Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar

© Dietrich Grund 2016

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7431-8524-1

Der Autor:

Dietrich Grund

Heimatforscher, Taufkirchen

Widmung

Taufkirchen schuldet diesen Persönlichkeiten besonderen Dank:

Pfarrer Johann Wenk (1871-1953), dem Heimatforscher1

Pfarrer Karl Hobmair (1911-2003), dem Autor des Hachinger Heimatbuches

Heimatpfleger Ernst Kistler (1928-2015), dem Sammler und Bewahrer

Historikerin Dr. Gertrud Diepolder (1925-2016), der Mittelalterforscherin


1Johann Wenk sammelte als Erster Dokumente zur Geschichte Taufkirchens in den einschlägigen Archiven

Grußwort von Bürgermeister Ulrich Sander

Die Wurzeln Taufkirchens finden sich schon in vorgeschichtlicher Zeit. Über die Jahrhunderte hinweg gibt es viele Zeugnisse der Siedlungstätigkeit und aus den letzten Jahrzehnten können noch zahlreiche Zeitzeugen persönlich berichten. Es liegt in der Natur der Sache, dass man, je näher man zur Gegenwart rückt, immer mehr Ereignisse berichten kann. Alles zu erfassen würde mehrere historische Bände füllen.

Mit seiner „kleinen Chronik“ blickt Heimatforscher Dietrich Grund in Kurzfassung auf die Epochen und bietet einen Überblick bis zum aktuellen Heute. Er ergänzt damit nach der Darstellung über den Hachinger Bach und über die Adelsfamilie der Taufkircher die Erkenntnisse und Betrachtungen zur Entwicklung seiner Heimatgemeinde.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und vielleicht weitere Nachforschungen, zu denen Sie durch die Lektüre angeregt werden.

Taufkirchen, im November 2016

Ulrich Sander

Erster Bürgermeister von Taufkirchen

Grußwort von Prof. Dr. Hermann Rumschöttel

Das Umland von München, die Siedlungen, Verkehrsachsen und Freiflächen erscheinen dem oberflächlichen Betrachter, der sie vom Flugzeug aus überblickt oder als eiliger Einpendler mit dem Fahrzeug durchquert wie der ausfransende Rand einer Millionenstadt – anonyme Schlafgemeinden, gehobene Wohnghettos, zurückweichendes Bauernland. Nähert man sich jedoch aufmerksam diesem Land um die große Stadt, lässt man sich ein auf die Sieglungsstruktur, die Straßen und Plätze, das Leben der Menschen etwa in den 27 Gemeinden und zwei Städten des Landkreises München mit ihren Dutzenden von Ortsteilen, dann lernt man vielfältige „kommunale Individuen“ kennen, Gemeinwesen, die man geradezu als ausgeprägt selbständige Persönlichkeiten bezeichnen könnte.

Diese Individualität hängt zusammen mit der Gestaltung der baulichen Umwelt, dann mit dem gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Leben und schließlich mit der geschichtlichen Entwicklung, die zu dem geführt hat, was heute existiert. Will man die Gegenwart verstehen, muss man somit ein bisschen etwas von dieser prägenden Vergangenheit wissen. Eine gewisse historische Tiefenschärfe macht orientierungssicherer und ist ein wichtiger Teil des Fundaments, auf dem sich Heimat oder Beheimatung aufbauen lassen.

Entscheidende Voraussetzung für solide geschichtliche Information ist die sorgfältige wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit, entscheidende Voraussetzung für eine breite Wirkung der dabei gewonnen Erkenntnisse ist eine lesbare, verständliche, knappe und zugleich präzise Wissensvermittlung.

Die vorliegende Chronik der Gemeinde Taufkirchen aus der Feder eines erfahrenen Autors ist ein gelungenes Beispiel für Geschichtsvermittlung, der es darauf ankommt, bei den Menschen anzukommen. Das Büchlein, das man nicht nur Bürgerinnen und Bürgern Taufkirchens zur Lektüre empfehlen kann, ist zugleich eine Anregung für andere Gemeinden, ihren natürlich wichtigen, aber oft auch im Wortsinne ziemlich „gewichtigen“ Chroniken und Heimatbüchern kürzere Zusammenfassungen, sozusagen für den Hausgebrauch, zur Seite zu stellen.

Neubiberg, im November 2016

Prof. Dr. Hermann Rumschöttel

Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns a.D.

Inhalt

  • Einleitung
  • Erdgeschichte
  • Altertum
  • Römerzeit
  • Frühmittelalter
  • Mittelalter
  • Hofmark Taufkirchen
  • 19. Jahrhundert
  • 20. Jahrhundert
  • 21. Jahrhundert
  • Literatur
  • Bildnachweis
  • Anhang
    • Anhang 1: Die „Herrscher“ von Taufkirchen
    • Anhang 2: Bevölkerungsentwicklung

Einleitung

Taufkirchen und das Hachinger Tal haben eine lange Geschichte. Erstmals wurde sie von Pfarrer Karl Hobmair erzählt in seinem 1979 erschienenen Hachinger Heimatbuch, zu dem sein Kollege Johann Wenk aus Hohenbrunn bereits in den 40er Jahren Vorarbeiten geleistet hatte.

Auf diesem Fundament aufbauend, finden sich kurze Abrisse der Historie von Taufkirchen in zahlreichen Broschüren z. B. zur Einweihung des neuen Rathauses 1974, zur 850-Jahr-Feier der Gemeinde 1998 und zur 125-Jahr-Feier der Freiwilligen Feuerwehr 2001.

Zwei Arbeiten der Oberhachinger Historikerin Dr. Gertrud Diepolder beleuchten erstmals eingehend das Geschehen im Mittelalter, als die Dörfer im Tal entstanden und ihre Namen erhielten und als die adeligen Taufkircher aus dem Nebel der Geschichte auftauchten.

Auf diesen Grundlagen erscheint es sinnvoll und notwendig eine zusammenfassende Darstellung des Gewesenen vorzulegen.

Erdgeschichte

An der Wende vom Erdaltertum zum Erdmittelalter, vor 225 Mio. Jahren, zerbrach der Urkontinent Pangea. Die afrikanische und die europäische Kontinentalplatte drifteten auseinander, dazwischen entstand das Tethysmeer. In diesem lagerten sich verschiedenartige Sedimente ab, die teilweise versteinerten. Die Sedimente bestehen aus Kalkschalen toter Wassertiere und aus Gesteinspartikeln, die durch Wind- oder Wasserverfrachtung ins Meer gelangten.

Im Gemeindebereich Taufkirchens sind hier drei Schichten nachweisbar: unmittelbar auf der Kontinentalplatte, auf dem sogenannten Grundgebirge, der klüftige Malm, darüber die Kreide- und die Tonmergelschicht. Im Malm (er besteht aus Kalk und Kalkmergel) kann in etwa 4.000 Metern Tiefe das Heißwasser gewonnen werden: Stichwort „Geothermie“.

Vor 100 Mio. Jahren kehrten sich die Bewegungen der Nachbarkontinente um, die Platten wurden gestaucht und der Rand der europäischen unter die Afrikaplatte gedrückt. Dabei wurden die Alpen aufgefaltet und nördlich davon entstand eine Senke: das Molassebecken, dass sich in Laufe der Jahrmillionen mit Sedimenten füllte. Damals im „Tertiär“ entstanden 4 Schichten, die man bezeichnet mit Untere Meeresmolasse, Untere Süßwassermolasse, Obere Meeresmolasse und Obere Süßwassermolasse.

Abb.: Das Tethysmeer und die Auffaltung der Alpen

Süßwassermolasse bedeutet, dass über Jahrhunderte, Flugsand, Sand und Verwitterungsgestein (Schotter) aus den Alpen von Gewässern nach Norden verfrachtet wurden. Der Begriff Meeresmolasse zeigt an, dass zweimal das Alpenvorland von einem Meeresarm überdeckt war, in dem sandreiche Sedimente entstanden. Der Meeresarm reichte westlich bis zum Rhonegebiet und war dort mit dem späteren Mittelmeer verbunden.

Der Beginn des Tertiärs vor 2,5 Mio. Jahren ist gekennzeichnet durch ein weltweites Absinken der Temperatur. In unserem Gebiet zählt man ab da sechs Eiszeiten mit fünf dazwischen liegenden Warmzeiten. In den Kaltzeiten bedeckten Eismassen die Alpen, aus denen nur die höchsten Berge herausragten.

Das Eis bildete Gletscher, die große Schuttmassen nach Norden verschoben. Am weitesten stießen sie in der Risskaltzeit ins Alpenvorland vor. Als diese Zeit vor 120.000 Jahren endete, blieben die Moränenhügel zurück, deren Ausläufer zum Beispiel im Grünwalder Forst nachweisbar sind. Die Gletscher der letzten, der Würmeiszeit (sie endete vor etwa 10.000 Jahren), erreichten eine geringere Ausdehnung, sodass ihre Moränen weiter südlich eine Kette bilden.

Die Moränen stauten zeitweise das Wasser der schmelzenden Gletscher in Stauseen bis diese überliefen. Es bildeten sich Durchlässe und später Flusstäler und das Wasser verfrachtete Sand und Kies ins Vorland bis zur Donau.

Es heißt, dass das Hachinger Tal zunächst einen breiten Fluss als Abfluss des Wassers aus dem Weilheimer Gletschersee beherbergte, bevor die Isar sich ihr Bett gegraben hatte. Seit dem Ende der Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren hat sich dann das Oberflächenrelief unserer Landschaft kaum noch verändert.

Altertum

Während auf der Schwäbischen Alp vor 30.000 Jahren Menschen schon einfache Musikinstrumente fertigten, streiften Jäger erstmals 3.500 Jahre vor Christi Geburt durch unser Gebiet: ein Kupferbeil, in Unterhaching gefunden, gibt Kunde davon. Dann dauerte es nochmals über 1.000 Jahre bis die ersten Familien hier sesshaft wurden.

Damals, um etwa 2.400 v. Chr. in der Glockenbecherzeit (2900 – 2200 v. Chr.), wurden im späteren Taufkirchen, dort, wo sich jetzt der Fußballplatz befindet, ein Jäger und Mitglieder seiner Familie in 10 Gräbern bestattet.

Nördlich dieses Friedhofs zeichneten sich bei der archäologischen Grabung Reste von Pfostenlöchern ab, die Hausgrundrisse einer Siedlung aus der Bronzezeit (2300 – 1300 v. Chr.) markierten. In Bergham brachte eine Grabung die erstaunliche Menge von 200 Kilogramm Getreide (Hirse, Emmer, dazu Erbsen und Bohnen) aus jener Zeit zu Tage.

Beim Bau der Autobahn wurde 1934 bei Unterhaching ein Feld mit 124 Gräbern entdeckt. Die Toten waren nach der damaligen Sitte verbrannt und die Asche in Urnen beigesetzt worden. Daher bezeichnet man diese Epoche als Urnenfelderzeit (1300 - 800 v. Chr.).

Abb.: Bestattungsgefäß der Urnenfelderzeit aus dem Aschheim-Museum

Eine Siedlung aus der Hallstattzeit (800 – 500 v. Chr.) hat man bei der Vorbereitung der Siedlung Vivamus in Unterbiberg im Jahr 1995 nachgewiesen.

Im südlichem Landkreis München entwickelten sich zahlreiche Keltensiedlungen (500 v. Chr. bis Chr. Geb.). Die Kelten hatten eine weit entwickelte Landwirtschaft, sie betrieben Schweine- und Rinderzucht und bauten Getreide und Hülsenfrüchte an. Aus Eisen fertigten sie hervorragende Werkzeuge, Haushaltsgeräte und Waffen. Sie waren geschickt als Töpfer, Weber, Glasbläser und Kürschner. Mit viel Kunstsinn verarbeiteten sie Gold und Silber. Sie prägten ihre eigenen Münzen und trieben Handel von der Ostsee bis zum Mittelmeer. Ihre Kultur und ihre Glaubenswelt faszinieren heute noch viele Menschen.

Im Gemeindegebiet von Oberhaching sind heute noch die Wälle von acht Keltenschanzen zu sehen; solche Bauwerke gab es einst auch in Unterbiberg und Perlach. Eine der beiden Schanzen in Holzhausen bei Oberbiberg wurde wissenschaftlich untersucht. Man fand dort drei Schächte, die wohl teilweise rituellen Opferzwecken dienten. Einer war fachgerecht mit Holz ausgekleidet und fast 36 Meter tief. Insgesamt geht man heute davon aus, dass die wallförmigen Anlagen sowohl herausgehobene Bauernhöfe aufnahmen als auch religiösen Zeremonien dienten.

Abb.: Wall einer Keltenschanze in Oberhaching

1993 / 94 wurde im heutigen Sportgelände in Taufkirchen eine keltische Siedlung ergraben, die von etwa 600 v. Chr. bis 250 n. Chr. (also auch noch in der Römerzeit) bewohnt war. Die Archäologen wiesen dort Wohn- und Speicherbauten, Vorrats- und Abfallgruben, Feuerstellen und Zäune nach. Außerdem fand sich ein Frauengrab sowie eine Tierkopffibel. Im Berghamer Mitterfeld wurden ab 1999 Grundrisse von 9 Gebäuden rekonstruiert. Es handelt sich um zweischiffige Wohngebäude von 45 bis 130 Quadratmetern Fläche und um etliche vier- bis achtpfostige Speichergebäude.

Außerdem wurden drei bemerkenswerte Frauengräber geöffnet. In einem Grab war ein Kind auf einem Brett liegend bestattet worden. Die beiden anderen Gräber enthielten die Skelette einer jungen und einer alten Frau. In allen Gräbern fanden sich Gewandfibeln und Armringe. Die Grabstätte der Greisin weist die aufwändigsten Beigaben aus. Es handelt sich um zwei Bronzefibeln, zwei Armreife aus Bronze, einem Oberarmring aus Eisen und Sapropelit (fossiler Faulschlamm), zwei Fingerringe und einem Fußring aus Bronze.

Fast in jeder der heutigen Gemeinden im Hachinger Tal fand man keltische Hausgrundrisse oder Gräber, außerdem Reste eines Fürstensitzes in Oberhaching.

Fachleute schließen aus der Reihung dieser Relikte, dass es parallel zum Hachinger Bach schon einen prähistorischen Verbindungsweg gegeben haben dürfte.

Römerzeit

Kurz vor Christi Geburt eroberten die Römer das Voralpengebiet. Vom späteren Augsburg ausgehend, bauten sie zur Verbindung ihrer weit auseinander liegenden Herrschaftsgebiete drei ostgerichtete Staatsstraßen, die bei Grünwald, Oberföhring und Freising die Isar kreuzten. Wie ihre Vorgänger sahen auch die Römer das Hachinger Tal als vorteilhaften Lebensraum an.

Sie legten Bauernhöfe und Siedlungen an, die sich hier wie die Perlen an einer Kette reihen (Haas-Gebhard). Archäologen fanden in Perlach Bruchstücke von römischen Mühlsteinen und weitere Hinweise auf zwei Mühlen.

Im Bereich des Taufkirchener Sportparks befand sich eine römische Hofanlage (villa rustica). Das Hauptgebäude hatte einen überdachten Eingangsbereich und war aus Stein und Holz errichtet. Abseits davon fand sich ein knapp 15 Quadratmeter großes Kellergebäude aus Nagelfluhquadern. Die Wände waren weiß verputzt und mit einem roten Streifen dekoriert. Der Keller diente als Weindepot und Zechstube. Ein weiteres Steingebäude von 10 Quadratmetern Innenfläche war mit einer Hypokaustheizung (Warmluftheizanlage) versehen. Es wurden etliche Fragmente hochwertiger Terrasigillata-Gefäße gefunden.

Abb.: Römischer Gutshof

Im Bereich des Wasserturms an der Hochstraße wurden zwischen 1913 und 1930 fast 20 Skelettgräber freigelegt. Die Historikerin Diepolder sagt, dass das Gräberfeld zu einem Landgut gehört habe. Möglicherweise war der „Purkstal“ (Burgstall), der im Urbar des Klosters Tegernsee aus dem Jahr 14542 erwähnt wird, ein Rest jenes Gutes.

Die Höfe verbanden die Römer mit unbefestigten (daher archäologisch nicht nachweisbaren) Wegen wohl beidseits des Baches. Teilweise benutzten sie dabei Trassen der Vorgängerkulturen. Die Wege schlossen an die Staatsstraßen im Norden und Süden an.

Frühmittelalter

Im 6. Jahrhundert bildete sich aus der ansässigen germanischen und reströmischen („welschen“) Bevölkerung der Stamm der Bajuwaren. Haas-Gebhard schlägt vor, die Bajuwarenzeit anzusetzen von 476 (Ende von Westrom) bis 788 (Absetzung Tassilos III).3 Bayern war damals weitgehend von Wäldern und Sümpfen bedeckt. Dazwischen lagen „inselartige Siedlungskammern“ meist an Flussläufen, auf guten Böden und in Reichweite der verbliebenen Römerstraßen.

Abb.: Ein Dorf der Bajuwaren

Die von den Römern übernommene Landwirtschaft im Hachinger Tal wurde von den Nachfolgern zielstrebig fortentwickelt. Aber es „trat an Stelle der ländlichen Siedlungslandschaft mit Villen bzw. Einzelhöfen eine neue Siedlungsstruktur mit Dörfern und Weilern.“4