnt mit einer Impression vom Bühnenerfolg der alten Marlene Dietrich, die man die schönste Großmutter der Welt nannte. Nennen wir sie „unsere Galionsfigur“.
Die Überblendung gegen Ende des Konzertes, das 1977 in London in der ALBERT HALL aufgezeichnet worden war, zeigt die 76jährige Marlene Dietrich im Blumenregen, in diesem atemberaubenden einzigartigen weißen Pelzmantel, dessen Schleppe über die Bühne schleifte und der sich wie ein monströses Reptil um ihren Körper wand.
Sie verneigte sich unaufhörlich, so dass ihr blonder Scheitel in Erinnerung blieb, und hätte man nicht gewusst, dass sie ein Gesicht hatte und wer sie war, man hätte sie in diesem minutenlangen Schlussbild für eine mythologische Erscheinung inmitten der wogenden Vorhänge halten können – für ein Fabelwesen – gebannt im Lichtkegel eines Scheinwerfers – ein Gedicht aus Puder und Pelzen.
Toby hatte uns am Airport abgeholt und in den Hafen gebracht, wo Hunderte Yachten und Boote lagen. Das Hafengelände war hell erleuchtet, doch Hedy und Max saßen im Dunkeln an Deck. Der Koch kam aus der Kombüse herauf, um uns zu begrüßen – er war ein Kreole und schielte. Sogleich zeigte er uns ein Farbfoto von seiner hellhäutigen Freundin, die ebenfalls schielte.
Im Hafenlokal verhedderte Toby sich in einem Disput mit Hedy wegen eines bestellten Lammbratens – Hedy war tierliebend und obendrein unsere Gastgeberin, die alles bezahlte. Schließlich gingen Toby die Argumente aus – außerdem war es unter den abendlichen Palmen immer noch drückend schwül.
Zurück an Bord, packten wir unsere Sachen aus und verteilten uns auf die Schlafgelegenheiten: Hedys ältere Tochter Kassandra, eine hasserfüllte Kreatur mit ihrer pathologischen Unfähigkeit, Gefüh1e zu empfinden, ihr neuester tschechischer Freund, Tobys ständige Begleiterin Dominica und ich.
Hedy hatte sich einen ruhigen Urlaub vorgestellt, abseits vom Rummel in Mallorca-Stadt, und so nahmen wir am nächsten Morgen Kurs gen Süden. Unser Segler war ziemlich groß, ein Dreimaster namens MOSQUITO BAY. Als wir endlich in einen stillen Hafen einliefen, stellte sich heraus, dass wir in einem Militärhafen gelandet waren. Am Ufer gab es nur ein einziges Gebäude, ein öffentliches Haus für die Soldaten.
Da dieser Umstand Hedy nicht gerade froh stimmte, brachen wir am nächsten Morgen wieder auf. Wir segelten an der Küste entlang, überrascht von Schwärmen fliegender Fische. Wir ankerten vor dem winzigen Hafen von PALA PI und aßen an Deck zu Mittag.
Hedy hatte ihr blassblondes Haar gewaschen, gekräuselt und so frisiert, dass die Locken ihr sommersprossiges Gesicht umrahmten. Und plötzlich war alles wieder da!
Hedy war medial. Sie wusste es nicht. Als ich einmal mit ihr darüber gesprochen hatte, hatten wir beide erkannt, dass sie es nicht beeinflussen konnte. Und so stieß sie mir ohne ihr Zutun immer wieder Fenster und Türen zu neuen Bildern auf. Rasch machte ich mehrere Bleistift - Skizzen von ihr!
Hedy war sagenhaft vermögend, doch sie war auf der dunklen Seite unseres Planeten geboren. Sie sagte: „Dies alles, was ihr hier seht, ist nichts – ist Schall und Rauch! Ein bisschen Sonne, ein bisschen Wasser, ein paar Segel –“