StVO Straßenverkehrs-Ordnung
Textausgabe mit Erläuterungen,
Allgemeiner Verwaltungsvorschrift
zur Straßenverkehrs-Ordnung,
verkehrsrechtlichen Bestimmungen des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes,
Ferienreiseverordnung
sowie
ausgewählten Ausnahmeverordnungen
begründet von
Dr. Wolfgang Bouska
Leitender Ministerialrat a. D. †
fortgeführt ab der 20. Auflage von
Anke Leue
Ministerialdirigentin beim Bundesministerium für Verkehr
und digitale Infrastruktur
26., neu bearbeitete Auflage
Stand: April 2021
www.cfmueller.de
Impressum
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Vorwort zur 26. Auflage
Die 26. Auflage dieses Buches berücksichtigt sämtliche Rechtsänderungen mit Bezug zum Verhaltensrecht im Straßenverkehr seit Oktober 2017. Seitdem ergangene wesentliche obergerichtliche und höchstrichterliche Entscheidungen dazu sind ebenso abgebildet. An Rechtsnovellen sind insbesondere zu nennen:
– | Artikel 4a der sog. Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, mit der diese neue Fahrzeugart den Fahrrädern in der StVO gleichgestellt wurde. |
– | Die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit der u. a. ein Mindestabstand für das Überholen von Radfahrern, die Schrittgeschwindigkeit für rechtsabbiegende Lkw zum Schutze kreuzender Fußgänger und Radfahrer, der Grünpfeil nur für Radfahrende und ein Verbotszeichen für das Überholen einspuriger Fahrzeuge bei engen Straßenverhältnissen in die StVO Eingang fanden. |
– | Die Einzelverordnungen zur Änderung der InfGG-Beleihungsverordnung sowie der StVO, mit denen die Zuständigkeit des Fernstraßenbundesamtes und in der Folge der Autobahn GmbH als Straßenverkehrsbehörde im Wesentlichen zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen für Bundesautobahnen festgelegt wurde. |
Darüber hinaus wurden gleichzeitig vorgenommene Änderungen der Ferienreise-Verordnung (Ordnungsnr. 3 b) berücksichtigt und die verkehrsrechtlichen Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG, Ordnungsnr. 3 c) im Lichte der Rechtsprechung überarbeitet. Hier war es besonders wichtig, die Rechtsfolgenverweisung des BImSchG auf die Instrumente der StVO einerseits und die Mittel der StVO mit Blick auf die Ermächtigungsgrundlage des StVG andererseits sauber voneinander abgegrenzt darzustellen.
Schließlich wurden sämtliche seitdem ergangene Änderungen der Ausnahme-Verordnung zum Lang-Lkw und weitere aktualisierte Ausnahmeverordnungen eingepflegt.
An dieser Stelle sei zudem der Hinweis erlaubt, dass vereinzelt in Literatur und Rechtsprechung vertretene Annahmen, der StVO-Neuerlass im Jahr 2013 leide an einem Zitierfehler in der Präambel und verstoße deshalb gegen das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot (mit der Folge der Nichtigkeit), fehl gehen. Der Neuerlass ist in Kraft und seinerzeit rechtens ergangen, die behaupteten Zitierfehler bestehen nicht.
Dieses Buch ist gleichzeitig Teil 3 des Loseblattwerks Stoll/Leue, Straßenverkehrsrecht, (zur Fortsetzung ISBN 978-3-8114-4074-6). Daher beginnt in diesem Buch die Kapitelzählung bei 3.
Bonn, im März 2021
Anke Leue
Inhaltsübersicht
Vorwort | |
Abkürzungsverzeichnis | |
Ordnungsnummer 3 | Straßenverkehrs-Ordnung |
Ordnungsnummer 3 a | Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung |
Ordnungsnummer 3 b | Ferienreiseverordnung |
Ordnungsnummer 3 c | Verkehrsrechtliche Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes |
Ordnungsnummer 3 d | Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften (Leichtmofa-Ausnahmeverordnung) |
Ordnungsnummer 3 e | Zweite Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften |
Ordnungsnummer 3 f | Dritte Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften |
Ordnungsnummer 3 g | Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung |
Ordnungsnummer 3 h | 8. Ausnahmeverordnung zur StVO |
Ordnungsnummer 3 i | 9. Ausnahmeverordnung zur StVO |
Ordnungsnummer 3 j | Lärmschutz-Richtlinien-StV |
Ordnungsnummer 3 k | 12. Ausnahmeverordnung zur StVO |
Ordnungsnummer 3 l | Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit Überlänge |
Ordnungsnummer 3 m | Vierte Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften |
Abkürzungsverzeichnis
Allgemein verständliche Abkürzungen (z.B. Kfz, Pkw) sind nicht aufgenommen. Ortsnamen ohne Zusatz bezeichnen das Oberlandesgericht mit dem Sitz an diesem Ort. Das Zeichen „§“ ohne Zusatz benennt einen Paragrafen der Straßenverkehrs-Ordnung.
a.A. | = | anderer Ansicht |
aaO | = | am angegebenen Ort |
AB | = | Autobahn |
Anm. | = | Anmerkung |
Art. | = | Artikel |
BAnz | = | Bundesanzeiger |
BayObLG | = | Bayer. Oberstes Landesgericht |
BayVBl | = | Bayer. Verwaltungsblätter |
BayVGH | = | Bayer. Verwaltungsgerichtshof |
Begr. | = | Amtliche Begründung zur Straßenverkehrs-Ordnung |
BGBl | = | Bundesgesetzblatt |
BGH | = | Bundesgerichtshof |
BVerfG | = | Bundesverfassungsgericht |
BVerwG | = | Bundesverwaltungsgericht |
CsgG | = | Gesetz zur Bevorrechtigung des Carsharing (Carsharinggesetz – CsgG) |
DAR | = | Deutsches Autorecht |
Drs. | = | Drucksache |
eBAnz | = | Elektronischer Bundesanzeiger |
eKFV | = | Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV) |
Erl. | = | Erläuterung |
FBA | = | Fernstraßenbundesamt |
FeV | = | Fahrerlaubnis-Verordnung |
Fzg | = | Fahrzeug / Fahrzeuge / Fahrzeugen |
Fzgf. | = | Fahrzeugführer/in |
FZV | = | Fahrzeug-Verordnung |
ggü. | = | gegenüber |
grds. / Grds. | = | grundsätzlich / Grundsatz |
GüKG | = | Güterkraftverkehrsgesetz |
Hs. | = | Halbsatz |
i.Ü. | = | im Übrigen |
idR | = | in der Regel |
insbes. | = | insbesondere |
insg. | = | insgesamt |
iSd / iSv / isE | = | im Sinne des / im Sinne von / im Sinne eines |
iVm | = | in Verbindung mit |
KfzF / KfzFührer | = | Kraftfahrzeugführer/in |
m.w.N. | = | mit weiteren Nachweisen |
JW | = | Juristische Wochenschrift |
KG | = | Kammergericht |
NJW | = | Neue Juristische Wochenschrift |
NVwZ | = | Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht |
NZV | = | Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht |
OWiG | = | Gesetz über Ordnungswidrigkeiten |
OVG | = | Oberverwaltungsgericht |
PBefG | = | Personenbeförderungsgesetz |
RG | = | Reichsgericht |
RiLi / RL | = | Richtlinie |
Rspr. | = | Rechtsprechung |
RWBA | = | RiLi für wegweisende Beschilderung auf BAB |
StGB | = | Strafgesetzbuch |
StPO | = | Strafprozessordnung |
StrVerkBeh | = | Straßenverkehrsbehörde |
StVO | = | Straßenverkehrs-Ordnung |
StVZO | = | Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung |
SVR | = | Zeitschrift für Straßenverkehrsrecht |
UBA | = | Umweltbundesamt |
VA | = | Verwaltungsakt |
VersR | = | Versicherungsrecht |
VGH | = | Verwaltungsgerichtshof |
vgl. | = | vergleiche |
VD | = | Der Verkehrsdienst |
Verk.Si. | = | Verkehrssicherheit |
VkBl | = | Verkehrsblatt |
VM / VerkMitt | = | Verkehrsrechtliche Mitteilungen (Seitenzahl od. Nr. der Entsch.) |
VO | = | Verordnung |
VT | = | Verkehrsteilnehmer |
VRS | = | Verkehrsrechtssammlung (Band und Seite) |
VwGO | = | Verwaltungsgerichtsordnung |
VwV-StVO | = | Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung |
VZ / Z | = | Verkehrszeichen |
ZusatzZ / ZZ | = | Zusatzzeichen |
3 Straßenverkehrs-Ordnung
vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367)
zuletzt geändert durch Artikel 1 Verordnung vom 18.12.2020 (BGBl. I S. 3047)
3 Straßenverkehrs-Ordnung › I. Allgemeine Verkehrsregeln0
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr1 2 erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht3.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt4 hat sich so zu verhalten5, dass kein Anderer6 geschädigt, gefährdet6a oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert6b oder belästigt7 wird8 9.
0
Geführte Diskussionen über eine angebliche Nichtigkeit der StVO seit ihrem Neuerlass in 2013 gehen ins Leere. Das Zitiergebot (Art. 80 Abs. 1 S 3 GG) wurde nicht verletzt. Sämtl. Regelungen sind einer der in der Eingangsformel zitierten Ermächtigungsgrundlagen zuordbar. § 6 Abs. 1 Nr 3 StVG gliedert sich in einen 4 Punkte umfassenden einleitenden Teil mit anschließenden Regelbeispielen, die an den ersten Satzteil mit einem „ ,“ und einem „und“ angefügt sind und damit jeweils kumulativ mit dem gesamten 1 Satzteil zu lesen sind. Der einleitende Teil ist immer bei der Nennung der einzelnen Buchstaben mitumfasst und muss nicht durch ein „und“ zusätzlich in der Präambel entsprechender Änderungsverordnungen genannt werden. Dies wird unterstrichen dadurch, dass die aufgeführten Regelbeispiele ungeordnet zum einleitenden Satzteil angeschlossen und durch die Formulierung „und zwar hierzu unter anderem“ nicht abschließend sind. Der § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG wurde nur deshalb nicht in 2013 als übergeordnete Gliederungseinheit in Gänze benannt, weil die Zuordnung der Einzelvorschriften zu verschiedenen Spiegelstrichen aufgrund der Benennung verschiedener Verordnungsgeber erforderlich wurde. Im Ergebnis so auch OLG Braunschweig Beschl. v. 4.12.2020 – 1 Ss (Owi) 173/20, juris.
Versuche seitens vereinzelter Länder und Interessenvertreter, die Vision Zero in § 1 zu verankern oder der StVO eine dahingehende Präambel voranzustellen, gingen bislang ins Leere, weil es sich bei der StVO in Gänze um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, welche damit noch weitergehend ist als das erstrebenswerte Ziel, keine Verletzten oder Tote im Straßenverkehr zu haben.
1
StVO gilt grds. nur für Verk. auf öff. Wegen u. Plätzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG). Verkehrsfläche ist nicht nur dann öff., wenn es sich um eine straßenrechtl. gewidm. Verkehrsfläche handelt, sondern auch, wenn sie tatsächlich einem unbestimmten, nicht durch pers. Beziehungen eingeschränkten, Personenkreis (also der Allgemeinheit) mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Verfügungsberechtigten zur Benutzung offen steht – sog. faktisch öff. Verkehrsfl. (BGH VM 57, 14; DAR 63, 132; BayObLG VRS 10, 277; 29, 182; Düsseldorf VRS 64, 300; BGH VRS 104, 24). Sachl. Beschränkung der tatsächl. Zulassung eines öff. Verk. (z.B. auf Fußg. [Fußgängerzone] oder Kfz ab einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h [Autobahn] oder auf Fahrräder [Radfahrstraße]) beeinträchtigt Öff. nicht, bedingt aber vorherigen widmungsrechtl. Akt (unklar Stuttgart VersR 70, 846, das die Probleme der Abgrenzung von Straße u. Grundstück mit der Unterscheid. zw. öff. u. nichtöff. Verkehrsfläche vermischt). Zeitweise öff. sind z.B. auch Gehwege in Parks oder Friedhöfe während der Öffnungszeiten. Für Verkehrsregelung auf öff. Verkehrsgrund gilt ausschließl. Straßenverkehrsrecht; Bund hat von konkurr. Gesetzgebungszust. nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG Gebrauch gemacht durch Erlass StVG und der darauf beruhenden StVO, dortige Regelungen entfalten Sperrwirkung für abw. Landesrecht. Länder können z.B. nicht generell abstrakt Tempolimit auf AB für ihr Gebiet flächendeckend einführen. Verkehrsreg. in Gemeindesatzungen (BayObLG VRS 62, 475 = DAR 82, 301) und im Landesrecht (BGHSt 47, 181) sind also unzulässig und unwirksam.
2
Verkehrsrechtl. öffentlich: Tankstelle (BayObLG VRS 24, 69 = VM 63, 13 = VkBl 63, 52; Düsseldorf VRS 59, 282; VRS 76, 34 = NZV 88, 231); Parkplätze immer dann nicht, wenn der Verfügungsberechtigte nach außen erkennbar seinen gegenläufigen Willen verdeutlicht hat. Dies erfolgt z.B. durch Aushang von Nutzungsbedingungen oder durch eigene Beschilderung „Hier gilt die StVO“ oder Vorhaltung von speziellen Mutter-Kind-Parkplätzen etc. Der Verfügungsberechtigte macht dann von seinem Hausrecht Gebrauch. Ist dies nicht der Fall: Parkplatz vor Gastwirtschaft (BGH VRS 20, 453 = DAR 61, 205 = VM 61, 56 = NJW 61, 1124; Düsseldorf NZV 92, 120 = VRS 82, 123); Parkplatz od. Parkhaus, die der Allgemeinheit zur Benutzung offen stehen (KG DAR 77, 47; 78, 19; 83, 80; NZV 2003, 381; Düsseldorf VRS 63, 289); Parkplatz eines Einkaufscenters (Saarbrücken VRS 47, 54); Parkplatz in Hinterhof, der den Kunden mehrerer Firmen sowie den Anwohnern offen steht (OVG Münster NZV 2000, 183 = DAR 2000, 91); Ladestraße eines Güterbahnhofs (Celle DAR 65, 100); öff. Parkhäuser u. Tiefgaragen (Bullert DAR 63, 325; Stuttgart VRS 30, 210; Bremen VRS 33, 193; Düsseldorf VRS 39, 204); gemeinsame Zufahrt zu mehreren Häusern, soweit keine Sperreinrichtungen od. Z vorh. (BayObLG NVwZ 83, 438); Straßen in priv. Klinikgelände (VGH Kassel NZV 89, 406) Straßen in Klinikgelände, das Besuchern von Patienten offen steht, sind öff., auch wenn Umzäunung und Zufahrtkontrolle vorhanden; Forstweg, der als Wanderweg zur Verf. steht (Bouska BayVBl 65, 51); Straßen, die nur nach Bezahlung eines bes. Entgelts (Maut) benutzt werden dürfen, grds. aber jedermann zur Verf. stehen; Straße in nicht abgeschloss. Ind.- od. Gewerbegebiet. Bauliche Mittelstreifen od. Grünstreifen in Straßen mit getrennten Richtungsfahrb. sind öff. iSd Straßenverkehrsrechts, idR sogar iSd Straßenrechts, denn sie bilden zus. mit den für den fließ. Verk. best. Straßenteilen einen einheitl. Straßenraum (z.B. als „Insel“ für Fußg., die die gesamte Straße überschreiten wollen), auch wenn sie nicht ausdrückl. dazu bestimmt sind. Die Auff. von Düsseldorf (NZV 93, 161 = VRS 84, 471 = VM 93, 46) ist als zu eng abzulehnen. Entspr. gilt für Straßenteile, z.B. Grünstreifen, die zw. Fahrb. und Gehweg verlaufen und tatsächl. den Fußg. beim Überqueren der Fahrb. zur Verfügung stehen (davon gehen wohl auch Hamm DAR 94, 409 und Düsseldorf NZV 94, 372 aus). Nicht öffentlich: Kasernengelände (BGH VRS 26, 255); Fliegerhorst (BayObLG VRS 24, 305 = VM 63, 27 = NJW 64, 501); abgeschl. Fabrikgelände, auch mit Parkplatz (Braunschweig VRS 8, 144; 27, 458); ausweispfl. Großmarktgelände (BGH DAR 63, 132 = VM 63, 9); a.A. LG Dresden (NZV 1999, 221); Weg, der erkennbar nur Anwohnern u. Besuchern dient (Hamm VRS 52, 207); Wagendeck eines Fährschiffes (Karlsruhe NZV 93, 77 = VRS 84, 100); wohl auch sog. Verkehrsübungsplätze, jed. nur, wenn sie ggü. dem öff. Verkehrsraum abgeschlossen sind (Zaun), einer Zugangskontrolle und bes. Benutzerregeln unterliegen (die fahrpraktische Ausbildung vor Erwerb einer Fahrerlaubnis darf jed. auch auf solchen Übungsplätzen nur durch Fahrlehrer nach Maßg. des Fahrlehrergesetzes durchgeführt werden). Außerhalb des öff. Verkehrsraums gilt die StVO grds. nicht, dennoch hat man sich zumindest stets an die Grundregel des § 1 zu halten (Vorsicht und gegens. Rücksichtnahme), Versuche seitens vereinzelter Länder und Interessenvertreter.
3
Jeder Fußg., Radf., KfzFührer und damit jeder VT muss sich in jeder Situation darüber klarwerden, ob sein Verhalten in diesem Zeitpunkt nach vernünftiger Auffassung die nach den Umständen mögliche Sicherheit und Störungsfreiheit für die anderen und für sich selbst gewährleistet. Defensiv fahren (Wimmer DAR 64, 37) heißt, „auf Sicherheit“ fahren, so fahren, „dass nichts passieren kann“. Rspr. verlangt risikoärmstes Verhalten (BGH NJW 88, 909). Bedeutet aber nicht, dass man sich als VT immer auf ein Idealverhalten des Anderen verlassen kann. Derjenige, der die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt, die in der konkreten Situation erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu schützen, muss ggf. eine Mitverantwortung tragen (Karlsruhe 1 U 8/12, juris).
4
VT ist jeder, der durch eigenes Tun od. Unterlassen unmittelbar auf den Verkehr einwirkt. Beispiele: FzgFührer, der Fzg parkt, für die Dauer des Parkens (Hamburg VRS 23, 139; BayObLG VRS 24, 460; 27, 220); Soziusfahrer auf Kraftrad (BGH VRS 7, 68 = DAR 54, 304; VRS 18, 415); Lenker eines abgeschleppten Kfz (Hamm VRS 22, 220); Führer von Schienenbahn im öff. Verkehrsraum, auch auf Bahnübergang (BGH DAR 53, 118 = VRS 5, 304 = VkBl 53, 240); Baggerführer bei StrBauarb. auf nicht gesperrter Straße (Hamm DAR 64, 115); Fahrlehrer (§ 3 StVG); Lenker der Hinterachse bei Langfzg Kein VT: Fahrgast in Kraftwagen (außer bei Einwirkung auf Fahrer oder Bedienungsapp., Ablenkung des Fahrers, BayObLG VRS 13, 285); Bediensteter der StrVerkBeh u. der StrBaubeh. beim Vollzug des § 45 (Köln NJW 65, 829; Vd 65, 351), des StrBaulastträgers bei § 45 Abs. 5; Bauunternehmer bei § 45 Abs. 6 (Hamm VRS 5, 623); FzgHalter in dieser Eigenschaft.
5
Tatbestand hinreichend bestimmt (BVerfG DAR 68, 329 = VkBl 68, 488; VD 67, 321 abw. von Lange-Fuchs NJW 67, 1843).
6
Andere sind nicht nur VT, sondern alle Menschen, auch Tiere, aber grds. nicht Sachen.
6a
Immer konkrete Gefahr; Befürchtung, dass Unfall unmittelbar bevorsteht (Beinahe-Unfall BGH NJW 95, 3131). Liegt keine konkrete Gefahr vor, ggf. Behinderung oder Belästigung gegeben.
6b
Wer mit der höchstzul. Geschw. auf dem linken Fahrstreifen der Richtungsfahrb. einer AB fährt, behindert einen Fahrer, der überholen will, nicht, wenn das Überholen nur bei Überschreitung der Geschw.beschr. möglich wäre (BGH VRS 72, 293), wohl aber kann ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2) vorliegen. Versammlungsfreiheit begr. kein Recht zur absichtl. Lahmlegung des Straßenverkehrs; Behinderungen insoweit nur gedeckt, soweit sie sozialadäquate Nebenfolge der Versammlungsfreiheit sind; AB stehen für Demonstrationen nicht zur Verfügung (OVG Lüneburg NZV 95, 332). Blockade einer AB durch Kfz kann Nötigung (§ 240 StGB) sein (BGH DAR 95, 453 = VM 96, Nr. 1). Zu den Vorauss., unter denen stetiges Fahren auf dem linken Fahrstr. einer AB Nötigung sein kann vgl. Düsseldorf NZV 2000, 301 (vgl. auch Erl. 5 zu § 2). Verlangt wird eine nachhaltige Beeinträchtigung (BGHSt 34, 238).
7
Störung einer Radarmessung durch geparkte Fzg ist Belästigung der Überwachungskräfte (Hamm VRS 52, 208). Ein subjektives Unbehagen ist Voraussetzung.
8
Gefährdung, Behinderung und Belästigung müssen konkret nachweisbar sein.
9
Verhältnis zu and. Vorschriften der StVO:
a) | Einzelvorschr. untersagt best. Verh. ohne Rücksicht auf Gefährdung usw.: Bei Eintritt einer dieser Folgen Tateinheit (§ 19 OWiG). Beisp.: § 3 Abs. 1, § 4, § 12 Abs. 1. |
b) | Einzelvorschr. untersagt best. Verh., wenn dadurch einer der Erfolge des § 1 Abs. 2 eintritt: § 1 Abs. 2 nicht anzuwenden (Gesetzeskonkurrenz), wenn diese Folge eintritt, jed. allein anzuwenden, wenn eine and. Voraussetzung erfüllt wird. Beisp.: Gefährdung durch Öffnen der Wagentür = nur § 14 Abs. 1; Behinderung in solchem Falle = nur § 1 Abs. 2. |
c) | Einzelvorschr. untersagt best. Verh., das notwendig auch den Tatbest. des § 1 Abs. 2 erfüllt: anzuwenden ist nur die Einzelvorschr. Beisp.: Verletzung der Vorfahrt, § 8, des Vorranges nach § 9 Abs. 3. |