DIETMAR MUELLER-ELMAU
SCHLOSS ELMAU
EINE DEUTSCHE GESCHICHTE
KÖSEL
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Copyright © 2021 Kösel-Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Umschlag: Weiss Werkstatt, München
Umschlagmotiv: © Schloss Elmau
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-16666-3
V002
SCHLOSS ELMAU
für meine Kinder David, Mira, Tara,
Marie-Lena, Daniel und Elisa
»Gedenke Ihrer in diesen unbeschreiblichen Tagen, in denen das Ich völlig verschwunden ist und nur der Glaube allein noch helfen kann.«
(Prinz Max von Baden in einem Telegramm an seinen »Seelenführer« Johannes Müller am Tag nach seiner Ernennung zum Reichskanzler am 3. Oktober 1918)
»Man könne der lebendigen Wirklichkeit Gottes als seinem wahren Wesen nur unmittelbar wie ein Kind in einem unbewusst selbstvergessenen und nicht mehr hinterfragbaren Urvertrauen der Seele gewahr werden. Dies geschehe von selbst, wenn man sich nicht mit sich selbst befasst, ganz von sich absieht, im schöpferischen Lebensstrom untergeht, sich als Zelle im Ganzen und als Strahl im Lichtermeer Gottes einfühlt und darin lebensbejahend und wunschlos von allem unabhängig wird. Dann werde man den Atem der Schöpfung spüren und im All aufgehen, wo das große Schweigen und tiefe Stille herrschen.«
(Dr. Johannes Müller, Gründer von Schloss Elmau)
Vorwort
Dank
Ferien vom Ich (1916–1932)
Martin Cramer über Johannes Müller (1932)
»Du bist nichts, dein Volk ist alles« (1933–1946)
Von der Zivilisationskritik zum Zivilisationsbruch?
Purim im Erholungsheim für Überlebende der Shoa (1947–1951)
Über die Freiheit und Ihre Feinde
Klassische Musik als Medium der Aussöhnung (1951–1996)
Liberaler Protestantismus als politische Theologie?
Historische Auseinandersetzung (1997–2004)
Widerstand gleich Beistand?
Abriss und Wiederaufbau (2005–2014)
Historisierung und Geschichtsbewusstsein
Schloss Elmau Retreat und G7-GIPFEL 2015
Über die andauernde politische Relevanz protestantischer Zivilisationskritik
Bildteil
ANHANG
Schloss Elmau Symposien und Debatten
Teilnehmer der Schloss Elmau Symposien
Veröffentlichungen der Schloss Elmau Symposien
Literaturverzeichnis
Bildhinweise
Quellenhinweise
1916 wurde Schloss Elmau von meinem Großvater, dem protestantischen Theologen und Philosophen Dr. Johannes Müller (1864–1949), als »Freiraum des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens« erbaut. Seine Leser sollten hier inmitten unberührter Natur Urlaub vom Ich machen und bei Konzerten und Tanzabenden mit klassischer Musik selbstvergessen »der lebendigen Wirklichkeit Gottes als ihrem wahren Wesen unmittelbar gewahr werden«. Zu seinen größten Bewunderern gehörten Prinz Max von Baden, Walther Rathenau, Martin Buber und die berühmten Theologen Ernst Troeltsch und Adolf von Harnack, dem Begründer des Kulturprotestantismus und engsten Berater des Kaisers, der noch heute als der politisch und theologisch »wirkungsmächtigste Religionsintellektuelle« (Friedrich Wilhelm Graf) im liberalen Protestantismus gilt.
1933 übertrug Johannes Müller im Widerspruch zu seinem Abstraktionsgebot – dem zufolge Gott in dieser, aber nicht von dieser Welt sei – sein protestantisches Ideal einer Freiheit vom Ich auf die politische Forderung nach Unterordnung des Ich unter das Wir einer »Volksgemeinschaft des brüderlichen Für-Einander- Daseins«. Völlig überraschend vor allem für seine vielen jüdischen Gäste, wollte er fortan in Hitler, den er bis dahin ignoriert hatte, aufgrund dessen »Du bist nichts, das Volk ist alles« den Führer einer »Nationalen Revolution des Gemeinsinns über den Eigensinn« sehen, die allerdings nur mithilfe der Juden als den »besseren Deutschen« und »edelsten Vertretern des geistigen Adels« gelingen könne. Seine öffentliche Kritik am Antisemitismus, den er als »Schande für Deutschland« bezeichnete und der ihn und seine Kinder auch davon abhielt, Mitglieder der Partei zu werden, führte aufgrund seines Aufrufs zur Gefolgschaft von Hitler nicht zur sofortigen Inhaftierung in Dachau, sondern nur zur Einschränkung und schließlich zum Verbot seiner Veröffentlichungen und Vortragsreisen. Um der drohenden Beschlagnahmung durch die SS zuvorzukommen, verpachtete er Schloss Elmau 1942 an die Wehrmacht als »Erholungsheim für Fronturlauber«.
1945 wurde Schloss Elmau von der US Army als Lazarett beschlagnahmt. Johannes Müller wurde in einem mangels rechtlicher Grundlagen umstrittenen Spruchkammerverfahren als Hauptschuldiger verurteilt, da sein Eintreten für die Juden ohne politischen Widerstand die Wirkung seiner »Verherrlichung von Hitler in Wort und Schrift« außergewöhnlich verstärkt habe. 1946 übernahm das Bayerische Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte Schloss Elmau ohne Rechtstitel in Besitz und nutzte es als Erholungsheim für Displaced Persons und Überlebende der Shoa.
1951 verpachtete die Bayerische Staatsregierung aus Sorge vor Schadensersatzforderungen infolge einer erfolgreichen Revision des Urteils Schloss Elmau an meinen Vater Bernhard Müller-Elmau und seine Schwester Sieglinde Mesirca, die als designierte Erben nach Einstellung des Verfahrens 1961 Eigentümer von Schloss Elmau wurden. Konzerte und Tanzabende mit klassischer Musik dienten fortan nicht mehr nur der Erbauung, sondern vor allem der Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden. 1957 gründeten die nach London emigrierten Dirigenten Hans Oppenheim und das weltberühmte Amadeus Quartett die Deutsch-Britische – sprich deutsch-jüdische – Musikwoche, die Schloss Elmau auch zu einer international renommierten kulturellen Institution machte.
1997 habe ich Schloss Elmau gepachtet, um das denkmalgeschützte Gebäude zu modernisieren und als Cultural Hideaway neu zu definieren. Neben Konzerten und Festivals mit den großen Künstlern der klassischen Musik und des Jazz bereicherten Buchvorstellungen und Literaturtage sowie die Auseinandersetzung mit deutscher und jüdischer Geschichte das kulturelle Programm. Hierzu habe ich vor allem mit Gelehrten aus Israel und den USA Symposien zur Ideengeschichte der politischen Theologie durchgeführt, mit denen ich auch öffentliche Debatten über die Notwendigkeit einer Einwanderungspolitik und Vertiefung der transatlantischen Beziehungen anstoßen wollte.
2005 musste Schloss Elmau nach einem Großbrand weitestgehend abgerissen werden. 2007 konnte ich das neue Schloss Elmau 2007 nach meinen Vorstellungen in neuer Großzügigkeit als Luxury Spa & Cultural Hideaway wiederaufbauen und mit einem jüdischen »Tarbut« und transatlantischen Forum eröffnen.
2015 markierte die Fertigstellung des Retreats und der außergewöhnlich harmonische und politisch erfolgreiche G7-Gipfel schließlich einen von mir lang ersehnten Höhepunkt auf dem langen Weg von Schloss Elmau und Deutschland in den Westen.
In der zweiten Auflage meines Essays habe ich auch ein Kapitel über den G7-Gipfel angefügt und meine ideengeschichtlichen Reflexionen über deutsche Geschichte ohne direkten Bezug zwischen die Kapitel über Schloss Elmau eingeschoben.
Mein Engagement in Schloss Elmau wäre nicht möglich ohne die unermüdliche Kritik, Ermutigung und Unterstützung vor allem meiner Ehefrau Heidrun und meiner Kinder David, Mira, Tara, Marie-Lena, Daniel und Elisa, aber auch meiner Geschwister Hans-Hubert, Thurid, Gerlind, Hiltrud und Inga und meiner Freunde und Mitglieder des Beirates Vincent Jaeger-Booth, Martin T:son Engstroem, der auch Geschäftsführer des gemeinnützigen Kulturförderkreises von Schloss Elmau ist, und Dietrich von Boetticher, der sich zusammen mit mir auch an dem neuen Schloss Elmau beteiligt hat.
Bedanken möchte ich mich auch bei meinen vielen langjährigen Mitarbeitern, alle voran bei Silvia Daferner-Schmitten und bei meinem Cousin und Architekten Christoph Sattler, dem Enkel des Architekten meines Großvaters, der mich nicht selten auch entgegen seinen Überzeugungen immer dabei unterstützt hat, meine Konzeption für die Architektur und Innenarchitektur des neuen Schloss Elmau weitestgehend umzusetzen.
Mein ganz besonderer Dank gilt den vielen großen Künstler*innen und Autor*innen für ihre außergewöhnliche Verbundenheit und Wertschätzung, welche die Fortführung der weltweit einzigartigen musisch-literarischen Tradition von Schloss Elmau ermöglicht. Stellvertretend für alle kann ich an dieser Stelle nur Maestro Grigory Sokolov nennen, den vielleicht größten Pianisten unserer Zeit, den ich erst nach jahrelangen Bemühungen dazu überreden konnte, in einem Hotel aufzutreten. Seine Konzerte und die Gespräche mit ihm über Politik, Steinway-Flügel und Komponisten sind für mich immer ein ganz besonderer Höhepunkt des Jahres.
Ebenso möchte ich mich bei den Teilnehmer*innen an den Schloss Elmau Symposien bedanken, allen voran bei Prof. Dr. Saul Friedländer für »Wagner im Dritten Reich« zur Ideengeschichte des Nationalsozialismus; Prof. Dr. Christoph Schmidt für Symposien zur Ideengeschichte der politischen Theologie im Christentum und Judentum; Prof. Dr. Gabriel Motzkin für »Europas Grenzen und die orientalische Frage« und »The Lesser Evil? Über den Vergleich von Nationalsozialismus und Kommunismus«; Prof. Dr. Michael Brenner für »Jews as Cosmopolitans?« und zusammen mit Prof. Dr. John Efron für »Judaism through Muslim Eyes and Islam through Jewish Eyes« und »Jews and Muslims in Christian Europe and America«; Prof. Dr. Reinhard Schulze für »Die islamische Moderne als politische Theologie?«; Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf für »Die politische Relevanz kulturprotestantischer Religionskultur«; Prof. Dr. Eric Gruen für »Diaspora in Antiquity« über Identitätspolitik in der Antike; Prof. Dr. Natan Sznaider für »Global America?« und »Universalisierung der Erinnerung an den Holocaust?«; Prof. Dr. George Delanty für »Europe beyond East and West?« über Identitätspolitik in Europa; Craig Kennedy und Karen Dornfried für die Transatlantischen Foren des German Marshall Fund in Washington, die von dem leider viel zu früh verstorbenen Dr. Ronald Asmus begründet wurden; Botschafter Prof. Dr. hc. Wolfgang Ischinger für das Strategy Forum der Munich Security Conference, Dr. Rachel Salamander für den »Tarbut«, mit dem sie Schloss Elmau auch zu einem Ort innerjüdischer Debatten gemacht hat, und last, but not least bei Prof. Dr. Dan Diner für die immer wieder aufs Neue inspirierenden Gespräche über Geopolitik, politische Theologie und jüdische Geschichte auch als Deutungsachse deutscher und europäischer Geschichte, sondern auch für seine unverzichtbaren Literaturhinweise und Anregungen, ohne die ich diesen Essay nicht hätte schreiben können. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Cousin und Lektor Stephan Sattler, für seine wertvollen Verbesserungsvorschläge und Ergänzungen.
Über alle Maßen dankbar bin ich Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel für ihre Entscheidung, den G7-Gipfel 2015 in Schloss Elmau abzuhalten. Mein Dank gilt auch Botschafter und Chef des Protokolls Jürgen Christian Mertens für die überaus vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung dieses außergewöhnlich harmonischen und politisch erfolgreichen Gipfels, der den Weg zu dem Pariser Klimaabkommen geebnet hat und auch wegen dem ikonografischen Bild von Angela Merkel und Barack Obama auf der Bank vor dem Wettersteingebirge in die Geschichte eingehen und lange positiv in Erinnerung bleiben wird.