Das Buch

Sie kommen häufig plötzlich und unerwartet: Das liegt in der Natur von Krisen. Produktrückruf, Produktionsausfall, Unfall mit Todesfolge, Verursachung von Umweltschäden, persönliche Fehlleistung von Führungskräften - alles Ereignisse, die sich schnell zu einer veritablen Medien- und Vertrauenskrise entwickeln können - wenn nicht richtig und entschlossen reagiert wird!

Funktionierende Informationswege, gute Krisenprävention, klare Kommunikation, klare Verantwortlichkeit und schnelle Entscheidungen sowie ein souveräner Auftritt in der Öffentlichkeit, haben sich als wichtige Bausteine für die erfolgreiche Bewältigung einer Krise gezeigt. Dies wird durch ein gutes Krisenmanagement erreicht.

Eine wesentliche Komponente im Krisenmanagement von Unternehmen, Behörden und Organisationen ist die systematische Vorbereitung auf mögliche Ereignisse. Zur Krisenprävention gehören die Bereiche Risikoanalyse, Aufstellung eines Krisenstabs, Erarbeitung eines Krisenmanuals, Festlegung von Kommunikationskonzepten, Durchführung von Planübungen und Medientrainings.

In diesem Handbuch beschreibt Jorge Klapproth, wie ein funktionierendes Krisenmanagementsystem aufgebaut werden kann, wie die Krisenkommunikation funktioniert und wie die Schnittstellen für ein reibungsloses Zusammenwirken aller am Krisenmanagement Beteiligten eingerichtet werden können.

Angereichert mit zahlreichen Übersichten, Checklisten und Vorlagen, gelingt es dem Nutzer schnell, sich in diesem klar strukturierten Handbuch für Krisenmanagement und Krisenkommunikation zurechtzufinden. Viele Beispiele und aktuelle Fallstudien erläutern und vertiefen die Ausführungen des Autors und machen es dem Profi sowie dem Einsteiger leicht, sich ohne Ballast in das Zusammenspiel von Krisenmanagement und Krisenkommunikation einzuarbeiten.

Der Autor gibt dem Anwender Hintergründe und Hilfestellung bei der Planung und Umsetzung eines bedarfsgerechten Krisenmanagementsystems.

Der Autor

Jorge Klapproth, Jahrgang 1961, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Er ist Krisenmanagement- und Kommunikationsberater, Medientrainer und Executive Coach für Unternehmen, Behörden und Organisationen.

Er berät und trainiert Führungskräfte und Kommunikationsverantwortliche in den Bereichen Krisenmanagement, Krisenkommunikation und Strategische Kommunikation.

Der Autor ist Partner der Beratungsgesellschaft CKK Consult - crisis change communication. Als Medientrainer hat er sich auf die Vorbereitung von Führungskräften für den professionellen Auftritt in TV, Radio und vor Publikum spezialisiert.

Jorge Klapproth ist als Oberst der Reserve in der Katastrophenhilfe und in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit der Bundeswehr eingesetzt. Davor war er militärischer Berater von zivilen Krisenstäben sowie Leiter der Informationsarbeit und Sprecher der Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen.

Sein erstes Buch „Wirkungsvolle Kommunikation als Erfolgsfaktor für Führungskräfte“ ist in deutscher und englischer Sprache im BoD-Verlag erschienen. In zahlreichen weiteren Veröffentlichungen, in Vorträgen und Seminaren zeigt er die Zusammenhänge von wirkungsvoller Kommunikation und das Erreichen von Zielen, vor allem in kritischen Situationen, auf.

Jorge Klapproth ist Mitglied im Berufsverband für Training, Beratung und Coaching (BDVT e.V.) und im Deutschen Fachjournalisten Verband (DFJV).

Internet:

www.jorge-klapproth.de

www.ckk-consult.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2016, 2. Auflage 2018 Jorge Klapproth

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung, sowie der Übersetzung sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Datenübertragung oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Titelgrafik „Boje im Sturm“: Udo Lehmann

Umschlaggestaltung: Ruth Klapproth

Grafiken und Illustrationen fertigte der Autor, soweit nicht anders angegeben.

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

Printed in Germany

ISBN 978-3-7412-3606-8

Für Laura und Marie

Inhalt

  1. Was ist eine Krise?
  2. Krisenmanagement
  3. Risikomanagement
  4. Krisenprävention
  5. Krisenkommunikation
  6. Die Sozialen Medien
  7. Medientraining
  8. Case Studies

Vorwort

Bei meinen Vorträgen, Seminaren, Trainings und Workshops zu den Themen Krisenmanagement und Krisenkommunikation, stoße ich immer wieder auf unterschiedliche Wahrnehmungen und Vorgehensweisen zum Umgang mit Krisensituationen. Während die einen eine Krise als Notfallszenario betrachten, das lediglich „abgearbeitet“ werden muss, sehen andere eher die kommunikativen Herausforderungen einer Krisenlage im Vordergrund, um die es sich „zu kümmern“ gilt. Dritte wiederum beschäftigen sich erst gar nicht mit dem Thema, vielleicht aus Sorge, damit erst eine Krise heraufzubeschwören. Gerade kleine und mittlere Unternehmen, Behörden und Organisationen ignorieren dieses wichtige Thema häufig. Doch das ist sehr fahrlässig, denn eine Krise kann jeden treffen. Was macht eine Krise aus? Wann ist eine Krise eine Krise?

In der Krise ist alles anders - denn hier gelten besondere Regeln. Die üblichen Gesetzmäßigkeiten und Verfahren sind außer Kraft gesetzt. Intern wie extern. In einer Krisenlage befindet man sich in einem „Sonderzustand“, der mit Hilfe von geeignetem Krisenmanagement wieder in den „Normalzustand“ gebracht werden muss. Doch in Krisenzeiten versagen viele Unternehmen, Behörden und Organisationen, mit oft fatalen Folgen. Häufig werden dabei die gleichen Fehler gemacht, weil hektisch, voreilig, ängstlich und unkoordiniert reagiert wird. Das führt dazu, dass in Jahren aufgebautes Vertrauen in kürzester Zeit verloren gehen kann. Ein gutes Krisenmanagement und eine gute Vorbereitung helfen, Krisen frühzeitig zu erkennen und zu bewältigen sowie die möglichen Folgen zu minimieren.

Funktionierende Informationswege, gute Krisenprävention, klare Kommunikation, klare Verantwortung und schnelle Entscheidungen sowie ein souveräner Auftritt in der Öffentlichkeit, haben sich als wichtige Bausteine für die erfolgreiche Bewältigung einer Krise gezeigt.

Wie definiert sich eine Krisensituation? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um sich bereits im Vorfeld einer Krise auf ein mögliches Ereignis einstellen zu können? Wie laufen Krisen typischerweise ab? Diese Fragen lassen sich nicht einfach beantworten, denn eine Krise liegt immer im Auge des Betrachters und wird damit vor allem subjektiv wahrgenommen. Genauso wenig, wie eine Krise einer anderen gleicht, gibt es keine fertigen Rezepte zu ihrer Bewältigung, die nur noch „gezogen“ werden brauchen.

Dieses Handbuch ist als Nachschlagewerk konzipiert und zeigt in acht Kapiteln auf, wie Krisen entstehen können, wie ein funktionierendes Krisenmanagement-System aufgebaut werden und mit begleitenden kommunikativen Maßnahmen der Verlauf einer Krise beeinflusst werden kann. Die Themen sind Risikoanalyse, Aufbau und Funktion eines Krisenstabs, Erstellung eines Krisenhandbuchs, mögliche und notwendige Krisenpräventionsmaßnahmen, Einfluss der Sozialen Medien, Umgang mit den „klassischen“ Medien Print, Radio und TV sowie viele Fallbeispiele aus der Praxis zur Bewältigung von Krisensituationen. Im Anhang befinden sich für den Praktiker viele Übersichten, Checklisten und Vorlagen als Anregung für das eigene Krisenmanagement und hilfreiche Tools zur Bewältigung von Krisensituationen.

Eine abschließende Bemerkung: Dieses Buch beschreibt gleichermaßen weibliche, wie männliche Protagonisten. Der einfachen Lesbarkeit halber werden jedoch nur die männlichen Bezeichnungen verwendet. Ich wünsche Ihnen eine interessante Entdeckungsreise und viel Freude bei der Lektüre dieses Handbuchs für Krisenmanagement und Krisenkommunikation.

Hückelhoven,

im September 2018

Jorge Klapproth

Einleitung

Vom Ereignis zur Vertrauenskrise

In der Krise ist alles anders

Unglück, Krise, Notfall, Katastrophe – die abendlichen Nachrichten sind voll von schlechten Meldungen. Häufig sind es unvorhersehbare Ereignisse, die die Welt beschäftigen. Man denke nur an die islamistischen Terroranschläge in Paris 2015 und Brüssel im März 2016, den absichtlich vom Copiloten herbeigeführten Absturz der Germanwings-Maschine über den französischen Alpen im März 2015, den Abschuss einer Boeing 777 der Malaysia-Airlines über der Ukraine im Juli 2014, die Hochwasser an Oder und Elbe 2013 und zahlreiche weitere von der Natur oder von Menschen verursachte Katastrophen und Notlagen.

Auch Skandale und Ereignisse um Unternehmen und Behörden, Politiker und Manager finden sich täglich in den Nachrichten. Produktrückruf, Unglück mit Todesfolgen, Verursachung von Umweltschäden, Datenmissbrauch, persönliche Fehlleistung von Führungskräften – alles Ereignisse, die sich schnell zu einer veritablen Medien- und Vertrauenskrise entwickeln können – wenn nicht richtig entschlossen reagiert und kommuniziert wird.

Häufig enden sie kurze Zeit später mit dem Rücktritt von Verantwortlichen, wegen nachgesagtem oder tatsächlichem Fehlverhalten und einer sich anschließenden mangelhaften Kommunikation.

Eine Reihe von Managern und Politikern traten aufgrund des internen und öffentlichen Drucks zurück. Beispielhaft seien hier nur genannt:

Dies sind nur einige prominente Beispiele. Allen Rücktritten vorangegangen war ein hohes Interesse der Print- und elektronischen Medien sowie heftige Diskussionen in den Sozialen Medien rund um die Vorgänge und Personen. Dabei wirken die Medien häufig als Katalysator von krisenhaften Entwicklungen – und manchmal auch als Auslöser.

In der Krise ist alles anders als „im Normalzustand“ - denn hier gelten besondere Regeln. Die üblichen Gesetzmäßigkeiten und Verfahren sind in Krisenzeiten außer Kraft gesetzt. Intern wie extern. Hier versagen viele Unternehmen, Behörden und Organisationen - mit oft fatalen Folgen. Häufig werden dabei die gleichen Fehler gemacht, weil hektisch, voreilig, ängstlich und unkoordiniert reagiert wird. Das führt dann dazu, dass in Jahren aufgebautes Vertrauen in Personen und Institutionen in kürzester Zeit verloren gehen kann.

Ein gutes Krisenmanagement und eine gute Vorbereitung helfen, Krisen frühzeitig zu erkennen und zu bewältigen sowie die möglichen Folgen zu minimieren. Funktionierende Informationswege, gute Krisenprävention, klare Kommunikation, klare Verantwortung und schnelle Entscheidungen sowie ein souveräner Auftritt in der Öffentlichkeit, haben sich als wichtige Bausteine für die erfolgreiche Bewältigung einer Krise gezeigt. Dabei spielen externe Interessengruppen, wie zum Beispiel die Medien, für den Verlauf von Krisensituationen eine besondere Rolle.

Die Abläufe wiederholen sich

Die medialen Abläufe in Krisensituationen wiederholen sich häufig: Am Anfang berichten die meisten Medien über das Ereignis. Viele Sender, die Online- und Printmedien berichten an prominenter Stelle. Die Sozialen Medien mischen kräftig mit. Hierbei findet häufig eine Wechselwirkung zwischen sozialen und klassischen Medien statt. In den Sozialen Medien wird ein Ereignis diskutiert und weil die Empörung so groß ist, greifen die klassischen Medien das Thema dankbar auf.

Umgekehrt ist es genauso. Die Diskussionen und Spekulationen um die Schuldfrage steht hierbei regelmäßig ganz oben auf der Agenda: „Wie konnte das passieren? Wer ist der Schuldige? Was wurde getan, um das Ereignis zu verhindern?“ Alles im Namen des öffentlichen Interesses.

Nach den ersten Meldungen beginnt rasch die Hintergrundberichterstattung zu dem Ereignis. „Wer sind die Handelnden? Gibt es Hinweise im Leben der vermeintlich Verantwortlichen, die Aufschluss auf das spätere Ereignis geben können? Hätten aufmerksame Zeitgenossen, die Behörden, Vorgesetzte oder Kollegen das Drama verhindern können?“

Nun schlägt auch die Stunde der Experten. Zuhauf treten sie in den Talkshows und Nachrichtensendungen auf und geben mehr oder weniger gehaltvolle Analysen zur Situation und zu den handelnden oder verantwortlichen Personen von sich. So hat sich im Zuge der Germanwings-Katastrophe im März 2015 der Airbus-Chef Thomas Enders darüber beklagt, dass sich viele sogenannte „Experten“ in den Medien mit unseriösen Spekulationen über die Ursachen und Folgen des Ereignisses, häufig gespickt mit Halbwissen, profilieren würden. Für die Medien sind diese Experten von hoher Bedeutung: Sie unterstreichen gegenüber den Zuschauern den seriösen Anstrich der Berichterstattung auf der Suche nach der Wahrheit. Die Fachleute selbst festigen damit ihren Expertenstatus in der Öffentlichkeit.

Auch die Stunde der Behörden und der Justiz hat geschlagen: Parallel zur medialen Aufbereitung, beginnt die juristische Aufarbeitung. „Wo liegt die Ursache für das Ereignis? Ist jemandem eine persönliche Schuld anzulasten? Haben die handelnden Personen alles richtiggemacht? Hätte anders gehandelt werden können oder müssen? Wie hoch ist der entstandene Schaden?“ Auch hierüber berichten die Medien in den Aufmachern an prominenter Stelle.

Abb. 1: Printmedien1

Alle machen mit

Die Medien sind unersättlich und ständig auf der Suche nach Themen. Aus diesem Grund finden sich Unglücke und Notfallsituationen sehr schnell im Blickpunkt der Medien und der Öffentlichkeit. Durch die elektronischen Medien, Radio und Fernsehen sowie die digitalen Medien im Internet, erfährt die Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit rund um den Globus von dem Ereignis. Das setzt auch die Medienmacher unter Druck. Denn sie müssen liefern. Es ist ein Wettlauf um die Zeit. Wer berichtet als erster von neuen Erkenntnissen? Manchmal sind die Medien sogar schneller am Ort des Geschehens, als die ersten Rettungs- und Einsatzkräfte und berichten, zunächst häufig ohne Hintergrundinformationen, über die ersten Eindrücke. Alles im Kampf um die Quote. Diese Bilder gehen in minutenschnelle um die ganze Welt. Bilder, die sich verkaufen lassen. Davon lebt eine ganze Branche.

Die Nachrichten sind tagelang voll von dem Geschehenen. Schlagzeilen, Talkshows, Sondersendungen, Hintergrundberichterstattung und viel Spekulation. Das Schicksal der Opfer des großen Medieninteresses rückt hierbei oft in den Hintergrund. Ihr Leid wird dadurch häufig noch viel größer. So geschehen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine. Vielfach wurde in den Sozialen Medien und von Opferverbänden der mediale unsensible Umgang mit den Hinterbliebenen der Opfer beklagt. Doch alle machen mit.

Sie müssen es tun. Denn wenn sie nicht an prominenter Stelle von dem Ereignis und seinen Betroffenen berichten, binden andere die Leser, Hörer und Zuschauer. In Krisensituationen wird der Kampf um die Quoten besonders deutlich: „Wenn Du nicht mitmachst, so gehst Du unter!“ scheint die Devise zu sein. Entsprechend aggressiv, mitunter vorschnell, oberflächlich und häufig spekulativ verhalten sich viele Redaktionen. Viele Nutzer Sozialer Medien machen mit und setzen ihrerseits die Medienmacher unter Druck: Der Kampf um die Quote ist in vollem Gange!

Der mediale Druck auf die handelnden Personen und Institutionen wird immens in die Höhe geschraubt, frei nach dem Motto: „Die Sau wird so lange durch das Dorf getrieben, bis sich irgendwo eine andere auftut!“ Nur wenn während der Berichterstattung ein neues Ereignis eintritt, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht, verlagert sich die Berichterstattung schnell zum neuen Medienmittelpunkt und das „alte“ Geschehnis gerät, zumindest zeitweise, in den medialen Hintergrund. Irgendwann finden sich dann nach Wochen nur noch Randnotizen in den Medien, bis die aktuellen Tagesberichte die ehemaligen Hauptnachrichten vollends verdrängt haben.

Wenn die Justiz das Ereignis nach Monaten oder Jahren aufarbeitet, so finden sich die handelnden Verantwortlichen erneut in der Berichterstattung wieder. Und das Medieninteresse an dem Ereignis wächst wieder an, allerdings nicht in dem Ausmaß des ursprünglichen Unglücks.

Frühzeitige Kommunikation in der Krisensituation

Abb. 2: Krisenkommunikation2

Dem Interesse der Öffentlichkeit in Gestalt der Medienvertreter, der Heerscharen von Reportern und Kameraleuten, kann sich niemand entziehen: Nicht die zu Hilfe geeilten Einsatzkräfte - die Feuerwehrleute, die Sanitäter, die Polizeibeamten - oder unmittelbar Betroffene, Anwohner, Zeugen oder verantwortliche Aufsichtsbehörden. Auch die Betreiber von zu Schaden gekommenen Einrichtungen - die Luftfahrtgesellschaft, die Bahn oder das Chemieunternehmen - können sich dem Mediendruck nicht entziehen. Alle sollen sofort etwas zum Unglück sagen. Das Bedürfnis nach ersten Informationen und Einschätzungen zur Lage – seien sie auch noch so undifferenziert – ist unersättlich.

Aus diesem Grund schlägt die gewaltige Medienpower, gerade zu Beginn eines Ereignisses, so unbarmherzig zu. „Nothing sells better than pictures“ – Nichts verkauft sich besser als die ersten Bilder vom Unglück. Das ist Fakt und den Medien nicht vorzuwerfen. Denn die Öffentlichkeit giert nach diesen Bildern. Die Journalisten machen nur ihren Job.

Wenn die betroffene Organisation nicht sofort nach Auftreten des Ereignisses sprechbereit ist, bietet sie viel Raum für Spekulationen. Und das ist der Nährboden für Gerüchte, ungerechtfertigte Schuldzuweisungen und Verdächtigungen. „Schuldig bis zum Beweis des Gegenteils“ – diese Umkehrung des in jedem Rechtsstaat vorherrschenden juristischen Grundsatzes, wonach jeder für unschuldig zu gelten hat, bis ihm eine Schuld oder ein Versagen nachzuweisen ist, findet sich häufig in der Medienberichterstattung bis zur endgültigen Aufklärung des Sachverhaltes. Dies gilt umso mehr, wenn die Verantwortlichen mauern und keine Informationen oder den Hinweis „Kein Kommentar“ an die Presse geben.

Winston Churchill, der berühmte englische Premierminister während des Zweiten Weltkrieges, soll einmal gesagt haben:

Wartende Journalisten sind gefährlich.

Lange wartende Journalisten sind doppelt gefährlich.

Am gefährlichsten aber sind vergeblich wartende Journalisten,

die untereinander Informationen austauschen.

(Winston Churchill ca. 1936)

Wenn Fakten fehlen, bilden sich schnell Gerüchte und Spekulationen, denen man als Betroffener nur mit zeitnaher Information entgegentreten kann. Das gilt intern gegenüber den eigenen Mitarbeitern, genau wie für die Öffentlichkeit.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass das betroffene Unternehmen oder die Organisation innerhalb weniger Minuten nach einem Schadensereignis bereits sprechbereit ist. Sie muss Offenheit und Transparenz gegenüber den klassischen Medien, die Dialogbereitschaft in den Sozialen Medien sowie die vorbehaltlose Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden signalisieren.

Ansonsten könnte einem das Ereignis „um die Ohren fliegen“, mit gravierenden Folgen für die Betroffenen. Deshalb ist die Krisenkommunikation ein wesentlicher Baustein des Krisenmanagements.

Krisenkommunikation beginnt

Es kommt nicht darauf an was passiert ist, sondern wie man als Unternehmen, Behörde oder Organisation damit umgeht. Die Menschen akzeptieren Unglücke - sie akzeptieren aber nicht, wenn die Verantwortlichen versuchen, das Geschehnis klein zu reden, zu vertuschen oder mit dem Finger auf andere zu zeigen. Offenheit und Transparenz sind in dieser Situation angesagt. Es kommt darauf an zu zeigen, dass die betroffene Institution die Lage erkannt hat und reagiert. Sich um Betroffene kümmert, sich um Aufklärung bemüht, die Behörden unterstützt, die eigenen Sicherheitskonzepte überprüft und gegebenenfalls anpasst sowie dafür sorgt, dass sich ähnliche Vorfälle nach Möglichkeit im Rahmen menschlichen Ermessens nicht wiederholen können. Das schafft Vertrauen.

Denn das ist das Ziel von jedem Krisenmanagement und jeder Krisenkommunikation: Neben der operativen Bewältigung des eigentlichen Ereignisses, einen Vertrauensverlust bei den Stakeholdern und in der Öffentlichkeit zu vermeiden oder verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen.

Ansonsten läuft man Gefahr, dass das möglicherweise jahrelang aufgebaute positive Image des Unternehmens, der Behörde oder der Organisation in wenigen Tagen nachhaltig belastet oder zerstört wird.

So ist es dem Volkswagen-Konzern innerhalb weniger Tage im September 2015 ergangen, nachdem die Manipulationsvorwürfe wegen der Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen bekannt wurden.

Unzureichendes Krisenmanagement, gepaart mit schlechter Kommunikation, führt häufig nach der eigentlichen Primär-Krise in die weitaus größere Krise – die Vertrauenskrise, mit unabsehbaren Folgen für das betroffene Unternehmen oder die Organisation. Dem gilt es mit einem klugen Krisenmanagement in den Bereichen Prävention, Organisation, Kommunikation und Evaluation entgegenzuwirken.


1 Bild Jorge Klapproth

2 Bild wellphoto, fotolia.com

1 Was ist eine Krise?

1.1 Ähnliche Begriffe

Wie kommt es eigentlich zu einer Krise? Was macht eine Krise zur Krise? Was unterscheidet diesen von ähnlichen Begriffen, wie Katastrophe, Notfall, Unglück oder von der Großschadenslage im behördlichen Jargon?

Um es vorwegzunehmen: Die Grenzen zwischen den Begriffen sind fließend. Eine genaue Abgrenzung lässt sich deshalb nicht treffen. Die meisten Menschen verwenden die Umschreibung für eine Situation so, wie sie es für angemessen halten. Das macht die Verwendung der Wörter wie Unglück, Großschadenslage oder Katastrophe in den Medien und im allgemeinen Sprachgebrauch so undifferenziert.

Allen Begriffen gemeinsam ist, dass für die Betroffenen eine Grenzsituation vorliegt, die nicht alltäglich ist und mit der sie umgehen müssen. Die Begriffe Notfall und Notlage werden häufig synonym verwendet. Zwei verschiedene Ausdrücke für den gleichen Umstand. Meistens tritt ein Notfall überraschend ein und war nicht vorhersehbar. Ein Verkehrsunfall, der Ausfall von betriebswichtigen Anlagen oder ein anderes Ereignis, das rasches Handeln erfordert.

Durch Risikoanalysen lassen sich bestimmte Notfallsituationen antizipieren, so dass ein Notfallmanagement aufgestellt werden kann. Diese Vorsorgemaßnahme dient dazu, mit vorgesehenen Mitteln und Kräften eine bestimmte außerordentliche Situation zu „bereinigen“. So existieren zum Beispiel Betriebsfeuerwehren in Chemiewerken und auf Flughäfen oder ein Rechenzentrum hält Backup-Server für den Fall eines Ausfalls von Datenspeichern bereit, usw.

Durch rasches Handeln in einer Ausnahmesituation kann das Entstehen von Schlimmerem verhindert werden. Wenn das nicht gelingt, dann spricht man schnell von einem Unglück. Es sind meistens Menschen betroffen oder es entsteht ein hoher Sachschaden, wenn zum Beispiel ein Schiff sinkt, eine Eisenbahn entgleist oder ein Haus einstürzt.

Ein Unglück wird in behördlicher Sprache zur Großschadenslage, wenn viele Menschen betroffen sind, z. B. bei einem Massenanfall von Verletzten. Die für den Rettungsdienst zuständigen Behörden in Deutschland, das sind in aller Regel die Landratsämter und kreisfreien Städte, erstellen für ihre Bereiche einen Gefahrenabwehrplan und ein MANV-Konzept (Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten). In diesen Plänen wird das Vorgehen der Rettungskräfte und die Koordinierung von Hilfsmaßnahmen für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich behördlich genau festgelegt. Dies betrifft beispielsweise in Nordrhein-Westfalen Vorsorgemaßnahmen für eine Verletztenanzahl von 26 - 50 Personen (MANV 3). MANV 4 ist die höchste Stufe bei einer Verletztenanzahl von über 50 Personen. Dies kann nach einem Eisenbahnunglück, einer Explosion in einem Chemiewerk oder einer Massenkarambolage auf der Autobahn geschehen. Die Großschadenslage, das Großschadensereignis und der Großunfall sind ähnliche Begriffe mit gleicher Bedeutung.

Bei einer Katastrophe sind mitunter ganze Landstriche oder Regionen und deren Bewohner betroffen. Häufig sind Naturgewalten im Spiel - dann spricht man von einer Naturkatastrophe. Flutkatastrophen, Erdbeben, Orkane oder Waldbrände sind Beispiele dafür. Regelmäßig wird bei solchen Ereignissen Katastrophenalarm von den zuständigen Behörden ausgelöst und Kräfte des Katastrophenschutzes zur Bekämpfung eingesetzt. In Deutschland wird auf Anforderung der Bundesländer subsidiär auch die Bundeswehr zur Katastrophenhilfe eingesetzt, wenn andere Hilfe nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht.

Auch Menschen verursachen Katastrophen: Beispiele sind der Atomunfall von Tschernobyl in der ehemaligen Sowjetunion am 25. April 1986, die Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon in den USA am 11. September 2001 oder die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima, bei der am 11. März 2011 über 170.000 Einwohner evakuiert werden mussten und die in Deutschland zur kurzfristigen Energiewende geführt hat. Dazu treten Unruhen, Kriege und Terror-Anschläge in jüngster Zeit. Ob bewusst herbeigeführte oder von Menschen nicht beabsichtigte Folgen eines Unfalls: Sie können schnell zur Katastrophe werden, wenn erhebliche Sachschäden oder Menschenleben zu beklagen sind.

1.2 Krisendefinition

Eine Krise tritt häufig als Folge von Notlagen auf. Aber auch Skandale von Unternehmen, Behörden, Managern oder Politikern führen häufig in eine Krise. So kann z. B. ein Lebensmittelskandal ein produzierendes Unternehmen oder eine ganze Branche in eine existenzielle Bedrohung, also eine Krise bringen, wenn Verbraucherverbände oder Behörden Warnungen vor dem Verzehr eines Nahrungsmittels aussprechen und der Umsatz in der Folge einbricht. So war es bei der BSE-Krise zu Beginn des Jahres 2000, bei der der Verzehr von Rindfleisch eine zeitlang kräftig zurückgegangen war. Viele fleischverarbeitende Unternehmen mussten damals aufgeben. Auch der Gammelfleisch-Skandal, der im Jahre 2006 seinen Höhepunkt fand, hat für viele Unternehmen – selbst verschuldet oder nicht – das Aus bedeutet. Die Liste der Lebensmittelskandale und deren Folgen für die betroffenen Unternehmen ist lang.

Eine Krise kann schlagartig eintreffen. Sie kann aber auch schleichend oder in Wellenform kommen. Einzelne Menschen, Unternehmen, Behörden oder Organisationen jeder Größenordnung und Rechtsform können davon betroffen sein. Es geht dabei immer um eine außerordentliche, häufig existenzbedrohende und unübersichtliche Lage, deren Ausgang noch offen ist.

In Deutschland wird im staatlichen Krisenmanagement eine Krise fachlich wie folgt definiert: „Eine vom Normalzustand abweichende Lage, die durch ein Risikopotenzial gekennzeichnet ist, dass Gefahren und Schäden für Leib und Leben von Menschen oder bedeutende Sachwerte oder schwerwiegende Gefährdungen des politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Systems in sich birgt.“ 3 Entscheidende Größen sind, dass die Krise eine unkontrollierbare Situation mit ungewissem Ausgang ist und in aller Regel besondere Maßnahmen zur Bewältigung verlangt. Dazu kommt meistens ein erhebliches öffentliches Interesse, dass durch ein entsprechendes Medienaufkommen dokumentiert wird.

Bei einem Notfall greifen in aller Regel vorher bestimmbare Mechanismen zur Bewältigung, die in einem Notfallplan festgelegt und mit geplanten Mitteln und Kräften durchgeführt werden können.

Im Gegensatz dazu ist die Krise eine Lage, die in aller Regel von außen induziert wird, deren Bewältigung besonderer Mittel, Kräfte und Wege bedarf, deren Ausgang letal für die Einrichtung oder die Reputation der Einrichtung sein kann und deren Manager unter hohem äußerem Druck durch die Stakeholder stehen.

Beiden Situationen ist gemein, dass sie unter Zeitdruck stehen und das Ziel haben, vom„Sonderzustand“ wieder in den „Normalzustand“ zu gelangen. Aus einem Notfall kann aber durchaus eine Krise entstehen, wenn die geplanten Maßnahmen zur Bewältigung, inklusive der begleitenden Kommunikation, nicht greifen und schlimmerer Schaden droht.

Das Wort „Krise“ kommt aus dem griechischen „Krisis“ und bedeutet so viel, wie den „Bruch in einer bis dahin kontinuierlichen Entwicklung“.4 Der Begriff beschreibt heute auch eine gefährliche, die Existenz bedrohende Situation und die Wende oder den Höhepunkt einer gefährlichen Entwicklung.

Die chinesischen Schriftzeichen für das Wort Krise (s. Abb. 3) bedeuten, neben dem Wendepunkt einer Entwicklung, auch eine Chance. Denn jede Krise birgt auch die Möglichkeit für den Beginn von etwas Neuem. Als Chance begriffen, kommt man aus einer Krisensituation nicht selten gestärkt für die Aufgaben der Zukunft heraus – wenn man nicht an ihr zerbricht. In Krisen steckt bei aller Dramatik aber auch ein möglicher Gewinn durch Neuorientierung und Weiterentwicklung. Dies drücken die chinesischen Schriftzeichen für das Wort „Krise“ aus.

Eine Krise wird immer auch subjektiv wahrgenommen. Was für den einen eine lösbare Problemstellung bedeutet, ist für den anderen möglicherweise eine handfeste Krisensituation mit ungewissem Ausgang, deren Bewältigung und Folgen noch nicht absehbar sind. Im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise in den Jahren seit 2008 haben sich mehrere hoch bezahlte Manager und Unternehmer, vermutlich aus Verzweiflung, das Leben genommen, weil sie sich in einer aus ihrer Sicht ausweglosen Situation befanden. Sie wählten den vermeintlich leichteren Weg des Freitodes, um sich der sicherlich sehr schwierigen Situation, in der sie sich befanden, nicht stellen zu müssen.

Gefahr

Chance

Abb. 3: Die chinesische Bedeutung für das Wort „Krise“

Zu Beginn des Jahres 2009 war es der Unternehmer Adolf Merkle, dessen Imperium im Zuge der damaligen Finanzkrise zusammenbrach. Er warf sich vor einen Zug, um sich dem Druck zu entziehen. Im April 2009 nahm sich der Finanzchef David Kellermann des US-Finanzhauses Freddie Mac das Leben. Die Bank musste mit über 60 Milliarden US-Dollar vom Staat gestützt werden, um nicht zusammenzubrechen. Sie gilt als Mitverursacher der beginnenden Weltwirtschaftskrise im Sommer 2008. Der Aktienwert des Geldhauses hatte rund 80 Prozent verloren.

Eine weniger endgültige Form der Krisenbewältigung liegt im Rücktritt von Managern und Politikern. Immer ist es eine als krisenhaft empfundene Situation, die zum Handeln zwingt. Der empfundene Druck der Öffentlichkeit und der Medien oder von Menschen des eigenen Umfeldes, führt häufig zum Rücktritt von Amt oder Mandat. Ohne Zweifel sind die Betroffenen in eine Krise geraten, aus der sie sich dann durch den entscheidenden Schritt zum Rücktritt befreien können.

Im Falle des Einsturzes des Historischen Stadtarchivs von Köln im März 2009 gab es eine wochenlange Schlammschlacht zwischen den Verantwortlichen zur Schuldfrage, die über die Medien ausgetragen wurde. Dem Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma wurde von der Opposition die Kompetenz zum Krisenmanagement abgesprochen. Er selbst, die Stadt Köln, die ausführenden Bauunternehmen der Kölner U-Bahn und die Kölner Verkehrsbetriebe KVB standen wochenlang in heftiger öffentlicher Kritik, die schließlich im Verzicht von Schramma auf eine erneute Kandidatur als Oberbürgermeister der Stadt Köln mündete.

Bundespräsident Christian Wulff trat nach wochenlanger öffentlicher Diskussion um die ihm vorgeworfene Nähe zur Wirtschaft sowie der unterstellten Vorteilsnahme im Amt und einigen missglückten Befreiungsversuchen aus der medialen Zange im Februar 2012 zurück. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade etwas über 19 Monate im Amt. Sein Krisenmanagement und die Krisenkommunikation wurden von vielen Medien und der Öffentlichkeit als „katastrophal“ bezeichnet.

Im September 2015 trat der Vorstandschef des Volkswagenkonzerns, Martin Winterkorn, zu Beginn der VW-Abgasaffäre zurück. Es ging alles ganz schnell. Am 18. September zwang die US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) VW zum Rückruf von fast 500.000 Autos wegen des Manipulationsverdachts der Abgaswerte an Dieselfahrzeugen.

Nachdem der VW-Chef am 20. September „umfassende Aufklärung“ der erhobenen Vorwürfe erklärte und VW am 22. September eine „Gewinnwarnung“ wegen geplanter Rückstellungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro zur Bewältigung möglicher Folgen des Skandals bekannt gab, musste Winterkorn bereits am 23. September gegenüber dem Aufsichtsrat und der Öffentlichkeit seinen Rücktritt erklären. Nur fünf Tage nach öffentlicher Bekanntmachung der Ereignisse.

1.3 Typen von Krisen

Krisen begegnen uns auf verschiedene Weise. Es gibt unterschiedliche Typen und Ausprägungsformen. Sie wandeln sich mit der Gesellschaft. Die Wahrnehmung und Bedeutung von Krisensituationen verändert sich im Laufe der Zeit. Standen vor einigen Jahren noch Umweltkrisen im Mittelpunkt, so sind es heute eher Wirtschafts- und Finanzkrisen, soziale Krisen und im staatlichen Bereich solche, die durch terroristische Bedrohung entstehen.

Finanzkrise

Wirtschaftskrise

Vertrauenskrise

Führungskrise

Staatskrise

Nahrungsmittelkrise

Organisationskrise

Eine Krise, die durch die Medien nicht publik gemacht und begleitet wird, an der die Öffentlichkeit nicht teilnimmt und die nicht im Mittelpunkt der Berichterstattung steht, ist keine Krise. Diese Feststellung ist natürlich überzogen. Denn die Betroffenen stehen in einer Situation, aus der sie nur schwer oder gar nicht herauskommen. Aber wenn der Fokus der Öffentlichkeit fehlt, wenn niemand außerhalb des Betroffenenbereichs Interesse am Ereignis hat, so bleibt es häufig bei einem Unglück, einem Notfall oder einer schwierigen Situation.

Der Schwelbrand der öffentlichen Wahrnehmung, der immer stärker werdende Druck, das subjektive Gefühl des Rechtfertigungsnotstandes gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien ist regelmäßig Bestandteil einer Krise.

1.4 Die Rolle der Medien

Medien machen keine Krisen – aber sie berichten darüber, wird aus Mediensicht häufig argumentiert. Doch sehr oft wird eine Krise durch die Medienberichterstattung gelenkt. Ist eine überzogene Medienberichterstattung, vor allem zu Beginn eines Ereignisses, nicht doch manchmal der Auslöser einer Krise? Wird nicht gerade erst durch die oft brutale Nabelschau aus einem Unglück eine veritable Krise für die Betroffenen?

Die heutige Welt lebt in einer Mediengesellschaft. Die Macht der Medien ist riesig. Erreichen doch die Radio- und Fernsehsender via Satellit und Internet die Menschen unmittelbar rund um den Globus, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Auch die Tageszeitungen und Wochen- oder Monatsmagazine verfügen heute über Online-Seiten im Internet, auf denen sie Sofortmeldungen zu einem Ereignis bringen. Dadurch gewinnen sie einen Zeitvorsprung zur eigenen Printausgabe. Vor allem die Sozialen Netzwerke sind es, in denen sofort reagiert wird und Gerüchten, Halbwahrheiten und Spekulationen Raum bieten.

Abb. 4: Überfall der Medien5

Die rasche Berichterstattung der Medien nach einem Ereignis birgt aber auch Chancen für Kommunikationsverantwortliche von Unternehmen, Behörden und Organisationen. Eine schnelle Informationsweitergabe an die Öffentlichkeit kann meinungsbildend wirken.

Denn durch frühzeitige Kommunikationsmaßnahmen der betroffenen Institution kann eine Krise häufig klein gehalten oder beendet werden - oder sie erst gar nicht entstehen lassen und somit drohendem Vertrauensverlust entgegenwirken. Dies ist die Aufgabe von Krisenkommunikation als Teil des Krisenmanagements.

1.5 Überraschende Krise

Krisen können in unterschiedlichster Form auftreten. Naturgemäß lässt sich das nicht beeinflussen - jedenfalls nicht für die Betroffenen. Der Einsturz des Stadtarchivs in Köln 2009 war für die Stadtverwaltung überraschend und nicht vorhersehbar. Noch eine Woche vor dem Unglück zog der berühmte Rosenmontagszug von Köln genau über die Stelle, an der das Gebäude des Stadtarchivs später einstürzte.

Der sich anschließende Vertrauensverlust gegenüber den Stadtoberen, mit einer sich daraus immer stärker entwickelnden Vertrauenskrise, wäre aber vermeidbar gewesen. Gegenseitige Schuldzuweisungen der Verantwortlichen und eine katastrophale Informationspolitik ließen in der Öffentlichkeit den Eindruck von chaotischen Zuständen bei der Stadtverwaltung entstehen.

Gleiches gilt für den VW-Skandal. Das plötzliche Aufkommen der Manipulationsvorwürfe an der Steuerungssoftware ihrer Fahrzeuge war sicherlich nicht vorhersehbar. Sowohl das Ausmaß, als auch Zeitpunkt und Folgen waren für den Konzern überraschend und haben sich explosionsartig innerhalb weniger Tage zu einer echten Unternehmenskrise entwickelt. Auch hier wurde in den Medien schnell der Vorwurf eines falschen Krisenmanagements gegen den VW-Vorstand erhoben.

Ein wichtiger Aspekt im Krisenmanagement lautet: „Es kommt nicht darauf an was passiert ist, sondern wie man damit umgeht.“ Die Bevölkerung akzeptiert Unglücke oder menschliches Versagen. Es ist aber nicht vermittelbar, wenn dilettantisch mit den Folgen umgegangen wird. Wenn der Eindruck entsteht, dass nicht alles für eine saubere Aufklärung der Ursache und Einleitung von Maßnahmen zur Verhinderung ähnlicher Vorfälle getan wird, entsteht daraus schnell eine Vertrauenskrise in die Managementfähigkeiten und Führungskompetenz der Verantwortlichen. Das Bild der Organisation kann insgesamt Schaden nehmen.

Abb. 5: Beispiel Überraschende Krise Intensität in Prozent, Zeit in Tagen.6

In Köln hat die gegenseitige Schuldzuweisung nach dem Archiveinsturz zwischen den zuständigen Behörden, den Kölner Verkehrsbetrieben als Bauträger und dem bauausführenden Unternehmen der U-Bahn in der Öffentlichkeit für erhebliche Irritationen gesorgt.

Das Image der Stadt Köln hat schwer gelitten. Der vorurteilsbehaftete Eindruck des „Kölschen Klüngels“ wurde auf dramatische Weise untermauert. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit der Verantwortlichen war dahin.

Die Krise war perfekt.

1.6 Wellenförmige Krise

Wenn eine Krise immer wieder aufflammt, so spricht man von einer wellenförmigen Krise. Sie verschwindet eine zeitlang und man glaubt sie überwunden zu haben, bis sie wiederkommt und das manchmal stärker als vorher.

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Abb. 6: Beispiel Wellenförmige Krise
Intensität in Prozent, Zeit in Tagen.

Die Preise für Milchprodukte standen zu Beginn des Jahres 2008 sehr unter Druck. Der Milchpreis war viel zu niedrig, um den Landwirten die Existenz zu sichern. Die Lebensmitteldiscounter hatten wegen des harten Wettbewerbs untereinander die Preise für Milch und Milchprodukte immer wieder gesenkt und die Herstellungsbetriebe und Molkereien als Zulieferbetriebe unter Druck gesetzt, die Preise ebenfalls zu senken. Diese Preissenkung mussten die Bauern als Milchlieferanten mittragen - bis die Grenze zur Wirtschaftlichkeit unterschritten war. Die Erzeugung der Milch war teurer geworden als der Ertrag. Die Bauern gingen auf die Straße und setzten höhere Preise für die Milch durch. Die Preise stiegen beim Einzelhandel wieder.

Die Krise vermeintlich überwunden

Doch innerhalb nur eines Jahres waren die Abgabepreise für Milch und Milchprodukte im Frühjahr 2009 im Einzelhandel wieder unter das Vorjahresniveau gefallen. Der Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel war, nicht zuletzt wegen der historischen Wirtschaftskrise die die Welt seit dem Herbst 2008 erfasst hat, sehr groß.

Allein im Frühjahr 2009 gab es fünf große Preissenkungswellen der großen Lebensmittel-Discounter. Die Milchwirtschaft traf es besonders hart. Die Molkereien zahlten wieder weniger an die Erzeuger.

Die Milchbauern steckten erneut in einer Existenzkrise. Im April 2009 meldete der Nachrichtensender n-tv:

Bundesweite Proteste

Milchbauern in Aufruhr

Mit Fackelzügen, Mahnfeuern und Traktor-Korsos haben bundesweit tausende Bauern für höhere Milchpreise demonstriert. Durch einen "historisch niedrigen Milchpreis" sehen sich die Bauern in ihrer Existenz gefährdet. (…) Der von den Molkereien gezahlte Milchpreis ist von Oktober 2008 um rund zehn Cent auf einen Grundpreis von derzeit etwa 20 bis 26 Cent pro Liter gefallen. Die Bauern geben ihre Produktionskosten jedoch mit rund 40 Cent pro Liter an. Mitte vergangenen Jahres hatten die Milchbauern mit einem Lieferboykott einen Anstieg des Preises erreicht, der jedoch anschließend wieder stark gesunken war.8

Die wellenförmige Krise ging noch weiter: Im August des Jahres 2015 meldete die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Niedriger Milchpreis stürzt Bauern in die Krise.“ Dieses Mal waren die damaligen Importverbote nach Russland und das damit einhergehende Überangebot auf dem europäischen Markt die Ursache.

Die Statistik zeigt die Milchpreisentwicklung und den aktuellen Milchpreis in Deutschland für konventionell und ökologisch erzeugte Kuhmilch (ab Hof) von Juni 2016 bis Juni 2018. Im Juni 2018 kostete ein Kilogramm Kuhmilch ab Hof netto 32,6 Cent.9

Abb. 7: Milchpreisentwicklung 2016 - 2018

1.7 Schleichende Krise