Inhalt

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. 1. Dezember – Ein ganz besonderer Adventskalender
  5. 2. Dezember – Der Stern vom Bettelheim
  6. 3. Dezember – Maria
  7. 4. Dezember – Paul Wiemann öffnet ein Türchen zwei Mal
  8. 5. Dezember – Nur zu Besuch
  9. 6. Dezember – Ein Türchen klemmt
  10. 7. Dezember – Engel
  11. 8. Dezember – Das Christkind und seine Königsbande
  12. 9. Dezember – Die allerbeste Weihnachtsstimmung
  13. 10. Dezember – Ach du lieber Engel!
  14. 11. Dezember – Ich hasse Schleifen
  15. 12. Dezember – Manchmal ist Weihnachten im Sommer
  16. 13. Dezember – Miss Fanny Bright
  17. 14. Dezember – Die Weihnachtszwerge oder: Hilfe für den Weihnachtsmann
  18. 15. Dezember – Alles wie immer
  19. 16. Dezember – Die Sache mit dem Weihnachtsmann
  20. 17. Dezember – Der nicht gekaufte Weihnachtsbaum
  21. 18. Dezember – Der letzte Weihnachtswunsch
  22. 19. Dezember – Oh Katzenbaum
  23. 20. Dezember – Und plötzlich fiel Schnee
  24. 21. Dezember – Der frisierte Weihnachtsbaum
  25. 22. Dezember – Der Weihnachtsfachmann
  26. 23. Dezember – Der Baumtag
  27. 24. Dezember – Wie ich dem Weihnachtsmann meine Mütze borgte
  28. Biografien

Diana Steinbrede (Hrsg.)

24
Geschichten
für die Weihnachtszeit

Ein
Adventskalenderbuch

Mit Illustrationen von Stefanie Scharnberg

Dieser Adventskalender verkürzt mit 24 Geschichten die Wartezeit bis Weihnachten. Jeden Tag vom 1. bis 24. Dezember kannst Du eine neue Geschichte lesen. Viel Spaß mit diesem Buch!

BASTEI ENTERTAINMENT

1. Dezember

Kathrin Schrocke

Ein ganz besonderer
Adventskalender

Einmal wollte unser Bruder Jojo in der Adventszeit auswandern. Und das kam so: In diesem Schuljahr hatte Jojo eine neue Lehrerin bekommen. Sie hieß Frau Hump und in ihren Haaren klebten winzige selbst getöpferte Perlen. Frau Hump trug Strickpullis und handgenähte Hosen, sogar ihre Schultertasche hatte sie selbst gefilzt. Frau Hump unterrichtete Jojo und seine Klasse in Handarbeiten.

Im Oktober fing Jojo mit dem Sammeln von Klopapierrollen an. Kaum hockten wir auf der Kloschüssel, klopfte es auch schon an der Tür. »Wirf die Klopapierrolle ja nicht weg!«, schrie Jojo so laut, dass alle Nachbarn es hörten. »Du musst die für mich aufheben, für ein ganz besonderes Bastelprojekt!«

Meine Schwester und ich ärgerten uns über das Geschrei. Wir wollten nicht, dass alle in der Straße unsere Klogänge mitbekamen. Aber irgendwann lachten wir über Jojos Sammelwut. Wir nannten ihn Klorollen-Fritzi und klauten Klopapierrollen aus dem riesigen Umzugskarton in seinem Zimmer.

Jojo malte Striche auf den Karton. 24 Klopapierrollen musste er sammeln.

Im November schleppte Jojo seinen Umzugskarton dann in die Schule, denn Frau Hump fing mit ihrem ganz besonderen Bastelprojekt an. Die Schüler sollten einen Adventskalender für die Eltern machen. Sie verzierten die Klopapierrollen mit rotem, blauem und gelbem Papier. Dann klebten sie die Rollen auf eine dicke Pappe und verschlossen die Öffnungen mit Alufolie.

Am 1. Dezember stand Jojos Kalender auf dem Küchentisch und er hockte mit stolzem Gesicht daneben.

»Toll! Du hast eine Startbahn für Raketen gemacht!«, lobte Papa, als er kam, um sich einen Kaffee zu kochen.

Jojo zog einen Flunsch. »Das sind keine Raketen, das ist ein verzaubertes Märchenschloss!«, erklärte er. »Die Rollen sind die Türmchen. Das sieht man doch! Du und Mama, ihr dürft jeden Morgen ein Türmchen öffnen.«

Mama schlurfte im Morgenmantel in die Küche. »Ach wie süß!«, rief sie aus. »Lauter bunte Wichtel aus Klopapierrollen! Jojo, hast du die etwa gemacht?«

»Das sind keine Wichtel, das ist ein verzaubertes Märchenschloss!«, sagte Papa. »Das sieht man doch!«

Dann machten er und Mama die Alufolie von der ersten Rolle. Darin steckte ein beschriebenes Kärtchen. Und auf dem Kärtchen stand in Frau Humps Schrift: Gutschein für frisch gebackene Butterplätzchen.

Mama freute sich. Sie liebt Butterplätzchen und hatte alle Zutaten da.

Nachmittags klopfte Jojo an meine Tür.

»Kannst du Plätzchen backen?«, fragte er. »Frau Hump sagt, das ist ganz leicht.«

Ich musste eigentlich Hausaufgaben machen. Aber weil er mein kleiner Bruder war, ging ich mit ihm in die Küche, um ihm zu helfen. Ich knetete den Teig für ihn, wir rollten ihn aus und stachen Plätzchen aus, die wir im Ofen backten. Wir brauchten drei Stunden dafür. Meine Hausaufgaben musste ich wohl morgen in der Pause machen …

Am nächsten Tag steckte in Jojos Märchenschloss ein Gutschein für heißen Weihnachtstee, den er unseren Eltern servieren sollte.

Nachmittags klopfte es wieder bei mir.

»Kannst du Weihnachtstee kochen?«, fragte Jojo. Er durfte den Wasserkocher in der Küche noch nicht allein benutzen. Außerdem hatten wir keinen Weihnachtstee.

»Wir haben keinen Weihnachtstee!«, versuchte ich ihn abzuwimmeln.

»Frau Hump sagt, es ist ganz einfach!«, sprudelte es aus Jojo hervor. »Man kann normalen Früchtetee kochen. Und dann tut man Nelken und eine Vanilleschote rein.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe dir gestern schon die Plätzchen gebacken.«

Jojo schloss die Tür und ich hörte ihn bei unserer Schwester klopfen.

Am dritten Dezember steckte ein Gutschein für ein auswendig gelerntes Weihnachtsgedicht in der Rolle. Ich hörte, wie Jojo angestrengt im Wohnzimmer übte: »Von drauß’ vom Walde komm ich her, ich muss euch sagen, es bröselt sehr!«

»Es weihnachtet sehr!«, korrigierte ich ihn.

Jojo merkte sich Sachen nur schlecht. Nach dem ersten Satz verlor er jedes Mal den Faden. Eine Stunde später gab er auf, und ich hörte, wie er Ice Age im Fernsehen schaute.

»Was ist denn jetzt mit dem versprochenen Weihnachtsgedicht?«, fragte Papa beim Abendessen.

»Von drauß’ vom Walde komm ich her!«, sagte Jojo. Der Rest fiel ihm nicht mehr ein und er stocherte verlegen in seinem Gulasch.

Am nächsten Tag fanden unsere Eltern einen Gutschein für ein Weihnachtslied im Märchenschloss. Jojo wurde blass. Er konnte überhaupt nicht gut singen. Unsere Schwester Ruth und ich halfen ihm. Ruth spielte Blockflöte und ich und Jojo sangen im Chor.

Jedes Mal, wenn Jojo an seinem Märchenschloss vorbeiging, sah er inzwischen ängstlich die vielen verpackten Türmchen an.

Am fünften Tag zauberten unsere Eltern einen Gutschein für einmal Schneeschippen hervor. Jojo war etwas klein für sein Alter und in der Nacht hatte draußen ein Schneesturm getobt.

»Hilfst du mir Schnee schippen?«, fragte Jojo verzweifelt, als er in meinem Zimmer stand.

»Ruf doch Frau Hump an!«, sagte ich böse.

Jojo fing an zu heulen. »Am liebsten würde ich auswandern!«, schniefte er. »Ich muss Mama und Papa noch einen Salzteigengel backen, eine Laterne basteln und zwei Sterne für den Christbaum häkeln. Und noch tausend andere Sachen, die Frau Hump sich ausgedacht hat.«

Unsere Schwester Ruth schaute um die Ecke. »Gutscheine sind toll!«, tröstete sie Jojo. »Aber nur, wenn man sie auch wirklich einlösen kann.«

Nachts, nachdem unsere Eltern ins Bett gegangen waren, trafen wir uns heimlich in der Küche. Vorsichtig machten wir alle Türmchen auf. Wir nahmen die restlichen neunzehn Gutscheine heraus und warfen sie in die Tonne. Dann schrieben wir neue Gutscheine für Jojo. Gutscheine, die wirklich zu ihm passten. Jetzt steckte im Märchenschloss ein Gutschein für einmal Tischdecken. Für eine Stunde weniger Fernsehen am Tag. Ein Gutschein für die witzigste Grimasse, die Jojo zustande brachte, und ein Gutschein für den ganzen Rosenkohl aufessen, den es immer sonntags bei Oma gab.

Unsere Schwester machte die Folien wieder zu und wir gingen zu Bett. Jetzt konnte auch für Jojo eine entspannte Adventszeit beginnen!

2. Dezember

Werner Färber

Der Stern
vom Bettelheim

Als Karo am späten Nachmittag nach Hause kommt, tanzt ihr kleiner Bruder Florian durchs Wohnzimmer. »Viermal schlafen, kommt der Nikolaus! Viermal schlafen, kommt der Nikolaus!« Er unterbricht seinen Tanz und rennt Karo fast um, als er ihr in die Arme springt. »Ich bin der Stern vom Bettelheim! Ich bin der Stern vom Bettelheim!«, singt er mit übersprudelnder Freude.

Fragend blickt Karo Mama an. »Was meint er?«

»Flori darf im Kindergarten beim Krippenspiel den Stern von Bethlehem über die Bühne tragen.«

Karo wuschelt ihrem Bruder die Haare. »Stern vom Bettelheim? Hast du da vielleicht was falsch verstanden?«

Mit ernster Miene schüttelt Florian den Kopf. »Ich bekomme eine goldene Krone und alle, alle müssen hinter mir nach.«

»Hinter mir her, heißt das«, sagt Karo.

Plötzlich trippelt er mit den Füßen und kneift die Beine zusammen. »Muss Pipi!«

Karo knöpft ihm die Hose auf. »Als Stern vom Bettelheim solltest du aber wissen, wo’s Klo ist.«

Am Tag des Krippenspiels platzt Florian fast vor Aufregung. Karo hilft ihm beim Anziehen. Mama hat das Haus schon zur Mittagszeit verlassen, um den Erzieherinnen bei den Vorbereitungen zu helfen. Papa kommt direkt von der Arbeit hin, um den Basarstand mit Getränken und Weihnachtsgebäck zu betreuen. Unzählige Eltern haben angekündigt, Kekse, Lebkuchen und Stollen für das Weihnachtsfest zu backen.

Selbst Karos älterer Bruder Sebastian hat sich einspannen lassen, indem er in letzter Minute als Beleuchter eingesprungen ist. Auch er ist bereits vor Ort. Also liegt die Verantwortung, den völlig überdrehten Stern vom Bettelheim in den Kindergarten zu schaffen, allein bei Karo.

Endlich ist Florian angezogen. Während Karo in ihren Anorak schlüpft, trippelt ihr kleiner Bruder erneut auf der Stelle. »Karo! Muss noch mal! Ich krieg den Knopf nicht auf.«

Das goldfarbene Kostüm, das er als Stern von Bethlehem trägt, ist an einer äußerst ungünstigen Stelle zugeknöpft. Kaum hat Karo ihn befreit, lässt Florian die Hose auf die Knöchel rutschen und watschelt mit blankem Po zum Klo.

»Beeil dich!«, ruft sie grinsend hinter ihm her und zieht sich schon mal die Schuhe an.

»Karo!«, ruft Florian aus der Toilette.

»Was?«

»Die Tür!«

»Hast du etwa den Riegel vorgeschoben?«

»Der Riegel!«, brüllt Florian. »Geht nicht auf!«

Karo schüttelt fassungslos den Kopf. Die Verriegelung ist äußerst schwergängig. Vor nicht allzu langer Zeit hat sich Florian schon mal versehentlich im Klo eingeschlossen. Damals hat Sebastian den kleinen Bruder durchs Klofenster befreit und ihm eingeschärft, den Riegel erst wieder zu benutzen, wenn er so groß und stark ist wie Papa.

»Karo! Ich will raus!«, kreischt Florian nun voller Panik.

»Bleib ganz ruhig. Ich hol dich da raus. Reg dich ab.«

Tatsächlich hört er auf zu brüllen. Allerdings kann Karo sein Schluchzen hören. »Ist das Fenster offen?«

»Nein!«

»Dann mach es auf. Ich hol die Leiter und komm durchs Fenster. Wie Sebastian neulich.«

»Ich komm aber doch gar nicht ran ans Fenster«, jammert Florian.

»Keine Panik, Flori!«, ruft Karo. »Ich hol Werkzeug, muss eben kurz in den Keller.«

Sekunden später ist sie schon zurück. »Bin wieder da!« Sie löst die Schrauben der Metallplatte rings um die Türklinke. »Wirst sehen«, sagt sie beruhigend, »ruck, zuck ist die Tür wieder auf.«

»Gar nichts seh ich«, schluchzt Florian.

»Momentchen noch«, sagt Karo. »Nur noch eine Schraube.«

Nachdem sie die letzte Schraube entfernt und die Metallplatte zur Seite geschoben hat, stellt Karo fest, dass sie immer noch nicht an den Riegel herankommt. »Flori, versuch es noch mal mit dem Riegel!«

»Geht nicht! Will raus! Lisbeth schimpft!« Offenbar hat er Angst, seine Erzieherin könnte böse werden.

»Lisbeth schimpft nicht. Du kommst schon noch rechtzeitig.«

Wie auf ein Zeichen steht plötzlich Sebastian neben ihr. »Wo bleibt ihr denn? Alles wartet nur noch auf Flori.«

»Unser Doofi hat sich eingeschlossen«, erklärt Karo flüsternd.

»Echt jetzt?« Sebastian lacht. Trotz aller Hilflosigkeit lässt sich Karo anstecken. »Ich hol die Leiter«, sagt Sebastian.

Karo schüttelt den Kopf. »Das Fenster zum Garten ist zu.«

»Dann schlag ich eben die Scheibe ein. Halt durch, Flori! Rettung naht!« Sebastian sprintet los.

Keine Minute später hört Karo den großen Bruder vom Garten ins Klo rufen: »Flori! Stell dich mit dem Gesicht zur Tür. Ich schlage die Scheibe ein.«

»Nicht kaputt machen!«, ruft Florian. »Papa schimpft!«

»Quatsch!«, ruft Sebastian. »Dreh dich um und halt dir die Hände vors Gesicht. Wie beim Versteckenspielen.«

Die Scheibe klirrt. Karo kann hören, wie Sebastian ächzend ins Klo klettert. Klack, geht der Riegel auf.

»Den benutzt du nie, nie wieder«, ermahnt Sebastian seinen kleinen Bruder.

Florian schüttelt mit ernster Miene ganz langsam den Kopf.

»Los jetzt, alle warten auf unseren Stern vom Bettelheim.« Sebastian schnappt sich Florian, Karo nimmt seinen Umhang und die Jacken von der Garderobe und rennt hinterher. Vor der Tür packen sie Florian auf den Schlitten und rasen los, dass der frische Schnee unter den Kufen dampft.

»Wo bleibt ihr denn?«, fragt Mama.

»Kloriegel«, antwortet Karo knapp.

Während Sebastian sich durch die Zuschauerreihen zu seinen Scheinwerfern drängt, zupft Mama Florians Robe zurecht. Sie wischt ihm das verheulte Gesicht sauber und setzt ihm die Krone auf. »Du siehst toll aus, mein Süßer«, sagt sie und drückt ihm den Besenstiel in die Hand, an dessen Spitze ein goldener Stern mit Schweif angebracht ist.

Florian schnauft tief durch, schaut zu Karo, die ihm ein aufmunterndes Augenzwinkern schickt, und schreitet voller Würde als Stern von Bethlehem ins Scheinwerferlicht, das sein großer Bruder auf ihn richtet. Ohne die geringste Panne führen die Kinder das Krippenspiel vor, das sie mit ihren Erzieherinnen einstudiert haben.

Am Ende der Vorstellung strahlt Florian überglücklich einfach immer weiter. Als Stern vom Bettelheim.

3. Dezember

Gina Mayer

Maria

Weihnachten. Bei diesem Wort dachten andere Kinder an Geschenke, Plätzchen und geschmückte Tannenbäume. Lena dachte an das Krippenspiel. Das Krippenspiel, das immer am vierten Advent in der Schulaula aufgeführt wurde. In den vorigen Jahren hatte Lena nur zugesehen. In diesem Jahr würde sie mitspielen. Und zwar als Maria.

Kein Mädchen eignete sich besser für die Rolle der Maria als Lena. Sie hatte nämlich lange dunkle Haare und eine schöne laute Stimme. Sie konnte gut auswendig lernen und nuschelte auch nicht wie Clara oder Ida. Sie würde die Maria spielen, da war sich Lena so sicher, dass sie den Sprechtext vor der ersten Probe schon mal einstudierte.

Aber dann las Frau Müller-Schneiz die Rollenverteilung vor. »Paul spielt den Joseph, Charleen ist Maria, Ellen spielt den ersten Engel, Lena den zweiten …«

»Was?«, fragte Lena.

»Hast du nicht zugehört?«, fragte Frau Müller-Schneiz.

Doch, natürlich hatte Lena zugehört. Aber das konnte ja wohl nicht wahr sein. Charleen sollte Maria spielen? Die dicke, hässliche Charleen, die auch im dritten Schuljahr noch nicht richtig lesen konnte? Die neben Tim saß, weil keines der Mädchen neben ihr sitzen wollte? Die sogar in Musik und Sport eine Vier hatte?