Ja und Nein

Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der Universität des Saarlandes. Die Übersetzung ins Spanische wurde finanziert vom Verbindungsbüro des Goethe-Instituts in Havanna. Der Abdruck von Auszügen aus den Stücken Roland Schimmelpfennigs erfolgt mit freundlicher Genehmigung des S. Fischer Verlages (Frankfurt a. M.).

 

Roland Schimmelpfennig

Ja und Nein

Vorlesungen über Dramatik

Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik

Herausgegeben und mit einem Nachwort von Johannes Birgfeld

Recherchen 107

© 2014 by Theater der Zeit

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Verlag Theater der Zeit

Verlagsleiter: Harald Müller

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Lektorat: Lena Schneider

Grafik: Bild1Druck, Berlin

Covergestaltung: Sibyll Wahrig, Foto © Roland Schimmelpfennig

ISBN 978-3-943881-53-0

Roland Schimmelpfennig

JA UND NEIN

Vorlesungen über Dramatik

Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik

Herausgegeben und mit einem Nachwort
von Johannes Birgfeld

Vorbemerkung zur spanischen Übersetzung
von Judith Maiworm

Erster Vortrag

Zweiter Vortrag

Dritter Vortrag

Nachwort von Johannes Birgfeld

Anhang

VORBEMERKUNG ZUR SPANISCHEN ÜBERSETZUNG VON JA UND NEIN

Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass ein Band mit Poetikvorlesungen, die ein deutscher Dramatiker an einer deutschen Universität gehalten hat, in einer zweisprachigen Ausgabe erscheint. Die Bedeutung, die die zeitgenössische deutschsprachige Dramatik in den letzten zehn Jahren vor allem im spanischsprachigen Raum erlangt hat, ist vermutlich in Deutschland nicht bekannt und bedarf einer Erklärung.

Johannes Birgfeld weist in seinem Nachwort auf das Schattendasein hin, das dramatische Texte in Deutschland führen, wo zwar den Inszenierungen gebührender Platz in den Feuilletons eingeräumt wird, die Texte selbst jedoch wenig gedruckt und selten außerhalb ihrer Realisierung im Theater wahrgenommen werden. Das hat sicher mit einer Entwicklung im deutschsprachigen Theater zu tun, die den Text nur als ein Element unter mehreren begreift, die zum Gesamtkunstwerk Theater beitragen, als zwar wichtige Ausgangsbasis, aber vor allem als Material. Dieser Umgang mit Stücken stößt im Ausland häufig auf Befremden, gilt es doch sowohl in der angelsächsischen als auch in der spanischsprachigen Theatertradition vor allem, den adäquaten künstlerischen Ausdruck für die Intention des Textes und damit auch des Autors zu finden.

In vielen lateinamerikanischen Ländern gibt es bei den jungen Regisseuren einen regelrechten Hunger nach zeitgenössischen Theatertexten, die sich zum Teil auch aus einer jüngeren Geschichte erklären, in der die kulturelle Produktion auf Grund der politischen Verhältnisse über lange Jahre hinweg vom Austausch mit internationalen Entwicklungen abgeschnitten war, wie zum Beispiel in Chile während der Diktatur von 1973 bis 1990. Der Austausch mit internationalen Autoren und Regisseuren erleichtert den Weg aus der Marginalisierung, in die die Theaterszene während der Pinochet-Jahre verwiesen wurde.

Die Verbreitung von deutschsprachiger Dramatik in Lateinamerika wurde durch ein Programm des Goethe-Instituts gefördert, das jedem Goethe-Institut erlaubt, pro Jahr drei neue Stücke ins Spanische zu übersetzen. Festivals deutschsprachiger oder europäischer zeitgenössischer Dramatik in Argentinien, Chile, Kolumbien und Kuba trugen ebenfalls dazu bei, Autoren wie Dea Loher, René Pollesch, Anja Hilling, Philipp Löhle und eben Roland Schimmelpfennig – um nur einige zu nennen – einem breiteren Theaterpublikum bekannt zu machen. Die Adaptionen durch die lokalen Regisseure waren bisweilen so erfolgreich, dass sie zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen wurden wie z. B. die kubanische Inszenierung von Schimmelpfennigs Der goldene Drache in der Regie von Raúl Martín.

Roland Schimmelpfennig lebt selbst abwechselnd in Berlin und Havanna. Sein erstes Stück in Kuba war Die arabische Nacht. Das Stück wurde bei szenischen Lesungen im Herbst 2004 vorgestellt und 2006 in die erste Publikation deutscher zeitgenössischer Dramatik des kubanischen Theaterverlages Tablas-Alarcos aufgenommen. Mittlerweile sind mehrere Monografien deutscher Theaterautoren veröffentlicht worden, u. a. ein Band mit drei weiteren Stücken von Roland Schimmelpfennig. Im Vorwort hieß es: „Warum Schimmelpfennig hier und jetzt? (…) Weil er eine Mischung von Texturen provoziert, wo die Figuren eine augenscheinlich ölige und quecksilbrige Zeit bewohnen, die aber trotzdem erkennbar ist. Weil er Situationen schafft, die – obwohl unlogisch und maßlos – doch so menschlich sind.“

Es ist ein besonderes Verdienst des vorliegenden Bandes, nun auch Roland Schimmelpfennigs Vorlesungen der 2. Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik dem lateinamerikanischen Publikum zugänglich zu machen.

Judith Maiworm,
Verbindungsbüro des Goethe-Instituts, Havanna

 

 

Idomeneus von Roland Schimmelpfennig (Deutsches Theater Berlin, 2009), Regie: Jürgen Gosch, Bühnenbild: Johannes Schütz

ERSTER VORTRAG

1.1. WENN, DANN: WAS WIR TUN, WIE UND WARUM

Marek, vollkommen staubbedeckt, bricht durch den Fußboden in den Raum. Er klettert in den Raum, schwankt leicht. Er überlegt kurz, ob er gleich weiterarbeiten soll. Die anderen sehen ihn an. RUDI reicht ihm sein Butterbrot. RICKI gibt ihm ein Bier. Er setzt sich.

 

Schweigen.

RUDI

Und?

 

Pause. Es dauert bis Marek so weit ist.

MAREK

König Runza ist ein schlecht gelaunter König.

 

Kurze Pause.

 

Aber er ist ein König, und er reitet auf einer Elster durch sein Reich der Feen und der Elfen.

 

Kurze Pause.

 

Und die Elster ist ein Biest.

 

Die Elster sagt, sie ist eine Dohle, aber in Wahrheit ist sie nichts als eine Elster, und beide wissen das, der König Runza, und das Tier, auf dem er reitet.

 

Was du redest, was du sagst, sagt Runza, und dann schlägt er die Elster, und er reißt ihr die Federn aus, und die Elster frißt Schnecken und hackt fremde Eier auf, damit ihr neue Federn wachsen,

 

immer klebt Dotter an ihrem Federkleid und an ihrem Schnabel,

 

die Elster ist widerlich, sagt König Runza.

 

Er trinkt einen Schluck und denkt kopfschüttelnd nach.

 

Aber – wenn es ihm zu eng wird, wenn es Runza zu eng wird, reitet er nicht mehr auf der Elster, sondern auf einem Kolibri, und der Kolibri ist eitel, und er hackt der Elster auf den Kopf, und dafür schlägt Runza den Kolibri und reißt ihm Federn aus, und der Kolibri frißt Fliegen, damit ihm die Federn wieder wachsen, und damit der Schmerz nachläßt, und wenn es Runza auf dem Kolibri zu eng wird, weil er nicht durch die Ritzen kommt, dann reitet er auf einer Mücke, und die Mücke weint und weint, weil sie weiß, daß sie bald sterben wird, und wenn die Mücke dann mit Runza durch die Fensterritzen und Borkenspalten geflogen ist, dann frißt Runza die Mücke bei lebendigem Leib, und die schreit und schreit, aber Runza ist der König, und wenn die Mücke schreit, wissen alle Feen und Elfen, daß Runza in der Nähe ist.

 

Kurze Pause.

 

Man könnte meinen, die Feen und Elfen liebten den Wald, das Grün, die Heide, aber nein:

 

Am liebsten reist Runza durch sein Reich aus Stein, durch Putz und Mörtel, durch die Städte, durch die Häuser, durch die Wände, durch die Böden, auf dieser Reise reitet er auf einer Assel, hoho, hü, oder auf einer Larve, oder auf einer Milbe, schwankend auf der Milbe durch die Wände, durch die Böden, durch die Betten –

 

Die Körper schwitzen, die Kinder weinen und die Frauen stöhnen und die Männer grunzen, wenn Runza und sein Troß über sie hinwegziehen,

 

mit wehenden Fahnen und mit für unsere Ohren

 

unhörbarer Spinnenmusik,

 

wo sind die goldenen Felder, wo sind die goldenen Felder, so geht immer die Musik.

 

Kurze Pause.

 

Die Spinnenmusik, die Spinnen laufen dem Troß hinterher, und wo du eine Spinne laufen siehst, ist Runza nicht weit, und wenn die Spinne verschwunden ist, hat Runza sie gefressen, und während er sie frißt, singt die Spinne am schönsten, hell und klar, wie ein Stern,

 

wo sind die goldenen Felder, wo sind die goldenen Felder. Hier sind sie hier, ruft ein Silberfisch, der vorneweg läuft, hierher, hier, und: da sind sie, da sind die goldenen Felder, winzige Trommeln und Flöten spielen, und die langen Fahnen flattern,

 

hier sind sie, hier, und da, in den Ritzen zwischen den Dielen, unter dem Boden und in den Fugen, wächst es, hier wächst der Feenstaub, hier wächst der Purpurstaub, hier wächst das Gold.

 

Kurze Pause.

 

Und Runza streicht über die goldenen Fäden, er ist der Herrscher von alldem, und niemand weiß es.

 

[…]

 

Ich stand plötzlich vor Runzas Thron, gebaut aus einer goldenen Haselnuß, und ich war plötzlich winzig klein. Da, wo ich war, war es hell und dunkel gleichzeitig, es war wie eine Zwischenwelt, und über uns donnerte es, das waren Eure Stimmen, und Eure Füße.

 

Wir sind unter den Dielen, sagt Runza, dies ist das Zwischenreich, das Reich der Feen und des Goldes,

 

es gibt drei Reiche, wußtest du das, Marek,

 

woher wissen Sie, wer ich bin,

 

ich weiß es, ich bin der König im Zwischenreich, ich bin König Runza,

 

es gibt drei Reiche: Das Vorwärtsreich, aus dem kommst du, das Zwischenreich, da bist du jetzt,

 

und es gibt das Rückwärtsreich, vor dem hüte dich, Marek.

 

Kurze Pause.

 

Und dann schlägt er mich zum ersten Mal.

 

Du Marek, du mußt aufpassen, was machst du hier, hier hast du nichts zu suchen, wie kommst du hierher in die Zwischenwelt, hier hast du nichts zu suchen, und jetzt, was soll jetzt aus dir werden, denn zurück kommst du nicht, das weißt du wohl, kein Mensch hat je die Zwischenwelt betreten, und kein Mensch wird sie jemals verlassen.

 

Hast du gedacht, du faßt den Schimmel an, hast du die goldenen Fäden angefaßt, wolltest du ernten? Aber das gehört nicht dir, das ist kein Schimmel, sieht nur so aus, das ist Feenstaub, das ist Gold, und sag mir, Marek, wo es in der Vorwärtswelt am meisten schimmelt, und ich sag dir wo das Gold ist. Gold!

 

Die Zwerge lieben Steine, Diamanten, auch Metalle, aber sie können sie nicht säen, nur Runza, der König der Feen und Elfen sät das Gold, und dafür, daß du hier bist –

 

Kurze Pause. Er nimmt einen Schluck.

 

Und dafür, daß du hier bist –

 

Kurze Pause.

 

Und dann schlägt mich Runza wieder, und er springt herum und zieht sich aus, und dabei beißt er einer Fliege den Kopf ab, und die Fliege reibt sich kopflos weiter die Beine, Marek, Marek, schreit er, nackt und dick, mit wulstigem Fett auf seinem Hüften, mit fetten Schenkeln, du bist der Richtige, du sollst es sein, dir gebe ich meine Tochter zur Frau, ob du hier hingehörst oder nicht, komm, zieh dich aus, du sollst mein Söhnchen sein, beiß in die Assel, zeig mir, was du kannst, beiß ihr den Kopf ab, saug sie aus,

 

komm, komm, Musik! Musik! Spinnenmusik!

 

Und die Tiere fangen wieder an, die Trommel zu spielen und die Flöte,

 

hier kommt mein Töchterlein, du sollst sie heiraten, aber das sag ich dir, das sag ich dir, sei nicht zu gut zu ihr, sie ist ein Biest, du mußt sie täglich schlagen, sei nicht zu gut ihr – da kommt sie ja, da kommt sie ja!

 

Kurze Pause. Er nimmt einen Schluck Bier.

 

Und da kommt sie, Clarion, und sie ist spinnwebfein, und silbrig, durchsichtig weiß, mit blondem Haar und großen Augen reitet sie auf einem Hirschkäfer, der schwankt und ächzt, sie ist zu schwer!

 

Sie so fein wie Morgentau, und sie ist schwer wie Blei, wie Quecksilber, wie Gold, so schwer wie alles Gold der Erde, und sie kommt nach ihrem Vater, peitscht den Käfer, der sie kaum noch tragen kann, dem springt der Panzer aus den Gelenken, es knirscht, es ächzt, und das Tier schreit und schreit und dann zerbirst es, und die Feentochter springt dröhnend von dem toten Reittier und leckt das Käferblut vom Boden auf,

 

Marek, ruft sie mit glockenheller Stimme, Marek, komm, das ist der Hochzeitsschmaus, komm, komm zu mir,

 

du mußt sie schlagen, Marek, immer schlagen, sagt König Runza, sperr sie ein, bring ihr nichts bei, laß sie hungern, paß auf, daß sie dir nicht zu schlau wird, halt sie dir dumm wie ein Schwein, schneid ihr die Zehen ab, sie wachsen nach, kneif ihr die Finger mit der Zange ab, die Zunge, wenn du das Gold ernten willst, mein Junge, mußt du wachsam sein, du mußt Schmerz ertragen, hart mußt du sein gegen dich und gegen andere, vor allem mußt du Schmerzen bereiten, unser Gold wächst nur mit Schmerz –

 

Kurze Pause. Er nimmt einen Schluck.

 

Und dann drischt er seiner Tochter mit dem Zepter ins Gesicht.

 

Kurze Pause.

 

Siehst du, so, so geht’s, Marek.

 

Kurze Pause.

 

Und sie – sie sagt, Vati, Vati, heute ist doch Hochzeit, und weint, und schreit und reißt ihren Mund auf, und der wird immer größer, und dann packt sie plötzlich den Vater mit einem Griff aus Eisen, ho, schreit der König, kommst du mir so, kommst du mir so, ich bring dich um, schreit er, als Jungfrau sollst du sterben, und dann verschlingt die Feentochter den König vor meinen Augen.

 

Kurze Pause.

 

[…]

 

Marek, sagt sie.

 

Kurze Pause.

 

Komm, Marek, sagt Clarion, komm zu mir.

 

Kurze Pause.

 

Na, Marek, Marekchen, was ist –

 

Kurze Pause.

 

Willst du nicht zu mir kommen? Spielt doch, spielt doch für uns – und die Spinnen spielen eine Musik, einen langsamen Marsch.

 

Er spielt den Marsch.

 

Und sie reicht mir die Hand, so fein und zart, fast durchsichtig.

 

Kurze Pause.

 

Und so schreiten wir Hand in Hand durch unser Reich.

 

Kurze Pause.

 

Sie ist die neue Feenkönigin, und ich – ich bin der neue Feenkönig – und sie sagt: Siehst du die goldenen Felder, Marek?

 

Das gehört alles uns.

 

Und alle Tiere senken vor uns ihre Häupter,

 

die Asseln, die Käfer, die Silberfische, die Mücken und die Elstern – und der Wind pfeift zwischen den Deckenbalken und den Dielen und den Fenstern und den Schornsteinen, auf den Höhen und in den Senken, und Clarion sagt:

 

Hörst du den Wind, liebster Marek?

 

Das ist kein guter Wind, das ist ein Rückwärtswind, der weht sonst nie, wenn er nur nicht so pfeifen würde – küß mich, Liebster, und leb wohl –

 

Kurze Pause.

 

Und dann –

 

Kurze Pause.1

1.2.

Dieser Text kommt aus meinem Stück Wenn, dann: Was wir tun, wie und warum (ein Titel, der sich an Donald Barthelmes Text Our Work and Why We Do It anlehnt),2 und dieses Stück ist 2011 von einem noch jungen, präpotenten und eitlen Regisseur und einem alten, präpotenten und eitlen Schauspieler zu Grunde gerichtet worden, öffentlich murmelnd in totalem Unverständnis der Sache und meiner Absichten.3

Der Text ist damit auf sehr lange Zeit beschädigt worden, denn Uraufführungspremierenmisserfolge werden in Deutschland nicht nachgespielt, und natürlich fand sich ein Kritiker, DER Kritiker, Gerhard Stadelmaier, der nicht zwischen Text und Aufführung differenzierte, der folglich das Ganze abstrafte, abstrafen musste, ohne zu begreifen oder begreifen zu wollen, was da in Wahrheit los war.4

Der zornige Autor: WAS ICH STADELMAIER GERNE EINMAL SAGEN WÜRDE:

Ich mag Ihre Kritiken, auch die Verrisse, immer, aber Kritiken schreiben ist leicht und wirklich eine flotte Sache, das ist eine Sache von ein paar Stunden, und besonders gut schreiben sich Kritiken im Rausch der Begeisterung oder der Enttäuschung oder des Kalküls.

Manchmal fallen Sie schwärmend auf den größten Mist rein, und manchmal dreschen Sie los – aus Lust an der Begeisterung und an der Empörung. In beiden Fällen bringt das nichts und niemanden weiter. Diese Theaterkritiken sind scheinrelevant.

Sei’s drum.

Das gehört zum Geschäft.

Das ist die Gefahr, das Risiko, wenn man Theaterstücke schreibt: Man muss sie aus der Hand geben, gehen lassen, fahre wohl, mein schönes Stück, wie viele Jahre haben wir jetzt zusammen verbracht, wie lange habe ich an dir geschrieben oder über dich nachgedacht, ein Jahr, zwei Jahre, manchmal auch vier oder fünf Jahre, möge dir auf deiner Reise nur Gutes widerfahren, aber so ist es natürlich nicht:

Es lauern die Idioten, die eitlen Fatzkes des Kulturbetriebs am Wegesrand, und sie sind zu dumm, zu voreilig, zu selbstsicher, um wahr zu sein.

Ich werde zornig, wenn ich daran denke.

Gutes Theater und Eitelkeit vertragen sich nicht.

Schlechtes Theater und Eitelkeit kommen Hand in Hand, immer.

1.3.

Die Poetik ist die Lehre von der Dichtkunst.

Dichten, schreiben heißt: ver-dichten. Die Wirklichkeit komprimieren, zu Sprache verdichten.

Verdichtet man ein Stück Kohle, entsteht ein Diamant.

Verdichtet man die Wirklichkeit, entsteht Kunst.

Bläst man die Wirklichkeit auf, entstehen ein paar Illusionen.

Kunst legt den Finger in die Wunde.

Illusionen tun es nicht, sie betäuben den Schmerz.

Über das Theater, über das Schreiben, über die Poetik zu sprechen, fällt mir nicht leicht. Ich meide es, mich und meine Texte, meine „Kunst“ zu erklären.

Früher habe ich es meistens abgelehnt, darüber Auskunft zu geben, aber in den vergangenen Jahren war ich manchmal dazu gezwungen, und meistens war ich hinterher ganz glücklich, mich dieser Aufgabe gestellt zu haben.

Alles Theaterakademische liegt mir weitgehend fern, und meine in Anführungsstrichen „theoretischen“ Äußerungen sind entsprechend rar.