Die Autorin
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Annie Waye ist eine junge Autorin mit einer alten Seele. Sie ist auf der ganzen Welt zu Hause und seit jeher der Magie der Bücher verfallen. Sie schreibt, um den phantastischen Charakteren und fremden Orten Leben einzuhauchen, die sie seit ihrer frühesten Kindheit nicht mehr loslassen. Wenn sie nicht gerade an Romanen arbeitet, veröffentlicht sie Kurzgeschichten und bereist die Welt auf der Suche nach ihrem nächsten Sehnsuchtsort.
Mehr über die Autorin auf Instagram: https://www.instagram.com/anniewaye.author/
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Viel Spaß beim Lesen!
Annie Waye
Thron aus Sturm und Sternen
Seelendonner
Für Mama und Daddy, weil ihr immer an mich geglaubt habt.
An den Tag, an dem sich alles ändern sollte, konnte ich mich nur noch dunkel erinnern. Zuerst machte er den Anschein, nicht anders zu sein als alle anderen zuvor. Er war völlig gewöhnlich, wenn man davon absah, dass ich meine Siedlung verließ, um in eine Stadt zu reisen, in der die Menschen andere Kleidung trugen, eine andere Sprache sprachen und andere Bräuche, Sitten und Traditionen pflegten. Eine Stadt, in der ich schon seit vielen Jahren ein und aus ging, in der ich mich jedoch noch immer wie eine Fremde fühlte.
Die heiße Mittagssonne Tara’ans brannte auf meinen Kopf, als ich mich durch die Straßen bewegte. Nervös zupfte ich mein Kopftuch zurecht, aus Angst, der Stoff könnte von meiner Stirn rutschen und mein größtes Geheimnis entblößen. Ein zarter Wind wehte durch die Gassen, war jedoch nicht stark genug, um die Enden meiner Robe über meine Knöchel hinwegwehen zu lassen. Ich fühlte mich unwohl dabei, so viel Kleidung zu tragen, die mich in meinen Bewegungen einschränkte. Doch es war notwendig. Bis auf mein Gesicht und meine Hände war von meinem Körper nichts zu sehen. Der einzige Hinweis auf meine Herkunft, den ich nicht verbergen konnte, waren meine grünen Augen, deren Blicke die Einwohner hier als stechend, gar einschüchternd empfanden.
Niemand in diesem Land hatte grüne Augen. Grüne Augen waren etwas Fremdes, und die Menschen hatten großen Respekt vor dem Fremden. Leider äußerten sie diesen sehr unterschiedlich. Die Mitglieder meines Stammes waren zwiegespalten, was Reisen in die Ortschaften des Vereinigten Königreichs Tara’Unn betraf: Manche Crae wurden auf offener Straße beleidigt, andere in Prügeleien verstrickt. Nicht, weil sie wussten, wer oder was wir waren – sondern weil sie keine Ahnung hatten und ihnen das Angst machte.
Ich selbst hatte bisher Glück gehabt. Doch jedes Mal, wenn ich die Stadt Istar aufs Neue betrat, wurde mir bewusst, dass ich auf einem seidenen Faden balancierte.
Aila hatte, seit ich sie vor über zehn Jahren in der Hektik des Basars kennengelernt hatte, immer in demselben Viertel gewohnt. Den Weg dorthin würde ich sogar blind finden. Vor ihrem Haus angekommen, hob ich die Hand und klopfte zögerlich an die Tür aus solidem Eichenholz, die mit zahlreichen farbigen Linien verziert war. Eine Woge der Erleichterung schwappte über mir zusammen, als ein bekanntes Gesicht sie öffnete.
Ich kannte den Namen der Dienerin vor mir nicht, aber ich hatte sie schon oft gesehen. Sie war nur ein Teil des Stabes, der der hier ansässigen Familie diente.
»Ich heiße Kauna«, sagte ich. »Ich möchte deine Herrin sehen.«
Die Sklavin, bekleidet mit einer Robe, die mehr als doppelt so wertvoll sein musste wie meine eigene, musterte mich von oben bis unten. »Einen Augenblick. Ich werde der Herrin von deiner Ankunft berichten.«
Die Tür schloss sich wieder. Eine gefühlte Ewigkeit wartete ich darauf, dass die Bedienstete zu mir zurückkehrte.
Dann plötzlich wurde die Tür mit einem Ruck aufgerissen. Es war die Herrin persönlich, die mich empfing. Ihre Augen weiteten sich, als sie mich sah. »Kauna!«, rief sie erfreut aus und fiel mir stürmisch um den Hals. »Wie schön, dich zu sehen!« Mit einer schwungvollen Geste bat sie mich herein. »Du kommst gerade zum richtigen Zeitpunkt.«
Aila geleitete - um nicht zu sagen: zerrte – mich durch das Haus. Immer, wenn ich hierherkam, war ich fasziniert von den vielen Dingen, die ein Mensch besitzen konnte, ohne sie zu brauchen: seien es Gemälde, Uhren, Bücher oder seltsame kleine Gegenstände, die die Kommoden zierten und deren Zweck sich mir selbst nach all den Jahren immer noch nicht erschloss. Es schien nichts zu geben, das Aila nicht ihr Eigen nannte. Wir stiegen eine Treppe hinauf bis in den Wohnbereich, wo bereits zwei weitere Gäste warteten.
Tia und Semyr standen auf, als ich eintrat. »Kauna!« Sie hatten mich seit Monaten nicht gesehen. Jedes Mal, wenn es mich in die Stadt verschlug, besuchte ich Aila – und wo sie war, konnten ihr Bruder und ihre engste Vertraute nicht weit sein. Obwohl ich schon so oft in Istar gewesen war und die Stadt mindestens so gut kannte wie meine Siedlung, waren mir abgesehen von den dreien die meisten Menschen darin fremd.
»Und ich dachte, du würdest gar nicht mehr wiederkommen!«, begrüßte Tia mich.
Ich lächelte. »Wo denkst du hin?« Mein Dasein als Crae ließ es nicht oft zu, dass ich nach Istar reiste. Aber ich wollte diesen Teil meines Lebens auf keinen Fall missen.
»Setzt euch«, meldete Aila sich zu Wort. »Und lasst uns da weitermachen, wo wir gerade aufgehört haben.« Sie bedeutete einer Dienerin, mir einen Tee zu bringen. Auf dem kleinen Tisch, an dem sie saßen, standen bereits drei halb leere Tassen.
Ich nahm neben Tia auf einem Diwan Platz, der mit einem Muster aus Blättern und Ranken verziert war und dem Stil nach überhaupt nicht zum Rest der Einrichtung passte. Da Ailas Ehemann am Hafen arbeitete, vermutete ich, dass das Möbelstück aus einem anderen Land stammte.
Aila knüpfte tatsächlich nahtlos an das vorherige Gespräch an. Sie befand sich mitten in einer Erzählung über ihre Hochzeitsreise, die sie mit Ali unternommen hatte - ehe sie zu den Herausforderungen überging, die damit verbunden waren, dass sie das Haus hüten musste, während er geschäftlich am Hafen zu tun hatte.
»Das Eheleben scheint dir gutzutun«, stellte ich fest – sie blühte in ihren Geschichten geradezu auf.
Mein Stamm hatte mich davon abgehalten, ihre Hochzeitsfeier zu besuchen. Doch ich hatte gehört, dass zu Vermählungen wunderschöne Zeremonien und rauschende Feste gefeiert wurden. Ich hoffte, dass Gil und mir eines Tages eine ähnliche Ehre vergönnt sein würde. Wenn es nach Aila ging, war ich mit meinen zwanzig Jahren ohnehin schon überfällig.
Aila lächelte das sanfteste Lächeln, das ich jemals an ihr gesehen hatte. »Für jeden von uns ist eine bestimmte Rolle im Leben vorgesehen. Und ich habe meine nun gefunden.«
Die Selbstsicherheit, mit der Aila sprach, überwältigte mich. Sie schien von dem, was sie tat, vollkommen erfüllt zu werden - und das war etwas, das ich bisher nur von den Ältesten in meiner Siedlung gekannt hatte.
Unwillkürlich fragte ich mich, was meine Rolle war, die mir das Schicksal gab, und ob ich sie genauso bald finden würde wie Aila.
»Jedenfalls«, fuhr die Herrin des Hauses fort, »werde ich in ein paar Tagen zu Ali reisen.« Sie seufzte sehnsüchtig. »Ich freue mich schon darauf, den Hafen zu sehen. Und das neue Schiff, das er -«
Aila wurde jäh unterbrochen, als jemand so laut gegen die Eingangstür hämmerte, dass der Boden unter unseren Füßen zu erbeben schien.
Sie rümpfte die Nase. »Was soll das werden?«, rief sie erbost aus. Niemand ging so mit ihrem Eigentum um - nicht einmal, wenn es sich dabei nur um eine Tür handelte.
Obwohl eine ihrer Dienerinnen in diesen Sekunden dorthin eilte, erhob sie sich, als wollte sie sich selbst um die Angelegenheit kümmern. Dann jedoch überlegte sie es sich anders und begann stattdessen, sichtlich gereizt auf und ab zu gehen.
Ich folgte ihr mit den Augen. Auf und ab, auf und ab …
Polternde Schritte ertönten, als ihre Dienerin die Stufen hinaufstolperte. »H-Herrin«, flüsterte sie.
»Wer ist es, Nela?«, fragte Aila scharf.
Die Frau zuckte zusammen. Mir war, als wäre ihr Gesicht eine Nuance blasser geworden. »Ein … Ein Herr möchte mit Euch sprechen. Es scheint wichtig zu sein.«
Aila verdrehte die Augen. »Ich erwarte aber keinen Herren, der mit mir sprechen will. Schick ihn weg.«
Das Mädchen öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann versuchte sie es noch einmal: »Ich … Herrin, wenn Ihr gestattet … Ich glaube nicht, dass dieser Mann sich wegschicken lässt.«
Aila kniff die Augen zusammen. Ich konnte regelrecht spüren, wie die Wut in ihr hochkochte. Sie nahm ihre Rolle als Hüterin des Hauses sehr ernst. »Dann wollen wir mal sehen, was er zu sagen hat, was?«, erwiderte sie trocken.
Als sie sich zu uns wandte, setzte sie wieder ihr strahlendstes Lächeln auf. »Ich bin sofort zurück.«
Sie hob ihre Robe mit den Fingerspitzen an, als sie vor ihrer Dienerin die Treppe hinabstieg. Kurz darauf ertönte ihre Stimme von unten – genau wie die eines Mannes. Sosehr ich mich auch konzentrierte – es war unmöglich, zu verstehen, was gesprochen wurde.
Semyr zog eine finstere Miene. »Ich sehe ihn mir besser an«, schloss er und schickte sich an, seiner Schwester zu folgen. Auf halber Höhe der Stufen blieb er jedoch abrupt stehen. Ich konnte nur erahnen, wie viel er von seiner Position aus zu sehen oder zu hören vermochte.
Plötzlich regte sich etwas in seinem Gesicht. Langsam, als wollte er ja kein Geräusch machen, bewegte er sich rückwärts zu uns zurück. Als er sicher war, dass niemand unten etwas davon mitbekommen hatte, fuhr er zu uns herum. »Du musst sofort von hier verschwinden, Kauna«, zischte er.
»Was?«, stieß ich verwirrt hervor. Ich konnte nur raten, welche Art Besuch Aila bekommen hatte – und was das mit mir zu tun haben könnte. »Wer ist das?«
Semyr warf einen gehetzten Blick über die Schulter nach unten. Als er sich wieder zu uns wandte, formten seine Lippen ein Wort, das er nicht aussprechen wollte: Unnen.
Meine Gesichtszüge entgleisten. Das Blut gefror in meinen Adern. »Was tun sie hier?«, flüsterte ich. »Und was wollen sie von Aila?«
Mit verhärteter Miene starrte Semyr mich an. »Dich.«
Ich begriff nicht – doch uns blieb keine Zeit. Sekunden später hatte er meinen Arm fest umklammert und zerrte mich von einer Richtung in die andere. Er wusste selbst nicht, was er mit mir anstellen sollte. Es gab zwei Eingänge in diesem Haus, doch beide lagen im unteren Stockwerk. Einer wurde gerade von dem Unnen blockiert – und um zum anderen zu gelangen, müssten wir uns genau an diesem vorbeibewegen.
»Zu riskant«, murmelte Semyr, als hätte er denselben Gedanken gehabt wie ich.
»Woher wissen sie überhaupt, dass ich hier bin?«, stellte ich nur eine der unzähligen Fragen, die sich in den letzten Sekunden in meinem Kopf gebildet hatten.
»Der Tratsch«, knurrte Tia abfällig, obwohl sie für gewöhnlich die Erste war, die Gerüchte weitererzählte. »Wenn sie nur lange genug herumfragen, können sie in dieser Stadt alles herausfinden.«
Sie hatte recht. Auch wenn es nur wenige Crae regelmäßig hierher verschlug und wir die Seelensteine in unserer Stirn stets verbargen, bedeutete das nicht, dass niemand von unserer Existenz wusste. Für viele waren wir wandelnde Mythen und Legenden, die von einer Generation zur nächsten getragen wurden, für andere nichts weiter als die Wilden – ein Grund besser als der andere, um über uns zu tratschen. Dennoch verstand ich nicht. »Aber was könnten sie von mir -«
Semyr packte mich bei den Schultern. »Das wissen wir alle ganz genau«, raunte er.
Ich schluckte und hoffte mit aller Kraft, dass er sich irrte. Dass wir alle uns irrten. Vielleicht waren die Unnen in friedlicher Absicht hier. Womöglich hatte der König sie geschickt. Vielleicht wollten sie nur reden –
Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?
Semyr starrte in Richtung Fenster. »Schaffst du das?«
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Schaffe ich … was?«
Aber Ailas Bruder verlor keine Zeit. Er zog mich hinter sich her. Als hätte er Angst, dass ich davonlief, hielt er mich nach wie vor mit einer Hand fest, während er mit der anderen das Fenster öffnete. »Es gibt keinen anderen Weg«, stellte er klar. »Schaffst du das?«
Nun verstand ich. Ich warf einen prüfenden Blick nach draußen. Wir befanden uns in einem sehr eng bebauten Stadtviertel. Das nächste Dach lag in wenigen Schritten Entfernung. Das Problem war jedoch, dass seine Kante weit über dem Fenster emporragte. Nicht einmal, wenn jemand wie Semyr einen Satz machen würde, wäre er in der Lage, es auch nur mit den Fingerspitzen zu erreichen.
»Ich schaffe das«, antwortete ich mit fester Stimme.
»Halt!«, kreischte Aila unter uns. »Ihr habt kein Recht … Bleibt stehen!«
Schritte ertönten. Sie bewegten sich die Treppe nach oben.
Sekunden. Mehr blieb uns nicht.
»Semyr, Tia -«
»Geh!«, befahl Semyr. »Geh und versteck dich.« Er half mir in den Fensterrahmen. »Beeil dich.«
Mein Herz begann schneller zu schlagen, je lauter die Schritte wurden. Ich ging in die Knie, so weit ich es auf der Fensterbank wagte. Meine Zehen hingen ins Leere, unter ihnen die klaffende Tiefe der Häuserschlucht. Mein ganzer Körper spannte sich an, und ich spürte eine Kraft in meinen Beinen, die nicht länger nur meine eigene war.
Dann stieß ich mich ab, sprang nach oben -
Und erreichte den Rand des Dachs mit meinen Händen. Ich ignorierte das Brennen in meinen Schultern und zog mich mühelos daran hoch. Kaum dass ich sicheren Grund unter meinen Knien spürte, legte ich die Handflächen aneinander, um Hana zu danken.
Von meiner Position aus hatte ich einen Blick auf Ailas Wohnbereich – zumindest auf den winzigen Ausschnitt, der sich direkt hinter dem Fenster befand. Semyr war von dort verschwunden. Womöglich wollte er nicht die Aufmerksamkeit des Unnen auf die Öffnung lenken.
Wieder ertönte dessen Stimme, doch sie war noch immer undeutlich. Ich glaubte, den Namen Newton zu hören – ein typischer Name von der anderen Seite des Reiches.
Ein kleiner Teil von mir drängte mich dazu, das Weite zu suchen. Nach all den Jahren, in denen ich diese Stadt nun schon bereist hatte, hatte ich hier noch nie einen Unn gesehen. Obwohl Tara’an im Osten und Unn im Westen der Insel vor zwanzig Jahren zu einer Nation vereint worden waren, hielten sich die Menschen für gewöhnlich nur in ihren eigenen Städten auf – so, wie die meisten Crae ihre Siedlung niemals verließen.
Es war die Neugierde, die mich dazu brachte zu bleiben – gemischt mit der Hoffnung, dass Newton wieder verschwinden würde, wenn er feststellte, dass Aila keine Crae beherbergte.
Viele hielten unsere bloße Existenz für einen Mythos. König Khalid von Tara’an war stehts darauf bedacht gewesen, uns aus seinen Schlachten herauszuhalten. Nachdem er Unn vor zwei Jahrzehnten ganz ohne Unterstützung der Crae eingenommen hatte, hatte sich das Königshaus die größte Mühe gegeben, sämtliche Gerüchte über uns im Keim zu ersticken und jegliche Aufzeichnungen über uns verschwinden zu lassen. Es dürfte nicht viel brauchen, um ihn davon zu überzeugen, dass er hier auf niemanden wie mich stoßen würde. Das redete ich mir zumindest ein – bis mir etwas einfiel, das eine brennende Hitze in mir hochsteigen ließ.
Der Tee. Die Tassen. Vier an der Zahl – für drei Ta’ar.
Ich schluckte. Würde er sie bemerken? Würde er einen Schluss daraus ziehen?
Ich versuchte, meine Angst herunterzukämpfen. Eine vierte Tasse konnte alles Mögliche bedeuten. Sie konnte von einem Gast stammen, der bereits gegangen war. Einem gewöhnlichen Gast. Einer Ta’ar. Keiner Crae. Newton könnte davon ausgehen, dass alles mit rechten Dingen zuging.
»In dieser Stadt gibt es keine Crae«, drang Semyrs Stimme laut und deutlich an meine Ohren. »Und schon gar nicht in diesem Haus.«
Der andere Mann sagte etwas.
»Niemand weiß, wo ihre Siedlung ist«, erwiderte Semyr ungeduldig. »Und das ist auch gut so.«
Erschrocken riss ich die Augen auf. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Was auch immer die Frage gewesen ist … das war die falsche Antwort.
Um mich zu beschützen, hätte er mich - mein ganzes Volk – leugnen müssen. So wie alle anderen, denen noch nie ein Crae begegnet war. Wenn er davon sprach, dass es hier niemanden wie mich gäbe, dann …
Dann war das ein Zeichen für die Unnen, dass er Bescheid wusste. Dass er bereits Crae – Angehörige eines Volkes, das in den meisten Köpfen in Vergessenheit geraten war - getroffen hatte. Dass er sie anlog.
Wie von selbst hob sich meine Hand und strich über die Stelle zwischen meinen Augenbrauen. Mein Craeon – mein Erkennungsmerkmal in Form eines unscheinbaren Steins - fühlte sich kühl an. Kühl wie die Furcht, die wie ein Orkan in meinem Inneren tobte.
In der Vergangenheit hatte es schon viele gegeben, die unsere Siedlung gesucht hatten. Manche hatten sie auch gefunden. Diejenigen waren aber nicht lebend nach Hause zurückgekehrt, um davon zu berichten. Womöglich tat Newton gut daran, seine Suche jetzt zu beenden. Um seiner eigenen Haut willen.
Plötzlich lenkte etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich – Stimmen, die nicht von Ailas Haus in meine Richtung drangen, sondern von der Hauptstraße des Viertels.
In geduckter Haltung robbte ich über das Dach, bis ich einen Blick auf sie erhaschen konnte – und erstarrte.
Das Erste, was ich sah, war ein goldener Lockenschopf. Er gehörte zu einem Mann, dessen Aussehen allein schon verriet, dass er nicht hierhergehörte. Nicht nur, weil seine Haare genauso hell waren wie meine, sondern vor allem aufgrund der Kleidung, die er trug: Die dunklen Gewänder der Unnen unterschieden sich völlig von denen der Ta’ar, die sich vornehmlich in bunte Farben hüllten.
Die Menschen, die auf der Hauptstraße ihren Alltagsgeschäften nachgegangen waren, hatten ihn bereits bemerkt. Misstrauen überzog ihre Gesichter mit Schatten. Niemals verschlug es einen Unn hierher. Doch dieser Mann machte den Eindruck, als wüsste er genau, was er tat.
In seiner Hand hielt er einen langen Stab, an dessen oberem Ende eine Fahne befestigt war. Sie war weiß-blau gestreift, und in ihrer Mitte prangte das Emblem der Unnen. Nicht das Symbol des Vereinigten Königreiches Tara’Unn. Sondern das eines unabhängigen Unn.
Die Stimmen, die ich vernommen hatte, wurden lauter – sie stammten von mindestens einem Dutzend weiterer Unnen, die in geschlossener Formation in mein Blickfeld traten. In ihren Händen hielten sie keine Fahnen – sondern Waffen.
Gewehre, Pistolen, Säbel, Messer. Sie waren mit allem ausgestattet, was es brauchte, um sämtliche Menschen in diesem Viertel zu töten.
Die Ta’ar waren kein Kriegervolk. Den Kampf überließ man den vom Königshaus ausgebildeten Söldnern und Soldaten. Niemand würde sich zur Wehr setzen können, sollten die Unnen sich dazu entscheiden, über die Einwohner herzufallen.
Aber warum sollten sie das tun?
Seit über zwanzig Jahren hatte Frieden zwischen den Völkern geherrscht. Nachdem sie sich seit einer schieren Ewigkeit bekriegt hatten, hatte man sie vor zwei Jahrzehnten endlich zu einem Reich vereint. Noch dazu war es meinem eigenen Stamm möglich gemacht worden, sich im Verborgenen zu halten. Man könnte sagen, ein goldenes Zeitalter war angebrochen.
Doch seither hatte es viele Konflikte zwischen den Völkern gegeben. Es war allgemein bekannt, dass die Unnen nicht zufrieden mit dem Reich gewesen waren – nicht zuletzt, weil der König von Tara’Unn ein Ta’ar war. Viele wollten sich nicht von ihm befehligen lassen. Vor allem zu Beginn seiner Herrschaft soll es einige Aufstände gegeben haben. Doch niemals zuvor waren Soldaten der Unnen in Tara’an eingedrungen.
Was macht ihr hier?
Istar war keine bedeutende Stadt – zumindest nicht in politischer Hinsicht. Die Hauptstadt Alanya war weit entfernt. Dieser Ort wurde vom Handel, der Religion und ihrer Nähe zum Meer am Leben gehalten. Wenn die Unnen tatsächlich den König hätten stürzen wollen, wären sie hier mehr als nur falsch.
Sie mussten etwas anderes bezwecken – aber was? Sie konnten unmöglich jede Stadt einzeln einnehmen wollen – schließlich hatten auch die Ta’ar ein Heer aus Kriegern, das sie –
Semyrs Stimme hallte in meinem Kopf wider: Sie wollen dich, Kauna.
Mein Herz setzte einen Schlag aus. »Nein«, flüsterte ich. Ihr Plan fiel mir wie Schuppen von den Augen. Sie wollten den König nicht stürzen – noch nicht. Das hier war nur der erste Schritt zum Ziel.
Angeführt durch ihren Fahnenträger, marschierten die Unnen durch die Straßen. Sie würdigten die Menschen um sich herum keines Blickes. Stattdessen hatten sie ihre Augen fest auf ihr Ziel gerichtet.
Ailas Haus.
Sie blieben vor der weit geöffneten Eingangstür stehen, als warteten sie auf weitere Anweisungen. Newton musste ihr Anführer sein.
Hinter den Soldaten sammelte sich eine Traube aus Einheimischen an. »Unnen-Gesindel!«, schimpfte eine ältere Frau.
»Verschwindet aus dieser Stadt!«, befahl ein Obsthändler.
»Ihr habt hier nichts zu suchen!«
Mein Magen zog sich zusammen. Ich war froh, dass die Soldaten die schimpfenden Ta’ar ignorierten. Denn sollten sie sich dazu entscheiden zu reagieren …
Ich erschauderte. Sie würden doch niemals so weit gehen, oder?
Ich spürte eine angenehme Wärme neben mir. Auch wenn ich Hana nicht sehen konnte, wusste ich, dass mein Seelentier da war – angelockt von meiner Angst und fest entschlossen, sie zu mildern.
Ein spitzer Schrei ertönte aus Ailas Kaminzimmer.
Mein Herz machte einen Satz. So schnell wie möglich, ohne von den Soldaten entdeckt zu werden, schob ich mich über das Dach, bis ich wieder durch das Fenster sehen konnte. In diesem Moment beugte Semyr sich durch den Rahmen. Er richtete seinen suchenden Blick nach oben. Als er mich erspähte, weiteten sich seine Augen. »Kauna, lauf!«, drang mir seine Stimme bis ins Mark.
Plötzlich erschien eine Hand an Semyrs Schulter. Ein Ruck ging durch seinen Körper, als eine lange Klinge durch seine Brust glitt. Ihre rote Spitze zeigte in meine Richtung.
Ailas Bruder starrte mich einen unendlich währenden Augenblick an. Ich hörte sein Röcheln nicht, als er vornüber durch das Fenster auf die Straße fiel. Stattdessen erfüllte mein eigener Schrei die Luft um mich herum und hallte von den Mauern Istars wider.
Ich war wie gelähmt. Ein Teil von mir wollte über die Kante des Dachs nach unten blicken, mich vergewissern, ob Semyr noch am Leben war, doch etwas in mir warnte mich davor, das zu tun: Willst du die Wahrheit wirklich erfahren?
Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Rennen, sagte eine Stimme in mir.
Rache, schrie mein Herz voller Wut. Mein ganzer Körper begann zu beben. Es gab nichts, was ich tun konnte. Ich war unbewaffnet, hatte nichts weiter als meine Hände und Füße, um mehr als einem Dutzend Unn’scher Soldaten entgegenzutreten. Ich würde mich leichtsinnig dem Tod ausliefern. Bei den Crae war das eine der größten Sünden, die man begehen konnte.
Semyr hatte recht gehabt. Ich musste sofort von hier verschwinden.
Plötzlich erschien jemand am Fenster. Ein Unn. Dass es Newton sein musste, erkannte ich daran, dass er eine blutige Klinge mit den Fingern umschlossen hielt.
Er stemmte die Hände gegen die Fensterbank und beugte sich nach vorn, um einen Blick nach unten auf die Straße zu werfen. Dann hob er langsam den Kopf …
Sofort zuckte ich zurück. Aber als ich den Ruf aus seiner Kehle hörte, wusste ich, dass er mich gesehen hatte.
Newton brüllte Befehle in der Sprache der Unnen, die keinerlei Gemeinsamkeiten mit Ta’ar aufwies. Doch obwohl ich kein Wort verstand, war die Bedeutung seiner Worte nicht schwer zu erraten. Schnappt sie euch! Wir brauchen sie lebend.
Ich sprang auf die Beine und rannte quer über das Dach - in entgegengesetzte Richtung zu den Soldaten. Ungeweinte Tränen brannten in meinen Augen. Am Rand angekommen ließ ich den Blick über meine Umgebung schweifen, auf der Suche nach einem Fluchtweg.
Was ich dann sah, raubte mir jeglichen Mut.
Die Unnen waren nicht nur auf Ailas Haus aus gewesen. Sie waren überall. Drängten sich durch die Hauptstraßen und schlugen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte.
Sie schienen wirklich nicht zu wissen, wo sich unsere Siedlung befand. Noch nicht. Aus diesem Grund setzten sie alles daran, die wenigen Crae zu finden, die sich getraut hatten, nach Tara’an zu reisen. Denn sie wussten genau – hatten sie einen, bekämen sie alle.
Ich schlug mir die Vorstellung aus dem Kopf, mir zu Fuß meinen Weg aus der Stadt bahnen zu können. In der Ferne ragte die einzige Hoffnung auf, die mir noch blieb.
Das Amal, das Gebetshaus der Ta’ar, lag etwas abseits des Stadtkerns. Es war auf heiligem Boden errichtet worden. Jeder, der einen Fuß daraufsetzte, war sicher. Wenn ich nur dorthin käme, könnten die Unnen mir nichts anhaben.
Ein lautes Klacken ertönte hinter mir. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich eine Leiter, deren oberste Lettern über die Dachkante ragten. Mir blieb keine Zeit.
Wenige Sekunden später erschien der goldene Schopf eines Soldaten in meinem Blickfeld. Er stieß einen barschen Ruf aus und beeilte sich, die restlichen Stufen der Leiter hinaufzuklettern.
Ich fuhr herum und starrte in Richtung des Amal. Der Craeon in meiner Stirn war warm. Ich brauche dich jetzt, Hana.
Dann kniete ich mich auf den Boden, klammerte mich an der Kante des Dachs fest und schwang meine Beine darüber. Mein Körper sackte herab, sodass eine Sekunde lang meine Finger das Einzige waren, was ihn in der Luft hielt.
Ich ließ los, ehe der Unn mich erreichen konnte. Nach einem Moment des freien Falls kam ich mit beiden Beinen fest auf dem Boden auf.
Weitere Rufe ertönten über mir. Ich wusste, es war nur eine Frage kurzer Zeit, ehe die Soldaten mich einholen würden. Ich musste mich beeilen.
Die Unnen wagten es nicht, es mir nachzumachen und vom Dach zu springen – sie befanden sich in zu großer Höhe, als dass sie es in einem Stück nach unten geschafft hätten.
Inzwischen war Unruhe in die Einheimischen geraten. Die meisten schlossen ihre Geschäfte, packten ihre Karren, auf denen sie ihre Güter präsentiert hatten, und stoben in alle Richtungen auseinander – zu ihren Häusern und Höfen, wo sie sich sicher vor den Unnen fühlten, oder einfach so weit weg von den Soldaten wie möglich.
Ich nutzte das Getümmel und mischte mich unter die Menschen. Da die Unnen mich bereits entdeckt hatten, war es aussichtslos unterzutauchen. Meine einzige Hoffnung zu entkommen, war, schneller zu sein als sie.
Ich schloss mich einer Gruppe Frauen an, die gerade aus einem Kaffeehaus kamen. Sie schienen noch keinen der Soldaten gesehen zu haben, denn im Gegensatz zu den anderen rannten sie nicht. Sie verhielten sich ganz ihrem hohen Stand gemäß, den ich an ihren bunten Gewändern ablesen konnte, und behielten einen schnellen, aber sicheren Schritt bei. Oder vielleicht spürten sie die Gefahr genau wie ich in ihren Rücken und wollten nur keine Aufmerksamkeit erregen, indem sie um ihr Leben liefen.
Ich hielt den Blick gesenkt und folgte ihnen. In der Bewegung lösten sich ein paar dicke Haarsträhnen unter meinem Kopftuch und hingen mir lose ins Gesicht. Hastig versuchte ich, sie zurück dorthin zu schieben, wo man sie nicht sehen würde – erfolglos.
»Ich kann nicht fassen, dass er tot ist!«, bekam ich einen Gesprächsfetzen mit, während ich hinter ihnen in eine Gasse einbog. Die Damen bemerkten mich nicht, was nicht zuletzt daran lag, dass wir uns in einem belebten Teil der Stadt befanden. Um uns herum waren unzählige Menschen – manche mehr, manche weniger verschreckt von den unerwünschten Besuchern, die sich im Ort verteilten.
»Denkst du, das ist der Grund, weshalb sie hier sind?«, fragte eine andere Dame mit gesenkter Stimme.
Verwirrt lauschte ich ihnen und versuchte, die Bedeutung ihrer Worte zu entschlüsseln.
»Ich bin mir absolut sicher, dass das der Grund ist!«
Ein spitzer Schrei ertönte direkt vor mir. Ich riss den Blick vom Boden – und sah eine Handvoll Unn’scher Soldaten, die am Ende der Gasse aufgetaucht waren und uns den Weg versperrten.
Mein Körper regte sich wie von selbst. Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging, so ruhig ich nur konnte, zurück. Bewegte mich an den Mauern der Gebäude entlang. Starrte nach unten. Nur nicht auffallen.
Aber noch bevor ich die Hauptstraße erreichte, hörte ich Stimmen, die in einer fremden Sprache redeten – nicht nur hinter, sondern auch vor mir.
Die Unnen hatten uns umzingelt.
Kurz entschlossen drehte ich mich der Hauswand zu meiner Rechten zu – und blickte einem Fenster entgegen. Ich hob mein Bein, um Halt in der Öffnung zu bekommen, streckte meine Arme nach oben aus und ertastete die darüberliegende Fensterbank des nächsten Stockwerks. Mühelos zog ich mich daran hoch.
Die Frauen kreischten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Unnen sie grob zur Seite stießen, als sie sich ihren Weg zu mir bahnten. Eine Frau mit blondem Haar, die an Fassaden hinaufkletterte, konnte unmöglich unbemerkt bleiben.
Fluchend schwang ich mein Bein auf die dünne Fensterbank, doch ich wusste, dass sie mein Gewicht nicht tragen würde. Ehe ich sie voll belasten konnte, machte ich einen Satz, streckte die Arme in die Höhe und griff nach dem Rand des Dachs.
Das hölzerne Material unter mir gab nach.
Die Kante entglitt meinen Fingern.
Ich schrie auf vor Schreck – ehe ein starker Griff sich um mein Handgelenk schloss. Ich hob den Blick – und entdeckte einen großen Affen, dessen langer Arm mich in der Luft hielt. Erst jetzt nahm ich das Brennen zwischen meinen Augenbrauen wahr.
»Hana«, stieß ich hervor. Noch nie im Leben war ich so erleichtert gewesen.
Mühelos zog Hana mich auf das Dach. Dort angekommen, richtete ich mich auf und schaute nach unten.
Ein halbes Dutzend Soldaten rief sich gegenseitig Befehle zu. Mir blieben höchstens Sekunden.
»Wir müssen weiter«, sagte ich an Hana gewandt. Der Ausdruck in seinen Augen war gütig. »Kannst du mir helfen?«
Als Antwort sah Hana an mir vorbei in Richtung des Amal. Ich drehte den Kopf – und blickte in eine längst vergangene Zeit.
In die Welt, wie sie früher gewesen war, bevor die Menschen sie erobert hatten. Mit Bäumen und Tieren, die sie einst beheimatet hatten, lange bevor meine Vorfahren geboren worden waren.
Über mir war der Himmel nicht mehr auszumachen. Die Sonnenstrahlen wurden vom dichten Geäst der Bäume beinahe vollständig ausgeschlossen. Und dort, mitten in den Baumkronen, saß Hanas Familie. Meine Familie.
Sie würden mir helfen. Doch ich durfte keine Zeit verlieren.
Obwohl Hana mein Leben lang an meiner Seite gewesen war, bekam ich oft Zweifel. In Situationen wie diesen lag es an ihm, ob ich lebte oder starb. Doch genau wie an allen anderen Tagen kam ich nun zu demselben Schluss: Ich musste ihm vertrauen.
Also rannte ich quer über das Dach, stieß mich an dessen Ende ab, griff am höchsten Punkt meines Sprungs in die Luft vor mir –
Und bekam eine Liane zu fassen – oder vielmehr eine Erinnerung davon, stark genug, um sie greifbar werden zu lassen. Angetrieben von meinem Gewicht schwang sie in Richtung des Amal. Als ich spürte, dass sie an Geschwindigkeit verlor, ließ ich los und rollte mich auf dem Hausdach unter mir ab.
Das Gebetshaus lag jetzt direkt vor mir. Es war von einem reinen Weiß und bestand aus drei Gebäuden. Jedes von ihnen besaß ein kuppelförmiges Dach, jedoch war das mittlere Hauptgebäude mit Abstand das größte. Flankiert wurde der heilige Boden von vier Minaretten, die ihm eine rechteckige Form verliehen.
Ich beeilte mich, vom Dach zu springen, und fand mich in einer riesigen Masse aus angsterfüllten Menschen wieder, die unnachgiebig in die schützenden Räume strömten.
Selbst wenn mein Weg mich nicht ohnehin zum Amal geführt hätte, so hätte ich jetzt keine andere Wahl gehabt, als hineinzugehen. Der Strom, in den ich geriet, riss mich erbarmungslos mit sich. Wer nicht mitzog oder sich dagegen sträubte, wurde umgerannt und würde unter unzähligen Fußtritten sein Leben lassen.
Kaum dass ich die Pforte des Hauptgebäudes passiert hatte, wurde die Situation angenehmer. Obwohl ich nach wie vor unaufhörlich von den Menschen hinter mir tiefer ins Innere geschoben wurde, war die Haupthalle doch so weitläufig, dass ich die Luft zum Atmen wiederfand.
Da ich den Glauben der Ta’ar nicht teilte, hatte ich das Amal noch nie zuvor betreten. Seine Schönheit ging mir unter die Haut. Um mich herum waren sämtliche Wände mit zarten Mustern verziert. Wohin das Auge blickte, erspähte es komplexe Mosaike aus bunten Scherben, feine Linien und sorgfältig auf Fliesen gemalte Symbole. Ich hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen und spürte einen Stich in meinem Herzen, als ich daran dachte, dass meine Stammesleute, die ihr ganzes Leben nur in der Siedlung verbrachten, niemals in den Genuss kommen würden, etwas so Wunderschönes zu erblicken. Unwillkürlich wünschte ich mir, andere Umstände hätten mich an diesen Ort geführt.
Ich schob meine losen goldenen Haarsträhnen zurück unter mein Kopftuch und hoffte, dass es mir gelang, sie zu verstecken. Dann zog ich den Stoff tiefer in mein Gesicht, sodass es meine Augenbrauen – und vor allem das, was sich dazwischen befand – verdeckte. Mein Craeon fühlte sich heiß an, und meine Glieder schwach. Auch wenn es zum großen Teil Hana zu verdanken war, dass ich es hierher geschafft hatte, war die Flucht vor den Unnen mehr als kräftezehrend für mich gewesen. Hana war bereits wieder verschwunden – es passierte nur selten, dass er sich zeigte, ohne dass ich ihn beschworen hatte. Aber ich wusste, dass er immer bei mir war.
Glücklicherweise bedeutete der heilige Boden Sicherheit. Ich würde mich hier ausruhen, so gut es mir in dieser Masse aus Menschen möglich war, und mich dann auf den Weg zurück in die Siedlung machen. Vorausgesetzt, die Unnen zogen weiter.
Die Gebetsräume des Amal besaßen weder Stühle noch Bänke, da hier auf dem Boden gebetet wurde. Aus diesem Grund bot das Gebäude Unmengen an Platz für diejenigen, die Zuflucht suchten. In der Halle hatten sich unzählige Grüppchen gebildet. Kurzerhand näherte ich mich einer Ansammlung von Frauen, die eifrig miteinander diskutierten. Sie waren schlicht gekleidet und gehörten vermutlich einer unteren sozialen Schicht an. Es wunderte mich, dass sie überhaupt hier waren – für gewöhnlich waren Frauen ihrer Klasse den ganzen Tag im eigenen Haus beschäftigt und gingen nur selten auf die Straße.
Mehr als eine von ihnen wischte sich Tränen aus dem Gesicht. Ich konnte lediglich ahnen, dass es nicht die bloße Präsenz der Unn’schen Soldaten war, die sie in Aufruhr versetzte.
»… nicht fassen, dass er tot ist!«, schluchzte eine von ihnen.
Sie waren nicht die Ersten, die über einen Toten sprachen. Aber wer war gestorben? Hatten die Unnen noch mehr Leben eingefordert als das von Semyr?
»Wie konnte das nur passieren?«, fragte eine andere ebenso aufgebracht.
»Er hat sich doch bester Gesundheit erfreut!«
Ich runzelte die Stirn. Das klang nicht wie -
»Also, ich habe gehört, dass seine alte Krankheit ihn wieder eingeholt hat«, widersprach eine andere. »Er ist einen langen, quälenden Tod gestorben.«
Eine Frau hob ihre zitternden, vernarbten Hände an ihr Gesicht. »Oh, was sollen wir nur tun?«, fragte sie verzweifelt. »Was soll nur mit uns geschehen? Sie werden den Thron an sich reißen!«
Ich erstarrte. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Bedeutet das …?
»Der König ist tot!?«, rief eine weibliche Stimme irgendwo in diesem Raum und hallte mehrfach von den Wänden des Amals wider.
Die Menschen in der Halle wurden vollkommen still. Einzig die Neuankömmlinge, die nach wie vor in den Raum drängten, gaben vereinzelt ein Stöhnen und Keuchen von sich und riefen nach ihren Angehörigen, die sie während der letzten Minuten aus den Augen verloren hatten.
Die restlichen Ta’ar blickten einander an - diejenigen, die die Neuigkeit bereits gehört hatten, und solche wie ich, die sie gerade erst erfahren hatten.
Und da konnte ich sie spüren. Die Angst, die sich Stück für Stück unter uns ausbreitete.
Der König war tot. Der Mann, der beide Länder vor zwanzig Jahren zu einem Reich vereint hatte. Der sie geführt und den Frieden gewahrt hatte, so gut es bei zwei so unterschiedlichen Völkern nur möglich war.
Er war tot. Und genau das war der Grund, weshalb die Unnen hier waren. Sie sahen eine Chance, die Macht an sich zu reißen. Sie würden nicht akzeptieren, dass der Sohn des Königs dessen Nachfolge übernahm. Einer von ihnen sollte es werden. Das hatten sie schon immer gewollt. Und sie würden alles dafür tun.
Ich schluckte. Um an ihr Ziel zu gelangen, brauchten die Unnen Streitkräfte. Tatsächlich aber stellte Unn nur einen kleinen Teil der Fläche und der Bevölkerung des Reiches. Mit ihren eigenen Mannen würde es ihnen niemals gelingen, gegen die Ta’ar-Soldaten anzukommen.
Plötzlich wurde mir klar, weshalb sie mich – uns – brauchten. Die Crae waren der entscheidende Vorteil, der nötig wäre, um den Unnen den Thron zu verschaffen. Wir, unsere Seelentiere und die Mächte, die sie uns verliehen und die die Fähigkeiten der Menschheit in den Schatten stellten.
Wenn sie mich – oder irgendeinen anderen Crae, der sich außerhalb der Siedlung aufhielt – in die Finger bekamen, dann hätten sie uns alle. Unser eigenes Heil war unser höchstes Gut, das wir um jeden Preis schützen wollten. Sobald sie auch nur einem von uns drohten, würden wir alles in unserer Macht Stehende tun, damit ihm kein Schaden zugefügt würde. Das bedeutete auch: alles, was man von uns verlangte. Und ich wollte gar nicht wissen, was sie verlangen würden. Allein die Vorstellung davon legte einen metallischen Geschmack auf meine Zunge.
Am Eingang der Halle regte sich etwas. Hitzige Stimmen mischten sich unter die der Ta’ar. Ein ungutes Gefühl stieg in mir auf.
Dann passierte es.
Ich traute meinen Augen nicht. Ehe wirs uns versahen, strömten sie in das Amal. Soldaten. Nicht die der Ta’ar. Sondern der Unnen.
Sie wagten es tatsächlich. Sie brachen den obersten Grundsatz aller Menschen, die auf diesem Kontinent lebten, und betraten das größte Heiligtum ihrer Feinde.
Sie kamen nicht, um zu beten.
Mit einem entsetzten Aufschrei stoben die Frauen und Männer auseinander, schienen den Weg zwischen den Soldaten und mir geradezu absichtlich frei machen zu wollen.
Die Unnen waren bis an die Zähne bewaffnet. Sie packten jeden Ta’ar, der sich in ihrer Griffweite befand. Den Frauen wurden sämtliche Schleier und Tücher von den Köpfen gerissen. Sie wussten genau, wonach sie suchen mussten.
Weg -
Ehe meine innere Stimme ihren Satz beenden konnte, nahm ich die Beine in die Hand. Mir gelang es, mich gleichzeitig mit drei anderen Menschen durch die enge Tür in die anliegende Kammer zu zwängen, die eigentlich dem geistigen Oberhaupt vorbehalten war. Dieses konnte ich nirgends sehen, was vor allem daran lag, dass sich schon einige Ta’ar vor mir in den Raum geschoben hatten. Unzählige Leiber wurden gegen meinen gepresst, und binnen Sekunden konnte ich keinen Fuß mehr vor den anderen setzen.
Doch die Masse war nach wie vor in Bewegung: Die Ta’ar strömten in eine Handvoll kleiner Gänge, die von der Kammer abzweigten und in andere Teile des Amal führten.
Hinter mir ertönte ein lauter Knall – das Geräusch einer Tür, die ins Schloss fiel.
Ich fuhr herum und entdeckte einen älteren Ta’ar in einem langen weißen Gewand, der gerade unzählige Riegel vor den Eingang schob. Sofort ertönten dumpfe Geräusche auf der anderen Seite. Fäuste schlugen gegen die Tür, gedämpfte Stimmen flehten um Einlass.
Mein Magen zog sich zusammen. Der Mann hatte eine Entscheidung getroffen – und alle anderen in der Halle ausgeliefert, um diejenigen, die es bis in die Kammer geschafft hatten, zu retten.
Blick nach vorne, hatte mein Großvater Taboga früher immer gesagt. Zugegeben, damals hatte ich Bogenschießen gelernt und er hatte mich lediglich davor warnen wollen, mich nicht durch Geräusche aus meiner Umgebung von meinem Ziel ablenken zu lassen. Aber im Grunde ließ sich dieser eine Satz auf viele Situationen im Leben übertragen. Diese war nur eine davon.
Mein Ziel war es, unversehrt nach Hause zu kommen. Sosehr es mich auch schmerzte, ich durfte keine Gedanken an andere verschwenden, die nicht meinem Stamm angehörten.
Ich ahnte, dass eine einfache Tür die Unn’schen Soldaten nicht lange aufhalten würde. Also stob ich blindlings durch einen der drei Durchgänge, die noch nicht blockiert worden waren. Mein Weg führte mich eine Treppe hinab und durch einen langen Gang, umringt von mindestens drei Dutzend Ta’ar, von denen mich nicht wenige im Eifer des Gefechts beinahe zu Boden stießen. Je mehr Schritte ich machte, desto unruhiger wurde ich. Mich beschlich das Gefühl, dass ich in einem Tunnel gelandet war, der zu einem anderen der drei Gebäude führte. Und mir wurde klar, dass ich in diesem genauso in Gefahr wäre wie an dem Ort, von dem ich gerade geflohen war.
Abrupt blieb ich stehen und fuhr herum. Doch ehe ich auch nur einen Fuß in Richtung der Kammer setzen konnte, wurde ich von zwei Männern gerammt, die hinter mir gelaufen waren. Ich stolperte rückwärts und versuchte, mich an ihnen vorbeizuzwängen. Aber wohin ich auch blickte, überall waren Flüchtende. Und keiner davon dachte auch nur daran, mich durchzulassen.
Unnachgiebig wurde ich vorwärtsgestoßen, in Richtung einer Treppe, die wieder nach oben führte.
Mein Verdacht bestätigte sich. Als ich meinen Fuß auf die erste Stufe stützte, kam der Strom mit einem Ruck zum Stehen.
Plötzlich wirbelten die Menschen vor mir einer nach dem anderen herum und stürzten die Treppe zurück nach unten. Abermals wurde ich gestoßen, verlor das Gleichgewicht und fiel. Mein Hinterkopf schlug so hart auf dem Boden auf, dass schwarze Pünktchen vor meinen Augen zu tanzen begannen.
Instinktiv riss ich die Arme nach oben, um mein Gesicht zu schützen. Stattdessen spürte ich die Schuhe auf meinen Händen, meiner Brust, meinem Bauch, meinen Beinen.
Ich schrie auf vor Schmerz, doch das Geräusch ging in den Rufen der Ta’ar unter.
Werde ich sterben?
Sollte es das wirklich gewesen sein? Ich dachte an meine Eltern, meinen Großvater, an Gil. Daran, dass ich niemanden von ihnen je wiedersehen würde. Tränen der Verzweiflung mischten sich zu denen des Schmerzes.
Aber zumindest, redete ich mir ein, nütze ich den Unnen tot weniger als lebendig.
Plötzlich war es vorbei. Die Tritte waren verschwunden.
Benommen richtete ich mich auf. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich der Gang nach und nach leerte. Irgendetwas am Ende der Treppe musste die Ta’ar abgeschreckt haben. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, was das gewesen sein musste.
Ich richtete meinen Blick auf die Stufen, doch obwohl sie in Licht mündeten, konnte ich nicht erkennen, wohin sie führten. Ich glaubte, Stimmen zu hören – aber vielleicht war das nur eine Einbildung, die sich zu dem dumpfen Dröhnen in meinem Hinterkopf mischte.
Mein ganzer Körper schmerzte. Ich vermied es, an mir hinabzusehen. Ein warmes Rinnsal lief mein Kinn herunter. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, weil ich ohnehin wusste, dass es Blut war.
Ich schluckte und drehte mich im Kreis, unschlüssig, was ich tun sollte. Hinter mir erwarteten mich unzählige Wege quer durch das Amal, inmitten von Hunderten Ta’ar, denen es keine Probleme bereiten würde, mich ein zweites Mal unter sich zu begraben. Im Angesicht der Gefahr, dass die Soldaten der Unnen schon das gesamte Gebäude geflutet hatten.
Und direkt vor mir lag eine Treppe, die mich unmittelbar zum Feind führen würde – aber auch geradewegs nach draußen. Raus aus dem Käfig. Denn fest stand: Je länger ich hierblieb, desto größer wurde das Risiko, dass ich es nicht mehr als freie Crae hinausschaffen würde.
Meine Brust wurde eng. Ich hoffte, dass ich meinen Entschluss nicht bereuen würde. Obwohl meine Instinkte mir sagten, dass es ein Himmelfahrtskommando wäre, das zu tun, atmete ich tief durch – und rannte die Stufen nach oben.
Das Erste, was mir klar wurde, war, dass ich mit meiner Vermutung recht gehabt hatte. Dem Anschein nach befand ich mich in der zweiten Gebetshalle, die dem Hauptgebäude in Sachen Schönehit in nichts nachstand.
Auch diese Halle war voller Menschen, doch die meisten von ihnen trugen -
Im nächsten Moment wurde ich von hinten gepackt.
Ich schrie auf vor Schreck, als mir das Tuch vom Kopf gerissen wurde.
Grob wurde ich herumgedreht – und blickte einem Mann entgegen, der ebenfalls in der Uniform eines Unn’schen Soldaten steckte. Fast schon geschäftig fixierten seine Augen meine Stirn – und weiteten sich, als er entdeckte, wonach sie alle gesucht hatten. Sein Griff um meinen Arm wurde fester. Er öffnete den Mund. »Ha-«
Kurzerhand versetzte ich ihm einen Tritt zwischen die Beine. Was auch immer er hatte sagen wollen, ging in einem schmerzerfüllten Brüllen unter. Seine Finger lösten sich von meinem Arm, als der Soldat sich mit verzerrter Miene krümmte. Schnell machte ich einen Satz zurück. Ich fuhr herum – und meine letzte Hoffnung schwand binnen eines einzigen Wimpernschlags.
Blicke im ganzen Raum hatten sich auf mich gerichtet. Ohne mein Kopftuch fühlte ich mich nackt. Mein hautfarbener Craeon war aus der Entfernung nicht mit bloßem Auge zu erkennen. Im Gegensatz zu meinen Haaren – deren Farbe eher der der Unnen glich als der der Ta’ar.
Kaum dass mein rechter Fuß auch nur zuckte, ließen sämtliche Soldaten um mich herum von dem ab, was sie gerade getan hatten, und stürmten auf mich zu – eine vermeintliche Unn, die sich wie eine Ta’ar kleidete.
Kalte Hitze schoss durch meinen Körper. Als ich zu laufen begann, wusste ich nicht, wohin. Plötzlich tauchte ein Unn vor mir auf. Meine nackten Füße schlitterten über den Boden, als ich meine Richtung änderte – doch die Männer waren überall. Während ich versuchte, ihnen allen auszuweichen, bemerkte ich viel zu spät, dass ich geradewegs auf eine Wand zulief.
Doch das war nicht das Ende.
Wenige Schritte von mir entfernt hing ein Kronleuchter von der Decke.
Ich biss die Zähne zusammen, sammelte die restlichen Reserven an Mut, die mir geblieben waren, und stieß mich vom Boden ab. Verzweifelt streckte ich die Hände aus – und schlang die Finger um zwei Arme des Kronleuchters.
Schnell zog ich meine Beine nach oben und entging gerade rechtzeitig dem Griff eines Soldaten. Es gelang mir, meine Füße in zwei der geschwungenen Arme des Leuchters abzulegen, sodass ich an allen vieren von der Lampe hing.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Einen Atemzug lang wartete ich ab, um sicherzugehen, dass der Leuchter mein Gewicht trug. Aufgebrachte Rufe ertönten unter mir und sandten Blitze der Panik durch meinen Körper. Ich beeilte mich, mich Stück für Stück, Arm für Arm, am Kronleuchter heraufzuziehen, bis ich ganz oben angekommen war und mich an der Kette festhalten konnte, an der er befestigt war.
Erst jetzt riskierte ich einen Blick nach unten.
Falls Ta’ar in dieser Halle gewesen waren, so hatten sie inzwischen alle die Flucht ergriffen. Zurück waren zwei Dutzend Soldaten geblieben, die sich unter dem Kronleuchter versammelt hatten. Hämisch grinsten sie mich an. Sie wussten genauso gut wie ich, dass ich in der Falle saß, und schienen nur darauf zu warten, dass ich einen Fehler machte.
Zwei von ihnen waren jedoch weniger geduldig. Sie brachten eine Leiter aus einem der angrenzenden Räume und stellten diese direkt unter mir auf den Boden. Drei weitere Soldaten hielten sie in der Senkrechten fest, während ein anderer die Sprossen nach oben zu steigen begann.
Ich konnte nur raten, was sie vorhatten, doch wenn einer der Soldaten sich mit seinem vollen Gewicht an den Kronleuchter hängte, würde dieser schlimmstenfalls unter der Last von der Decke reißen.