Markus Gabriel
Der Sinn des Denkens
Ullstein
Das Buch
Provokant und geistreich belegt Spiegel-Bestseller-Autor Markus Gabriel, dass das Denken ein biologischer Sinn ist, der nicht künstlich nachgebaut werden kann. Gabriel ist einer der wichtigsten deutschsprachigen Philosophen der Gegenwart, sein unverwechselbarer Stil führt klassische und moderne Theoretiker mit der Popkultur zusammen.
Das Denken ist vielleicht der wahre Hauptbegriff der Philosophie. Insbesondere Platon und Aristoteles haben diese als das Nachdenken über das Nachdenken definiert. Unser menschliches Denken ist unüberwindbar an biologische Bedingungen gebunden. Wir betasten denkend eine Wirklichkeit, die letztlich nur dem Denken zugänglich ist. Dennoch sind wir in bestimmter Hinsicht selbst eine Form der Künstlichen Intelligenz. Unser geistiges Vermögen entsteht historisch und kulturell aus dem Bild, das wir uns von uns selbst und von unserer Umgebung machen. Aber was, wenn das ganze Universum nur eine Simulation wäre? Markus Gabriel bezieht in einer hoch aktuellen Diskussion kühn Position und legt ein kluges, streitbares Buch zu einem der wichtigsten Themen unserer Zeit vor.
Der Autor
Markus Gabriel, geboren 1980, studierte in Bonn, Heidelberg, Lissabon und New York. Seit 2009 hat er den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie. Er ist Direktor des interdisziplinären Center for Science and Thought und regelmäßiger Gastprofessor an der Sorbonne (Paris 1).
Markus Gabriel
Der Sinn des Denkens
Ullstein
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ISBN 978-3-8437-1813-4
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018
Lektorat: Carla Swiderski
Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg
E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Technik, der kleine titanische Irrtum, ist
Nichts, was den Menschen vor sich bewahrt.
Durs Grünbein
Über das Buch und den Autor
Titelseite
Impressum
Motto
Vorwort
Anmerkungen zum Kapitel
Einleitung
Anmerkungen zum Kapitel
Erstes Kapitel: Die Wahrheit über das Denken
Komplexität ohne Ende • Denken? Was ist das eigentlich? • Nicht nur Menschen können denken • Die Reichweite des Universums • Die Sinne des Aristoteles • Common Sense mal sinnlich • Der Sinn von »Sinn« oder viele Arten, sich zu täuschen • Wer blickt aus dem kosmischen Exil? • Nicht alle Gegenstände sind Dinge • Gibt es rote Deckel (wirklich)? • Denken ist kein Nervenkitzel • Nichts als die Wahrheit • Die Welt als Wunschkonzert • Freges Gedanken • Sinn und Information und die Unsinnigkeit von Fake News • Unser sechster Sinn • Anmerkungen zum Kapitel
Zweites Kapitel: Denktechnik
Karte und Gebiet • Können Computer Chinesisch? • Fotos erinnern sich nicht an Kreta • Eine Ameise kriecht im Sand umher, und warum das nichts mit Winston Churchill zu tun hat • Der Gott des Internets • Unser Unbehagen in der Kultur • Emotionale Intelligenz und die versteckten Werte im digitalen Zeichendschungel • Eine Religion namens »Funktionalismus« • Das Denken ist kein Zigarettenautomat … • … und die Seele ist kein Haufen von Bierdosen • Schritt für Schritt zum Hirnschrittmacher? • Die Idee der Technik oder: Wie baue ich ein Haus? • Totale Mobilmachung • Die Gesellschaft ist kein Videospiel • Die Achillesferse des Funktionalismus • Anmerkungen zum Kapitel
Drittes Kapitel: Die Digitalisierung der Gesellschaft
Ist doch logisch, oder etwa nicht? • Pingpongspiel mit der Menge • Alle stürzen irgendwann einmal ab • Können Computer überhaupt etwas? • Heideggers Raunen • Zu viele Wunder machen Angst • In Zeiten »vollständiger Bestellbarkeit« • Im Circle gefangen? • Stippvisite in Winden – Gesellschaft als soziales Atomkraftwerk • Einmal Bewusstsein to go, bitte • Wer hat hier ein Problem? • Anmerkungen zum Kapitel
Viertes Kapitel: Warum nur Lebewesen denken
Das Nooskop • Die Seele und der Karteikasten • »Und nun komm, du alter Besen!« • Beleuchtete Gehirne • Bewusstsein first – Tononi (über-)trifft Husserl • Drinnen, draußen oder nirgendwo? • Ein feuchtes und verflochtenes Stück Wirklichkeit • Anmerkungen zum Kapitel
Fünftes Kapitel: Wirklichkeit und Simulation
Kopfkino trifft auf Smartphone • Die unvermeidliche Matrix • In memoriam: Jean Baudrillard • Horror und Hunger (Games) • Schöne neue Welt – willkommen bei den Sims • Sind Sie wach oder in Träumen und Selbstgesprächen gefangen? • Kennen Sie Holland? • Materie und Unwissen • Was ist Wirklichkeit? • Das Zwitterwesen Wirklichkeit • Fisch, Fisch, Fisch • Die schillernde Bandbreite der Wirklichkeit • Cäsars Haare, Indiens Kanaldeckel und Deutschland • Freges elegante Theorie der Tatsachen • Über die Grenzen unseres Wissens • Die Wirklichkeit des Denkens ist keine Schädelbasislektion • Der Unterschied zwischen Champignons, Champagner und dem Denken des Denkens • Der Mensch ist eine künstliche Intelligenz • Das Ende des Menschen – Tragödie oder Komödie? • Anmerkungen zum Kapitel
Das Ende des Buchs – eine pathetische Schlussbemerkung
Danksagung
Anmerkungen zum Kapitel
Literatur
Glossar
Feedback an den Verlag
Empfehlungen
Das vorliegende Buch ist der Schlussteil einer Trilogie, zu der Warum es die Welt nicht gibt und Ich ist nicht Gehirn gehören. Es ist so geschrieben, dass es ohne Kenntnis der beiden Vorgänger verstanden werden kann. Wie diese gehört es zu einem Genre, das sich an alle richtet, die sich gerne philosophische Gedanken machen. Und genau um diesen Prozess des Denkens soll es hier gehen. Auf den folgenden Seiten werde ich auf eine allgemein verständliche und zugängliche Weise eine Theorie des (menschlichen) Denkens entwickeln.
Das Denken ist vielleicht der zentrale Begriff der Philosophie. Seit Platon und Aristoteles versteht sich die Philosophie als eine Wissenschaft, die über das Nachdenken nachdenkt. Dieses Nachdenken über das Nachdenken ist der Ursprung der Logik. Die Logik wiederum ist eine der Grundlagen unserer digitalen Zivilisation, da es ohne Fortschritte in der philosophischen Logik des 19. Jahrhunderts niemals zur Entwicklung der Informatik gekommen wäre. Besonders einflussreich waren hierbei die beiden Mathematiker, Logiker und Philosophen George Boole (1815–1864) und Gottlob Frege (1848–1925). Denn sie haben eine Theorie des Denkens vorgelegt und davon ausgehend die ersten formalen logischen Systeme entwickelt, die der heutigen Informatik zugrunde liegen. Damit haben sie die Computerrevolution und Digitalisierung unserer Tage maßgeblich vorbereitet.
Sie erwartet ein philosophisches Buch, das ohne schwerverständlichen Fachjargon auskommen wird. Um es zu verstehen, müssen Sie sich nicht in die technischen Aspekte der Logik hineinknien. Denn unser menschliches Denken ist, wie hier gezeigt werden soll, ein Sinnesorgan. Denken ist etwas Sinnliches (im besten Fall also Vergnügliches) und keine Gewaltübung, in der man sich kreative Gedankengänge verbietet. Im Gegenteil. Das philosophische Denken ist ein kreativer Vorgang, weshalb Philosophen wie die Romantiker oder Friedrich Nietzsche sogar so weit gegangen sind, es in die Nähe der Dichtung zu rücken.
Philosophie ist letztlich weder genau wie Mathematik noch genau wie Lyrik (oder irgendeine andere Kunstgattung). Sie grenzt an beide Bereiche und bildet eine Schnittstelle. So ist Philosophie die allgemeinste Art und Weise, über unser Nachdenken nachzudenken. Sie ist noch allgemeiner als die Mathematik, die eine Sprach- und Denkform bildet, die den Natur- und Technowissenschaften als Grundlage dient. Gleichzeitig ist die Philosophie näher dran an den konkreten Phänomenen unseres Alltags. Sie will unser Erleben und unsere Wahrnehmung ergründen. Sie will also nicht nur Modelle entwerfen, mittels derer man das anonyme Geschehen der Natur oder das Verhalten von Lebewesen wie uns Menschen vorhersagen und steuern kann. Sondern sie strebt eine Erkenntnis der Wirklichkeit und unseres Wirklichkeitserlebens an. Philosophie zielt auf Weisheit, das heißt letztlich ein genaueres Wissen darüber, was wir in Wirklichkeit alles nicht wissen. Sie wurde daher unter anderem von Sokrates als ein Wissen unseres Nichtwissens verstanden, ohne das keine Weisheit erreicht werden kann.
Das Denken ist die Schnittstelle zwischen der natürlichen und der psychologischen Wirklichkeit. Insofern ist es geeignet, die Themen der vorausgegangenen Bücher – die Welt (die es freilich in Wirklichkeit gar nicht gibt) und das Ich (das nicht mit dem Gehirn identisch ist) – zu verbinden. Denken heißt unter anderem, Verbindungen herzustellen und Verbindungen zu erkennen. Wir verknüpfen im Denken weit entfernte Wirklichkeiten und stellen dadurch neue Wirklichkeiten her.
Das Denken ist bei alledem kein wirklichkeitsferner Vorgang im Elfenbeinturm. Die Philosophie sollte deswegen auch nicht auf das akademische Glasperlenspiel reduziert werden, in dem Berufsphilosophinnen und Berufsphilosophen in detaillierten Einzelanalysen Stellung zu komplexen Argumenten und Gedankenketten beziehen.
Kein Geringerer als Immanuel Kant unterscheidet in seinen Logik-Vorlesungen, die er an der Universität Königsberg gehalten hat, zwischen einem »Schulbegriff« und einem »Weltbegrif[f]« der Philosophie.1 Der Schulbegriff ist die systematische Theoriekonstruktion, deren Handwerk an philosophischen Instituten und Seminaren eingeübt und tradiert wird. Es geht hierbei um die Architektur der grundlegenden Begriffe, ohne die wir unsere eigene Rationalität nicht erfassen könnten. Kant nennt diesen Vorgang ebenso wie sein berühmtes Buch die Kritik der reinen Vernunft.
Beim Weltbegriff handelt es sich demgegenüber um eine Beschäftigung mit den »letzten Zwecken der menschlichen Vernunft«2, wozu nicht zuletzt die Frage gehört, was oder wer der Mensch ist und worin genau eigentlich unser Denkvermögen besteht. Sind wir lediglich ein Teil der Natur? Vielleicht ein besonders kluges, womöglich eher durch seine Intelligenz geblendetes Tier? Oder ist der Mensch gar Zeuge einer nicht sinnlichen Wirklichkeit?
Dieser hohe Begriff gibt der Philosophie Würde, d. i. einen absoluten Wert. Und wirklich ist sie es auch, die allein nur innern Wert hat, und allen anderen Erkenntnissen erst einen Wert gibt.3
Alle bisher da gewesenen großen Philosophinnen und Philosophen – genannt seien nur mehr oder weniger beliebig: Platon, Aristoteles, Immanuel Kant, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Friedrich Nietzsche, Jean-Paul Sartre, Michel Foucault, Edith Stein, Hannah Arendt, Jürgen Habermas und Martha Nussbaum – haben sich durch ihre Beiträge zum Weltbegriff der Philosophie ins kulturelle Gedächtnis eingeschrieben. Von Platon gibt es nicht einmal eine einzige akademische Abhandlung. Doch in den von ihm überlieferten Dialogen sind in einfacher Sprache und Gesprächsform einige der tiefsten philosophischen Gedanken artikuliert, die jemals formuliert wurden.
Leider ist es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zu einem teilweisen Verfall der öffentlichen philosophischen Debattenkultur gekommen. Dafür ist, so meine These, hauptsächlich der Naturalismus verantwortlich. Dieser meint, dass alles echte Wissen und aller Fortschritt auf eine Kombination aus Naturwissenschaft und technologischer Beherrschung der Überlebensbedingungen des Menschen reduziert werden kann. Doch das ist ein fundamentaler Irrtum, ja eine gefährliche Verblendung, die uns heute in der Form ideologischer Krisen heimsucht: in der Wiederkehr der freilich niemals wirklich verschwundenen Religion als Erklärungsmuster der Wirklichkeit in großem Stil; in den demagogischen Verführungen der sogenannten »Populisten«, die einstige nationale Identitäten beschwören, die es in Wirklichkeit niemals gab; und in der Krise der Öffentlichkeit, die durch das neue Leitmedium des Internets entstanden ist. All diese Krisen lassen sich gedanklich nicht ohne neue philosophische Denkanstrengungen bewältigen. Denn der Fortschritt in Natur- und Technowissenschaften trägt ohne ethische Reflexion nicht automatisch zur Verbesserung des menschlichen Lebens bei. Vielmehr zerstören wir gerade unseren Planeten durch ungezügelten Fortschritt, was Anlass zum Nachdenken und zur Kurskorrektur sein sollte.
Wie zu allen Zeiten, in denen es uns gab, steht heute der Mensch und – aufgrund seiner technologischen Machtentfaltung – mit ihm der Fortbestand des gesamten Lebens auf unserem Planeten auf dem Spiel. Die Philosophie kann sich dieser Herausforderung nur stellen, indem sie selber neue Werkzeuge und Denkmodelle entwickelt, mittels derer wir die Wirklichkeit besser erkennen können. Sie ist heute Widerstand gegen die Lüge vom postfaktischen Zeitalter. Denn Philosophie wendet sich gegen die unsinnige Behauptung alternativer Tatsachen, gegen Verschwörungstheorien und unbegründete apokalyptische Szenarien, damit all dies nicht endgültig überhandnimmt und es nicht wirklich in naher Zukunft nicht zum Ende der Menschheit kommt.
Deshalb ergreife ich im Folgenden einmal mehr Partei für einen zeitgemäßen, aufgeklärten Humanismus, der die intellektuellen und ethischen Fähigkeiten der Menschheit gegen unsere post- und transhumanistischen Verächter verteidigt.
Der Neue Realismus, dessen theoretische Grundzüge in der mit diesem Buch abgeschlossenen Trilogie einer über die Universität hinausgehenden Öffentlichkeit vorgestellt wurden, ist mein Vorschlag zur Überwindung der fundamentalen Denkfehler, denen wir zu unserem gesellschaftlichen und menschlichen Schaden weiterhin verhaftet sind. Dazu gehört insbesondere die heute grassierende »Angst vor der Wahrheit«, wie Hegel es ausdrückt, beziehungsweise die »Angst vor dem Wissen«, wie der US-amerikanische Philosoph Paul Boghossian (*1957) es bezeichnet, der bereits viele der Denkfehler kritisiert hat, die der Postmoderne zugrunde liegen, unter anderem, dass es gar keine Wahrheit, objektiven Tatsachen oder Wirklichkeit gebe.4
Die Kenntnis der beiden vorhergehenden Veröffentlichungen setze ich nicht voraus. Jedes der drei Bücher steht weitgehend für sich selbst. Deswegen wiederhole ich hier und dort einige der Überlegungen, die in den anderen beiden Werken schon vorgestellt wurden, damit jede Leserin, jeder Leser imstande ist, sich auf der Basis der ausgewählten Lektüre ein eigenes Bild von der diskutierten Sachlage zu machen.
Philosophische Bücher haben die Funktion, die Leserschaft zum eigenen Nachdenken anzuregen. Was man von der Philosophie lernen kann, ist, die eigenen Vorurteile über wesentliche Fragen des Menschseins, wie Was oder wer ist eigentlich der Mensch?, Was unterscheidet uns von anderen Tieren? oder Können Computer denken?, zu reflektieren und übersichtlicher zu ordnen.
Am Ende ist es nicht das Wichtigste, ob ich Sie von meinen Positionen überzeugen konnte. Was zählt, ist nichts als die Wahrheit. Da diese in der Selbsterkundung des menschlichen Denkens nicht allzu einfach festgestellt werden kann, wird es immer philosophische Meinungsverschiedenheiten geben. Deswegen wäre es ein fundamentaler Irrtum, zu meinen, wir könnten irgendwelche Fragen ein für alle Mal beantworten. Vielmehr geht es darum, das Denken in Bewegung zu setzen, um auf diese Weise neue Formen und Felder des Denkens zu erschließen. Wie Sie sehen werden, halte ich es für ein entscheidendes Kriterium des Wirklichen, dass wir uns auch täuschen können. Da das Denken etwas Wirkliches ist, sind wir in der Frage, wie genau es beschaffen ist, also nicht vor Irrtümern gefeit. Dennoch halte ich natürlich meine Theorie für richtig, sonst würde ich sie hier nicht vorstellen.
Der Titel des Buchs ist absichtlich doppeldeutig. Die Hauptthese lautet, dass es sich bei unserem Denken um einen Sinn handelt, genauso wie beim Sehen, Hören, Fühlen, Tasten oder Schmecken. Wir betasten denkend eine Wirklichkeit, die letztlich nur dem Denken zugänglich ist, ebenso wie Farben für gewöhnlich nur dem Sehen und Töne nur dem Hören zugänglich sind. Gleichzeitig plädiere ich aber auch dafür, dem Denken einen neuen Sinn, eine Richtung zur Orientierung in unserer Zeit zu geben, da es – wie eh und je – von vielfältigen ideologischen Strömungen und zugehöriger Propaganda in Unruhe versetzt wird. Denken Sie nur an all die Gedanken, die Sie sich in der letzten Zeit über Donald Trump gemacht haben! Hat es überhaupt Sinn, sich all diese Gedanken zu machen? Ist es nicht gerade eine der Fallen von Trumps ausgebuffter Medienstrategie, dass wir viel zu häufig über all die Skandale reden, die sich um seine Figur herum anhäufen?
Aufgrund der Informationsflut, der wir in der Infosphäre – unserer digitalen Umgebung – unablässig ausgesetzt sind, stellen sich für das philosophische Denken neue Herausforderungen. Das folgende Buch ist ein Versuch, sich darauf zu besinnen, was Denken eigentlich ist, um so womöglich ein wenig Kontrolle über ein Gebiet wiederzuerlangen, das heute von den fragwürdigen Magiern des Silicon Valley und ihren technophilen Adepten in der Behauptung, echte künstliche Intelligenzen zu schaffen, beansprucht wird. Wir müssen unsere technischen Gadgets entzaubern und den Glauben an ihre Allmacht ablegen, wenn wir nicht zum Opfer der Digitalisierung, zu hoffnungslosen Info-Junkies oder Technozombies werden wollen.
1. Kant 1977b, S. 446.
2. Ebd.
3. Ebd.
4. Hegel 1986, S. 74 und Boghossian 2013.