Zungenbrecher
Diese E-Book-Ausgabe von Gerhard Henschels Zungenbrecher ist ein sogenanntes „enhanced E-Book“, ein angereichertes E-Book, das über den Inhalt der klassischen Buchausgabe hinausgeht und Text und Ton miteinander verknüpft.
Die digitale Ausgabe enthält, von Gerhard Henschel zusammengetragen, die besten und raffiniertesten Zungenbrecher aus Deutschland, England und Frankreich. Alle enthaltenen Zungenbrecher hat der Autor exklusiv für dieses E-Book eingesprochen. Durch Antippen des Wiedergabebuttons unterhalb des jeweiligen Zungenbrechers startet die Audiowiedergabe.
Bei diesem E-Book handelt es sich um eine gekürzte Ausgabe. Mehr Zungenbrecher aus dem gesamten Abendland, dem Morgenland und sogar aus Weltregionen, die den Radarschirm vieler Liebhaber bislang unterflogen haben, enthält die gedruckte Ausgabe.
Autor und Verlag wünschen viel Vergnügen!
Was um Gottes willen ist denn bloß an Zungenbrechern so schön, daß wir sie mit der Muttermilch einsaugen, auf dem Schulhof weitersagen und sie später auch im Biergarten immer wieder gern hervorkramen? Was ist so erfreulich daran, daß die deutsche Sprache in Ulm und um Ulm herum noch ganz andere und viel verwegenere Zungenbrecher bereithält als den sattsam bekannten Fischersfritzen, einen Cottbusser Postkutschkasten, Blaukraut, Brautkleider, fleißige Scheitspleißer, Rauchlachs mit Lauchreis, Grillen grillende Grillen, lilane Flanelläppchen, schwimmende Schminkschwämmchen, zwischen zwei Zwetschgenzweigen zwitschernde Schwalben, in einem Fichtendickicht flink pickende Finken, einen vom Whiskymixer gemixten Whisky, einen Plakate klebenden Kaplan, Streichholzschächtelchen aus tschechischen Zechen, einen konstantinopolitanischen Dudelsackpfeifenmachergesellen, einen Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitän und eine die Treppe krummtretende Katze? Und weshalb kennt das Vergnügen keine Grenzen, wenn wir im reiferen Alter dahinterkommen, daß es in jedem Dialekt und auch in jeder Fremdsprache die abenteuerlichsten Zungenbrecher gibt, an deren einwandfreier Wiedergabe wir uns glücklos erproben?
Der Wachsmaskenmacher macht Wachsmasken aus Wachsmaskenwachs.
Schon dieser schlichte hochdeutsche Zungenbrecher stellt uns vor Probleme, die ins Unermeßliche wachsen, wenn wir uns in der Fremde umtun. Beim Urlaub in der Schweiz wird ein gebürtiger Hamburger nicht auf Anhieb begreifen, worum es geht, wenn am Nebentisch davon die Rede ist, daß der Papst das Besteck für den Speck zu spät bestellt habe:
D’r Papscht hätt’s Spackchbesteckch z’ spät b’stellt.
Und dieser Reisende würde auch etwas weiter nördlich stutzen, wenn er die Variante vernähme, daß der Papst »’s Schbeckschbätzlesbschdeck z’schbäd bschdelld« habe. Im Gegenzug steht jeder Schwabe vor einem Rätsel, wenn er auf der Nordseeinsel Spiekeroog mit der Aussage konfrontiert wird:
Wenn hei nei so’n hart Hart harr hätt, hätt hei hör hätt.
Das heißt: »Wenn er nicht so ein hartes Herz gehabt hätte, hätte er sie gehabt.« Und es erinnert vage an einen wiederum jedem Niedersachsen unverständlichen Stoßseufzer eines Niederbayern über die Krise der Viehwirtschaft:
Hiaamermehihat!
Was auf hochdeutsch heißt: »Früher haben wir mehr Kühe gehabt.« Gleichfalls aus Bayern stammt die Aussage eines Lebewesens, das von sich behauptet, es habe ohnehin jedes Jahr ein Ei gelegt:
I ho eh oe joa a oa oi.
Hier handelt es sich nun allerdings nicht mehr um Zungenbrecher, sondern ganz schlicht um nachlässig gelallte Aussagen im Dialekt. »Wenn ich kommen kann, komme ich, aber ich werde wohl kaum kommen können« – das versteht jeder. Weitaus schwerer verständlich wirkt die gleiche Auskunft in einer der Mundarten, mit denen der liebe Gott die Menschheit anläßlich des Turmbaus zu Babel geschlagen hat:
Wonn i kemma ko, kimm i, i wia owa koam kemma kinna.
Oder nehmen wir die simple Mitteilung, daß jemand daheim auch über ein Marmeladeneimerchen verfüge. Auf fränkisch soll sie sich folgendermaßen anhören:
A Mamaladaamala hamma aa daham.
Wenn man das Volk um Zungenbrecher bittet, wird man etwas öfter als nötig mit den Versen über den Leutnant von Leuthen beliefert, der seinen Leuten befohlen habe, mit dem Läuten erst dann zu beginnen, wenn er den Leuthener Leuten das Läuten befehle. Darin gleicht dieser Leutnant dem in Großbritannien wohlbekannten Mädchen Betty Botter, das zum Butterkauf ausgeschickt wird und an der verdorbenen Butter verzweifelt, die es in den Teig hineinrühren soll:
Betty Botter bought some butter.
But she said the butter’s bitter,
If I put it in my batter
It’ll make my batter bitter.
So she bought some better butter
Better than the bitter butter,
And she put it in her batter
And it made her butter better.
Einer gutgeschulten Zunge bereiten solche Sprachspielereien keine nennenswerten Schwierigkeiten. Der Spaß, den man daran haben kann, verdankt sich dem reizvollen Kontrast zwischen einer recht klaren Mitteilung und dem scheinbar sinnlosen Gebrabbel, in dem sie vorgetragen wird. Der gleiche Effekt ergibt sich aus dem englischen Gedicht über einen Flötenlehrer, der von seinen zwei Schülern gefragt wird, ob er das Flötenspielen anstrengender finde als das Erteilen des Flötenunterrichts:
A tutor who tooted the flute
Tried to tutor two tutors to toot.
Said the two to their tutor:
»Is it harder to toot or
To tutor two tooters to toot?»
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Schüttelreimen, die Sigmund Freud als »die harmlosesten aller Witze« bezeichnet hat. Die meisten lassen sich ohne größere Komplikationen mündlich wiedergeben.
Es klapperten die Klapperschlangen,
bis ihre Klappern schlapper klangen.
Die enorme Beliebtheit dieses Schüttelreims verdankt sich vermutlich nicht zuletzt der Tatsache, daß er nebenbei sogar einen Sinn ergibt. Das kann man von den Exemplaren, die der Dichter F. W. Bernstein verfaßt hat, nicht behaupten, aber auch sie zielen darauf ab, uns einzig und allein Vergnügen zu bereiten:
Abends geht der Taschenrechner