Für meinen Helden.
Wo auch immer du sein magst …

Und für Karin.
Murphy's Muse & Schöpferin meiner heißgeliebten Seday Academy (#TeamXyen)

Prolog

Ballachulish, Schottland, Februar 1991

Kion

Der Schnee, der unablässig vom Himmel fiel, versperrte mir eine klare Sicht. Ich blinzelte wild und fuhr mir beständig über die Augen, um zwischen dem Meer aus Flocken hindurchsehen zu können. Doch so sehr ich mir wünschte, das Bild, welches sich mir bot, würde sich ändern – die Szene änderte sich nicht.

Aenna lachte, während sie sich enger an ihn drückte. Ihre Augen auf ihn geheftet, half sie ihm den Verstärker zu halten, der in der Luft über Robert Smith schwebte und dessen Sound laut in kalten Wellen über das verlassene Feldstück wummerte. Pictures of you – einer ihrer Lieblingssongs der neuesten Platte von The Cure. Wie grausam konnte das Schicksal eigentlich sein?

Mit einem letzten Blick auf Aenna wandte ich mich ab und verschwand in den angrenzenden Wald, mein Herz jedoch blieb dort. An Ort und Stelle. Obwohl ich es bereits vermutet hatte, nachdem sie sich seit über einer Woche nicht auf meine Anrufe meldete, war die Bestätigung trotz allem wie eine Faust mitten ins Gesicht.

Völlig benebelt irrte ich durch die kalte Nacht, ohne Ziel. Oder Verstand. Nie wieder würde ich mich auf irgendetwas Festes einlassen. Nie! Wieder! Bis meine Eine auf der Bildfläche erschien, würden meine einzigen Begleiterinnen gesichtslose Frauen sein. Affären. One-Night-Stands. Allerhöchstens platonische Freundschaften. Nichts anderes mehr. Diese Lektion hatte ich gelernt.

Ich schlich über einen Friedhof und setzte mich auf die Stufen zur Kirche. Meine Hände zitterten, als ich mein Gesicht darin verbarg. Bilder von ihr flammten vor meinem inneren Auge auf. Pictures of you. Aenna! Meine Aenna. Nein! Ich konnte das nicht. Weiterleben und darauf hoffen, irgendwann eine Frau zu lieben, die ich gar nicht lieben wollte. Aenna war mein Leben, ohne sie wollte ich nicht weitermachen.

Mit schmerzendem Herzen verharrte ich, Sekunde um Sekunde. Minute um Minute. Jeder Ton meines verlorenen Herzens vibrierte zu diesem verfluchten Song wieder, der mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Bis er von etwas unterbrochen wurde, das mir bis tief in die Knochen fuhr.

Überrascht sprang ich auf und schaute mich um. Das Schneegestöber hatte nachgelassen und selbst in dem fahlen Mondschein sah ich ausgezeichnet, trotzdem erkannte ich nichts. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf mein Gehör. Meine Beine setzten sich in Bewegung und folgten diesem Geräusch, das mich bis in mein Inneres berührte.

Als ich die Augen wieder öffnete, verschlug es mir vor Schock meinen antrainierten Atem …

Eins

Kion

Mit verschränkten Armen lehnte ich mich gegen den Türrahmen und starrte ungläubig auf die Szene, die sich mir bot. »Wie lange macht er das schon?«

»Ein paar Tage. Wenn er weiter in der Geschwindigkeit arbeitet, haben wir nächste Woche bereits das zweite Stockwerk stehen«, antwortete Morgan und seufzte tief.

Cary holte Schwung und schlug erneut mit dem Hammer auf die Wand ein. Er legte so ein verdammtes Tempo vor, dass er locker mit einer Comicfigur in einem Cartoon mithalten konnte. Speedy Gonzales meets Taz, the Tasmanian Devil.

»Seine Muckis waren noch nie so aufgepumpt«, erklärte Ash und seine für jeden offengelegten Gefühle unterstrichen seine Worte mit Bewunderung und einem Tick Neid.

Logan sah ihn schief an und schüttelte kommentarlos den Kopf. Ich grinste, denn jetzt wusste ich wenigstens, was sich an Cary, außer seines emotional dünnhäutigen Zustands, noch verändert hatte. Abgesehen von den Shorts, die er einzig und allein und anstatt der obligatorischen Lederhose trug, und dem neuen Tattoo, das als großflächiger Schriftzug über seinem Herzen prangte – Alec.

»Ihr könntet auch einfach alle die Klappe halten und mir helfen!«, dröhnte er, ohne das Zertrümmern der Wand zu unterbrechen.

»Vergiss es, Punk. Ich hab Angst. Am Ende schlägst du in deinem Delirium noch einem von uns unabsichtlich den Kopf ab«, antwortete Ash ernsthaft und mein Grinsen wurde trotz der angespannten Situation breiter.

»Einem von euch ganz bestimmt nicht unabsichtlich«, gab Cary leise zurück und ich musste mich wirklich bemühen nicht aufzulachen. Die beiden. Schon immer.

»Wir wollen essen. Kommst du?«

Cary schüttelte den Kopf und Morgans Kiefer spannte sich unvermittelt an. Aha. So weit fortgeschritten war sein Gemütszustand mittlerweile. Acht Wochen, nachdem Alec mit ihrem Bruder Marley die Staaten verlassen hatte und nach einer erfolglosen Suche, die er dort vier Wochen intensiv betrieben hatte, begann Cary zu resignieren.

Ich wusste, wie es sich anfühlte, die Frau zu verlieren, die man über alles liebte, und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man das verkraften sollte, wenn einen dieses beschissene Schicksal gleich zweimal ereilte. Deswegen war ich hier, um Cary ein Angebot zu unterbreiten. Aber zunächst musste er wieder zumindest ein wenig bei klarem Verstand sein. »Ich hab in zehn Minuten ein Gespräch mit meinem Kontakt in Schottland. Wenn du dran teilhaben will–«

»Bin gleich da.«

»Das Telefon funktioniert aber nur, wenn du dir was zwischen die Kiemen haust«, ergänzte ich, stieß mich vom Rahmen ab und joggte mit den anderen die Treppe runter in die Küche, ohne eine Antwort abzuwarten.

Logan schlug mir auf die Schulter. »Danke, Bruder.«

»Nicht dafür«, antwortete ich und setzte mich an die Theke. »Hey, Megan.«

»Hi, Kion. Wie geht's dir?«

»Kann nicht klagen. Was machen deine Kräfte?«

»Ich kann jetzt in die Vergangenheit sehen. Darf ich ein bisschen bei dir spitzeln?«, fragte sie und zwinkerte mir lächelnd zu.

Ash verdrehte die Augen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Bloß nicht, Alter. Sie versucht seit Tagen, in unsere Vergangenheit sehen zu dürfen, und wenn du ihr nun das Go gibst, wird sie uns das ewig vorhalten und wir müssen mitziehen.«

Meg verengte die Augen und tätschelte Ash am Bauch, sodass er leicht nach hinten schwang. Mittlerweile wusste ich um die Besonderheit Megans – sie war die erste und einzige Feenelfe auf der Welt, aber es war immer noch unglaublich zu sehen, über was für Kräfte sie verfügte. Besonders, weil sie knapp zwei Köpfe kleiner als Ash war und verdammt zierlich. »Hättest du nicht eine Armee an Frauen in dein Bett gelassen, Casanova, müsstest du nun auch nicht jedes Mal so panisch reagieren, wenn ich das Wort Vergangenheit in den Mund nehme.«

»Hör ich da etwa eine Spur Eifersucht aus deiner lieblichen Stimme?«

»Mhm. Das ist die gleiche liebliche Stimme, die dir sagt, dass du heute Nacht alleine schläfst und du dich mächtig anstrengen musst, wenn dein Körper wieder mit meinem auf Tuchfühlung gehen will.«

»Uuh«, raunte Logan, während Morgan lachte.

»Zu viel Informationen«, sagte ich, grinste aber. »Unter diesen Umständen bleibt meine Vergangenheit wohl besser auch geheim.«

»Verdammt!« Ash zeigte auf meinen Kopf. »Das war nicht gut durchdacht. Vielleicht hätten wir dann endlich das Geheimnis um die Frau erraten, über die du nichts erzählen willst.«

Ich wackelte mit den Augenbrauen und nahm das Bier entgegen, das mir Morgan gab. Mittlerweile konnte ich darüber Scherze machen, auch wenn der Schmerz immer noch wie ein penetranter Schatten an mir dranhing. Nach fast dreißig Jahren sollte ich wirklich loslassen und vielleicht half mir das, was ich geplant hatte, dabei, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Innerlich stöhnte ich frustriert. Aber vielleicht belog ich mich auch einfach selbst und war noch nicht annähernd so weit meine Zukunft neu auszurichten. Und vielleicht lag der Grund in meinem Vorhaben nicht darin, Cary zu helfen, sondern in mir Hoffnungen zu schüren, die utopisch waren.

»Ich mag The Cure«, holte mich Meg ins Hier und Jetzt zurück und wie selbstverständlich strich ich über mein Tattoo, das auf meiner rechten Schädelseite prangte. Pictures of you. Drei Worte. Ein Song. So viele Gefühle. So viele Erinnerungen.

»Ich nicht«, erwiderte ich ehrlich und nahm einen Schluck von meinem Bier. Nicht mehr.

Überrascht neigte Meg den Kopf und ihre roten Locken fielen über ihre Schulter. »Ich versteh nicht?«

»Lange Geschichte, kurz gesagt. Ich fand die Band gut bis 1991. Danach nicht mehr.«

Meg öffnete den Mund, aber Logan kam ihr zuvor. »Frag gar nicht erst nach dem Warum. Das ist nämlich genau das Geheimnis, das uns dieser Mistkerl nicht verrät.«

Sie verteilte die Teller, kam neben mich und deutete mit ihrem Daumen und Zeigefinger ein kleines Bisschen an.

Lachend schüttelte ich den Kopf. »Keine Chance. Schau dir lieber das vergangene Leben deines Königs an. Das hat sicher mehr zu bieten.«

Meg strich kurz mit der flachen Hand über meinen Rücken und nickte. »Vermutlich. Aber manchmal ist es nicht die Menge, sondern die Sache an sich, die einen wegpustet.«

Lächelnd zog ich mein Handy aus der Hosentasche. Wo sie recht hatte …

Ich entsperrte das Display und scrollte fix durch das Update meiner Mitarbeiter. Alles schien in Ordnung, deswegen legte ich das Handy auf die Theke und nahm ein Steak von der Platte. Wahrscheinlich gab es auch aus Übersee wieder keine Neuigkeiten, aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. Schottland war nicht groß, doch wenn man seinen Anfangspunkt in einer Stadt wie Edinburgh oder Glasgow beginnen musste, war man gezwungen die berühmt-berüchtigte Stecknadel im Heuhaufen zu suchen.

»Du weißt, wir warten immer noch auf eine Antwort«, bemerkte Ash mit raufgezogenen Augenbrauen, was Morgan veranlasste zu seufzen. »Nicht, dass wir dich drängen würden.«

»Doch. Tun wir. Weiß nicht, warum der James Dean der Vampire überhaupt so lange für eine Antwort braucht. Sollte eigentlich selbstverständlich sein.«

»Der James Dean der Vampire«, entgegnete ich Ash amüsiert, »ist eigentlich ganz glücklich mit seiner Wohnsituation.«

Logan knallte Ash ein paar gegen den Hinterkopf. »Siehst du. Das hast du jetzt von deiner Drängelei.«

Brummend murmelte Ash etwas vor sich hin und schob Megan die Salatschüssel zu.

»Wir planen dein Zimmer einfach mit ein«, ertönte es plötzlich von der Tür her, durch die Cary trat. Frisch geduscht, die feuchten Haare zerzaust nach hinten fallend, in seinem obligatorischen schwarzen Shirt und Lederhosen Outfit. »Dann ist es und bleibt es deins und du kannst dich morgen oder in fünfzig Jahren entscheiden zu uns zu ziehen.« Er setzte sich neben mich und knallte sich lustlos Essen auf seinen Teller.

»Damit kann ich mich arrangieren, auch wenn ich euch eigentlich nicht so lange in der Luft hängen lassen möchte.«

Morgan schüttelte den Kopf. »Das sollte dich am wenigsten sorgen.«

Nickend begann ich zu essen. Das Angebot, zu ihnen zu ziehen, hatten die vier mir bereits vor einigen Wochen gemacht. Ehrlich gesagt, war ich zunächst überrascht gewesen, denn als ich Mitte der Achtziger nach sechzig Jahren Abstinenz zurück in die Staaten gekommen war, wusste ich bereits, das mein Teil der Bruderschaft sich … ausgelebt hatte.

Klar, so eine Zeitspanne glich für einen Vampir gerade mal einem Wimpernschlag. Summiert ergab es trotzdem eine Menge an Situationen, Erinnerungen, Problemen und Geschichten, die ich verpasst hatte und die einen beachtlichen Teil des Charakters der Jungs ausmachte, wie jede Lebenserfahrung, die man so im Laufe seines Daseins sammelte.

Davon abgesehen lebte ich mittlerweile eher ein recht gediegenes und vor allem vorhersehbares Leben. Das krasse Gegenteil zu meinem Job und der Ausgleich, den ich brauchte, um alles in meinem Beruf zu geben. Seit die Verbindung mit den Brüdern wieder enger war, fand kaum ein Treffen in ihrem Haus statt, das nicht in einem Adrenalinkick endete, und ich war mir wirklich nicht sicher, ob ich das auf Dauer aushielt.

»So. Ich hab gegessen. Rufst du jetzt an?«

Aufzuckend blickte ich in Carys violettfarbenen Augen und dann auf seinen Teller, der leer war, genauso wie die der anderen. Verdammt.

»Dein Essen ist jetzt vermutlich kalt.« Meg lächelte, schnappte sich meinen Teller, der abgesehen von dem einen Bissen, der fehlte, noch voll beladen war, und stellte ihn in die Mikrowelle.

»Manche Dinge ändern sich nie«, sagte Morgan und prostete mir mit seinem Bier zu. »Du schaffst es immer noch, dich in deinen Gedanken zu verlieren.«

Ich lachte auf. »Offensichtlich. Nur bekommt das sonst keiner mehr mit, seit ich alleine wohne.«

Mein Handy schob sich unter meine Nase. »Bitte.« Carys angespannter Ton wischte meine gute Laune mit einem Schlag weg. Ich griff nach dem Telefon und drückte auf die Kurzspeicherwahl. Es dauerte nicht lang, bis mein Kontakt abnahm.

»Mac. Gibt's Neuigkeiten?«, begann ich das Gespräch ohne Umschweife.

»Es tut mir leid, Kion. Ich dachte vor ein paar Tagen, eine Spur gefunden zu haben. Leider entpuppte sie sich als Finte. Nun ja. Mehr oder weniger.«

»Was meinst du damit?«

»Mittwoch vergangener Woche sind zwei Wölfe aus den Staaten eingereist. Laut ihren Pässen stammen sie aus Coreline.«

Carys Hocker flog nach hinten, als er aufsprang. »Wer?«, brüllte er.

»Bjarne und Riski Townsend.«

»Der neue Leader des Packs und sein Bruder, der Vize«, erklärte ich, während Megan mit einem Sprung bei Cary stand und ihn fest in den Arm nahm. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und man sah ihn kämpfen. Trotzdem beruhigte er sich, was einzig daran lag, dass Meg es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, ihn so lange festzuhalten, bis er seine Gefühle wieder unter Kontrolle bekam. Er würde mir nie etwas antun. Aber um mich von sich zu schieben, ohne mir wehzutun, damit er seinem Ärger Luft verschaffen kann, muss er zunächst runterkommen, hatte sie mir mal bei einem der Abendessen erklärt, die ich in letzter Zeit vermehrt bei ihnen einnahm. Cary war mittlerweile zu einem wandelnden Pulverfass mutiert und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er komplett durchknallen würde.

»Die beiden waren ziemlich zielstrebig in ihrer kurzen Reise. Mittlerweile sind sie wieder zurück in die Staaten geflogen, nachdem sie für ein paar Tage in Ayr waren. Sie haben dort das Pack besucht, den Grund kann ich dir leider nicht sagen. Seither haben wir verstärkt das dortige Pack im Fokus, aber bisher läuft alles seinen gewohnten Gang.«

Ich zog scharf die Luft ein. »Alles klar. Danke, Mac.«

»Keine Ursache. Ich melde mich, falls Ayr auffällig wird.«

»Mach das. Und könntest du mir ein präpariertes Smartphone besorgen? Ich komm morgen für eine Weile nach Schottland.«

»Verarschst du mich, Alter?«, fragte Mac fassungslos, was mich sogleich erheiterte. Der ungläubige Ton seiner Stimme spiegelte sich in den Gesichtern der Brüder wieder. Jap. Das war es. Der Wendepunkt in meinem Leben. Und die große Frage, für wen ich diese Reise tatsächlich übernahm. Für Cary oder für mich?

Tuesday

Nervös drehte ich den Ring an meinem Finger hin und her.

»Das ist wirklich albern, Dee«, flüsterte Sue neben mir und holte mich zurück aus der Versunkenheit.

»Ist es nicht. Ich mache lediglich meinen Job.«

»Willst du mich verarschen? Seinen Freund zu stalken, ist nicht arbeiten!«

»Ich bin als Privatdetektivin unterwegs – wir, meinte ich.«

»Ach! Bekomme ich die Stunden dann bezahlt? Heute ist nämlich, soweit ich weiß, mein freier Abend.« Sue klimperte vielsagend mit den Wimpern und lächelte ihr lieblichstes Ich-habe-dich-ertappt-Lächeln.

Seufzend zuckte ich die Schultern. »Nein. Du hast recht. Ich stalke meinen eigenen Freund. Aber ich kann nicht anders … Dieses Gefühl, verlassen zu werden, ist so stark, Sue. Es macht mich wahnsinnig und ich verstehe nicht, warum ich jedes Mal wieder so empfinde.«

Sue ergriff meine Hand und schaute mich aus ihren tiefblauen Augen ernst an. »Stuart liebt dich. Er ist dir ein halbes Jahr hinterhergelaufen, bis du ihm endlich die Chance auf ein Date gegeben hast. Er vergöttert dich nahezu.«

»Verflixt, Sue. Wahrscheinlich bin ich für Beziehungen einfach nicht gemacht.«

»Das ist doch Blödsinn. Solche Zweifel hat jeder mal. Besonders wenn man einen Kerl total liebt.«

»Ich weiß gar nicht, ob ich Stuart überhaupt liebe.« Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht hinter den Händen. »Ich bin so ein Freak.«

»Das bist du nicht.« Sue lachte ihr rauchiges Lachen und stupste mich sanft an. »Na gut. Bist du doch, aber genau deswegen mag ich dich so. Los, hauen wir ab, bevor du noch etwas startest, was dir am Ende wieder total peinlich ist.«

»Fahr ohne mich, ja? Ich brauch dringend Bewegung. Frische Luft.«

»Tuesday …«

Ich schnappte meine Tasche und sprang aus dem Wagen. Es war mir klar, dass Sue mir nicht glaubte, aber so sehr ich es versuchte, ich konnte nicht aus meiner Haut. Zielstrebig steuerte ich das Two Fat Ladies at the Buttery an. Ich liebte diesen Laden und kam eigentlich nur wegen dem Dessert hierher, obwohl das Restaurant zu den besten Küchen in Glasgow gehörte. Aber nichts – und ich meinte nichts – ging über deren Banana chocolate and rum Crêpe & toasted coconut ice cream!

Selbstbewusst stieß ich die Tür auf. Stuart war vor einer guten Stunde hier eingetroffen. Allein! Was mich total stutzig machte. Wer ging bitteschön allein in ein Restaurant?

»Sie wünschen?«, fragte mich der Ober in seinem rot-schwarz-karierten Kilt freundlich.

»Einen Tisch. Für mich allein. Danke«, sagte ich und scannte in Sekundenschnelle den Laden ab. Jeder Tisch schien besetzt, obwohl bereits in einer Stunde Feierabend sein würde, deswegen rechnete ich fest damit, eine Absage zu kassieren, und reagierte zunächst nicht, als der Ober mich bat ihm zu folgen. Stuart musste im hinteren Bereich sein, denn hier vorne saß er nicht. Und das war genau der Bereich, den wir nun anpeilten.

Der Schopf blonder Haare geriet in mein Blickfeld. Gestylt zu einer akkurat nach hinten gekämmten Wetfrisur. »Ha«, entfuhr es mir geschockt, als ich realisierte, dass da eine Frau an seinem Tisch saß. Perplex hüpfte ich einen Schritt zur Seite und fiel auf den nächstbesten Stuhl. Panisch griff ich nach der Karte und hielt sie mir vors Gesicht.

»Ähm, Miss. Diesen Tisch wollte ich Ihnen nicht zuweisen«, erwiderte der Ober verwirrt, aber ich schüttelte nur heftig den Kopf. »Ich bekomme Klaustrophobie in zu engen Ecken.«

»Bitte, wie meinen?«

Ich senkte etwas die Karte und blinzelte über den Rand zu Stuart, der gerade über etwas lachte. »Arschloch.«

»Entschuldigen Sie, aber –«

»Hast du deine Medikamente wieder nicht genommen, Babe?«, ertönte plötzlich eine tiefe Stimme rau und ich zuckte erschrocken zusammen. Meine Karte rutschte noch ein Stück weiter runter und gab die Sicht frei auf braune, halblange Haare, die lässig nach hinten fielen und seitlich einen Undercut präsentierten. Stechend grüne Augen starrten mir entgegen, deren schrägen Augenbrauen dem Kerl ein düsteres Aussehen verpassten. Mein totes Herz machte einen Sprung.

»Ich erinnere mich nicht«, antwortete ich ausweichend und registrierte das silberne Aufblitzen in seiner Iris, das ihn als Vampir auszeichnete.

»Na wenigstens erinnerst du dich daran, dass wir hier verabredet waren. Wir sollten wohl doch noch mal die Klinik aufsuchen. Mir scheint, die Psychopharmaka sind zu niedrig dosiert.«

Psychopharmaka? Die Karte entglitt nun vollständig meinen Händen und dahinter hervor kam ein erschreckend attraktiver Rest eines Kerls, der mir mit locker verschränkten Armen gegenübersaß und mich musterte. Sein Vollbart umrahmte die geradlinig weich aussehenden Lippen, die verräterisch aufzuckten. Idiot!

»Ja, da geb' ich dir recht, Liebster. Dann können wir gleich noch beim Urologen vorbeisehen. Es kann doch nicht sein, dass du selbst mit Viagra keinen mehr hochbekommst.«

»Ähm. Ähm«, stammelte der Ober offensichtlich unangenehm berührt. »Darf ich Ihnen etwas bringen?«

Ich nickte. »Ich nehme die Crêpes mit Rum und einen Kaffee. Danke.«

»Das halte ich aber für keine gute Idee – Alkohol und Koffein. Beim letzten Mal hast du den Weg nach Hause gestrippt. Der arme Mr Coughlin hat fast eine Herzattacke erlitten, als er gesehen hat, was du dir auf deinen Arsch tätowiert hast.«

Ich zog scharf den Atem ein. Verdammt. Der war gut. »Stimmt. Es war vermutlich keine clevere Idee gewesen, mir das Tattoo deines Kosenamens an deine Lieblingsstelle meines kurvigen Körpers tätowieren zu lassen, Honigpups.«

Ein leises Lachen entfuhr dem Kerl und es kribbelte plötzlich in meinem Bauch.

»Die Rechnung, bitte. Wir nehmen den Nachtisch am besten zuhause ein.«

O ja! Was? O nein. Neinneinnein! Was ist denn jetzt mit mir los?

»Sehr wohl, Sir«, antwortete der Ober und verschwand.

»Ich bin verrückt nach diesen Crêpes!«, meckerte ich und zog genervt die Brauen zusammen.

»Das Verrückt nehm ich dir doch glatt ab … Liebste«, antwortete der Kerl rau, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Stuart stand auf und Panik flutete mich. Ich hatte tatsächlich mein Ziel aus den Augen verloren! Was für eine verflixte Schande. Es war mein Job, konzentriert zu bleiben. Mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Mich nicht und unter keinen Umständen ablenken zu lassen.

Ist ja eigentlich kein Auftrag, bemerkte mein Gewissen unnötigerweise. In einer fließenden Bewegung glitt ich vom Stuhl und versteckte mich unter dem Tisch. Was für ein Albtraum. Wenn Stuart mich entdeckte, würde das ein ganz falsches Licht auf die Situation werfen. Immerhin kannte ich diesen Kerl überhaupt nicht, an dessen Tisch ich saß. Andererseits konnte ich behaupten, dass er ein Kunde wäre … nur, dass ich nicht mit Kunden Essen ging. Niemals. Ich hielt Arbeit und Privatleben strikt getrennt.

Ich setzte mich in den Fersensitz, den Oberkörper Richtung Boden gedrängt, den Blick auf die Füße gerichtet, die am Tisch vorbeikamen. Dabei stieß ich gegen die Beine des unverschämten Kerls, die in dunklen, verwaschenen Bluejeans steckten.

»Ist noch ein bisschen früh für einen Blowjob, Babe. Wir sollten mindestens unsere Namen ausgetauscht haben, meinst du nicht auch?«

»Selbst, wenn wir unsere Namen kennen würden, Mister, würdest du nicht in den Genuss eines Blowjobs kommen. Du hast mir meinen Nachtisch versaut.«

Erneut lachte er leise und ich verdrehte enerviert die Augen. Wann kam denn endlich Stuart vorbei?

Zwei auf Hochglanz polierte Lederschuhe gerieten in mein Sichtfeld. »Die Rechnung, Sir.«

Der Kerl schob den Stuhl ein wenig nach hinten, um sich seinen Geldbeutel aus der hinteren Hosentasche zu holen, und kesselte mich sogleich mit seinen Bikerboots ein. »Der Rest ist für Sie.«

»Vielen Dank, Sir. Beehren Sie uns bald wieder.« Der Ober schritt davon.

»Der geschniegelte Upperclass-Typ und die wuchtige Rothaarige sind vor einer Minute rausspaziert. Du kannst also wieder hervorkommen.«

»Dazu müsstest du erst mal deine Beine von mir nehmen«, ächzte ich beim Versuch, diese von mir zu schieben.

Er stand auf, hob die Tischdecke und hielt mir seine Hand entgegen. Vor mich hin brummend ergriff ich sie und kam vor ihm zum Stehen. Der Kerl war einen Kopf größer als ich, doppelt so breit und schaute nun belustigt zu mir herab.

»Danke«, nuschelte ich, ohne mich zu bewegen.

Die Finger seiner anderen Hand streiften unvermittelt meine Wange. Sanft schob er meine Haare hinter mein Ohr, ehe er mich losließ. »Es war mir ein Vergnügen.«

Er schnappte sich seine dunkle Jeansjacke, zog sie über und stellte den Kragen hoch. Mit den Haaren, dem weißen T-Shirt und den aufgekrempelten Jeanshosen, sah er aus wie James Dean. Mit Vollbart.

Ich liebte Klassiker. Was vermutlich der einzige Grund war, weswegen mein Körper so konfus reagierte. Da rollte etwas über mich, was sich verdächtig nach einer Gänsehaut anfühlte.

Gemeinsam stiefelten wir aus dem Two Fat Ladies. Die kühle Abendluft, die der April verströmte, klärte meinen Verstand auf. Ich musste zurück ins Geschäft. Und die erste Sache würde sein, herauszufinden, wer die Rothaarige war, mit der Stuart gegessen hatte. So viel zum Thema, er wäre heute immens eingespannt bei der Arbeit …

Ich drehte mich um und lief rückwärts die Straße entlang. »Woher kommst du, Fremder?«, fragte ich den Kerl, der mir hinterher sah.

»Was hat mich verraten?«

»Dein Dialekt. Er ist eingerostet.«

Er fuhr sich durch die Haare und grinste. Verflixt. Ich konnte mich nur schwer davon abhalten, mein Handy zu zücken, um ein Foto von ihm zu schießen.

»Gebürtiger Amerikaner. Hab' im letzten Jahrhundert für ein paar Jahrzehnte hier gewohnt.«

Ein Pärchen, das gerade an ihm vorbei ins Restaurant lief, schaute ihn mit aufgerissenen Augen an. »Proben für ein Theaterstück«, murmelte er und ich kicherte. Ja! Kicherte! Wie ein Schulmädchen.

»Wie kann man denn Schottland freiwillig verlassen?« Ich stoppte an der Kreuzung, der Kerl war nun bereits gute hundert Fuß von mir entfernt.

»Wer sagt denn, dass es freiwillig geschah?«

Ich zwinkerte ihm zu und bog links ab. »Dieser scheiß Bindungszauber.«

Kion

Ich zuckte zusammen und schalt mich im gleichen Moment selbst Dummkopf. Natürlich konnte sie nicht wissen, was damals geschehen war. Aber ihre Vermutung war gut. Und irgendwie unheimlich.

»Tja. Ich hab wenigstens eine Ausrede. Aber was ist deine?«, fragte ich und überquerte die Straße zur Parkbucht.

»Meine?«

Lächelnd stieg ich in den Leihwagen. Die Verwunderung in ihrem Ton war unüberhörbar. Bei geöffneter Tür antwortete ich: »Babe. Diesen Kerl, den du gestalkt hast, hast du dir doch hoffentlich nicht freiwillig ausgesucht. Der Typ ist ein Honk.«

Sie schnaubte und mein Lächeln wuchs. »Dieser Honk hat mir wenigstens nicht die Chance auf mein Lieblingsdessert verbaut.«

»Schon möglich. Aber was sind ein paar Crêpes gegen ein Leben voller Langeweile?«

»Stuart ist nicht langweilig.«

»Du meinst, er schiebt sich den Stock im Arsch nur zum Ausgehen rein?«

Mein Blick, der nach wie vor an der Straßenecke verweilte, weitete sich. Mit einem Sprung war dieses wunderschöne, aber völlig durchgeknallte Geschöpf zurück und streckte mir ihren Mittelfinger entgegen. Ihre silbergrauen Augen blitzten wie die einer Katze gefährlich auf, während ihre braunen Haare wieder nach vorne schwangen. Dieser Bob war eine völlig unpassende Frisur für sie. Dieses Gesicht sollte nicht von Haaren verdeckt werden. Schon gar nicht diese herzförmigen Lippen mit dem kleinen, süßen Muttermal links oben.

Aber das war ja nicht meine Sache. Belustigt schloss ich die Autotür und startete den Motor. Noch bevor ich an der Ecke vorbeifuhr, war die Schönheit in der Dunkelheit verschwunden.

Was für eine abgefahrene Begegnung. Belustigt schlug ich den Weg zu Mac ein. Er hatte eigentlich vorgehabt mich vom Flughafen abzuholen, aber ich wollte zunächst alleine ankommen. Sechzig Jahre hatte ich hier mit meiner Familie gelebt und bis zu dem Zeitpunkt, an dem mir Mac und dann Aenna begegnet waren, jeden einzelnen Tag davon gehasst. Hätte mein Vater mich wegen meiner kleinen Brüder nicht gebraucht, wäre ich nie mitgekommen. Umso verwunderter war ich gewesen, als er damals zustimmte mit zurück in die Staaten zu ziehen.

Nahezu blind cruiste ich durch Glasgow und parkte, ein paar Straßen vom Strathclyde Country Park entfernt, in dem ich früher mit meinen Brüdern oft abgehangen war. McFraser Safety stand auf dem unteren Schild des zweistöckigen Backsteinhauses, dessen Türsummer ich nun drückte.

Die Tür flog auf und Mac grinste mich an. »Pog mo thon!«, dröhnte er, zog mich in seine Arme und klopfte mir fest auf die Schulter. »Du bist da!«

»Hast doch wohl nicht wirklich gedacht, du bist mich los.«

»Na, die Hoffnung stirbt zuletzt.«

Ich stieß ihn spaßhaft zur Seite und Mac schloss die Tür. »Hab uns Isle of Arran Bier besorgt.«

»Wie passend«, sagte ich schmunzelnd und folgte ihm in die Küche.

»Wo ist dein Gepäck?«

»Im Auto. Ich hol's später.«

Wir setzten uns an einen groben, dunklen Holztisch und Mac stellte mir das Bier vor die Nase.

»Wie laufen die Geschäfte?«

»Kann nicht klagen. Es ist zwar beschwerlich, in Glasgow seiner wahren Natur zu frönen, aber der Aufwand lohnt sich. Ich kann meine Rechnungen zahlen und arbeite mich nicht zu Tode.« Mac grinste verschmitzt und seine schwarzen Augen blitzten auf.

Wir waren gemeinsam zur Schule gegangen und hatten unsere Ausbildung im gleichen Betrieb gemacht. Im Gegensatz zu mir war Mac übernommen worden und irgendwie war ich davon ausgegangen, dass er mal unseren Ausbildungsbetrieb von Rupert nach dessen Ableben weiterführen würde.

»Und bei dir?«, fragte er mich und nahm einen tiefen Schluck von dem Bier, das uns in jüngeren Jahren einige Hangover verpasst hatte.

»Seit der Bindungszauber aufgehoben wurde, hab ich einiges zu tun. Die Gerichte sind überlastet und Sicherheitskräfte werden plötzlich an allen Ecken und Enden gebraucht.«

»Und trotzdem bist du hier. Warum?«

»Weil er leidet. Zum zweiten Mal, wohlgemerkt. Und weil ich ganz genau nachvollziehen kann, wie er sich fühlt. Er hat bereits eine Frau durch den Tod verloren. Cary ist ein guter Kerl und hat es nicht verdient, so vom Schicksal verarscht zu werden.«

Mac nickte. Dann fuhr er sich durch seine langen Haare. »Alec McArran ist verdammt clever. Ich hab die besten Kontakte in Schottland auf sie angesetzt, aber nichts. Absolut nichts. Ich frage mich, ob sie vielleicht schon längst wieder aus Schottland verschwunden ist. Vielleicht war es nur eine falsche Fährte, die sie gelegt hat, oder wir suchen sie mit dem falschen Ansatz. Immerhin sind wir keine ausgebildeten Detektive, Ki.«

»Ich weiß. Trotzdem haben wir ein besseres Verständnis und entsprechende Kontakte.«

Eine Weile saßen wir schweigsam und ich genoss den Geschmack des herben Ales und die Gesellschaft meines alten Freundes.

»Und wie geht's dir? Denkst du noch an sie?« Mac zeigte auf den Schriftzug an meinem Kopf.

»Jeden Tag. Jeden verdammten Tag. Ich denke, der Rat war sich überhaupt nicht bewusst, was er den Leuten mit dieser Sache angetan hat, und ich kann nachvollziehen, warum viele Nachtschwärmer wütend sind. Es sind nicht nur die Scheidungen, die jetzt laufen. Es sind genug Leute da draußen, die wie ich jahrzehntelang geliebt hatten, deren Herz gebrochen wurde, und anstatt sich irgendwann zu erholen und einer weiteren Liebe die Chance zu geben, panisch darauf warteten, die Eine oder der Eine möge doch bald kommen, um diesem Schmerz ein Ende zu bereiten. Wir sind alle nur Nachtschwärmer. Keine Roboter. Und dieser verfluchte Rat hat mit dem gespielt, was das Kostbarste auf der Welt ist – der Liebe.«

»Tut mir leid, Alter.«

»Muss es nicht. Schätz dich einfach glücklich, dass dir dieser Scheiß erspart geblieben ist. Wobei wir zu dem kommen was mir auf der Seele brennt: Was läuft da mit der kleinen Roughlin?«

Mac verschluckte sich unvermittelt am Bier. Fallen Roughlin war die kleine Schwester unseres Kumpels. Wir hatten sie aufwachsen sehen und nun …

»Dieser Sauhund hat es dir erzählt?«

Ich lachte laut auf. »Schlimm genug, dass ich es von ihm hören musste.«

»Ich wollte mir erst ganz sicher sein. Wenn ich es mit ihr verbocke, bekomme ich es ja wohl nicht nur mit Kellan zu tun, sondern auch mit dir.«

»Also ist es ernst?«

Ein Lächeln zog in sein Gesicht und er zuckte die Schultern. »Sie ist meine Eine.«

Ich hob die Flasche und stieß mit ihm an. »Was für Zeiten. Ein Vampir und eine Gestaltwandlerin. Unfassbar. Ich freu mich für euch!« Genüsslich leerte ich die Flasche. »Und wenn du ihr wehtust, komm ich extra nach Schottland geflogen, um dir dafür in den Arsch zu treten.«

Seufzend stand er auf und besorgte uns zwei weitere Flaschen. »Es fängt schon an. Aber zu deiner Info: Das hab' ich nicht vor. Und jetzt wo du wieder die magische Grenze übertreten hast, wird das hoffentlich nicht der einzige Grund bleiben, weswegen du mich besuchen kommst!«

Zwei

Tuesday

Gerädert goss ich mir einen Kaffee ein. Den Vierten, seit ich aufgestanden war. Die Nacht war kurz gewesen, nachdem meine Recherchen über die rothaarige Frau nichts ergeben hatten und Stuart meine Anrufe nicht entgegennahm.

Es war verrückt. Ich fühlte mich beruhigt und aufgewühlt zugleich. Die Gewissheit, mal wieder recht gehabt zu haben, so traurig es auch erschien, relaxte mich ungemein. Nichts währte ewig. Nicht mehr. Nicht, seit der Bindungszauber aufgehoben worden war.

Und auch zuvor hatte mich jede Beziehung ausgebremst. Bremste mich der Gedanken aus, verlassen zu werden, was zur Folge hatte, dass ich mich in meinen Beziehungen nie fallen ließ. Nie bis zum Äußersten ging. Liebe? Nope. Nicht für mich.

Trotzdem wurmte es mich, dass Stuart es offenbar nötig hatte, mich zu bescheißen. Besonders, weil er so lange hinter mir her gewesen war. Ich mochte ihn wirklich und es ärgerte mich maßlos, wie er sich gerade verhielt.

Ich stürzte den Kaffee runter, zog mir schwarze Chinos und ein hellblau gestreiftes Hemd über und krempelte die Aufschläge hoch. Barfuß tappte ich die Wendeltreppe hinunter in mein Büro, das einen eigenen Eingang besaß. Die Mieten in Glasgow waren horrend, weswegen ich es mir nicht leisten konnte, richtige Geschäftsräume zu mieten.

Sue gehörte mit ihrer Festanstellung zur einzigen Sache, für die ich monatlich einen Batzen Geld ausgab. Sie war Teilzeit bei mir angestellt und führte mein Büro während der Tagesstunden. Sue war ein Mensch und meine beste Freundin, auch wenn sie nichts von meinem wirklichen Wesen wusste. Sie studierte morgens, kam mittags, um zu arbeiten, und ging meistens, sobald ich herunterkam und wir Übergabe gemacht hatten, weswegen ich mich wunderte, warum ich sie heute nicht antraf.

Ich schaltete die Lichter ein, schloss auf und sah nach draußen. Einige Passanten strömten an meinem Geschäft vorbei, doch keiner linste zu mir durch die bodennahen Frontscheiben. Mein Telefon klingelte, aber ich wollte zuerst checken, was heute anlag, deswegen ließ ich es klingeln und setzte mich an den Schreibtisch, um mir die Notizen anzusehen, die Sue mir auf einen Block gekritzelt hatte.

Auf einem Zettel stand: Ruhiger Mittag. Hab Univorbereitungen. Melde mich danach.

Frustriert klappte ich den Laptop auf und las in meinem Kalender. In letzter Zeit gab es mir zu viel ruhige Mittage und ich musste mir ernsthaft überlegen, ob ich nicht etwas mehr die Werbetrommel rühren sollte. Nur Mund zu Mund Propaganda schien nicht mehr auszureichen und auch wenn ich keinen ausschweifenden Lebensstil führte, wollte ich meinen Luxus – Sue – nicht missen.

Seufzend begann ich zu lesen:

Kellermann anrufen.
Doyle Recherche.
Bericht Roberts anfertigen.
Strom und Gasrechnung bezahlen.
22 Uhr Kundengespräch, Blue Dog.

Ein Kundengespräch. Na wenigstens etwas. Allerdings … Ich zückte mein Handy und schrieb Sue Blue Dog?

Ich ging nicht mit Kunden essen oder auf einen Drink. Niemals. Alle Gespräche führte ich im Büro, deswegen wunderte ich mich über ihren Eintrag.

Bevor ich mit Ms Kellermann telefonierte, die Auskunft über die Freizeitgestaltung ihres einzigen Kindes, einem achtzehnjährigen Womanizer, wollte, sah ich auf die Uhr. Es war bereits halb neun, somit blieb mir eine gute Stunde, bevor ich losmusste.

Flott schmiss ich die Anlage an und rannte rauf in meine Wohnung, um mir einen Becher Blut warm zu machen. Der Fünfzigerjahre Beat meiner selbst zusammengestellten Playlist vibrierte durch meinen Körper. Hüfte wackelnd und laut mitgrölend tänzelte ich zurück ins Büro, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm und mein Blick zur Eingangstür schnellte. Erschrocken verpasste ich die nächste Stufe und fiel … direkt in seine Arme. Das Blut schwappte über sein T-Shirt und tränkte das Weiß in ein helles Rot.

»Fuck«, brummte der Kerl, der mich hielt, als würde er mich über die Schwelle tragen wollen.

»Schlippriges Scheißerchen«, sagte ich und biss mir peinlich berührt auf die untere Lippe.

»Was?« Seine schrägen Augenbrauen zogen sich einen Tick weiter runter und eigentlich sollten mir bei seiner düsteren Ausstrahlung die Knie schlottern, aber um Furcht vor diesem starken Kerl zu haben, dürfte er nicht so verflixt verführerisch riechen. So würzig. Ein bisschen wie Opium.

Grinsend deutete ich auf das Blut an seiner Brust. »Tja. Jetzt bist du tatsächlich zum Anbeißen.«

»Du schuldest mir ein T-Shirt«, erwiderte er, ohne einen Hauch Belustigung in der Stimme, und gab mich frei.

»Vergiss es. Jetzt sind wir quitt. Mein verpatztes Dessert gegen dein verhunztes T-Shirt.« Ich trabte wieder die Treppen hinauf und bedeutete ihm mitzukommen. »Na, wer ist nun hier der Stalker?«

»Ich stalke dich nicht. Deine Detektei ist mir empfohlen worden, wobei ich mir gerade nicht sicher bin, ob Mac sich einen Spaß mit mir erlaubt.«

»Mac?« Überrascht drehte ich mich zu dem Kerl um. »Mac hat dich geschickt? McFraser-Mac?«

»Jap. Warum so überrascht?«

»Da hinten ist mein Bad«, entgegnete ich, ohne seine Frage zu beantworten. »Wenn du möchtest, wasch ich dein Shirt und werfs in den Trockner.«

»Dafür hab ich keine Zeit.« Er entledigte sich der Jeansjacke, zog das Shirt über seinen Kopf und drehte den Wasserhahn auf. Mit seinen Händen wusch er sich das Blut vom Oberkörper, trocknete sich mit dem Geschirrtuch ab und schlüpfte wieder in seine Jacke. Das T-Shirt hielt er zerknüllt in den Händen.

Das Ganze dauerte keine Minute, aber mir kam die Szene vor wie ein neunzig Minuten Film. Magic Mike ließ grüßen.

Ich leckte mir über die Lippen, als seine Stimme tief in meinen Bauch widerhallte: »Babe. Bevor wir beide uns dem hingeben, was ich in deinen Augen lese, sollten wir uns immer noch erstmal vorgestellt haben.«

Mein Blick löste sich von seinem Sixpack und den bunten Tattoos, die seinen kompletten Oberkörper zierten, und wanderte hinauf zu dem hellen Grün seiner Augen.

Das war ja übel! Ich war in einer Beziehung, auch wenn sich dieser Mistkerl, der sich mein Freund nannte, momentan nicht bei mir meldete. Abweisend verschränkte ich die Arme unter der Brust. »Was ist deine Gabe?«

Sein linker Mundwinkel zuckte auf und er lehnte sich lässig mit der Hüfte gegen den Küchentresen. »Unterstellst du mir etwa, dass ich vampirische Fähigkeiten benötige, um eine Frau zu beeindrucken?«

Ich schnalzte missbilligend mit der Zunge. Die Art, wie er seine Frage stellte, mit dieser Selbstsicherheit, nervte mich. Offensichtlich hatte ich es mit einem waschechten Sonnyboy zu tun. »Anders würdest du mich nicht beeindrucken können.«

»Ach«, sagte er und auch der andere Mundwinkel zog sich nun nach oben. »Ich beeindrucke dich?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

Er rückte vor und seine Lippen berührten sacht mein Ohrläppchen. »Doch. Hast du.«

Ich hob die Hand, legte sie auf seine breite, harte Brust und schob ihn von mir. »Versuchst du meine Gefühle zu beeinflussen?«

»Riechst du denn etwas? Oder spürst du es nur

»Das verrate ich dir ganz sicher nicht.«

»Schade. Dann behalte ich mein kleines Geheimnis noch ein bisschen für mich.«

Mist! Vielleicht rührte der Opium Geruch von seiner Gabe. Ich wusste es nicht. Sollte wohl zukünftig darauf achten.

»Deine Hand wird dir mein Geheimnis auch nicht verraten. Wenn du aber etwas körperliche Nähe brauchst, kannst du gerne weiter meine Brust streicheln.«

Erschrocken zuckte ich zurück. Doppel Mist! Was war nur los mit mir? Das war nicht ich. Unter keinen Umständen hatte ich mich bisher einem Kerl so angenähert.

Kopfschüttelnd hielt ich ihm den Zeigefinger unter die Nase. »Hör auf deine Fähigkeiten an mir anzuwenden und erklär mir lieber mal, was du hier willst.«

Kion

Was ich hier wollte? Verdammt! Das fragte ich mich auch gerade. Die Berührung ihrer Fingerspitzen hallte auf meiner Brust nach und die Unsicherheit in ihren Augen kickte mich, wie schon lange nichts mehr. Ich mochte Frauen, die nicht so abgebrüht waren, aber trotzdem kontern konnten.

Sie machte eine ungeduldige Geste mit ihrer Hand. »Muss ich Mac anrufen und ihn selbst fragen?«

Jap. Keine schlechte Idee. »Du hattest mal was mit ihm laufen«, riet ich ins Blaue hinein und verschränkte nun meinerseits abwartend die Arme vor der Brust.

Ihre Augen weiteten sich, bevor sie sich abwandte und einen frischen Becher Blut aufwärmte. »Hat er das etwa behauptet?«

»Möglich.«

Sie lehnte sich gegen den Kühlschrank, nippte an dem ultimativen Powergetränk für Vampire und musterte mich eingehend. »Komm mit«, forderte sie mich schließlich auf und ich folgte ihr zurück in die Geschäftsräume.

Sie schaltete die Musik aus, setzte sich hinter ihren Schreibtisch und zeigte zur Eingangstür. »Wir machen das folgendermaßen. Du gehst raus, kommst noch mal zur Tür rein und verhältst dich wie ein Kunde und ich mich wie die Chefin einer gut laufenden Detektei. Solltest du allerdings da sein, um mir auf die Nerven zu gehen, weil du irgendeinen Bullshit mit Mac ausgeheckt hast, bleibst du am besten draußen vor Tür. Dafür fehlt mir die Zeit. Deal?«

Kommentarlos verließ ich das Gebäude und schlenderte die Straße runter zu meinem Auto. Innerlich grinsend warf ich das T-Shirt in den Kofferraum, angelte mir ein frisches aus dem Koffer und zog es an.

Mac hatte mir keine persönlichen Informationen über sie gegeben, deswegen wusste ich auch nicht, was da eventuell zwischen den beiden vorgefallen war. Allerdings hielt er sie für die Beste in diesem Job und er war der Meinung, wenn mir jemand helfen konnte, dann die Day & Night Detektei.

Deswegen ging ich wieder zurück und betrat das kleine Büro, das aus gerade mal einem dunklen Schreibtisch samt dazu passenden Stühlen, zwei Aktenschränken, ein paar Lichtquellen und einer Musikanlage bestand. Entweder war das Understatement in seiner reinsten Form oder die Geschäfte liefen nicht besonders. Gut, ich brauchte mich da nicht weit aus dem Fenster lehnen, denn ich unterhielt überhaupt kein Büro. Tatsächlich wechselten meine Besprechungsräume je nach Auftrag.

Ihre Haare fielen zurück, als sie von der Akte auf ihrem Tisch aufschaute. Ihr Blick glitt zum T-Shirt und wieder in mein Gesicht. Las ich da etwa eine Spur Enttäuschung in ihren Augen?

»Hallo. Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie und ihre sonst melodische Stimme nahm einen geschäftsmäßigen Ton an.

»Aye. Ich bin auf der Suche nach einer kompetenten Detektei.«

Sie zauberte ein zuckersüßes Lächeln auf ihre Lippen und wies auf den Holzstuhl vor ihrem Schreibtisch. »Bitte, nehmen Sie Platz, Sir. Bei Day & Night sind Sie in den besten Händen und wir freuen uns, wenn wir Ihnen bei Ihrem Anliegen behilflich sein dürfen.«

Ich musste mir ernsthaft auf die Wangeninnenseite beißen, um nicht laut loszuprusten. Dieses Mädchen war komplett verrückt. »Vielen Dank«, erwiderte ich und setzte mich. »Ihre Detektei ist mir empfohlen worden und ich benötige Ihre Dienste für einen extrem wichtigen Auftrag. Ich bin auf der Suche nach einer Frau.«

»Oh«, hauchte sie und klimperte mit den Wimpern. Klimperte! »Möglicherweise haben Sie Ihren Freund falsch verstanden. Wir sind ein Detektivbüro. Keine Heiratsvermittlung. Und auch kein Escortservice.« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Es tut mir wirklich seeehr leid, aber ich denke nicht, dass ich Ihre Wünsche erfüllen kann.«

Bedächtig leckte ich über meine Lippen und tauchte in ihren glitzernden Blick. »Komisch«, raunte ich, »warum bin ich mir nur verdammt sicher, dass du all meine Wünsche zu meiner vollsten Zufriedenheit erfüllen kannst?«

Die Luft knisterte und für ein paar Sekunden blendete sich der Raum aus. Das Silber ihrer Iris hellte sich auf und sie öffnete den Mund. Doch bevor sie etwas sagen konnte, klingelte ihr Handy und was auch immer uns eben in diese Blase gehüllt hatte, zerplatzte mit einem Schlag.

»Ja?«, sagte sie, das Telefon fest ans Ohr gedrückt und ich sah ihr an, wie es sie nervte, dass ich in der Lage war mitzuhören. Was ich auch schamlos tat.

»Hi, Süße, bin gerade auf der Toilette, nicht wundern. Brauchte eine Ausrede, um kurz rauszugehen. Ich sag's dir, die sind so verstockt.«

Okay. Das wollte ich doch nicht hören. Vielleicht sollte ich lieber meine Lauscher kappen … Naah. Von wegen.

»Warum triffst du dich dann überhaupt mit denen? Du bist clever und kannst dich auch einer anderen Gruppe anschließen.«

»Kontakte, Dee. It's all about Business. Aber jetzt schnell. Den Mann, den du im Blue Dog treffen sollst, hat aus Sicherheitsgründen diesen Ort gewählt. Wenn du damit nicht einverstanden bist, geh nicht hin. Eine Telefonnummer hab ich nämlich auch nicht aus ihm rausbekommen.«

»Hm«, brummte sie und schien zu überlegen. »Um was geht's denn?«

»Das weiß ich auch nicht. Aber es ist wohl sehr dringlich. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass er unsere Hilfe wirklich sehr dringend braucht.«

»Wir sind aber keine Sicherheitsfirma. Hast du ihm das gesagt?«

»Klar. Das kam gleich nach dem Kommentar, dass wir nur Mädchen sind.«

Ich lachte, aber Dee verdrehte nur die Augen. »Na gut. Ich überleg's mir.«

»Gib mir einen Wink, wenn du gehst.«

»Mach ich. Bis später.«

»Bis dann – ach, warte! Hat Stuart sich endlich gemeldet?«

Sie seufzte. »Bis später, Sue.«

»Ich kenne das Blue Dog. Soll ich dich begleiten?«, fragte ich sie, nachdem sie aufgelegt hatte.

»Ähm. Nein, danke. Ich arbeite schon ein paar Jahre in diesem Job und bin bisher bestens zurechtgekommen. Also«, sagte sie mit Blick auf die Uhr, »ich hab's eilig. Wobei kann ich dir helfen?«

Ich zog mein Handy aus der Jackentasche und rief die beiden Bilder von Alec und Marley auf. »Ich bin auf der Suche nach diesen beiden Personen. Alec und ihr Bruder Ley, genannt Marley McArran. Sie sind am neunten Februar mit American Airlines nach Glasgow geflogen und seither untergetaucht. In ihren Pässen sind sie als Leanda und Paul Rhys geführt. Sie sind Werwölfe und stammen ursprünglich aus Ayr.«

Dee nahm mir das Telefon aus der Hand, tippte etwas hinein und im nächsten Moment surrte ihres. »Ich hab mir die Bilder geschickt. Wie alt sind sie?«

»Ley ist fünfzehn und Alec sechsundzwanzig.«

»Genau wie ich«, murmelte sie, während ihr Stift rasch über den Notizblock kratzte. »Gehören sie einem Pack an?«

»Sie haben dem Coreline Pack angehört und werden vermutlich von diesem gesucht. Das Ayr Pack könnte in die Suche involviert sein. Es ist extrem wichtig, dass ich sie zuerst finde und keiner von der Suche Wind bekommt.«

»Ist das eine private Sache oder dein Job?« Sie legte den Stift auf die Seite und drehte den Ring an ihrem Finger. War sie etwa nervös?

»Ist die Antwort dafür ausschlaggebend, ob du mir hilfst?«

»Tatsächlich ja. Hör mal, Day & Night besteht aus mir und Sue, meiner Halbtagskraft. Natürlich hab ich Kontakte und Verbindungen, letztlich bin ich aber auf mich gestellt. Eine Fehde mit einem Pack zu beginnen, ist eine Nummer, die ich genauestens abwägen möchte. Ich muss die exakten Beweggründe kennen, alle Fakten, die du an der Hand hast, alles worauf ich mich einzustellen habe und vor allem, was für einen Part du darin spielst.«

Okay. Und eben erntete sie eine ganze Menge Respektpunkte. »Geht klar. Ich weihe dich in alles ein, was ich weiß. Aber das dauert. Darf ich dich nach deinem Termin im Blue Dog zum Essen einladen?«

»Nein.«

»Nein?«

»Nein.« Sie schüttelte vehement den Kopf. »Ich gehe mit Kunden nicht essen, auf einen Drink oder sonstiges Privates. Arbeit und Vergnügen bleiben strikt getrennt. Immer.«

Und ein weiterer Respektpunkteflash schob sich hinterher. Offensichtlich verfolgte die verrückte Schönheit genau den gleichen Arbeitskodex wie ich. Was absolut dazu beitrug, ihr in dieser Sache zu vertrauen, denn was ich bisher von ihr erlebt hatte, förderte ehrlich gesagt wenig ihre angebliche so von Mac gelobte Professionalität.

Ich stand auf und ging zur Tür. »Melde dich, wenn du fertig bist. Ich geh mir so lange etwas hinter die Kiemen hauen. Vermutlich ein paar Crêpes. Mit Rum. Und 'nem Kaffee.«

»Bampot!«, nuschelte sie und ich lachte leise. Jap. Wirklich sehr professionell seinen Kunden Idiot zu nennen.

Das gab einen weiteren Sympathiepunkt.

Auf meiner privaten Liste.

Tuesday

Als ich das Blue Dog betrat, hielt ich es vor Spannung kaum noch aus. Was brachte so einen attraktiven Vampir dazu, nach Schottland gereist zu kommen, um nach einer Frau und ihrem Bruder zu suchen? Und sich nebenbei noch mit zwei Packs anzulegen! Der gefährliche Blick, der durch seine schrägen Augenbrauen verstärkt wurde, wenn er nicht gerade grinste oder lachte, schien wohl nicht nur ein Ausdruck in seinem Gesicht zu sein. Weswegen ich nach unserem Gespräch erst mal Hintergrundinformationen über ihn einholen würde. Selbst wenn er von Mac kam.

Ich durchforstete das Lokal und mein Herz sackte mir in die Hose. Am hintersten Tisch saß Stuart und sah mich freudestrahlend an. Was macht der denn hier? Ich drückte mich durch die Menge, denn wie jeden Abend war die Bar bis zum Bersten gefüllt. Es war meine und Sues Lieblingsbar und die Nächte, in denen wir im Blue Dog unsere Ales gezischt und über Männer tiefsinnige Gespräche geführt hatten, konnte ich schon gar nicht mehr an einer Hand abzählen.

»Liebling«, sagte Stuart, umschloss sanft meinen Oberarm mit seinen kalten Fingern, beugte sich zu mir und küsste mir die Wangen.

»Was machst du hier? Und wieso reagierst du nicht auf meine Anrufe?«, brachen die Worte schnell aus mir hervor, unfähig ihn ebenso schicklich zurück auf die Wangen zu küssen. Diese Eigenart war sowieso eines der Dinge, die ich nicht sonderlich an ihm mochte, es jedoch akzeptierte, weil ich ihn mochte