cover

Daniela Oefelein

Wer sind diese Kinder und warum sagen sie Mama zu mir?

Was am Elternsein so beschissen schön ist

Kösel

Copyright © 2015 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlag: Weiss Werkstatt, München

Umschlagmotiv: plainpicture/vonwegener.de

ISBN 978-3-641-16686-1

www.koesel.de

Inhalt

Gebrauchsanleitung für dieses Buch

Vorspann

Was bisher geschah – das Leben vor Mama

Die Geburt und der lange Weg dorthin

Geschwisterliebe oder -hiebe?

Die gute Figur – eine miese Verräterin!

Wohlverzogen: Die Sache mit der Erziehung

Der Piesler – von Anfang an fremdbestimmt

(Un-)Endlich Mama

Übersorgen!

Die Schlacht um Betreuungsplätze

Problemzonen des Haushalts

Oje, ich habe ein Schulkind – warum hat mich keiner gewarnt?

Work-Life – und nichts in Balance!

Abspann

Outtake

Danksagung

Gebrauchsanleitung für dieses Buch

Was Sie unbedingt vor Gebrauch dieses Buches wissen sollten: Ich habe nicht vor, hiermit Literaturgeschichte zu schreiben. Mit den Geschichten aus meinem Familienalltag will ich für Sie eine Art Projektionsfläche schaffen, die Sie entweder zum Lachen oder aber zum Heulen bringt, vielleicht sogar wütend macht. Im besten Fall erkennen Sie sich an der einen oder anderen Stelle wieder. Was dies dann in Ihnen auslöst, kann ich leider nicht vorhersehen. Was immer es ist, ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel.

Dieses Buch liest man übrigens, wie alle anderen Bücher auch, von links nach rechts. Es gibt keine horizontale Dramaturgie. Sie können die Kapitel also völlig durcheinander lesen. Möglicherweise sollte die Geburt aber doch vor der Kindererziehungsproblematik drankommen.

Falls Ihnen ein Kapitel gar nicht gefällt, reißen Sie die Seiten einfach heraus und basteln mit Ihren Kindern Papierflugzeuge – dann haben meine Zeilen doch noch Sinn gemacht. Oh, und so von Mutter zu Mutter: Sie könnten die nächsten zwei bis drei Stunden auch wirklich sinnvoll nutzen: Endlich mal joggen gehen? Sich einen neuen Haarschnitt gönnen? In Ruhe eine Freundin treffen oder die Küche putzen … Ob Sie wirklich lieber dieses Buch lesen, liegt ganz in Ihrer Hand. Ich übernehme für keines der folgenden Worte die Haftung. Die Verantwortung dafür, was meine Kinder täglich anstellen, reicht mir dicke. Wie viel auf diesen Seiten Dichtung oder Wahrheit ist, bleibt natürlich mein Geheimnis. Es gibt jedoch Menschen in meinem näheren Umfeld, die behaupten, ich neige extrem zu Übertreibungen. Aber das stimmt natürlich üüüberhaupt nicht!

Vorspann

Laut Wikipedia handelt es sich bei Memoiren um Aufzeichnungen von selbst erlebten Begebenheiten oder Denkwürdigkeiten. Wikipedia schreibt zudem, Memoiren gehen von einer gefestigten Identität eines seiner sozialen Rolle bewussten Individuums aus. Aber die Memoiren einer arbeitenden Mutter und Hausfrau folgen definitiv anderen Regeln. Warum?

Weil eine arbeitende Mutter von Partner, Kindern, Job und Haushalt fremdgesteuert wird – und das bei Kinderkrankheiten auch gerne mal 24 Stunden am Tag. Wie soll man denn da bitteschön gefestigt sein? Ich weiß ja ab und zu gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich hetze so durch meine Tage, dass ich manchmal das Gefühl habe, ich renne auf einer Autobahn mit 140 km/h und verliere genau in dem Moment die Kontrolle, in dem ich merke, dass ich von meinen eigenen Füßen überholt werde. Wie soll ich denn da noch Zeit für die schöne Aussicht links und rechts von der Straße haben? Und genau deshalb schreibe ich bereits in der Mitte meines Lebens so eine Art Memoiren.

Ich bin jetzt 42 Jahre alt, glücklich mit Georg verheiratet, habe zwei wunderbare Kinder (Charly, 4 Jahre, und Lissi, 8 Jahre) sowie einen tollen Job als Fernsehautorin und -redakteurin. Ich liebe meine Familie aus tiefstem Herzen – obwohl sie mir manchmal schier den Verstand raubt. Wie soll ich auch klar denken können, wenn ich nach einem achtstündigen, aufreibenden Arbeitstag gerade das Abendessen koche, mein Mann sich mal wieder verspätet und ein Kind heulend auf dem Sofa sitzt, weil es lieber Buchstabennudelsuppe als Spaghetti zum Abendessen will, während es das andere Kind beim Einradfahren voll auf die Schnauze haut, wie ich aus dem Augenwinkel durchs Küchenfenster sehe? Ich renne mit dem Notfallsackerl nach draußen, tröste und verarzte meine Tochter. Als ich in die Küche zurückkehre, sind die Nudeln verkocht und mein Sohn hat in der Zwischenzeit eine halbe Tafel Schokolade gegessen. Was er natürlich empört abstreitet. Ich würde ihm wahrscheinlich glauben, wäre sein Gesicht nicht total verschmiert.

Ehrlich, ich hege die berechtigte Angst, dass ich den ganzen Irrsinn, der mir da täglich unerwartet vor die Füße springt, bis zu meinem 60. Geburtstag entweder in die hintersten Gehirnwindungen verdrängt habe oder dass dann die Demenz bereits das Zepter übernommen hat. Deshalb stoppe ich nun in der Halbzeit meines Lebens und spule die Zeit bis zu meinem ersten Schritt ins Mutterwerden zurück. Hiermit halte ich alle selbst erlebten Denkwürdigkeiten fest und hoffe, dass Sie sich davon gut unterhalten fühlen. Wenn Sie sich mit diesem Buch auf dem Klo einsperren und eine Runde kichern, während Ihr Nachwuchs an die Tür hämmert – dann habe ich einen guten Job gemacht.

Erst mal vorweg: Meine Familie ist mein Ein und Alles. Ich liebe die Nächte, in denen vier Füße über den Flur trippeln, um sich dann beidseitig fest an mich zu kuscheln. Diese sanften, zärtlichen, kleinen Zauberwesen, die mir das Gefühl geben, ich bin wirklich das Beste, was es auf der ganzen Welt gibt! Ihre Mama.

Warum nennen mich meine Kinder eigentlich Mama? Ganz einfach – ich bin eine Old-Schoolerin und will von meinen Kindern nicht mit meinem Vornamen angesprochen werden. Ich bin ja nicht ihre Freundin – sondern ihre Mama. Und das bin ich gern! Diesen Zustand, so anstrengend er auch ist, will ich bis ins letzte Detail auskosten, denn er ist ein unbezahlbares Geschenk. Immerhin unterscheide ich mich dadurch deutlich von allen alleinstehenden, stressfreien, entspannten und selbstbestimmten Nichtmüttern. Was nicht heißt, dass ich diese nicht oftmals unglaublich um ihre uneingeschränkte Freiheit beneide.

Es hat etwas Magisches, wenn diese hellen, schlaftrunkenen Stimmchen ein leises »Mama« hauchen. Da stört es mich auch nicht, dass es zwei Uhr nachts ist und ein »Ich will die Flasche« folgt. Natürlich ohne »Bitte«. Ein zärtlich gesprochenes »Mama« entschuldigt in meinen Augen viel, nein – eigentlich alles. Ich würde lieber viermal täglich mein Haus putzen, als wieder ein zielloser, einsamer Freigeist zu sein, der einfach so in den Tag hineinleben kann.

Aber: Sosehr mich meine Familie auch beflügelt, sie ist trotzdem oft ein richtiger Klotz am Bein. Oder ist es nur mein persönliches Problem, auf der einen Seite von meiner Familie immer an den Rand der Überforderung gedrängt und vom sich täglich wiederholenden Alltag gleichzeitig so gelangweilt zu sein? Es ist ein bisschen wie bei »Und täglich grüßt das Murmeltier«. Aufstehen, Frühstück und Brotzeiten zubereiten, Kinder anziehen und zu ihren Betreuungen bringen. Noch schnell den Haushalt polieren und schon mal das Abendessen vorkochen, um dann aufgeräumt, gut vorbereitet und mit bester Laune in der Arbeit aufzuschlagen. Auf dem Nachhauseweg gilt es, bloß in keinen Stau zu geraten. Sie haben keine Vorstellung davon, wie viele Schleichwege ich kenne. Dann Kinder abholen, Abendessen, Zähne putzen, Geschichten vorlesen. Danach noch die Küche putzen. Und wenn alles schläft, bereite ich mich auf meinen nächsten Arbeitstag vor.

So geht das Tag für Tag, sommers wie winters, jahrein, jahraus. Mein Mann Georg ist Kameramann und oft wochenlang weg. Er dreht Filme für ARD, ZDF, BR und Kino. Manchmal macht er auch Werbung und Dokumentarfilme. Er weilt oft in anderen Städten und Ländern. Er kann sich in Ruhe seiner Arbeit widmen – für die er wirklich leidenschaftlich brennt. Klar, er kann ja auch beruhigt sein, weil er weiß, dass ich daheim unsere Kinder, den Haushalt und meine Arbeit schon irgendwie gebacken bekomme.

Dass seine Abwesenheit für mich der blanke Horror ist, kann er natürlich nicht nachvollziehen. Er war ja noch nie sechs Wochen lang mit unseren Kurzen allein zu Hause oder hat mit ihnen alleine Urlaub gemacht. Das ist kein Vorwurf, ich habe von Anfang an gewusst, dass er keinen Nine-to-five-Job hat. Fakt bleibt jedoch: Seine Absenz ist für mich und die Kinder immer sehr anstrengend.

Was sicher auch daran liegt, dass ich leider keine Größe in Sachen Geduld bin. Während mein Mann stundenlang und in sich ruhend unserem Sohn beim Anziehen zusehen kann, laufe ich innerlich die Wände hoch, weil ich weiß, dass ich mal wieder zu spät in die Arbeit komme. Also motze ich meinen Filius an, dass er sich gefälligst beeilen soll! Kein besonders guter Start in den Tag.

Als wäre das Mamasein nicht Arbeit genug, habe ich auch noch einen Job. Seit Neuestem – zum ersten Mal, wie Sie hier lesen – sogar als Buchautorin. Sonst denke ich mir TV-Ideen aus, die ich dann unterschiedlichen Fernsehproduktionen anbiete. Manchmal erfolgreich, manchmal nicht. Zudem schreibe ich Dialogbücher für laufende Serien. Seit März 2014 betreue ich inhaltlich die Serie »Dahoam is Dahoam« als freie Redakteurin vor Ort. Das bedeutet, dass ich vor dem Bayerischen Rundfunk für alle Inhalte der Serie verantwortlich bin. Ich lege in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma alle Schicksale der Lansinger Dorfbewohner fest, sodass am Ende schöne Geschichten auf dem Schirm landen – die die Zuschauer so begeistern, dass sie am nächsten Tag gerne wieder einschalten.

Fernsehen und Film klingt für Sie sicher nach Glamour und Party. Da muss ich Sie jedoch enttäuschen. Eine Serie ist ein tägliches Geschäft, und auch beim Fernsehen wird hart gearbeitet. Wie in jedem anderen Unternehmen gibt es Besprechungen und fixe Abgabetermine. Eine Fernsehproduktion ist auch nur eine wirtschaftliche Fabrik, die an jedem Tag einen bestimmten Output haben muss. Ich arbeite nicht nur zu Hause in meinem Büro, sondern bin auch drei Tage die Woche in Dachau – wo die Serie inhaltlich produziert und auch gedreht wird.

Wenn also Georg außer Haus ist, scheuche ich jeden Morgen wie ein Oberleutnant meine Kids aus dem Haus, damit ich meine Termine einhalten kann. An zwei Nachmittagen nimmt mir eine Nanny die Kinder ab, damit ich in meinen Sitzungen keinen Zeitdruck habe. Wenn ich dann abends wieder zu Hause bin, peitsche ich meine Kinder pünktlich ins Bett, damit der nächste Morgen keine überraschenden Verspätungen mit sich bringt. Oft sitze ich dann abends auf dem Sofa und bin todunglücklich darüber, wie sehr ich meine Kinder stresse, damit ich sie, den Haushalt und meine Arbeit – mehr recht als schlecht – unter einen Hut bringe. Ich fühle mich dann alleinerziehend, obwohl dieses Martyrium teilweise zwar lang, aber Gott sei Dank nicht endlos ist. (An dieser Stelle mein hochachtungsvolles Mitgefühl an alle Single-Mums. Ich bewundere es absolut, wie ihr das kräftetechnisch schafft.)

In diesen harten Zeiten steht mir meist meine beste Freundin Susi zur Seite. Bei ihr kann ich mich ausheulen, ohne Gesichtsverlust. Wir kennen uns seit dem Kindergarten. Wir haben zusammen die erste Zigarette geraucht – die hatten wir höchst professionell aus einem Notizzettel und frisch gepflücktem Gras gerollt. Gesundheitlich sehr bedenklich, weil am Ende auch noch schön mit Tesa zugeklebt. Susi war zudem jahrelang meine Tennispartnerin, sie Links- ich Rechtshänderin. Unsere Gegner nannten uns: die Wand! Wir verdienten außerdem unsere erste Kohle gemeinsam, indem wir jahrelang bei Wind und Wetter Zeitungen austrugen. Wir trösteten einander durch diverse Liebeskummerphasen und fuhren viele Sommer jedes Wochenende gemeinsam an den Gardasee. Sie ist meine Trauzeugin und ich bin die Taufpatin ihres Sohnes Max, der mittlerweile zwölf Jahre alt ist. Vor 20 Jahren traf sie ihren Mann Nick und vier Jahre später ich meinen Georg. Wir haben keine Geheimnisse. Dank Susi werden meine inneren Monologe zu Dialogen. Sie ist meine Seelenverwandte, obwohl wir unterschiedlicher nicht sein könnten: Sie ist verheiratet, hat ein Kind, geht zweimal wöchentlich ins Fitnessstudio, führt einen gut laufenden Brautmodeladen und wirkt immer relaxed und gut organisiert. Was sicher auch daran liegt, dass Nick den Hausmann gibt. Leider wohnt sie mittlerweile 300 Kilometer entfernt und ich vermisse unsere Mädelsabende, an denen wir gelacht und uns gegenseitig das Herz ausgeschüttet, zu viel Wein getrunken und uns am nächsten Tag in der Arbeit krankgemeldet haben. Krank sein und abends ausgehen, das fällt als Mutter sowieso beides aus. Da geht es Ihnen vermutlich nicht anders? Aber um die Distanz zu überwinden, gibt es das World Wide Web, Facebook und E-Mails – so weiß ich immer Bescheid, was meine liebe Freundin treibt.

Daniela Oefelein

An: Susanne Waack

16.11.2014 10:24

Ein bayerisches Servus aus dem Süden der Republik!

Wenn du denkst, bei mir tut sich nix, dann liegst du aber gehörig falsch. Du wirst es nicht glauben, aber nach über 3000 Folgen Daily Soap ist nun ein Verlag verrückt genug und traut mir tatsächlich zu, einen »witzigen Familienratgeber« zu schreiben. Diese Chance konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Das wird das persönlichste Projekt, das ich je verfasst habe. Ich freue mich wirklich riesig darauf. Der Vertrag ist unterschrieben und abgeschickt und ich habe keinen Plan, wie ich das neben meiner Familie und meinem Job noch schaffen soll. Natürlich dreht Georg noch bis Weihnachten einen Film fürs ZDF. Irgendwas mit »Karriere und Küssen«. Mist, Mist, Mist. Ich brauche dringend deinen Rat! Wollte dich auch fragen, ob wir uns mit den Kids in den Weihnachtsferien treffen wollen? Wäre doch schön. Geht es Max gut?

Bis später, ruf durch!

Daniela

Susanne Waack

An: Daniela Oefelein

16.11.2014 10:24

Leider bin ich bis einschließlich 19.11.2014 im Urlaub und nicht erreichbar. Ich melde mich nach meiner Rückkehr.

Mit freundlichen Grüßen

Susanne Waack

Hallo? Susi ist im Urlaub? Wieso weiß ich nichts davon? Hätte sie ja mal auf Facebook posten können.

Aber am besten nutze ich jetzt die Zeit, bis ich Lissi und Charly wieder abholen muss, und beginne mit meinen Aufzeichnungen. Natürlich von Anfang an. Ich verrate nur so viel: Im Jahr 2007 – kurz nach der Geburt meiner großen Tochter und der x-ten wachen Nacht – sagte eine Stimme aus dem Chaos zu mir: »Lächle und sei froh, es hätte schlimmer kommen können!« Ich lächelte und war froh. Und natürlich kam es schlimmer.

Was bisher geschah – das Leben vor Mama

Im Drehbuch kommt jetzt der »Recap«, das ist die Zusammenfassung dessen, was bis zum eigentlichen Anfang des Hauptfilms schon alles geschah: Ich landete an einem sonnigen Septembertag im Jahre 1973 auf diesem Planeten. Das hervorragende Wetter prägte wohl mein fröhliches Gemüt. Der liebe Gott legte mir zudem ein impulsives Temperament mit in die Wiege. Ich war die zweite Tochter in unserem Haushalt. Wir waren ganz normale Schwestern – liebevoll bis hysterisch. Meine beste Freundin hieß Susi.

Ich wuchs wohlbehütet im Münchner Westen auf. Kein Scheidungskind, keine größeren Katastrophen und Sorgen. Ich war einfach nur ein glückliches Kind. Allein die Mathematik machte mir jahrelang viel Ärger. Aber ich glich meine Fünfer in Mathe und Physik mit guten Noten in Deutsch und Englisch aus. Deshalb spezialisierte ich mich schon früh auf Buchstaben.

In meiner Pubertät war ich grauenvoll. Meine arme Mutter: Wenn Lissi so wird wie ich, dann habe ich es verdient. Und zwar alles! Meine erste große Liebe war, wie erste Lieben zu sein haben: schön turbulent und irgendwann vorbei. Irgendwann war 1995. Danach folgte das Singleleben. Ganz ehrlich, ein Single ist nicht immer nur traurig. Ich war young, wild and free! Es war die Zeit der Sprungbrettmänner. Das sind die Typen, die dabei helfen, dass man sich nicht mehr so an die Erinnerungen an die erste große Liebe klammert. Die geraten dann vor lauter Spaß in Vergessenheit. An diesen Männern erkennt man aber auch, was Mister Perfect alles nicht sein darf. Mister Perfect zeigt einem zum Beispiel nicht beim ersten Date, dass sein Slip einen zweiseitigen Eingriff hat. Er sollte auch nicht – mit nur 16 Jahren – mit seiner 48-jährigen Physiklehrerin Sex gehabt haben, nur damit er nicht sitzen bleibt. Definitiv uncool ist es auch, das Abendessen beim zweiten Date nackt zu kochen. Diese Typen sind reine Nutzmänner. Wegweiser. Liebeskummer ist dabei von vornherein ausgeschlossen.

Ursprünglich wollte ich Radiosprecherin werden. Doch kein Münchner Sender war an mir interessiert – nicht mal als Praktikantin. Nach meinem Abitur fand ich es dann schick, Architektin zu werden. Leider hatte ich elf Wartesemester vor mir. Um die Zeit zu überbrücken, absolvierte ich eine Lehre zur Kauffrau in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Danach schloss ich sogar noch ein Studium zur Dipl. Immobilienfachwirtin ab. Dann startete endlich mein Architekturstudium und die Ernüchterung folgte: Die Hauptfächer waren Physik und Mathe, und ich wurde schon zum Ende des ersten Semesters wieder exmatrikuliert.

Danach stieg ich erst mal ein Jahr aus und durchreiste die halbe Welt. Auf einer sehr lustigen Privatparty lernte ich 1998 den Produzenten von Pearson Television kennen. Er bot mir meinen ersten Job beim Fernsehen an. Ich startete – als absoluter Quereinsteiger – als Praktikantin bei »Herzblatt« und war für die Kandidatenauswahl verantwortlich. Castings in Deutschland und Österreich folgten.

1999 war das Schicksalsjahr: Ich traf auf meinen Lebensgefährten, meinen Mann Georg. Wie jedes dritte Ehepaar lernten wir uns bei der Arbeit kennen. Ich war die Assistentin des Produzenten für einen Abschlussfilm der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Georg war der Kameramann. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch, trafen uns aber erst nach Fertigstellung des Films das erste Mal privat. Georg war der Mann, der mich gefühlstechnisch in einer völlig neuen Dimension gefährlich angreifbar machte. Aber ein gewisses Risiko gibt es immer, und wer nicht wagt, der nicht gewinnt!

Georg war perfekt. Also fast: Er hatte keine Ahnung vom Kochen. Als ich das erste Mal zu Besuch bei ihm war und hungrig den Kühlschrank öffnete, gähnte mich absolute Leere an. Obwohl, nicht ganz: Wie es sich für einen guten Kameramann gehört, lagerten dort zwei Filmrollen. Wir bestellten Pizza.

Georg und ich hatten den gleichen Humor, dieselben Hobbys und Interessen. Freunde treffen, Skifahren, Klettern am Gardasee – wir waren ständig auf Achse. Trotzdem ließen wir uns genügend Raum, damit wir beide beruflich unseren jeweiligen Weg verwirklichen konnten. Als Kameramann war Georg manchmal wochenlang unterwegs. Das war für mich überhaupt kein Problem. Ich wollte nie einen Partner, der wie eine Klette an mir klebt. (Da war ich ja auch noch keine Mama!) Ich hatte genügend Zeit für meine Arbeit und meine Mädels. So schlich sich auch keine Langweile in unsere Beziehung ein. Mit Georg fühlte sich alles so leicht und einzigartig an. Freunde von mir sagen ja, man müsse ein wenig verrückt sein, um mich zu ertragen. Ich bin ein Zappelphilipp. Ich muss ständig in Bewegung bleiben, ein Chill-Wochenende gibt es mit mir nicht. Ich brauche Ausflüge, muss Leute treffen, Neues sehen und erleben. Urlaube mit mir sind anstrengend, weil ich pro Tag mindestens vier Stunden rumkommen will, anstatt nur am Strand abzuhängen. Zudem bin ich schadhaft schadenfroh – egal, ob bei Freunden oder Fremden. Ein Beispiel: Seit Georg mich kennt, zieht er mich damit auf, dass ich hysterisch auf Bienen, Wespen und Hornissen reagiere. Ich springe schon mal in den See und bleibe 30 Sicherheitssekunden unter Wasser, damit diese Kreaturen meine Spur verlieren. Georg findet, ich gebe mit diesem Verhalten unseren Kindern eine falsche Message. Er referiert dann immer besonnen vor den Kurzen, dass diese Tiere nicht gefährlich sind – solange man friedlich mit ihnen zusammenlebt und sie nicht reizt. Können Sie sich vorstellen, wie ich mich kaputtgelacht habe, als sich eine Wespe in sein Nasenloch verflog, fröhlich zustach und dann zufrieden weiterzog? Natürlich verabreichte ich Georg Apis-Globuli. Die Dosierung war leider nur nicht so einfach, weil mich mein Lachkrampf so schüttelte, dass permanent mehr als zehn Kügelchen aus der Flasche schossen.

Warum bin ich noch anstrengend? Wie jede Frau, die etwas auf sich hält, liebe ich Tratsch. Es gibt doch nichts Schöneres, als vor anderen Haustüren den Dreck aufzukehren. Das lenkt prima von einem selbst ab. Und wenn Sie das nächste Mal im Kino sitzen und jemand furchtbar laut hinter ihnen schluchzt, weil auch im neuen Cinderella-Kinofilm – völlig überraschend – am Anfang zuerst die Mutter und dann auch noch der Vater stirbt, dann bin das sicher ich. Außerdem will ich immer alles perfekt machen, was für Mitbewohner beschwerlich bis tödlich sein kann. Sie sehen, meine Freunde liegen mit der Einschätzung meiner Person nicht ganz verkehrt. Aber Georg hat Humor und anscheinend auch ein unglaubliches Durchhaltevermögen.

Wir schrieben das Jahr 2002. Ich arbeitete als Producerin bei der Daily Soap »Marienhof«. Eine Producerin betreut den Kunden und Auftraggeber, also die Redaktion des Senders. Ich war verantwortlich für den Serieninhalt, das Casting, das Kostüm und die Ausstattung – praktisch das Mädchen für alles. Privat machte ich einen neuen und aufregenden Schritt.

Daniela Schaefer

An: Susanne Waack

03.04.2002 17:48

Hey, es gibt Hammernews! Georg und ich ziehen endlich zusammen. In eine wunderschöne Drei-Zimmer-Galerie-Dachterrassen-Wohnung in der Au. Drei Dachterrassen: Ost, Süd und West. Für jede Tageszeit eine eigene. Völlig im Grünen. Na, was meinste?

Susanne Waack

An: Daniela Schaefer

03.04.2002 20:16

Nach drei Jahren Beziehung – keine große Überraschung!

Daniela Schaefer

An: Susanne Waack

03.04.2002 20:32

Das ist alles, was dir dazu einfällt? Ich mag dich heute nicht!

Susanne Waack

An: Daniela Schaefer

03.04.2002 20:36

Egal.

Daniela Schaefer

An: Susanne Waack

03.04.2002 20:42

Pass mal auf. Ich habe seit drei Monaten immer ein Ohr für dich und dein Baby. Ich finde, wir könnten mal wieder über mich reden! Das ganze Windel- und Stillgedöns – sorry, es nervt.

Susanne Waack

An: Daniela Schaefer

03.04.2002 20:48

Das Baby heißt Max. Hör auf, ihn immer nur mit »das Baby« zu titulieren! Max ist natürlich lange nicht so spannend wie die Frage, ob Töppers nun von seiner Annalena betrogen wird oder nicht! Glaub mir, ich lebe im Gegensatz zu dir in der realen Welt. Max macht Sinn. Mein Job als Abteilungsleiterin hingegen war schnell neu besetzt. Max braucht mich und zwar nur mich. Und er gehört jetzt zu mir! Besser, du gewöhnst dich daran.

Daniela Schaefer

An: Susanne Waack

03.04.2002 20:54

Musst du ja jetzt sagen. Das liegt an deiner zwanghaften Unfähigkeit, dass du nie zugeben kannst, wenn du einen Fehler gemacht hast. Ja, Annalena wird Töppers betrügen. Ich verrate dir aber nicht, mit wem!

Es wundert Sie sicher nicht, dass danach erst einmal Funkstille herrschte. Nichts von Susi zu hören, brachte mich fast um. Natürlich war mir klar, dass ich zu weit gegangen war. Aber ich war immer eine gute und einfühlsame Freundin gewesen. Und diese »Mamaproblematiken« konnte ich damals wirklich noch nicht verstehen. Heute weiß ich: Ein Neugeborenes als Fehler zu bezeichnen, war wirklich absoluter Schwachsinn! !!

Aber sorry, für diese Elterngespräche war ich der absolut falsche Ansprechpartner. Ich war weder Erzieherin noch Mama. Ich hätte genauso gut über Einsteins Relativitätstheorie plaudern können. Woher sollte ich auch wissen, was es heißt, ein Kind zu haben? So eine tiefe Liebe für ein Geschöpf zu empfinden, mit all den großen Sorgen inbegriffen.

Heute ist mir klar: Ich ließ damals kein Fettnäpfchen aus. Nein, ich war Olympiasiegerin in der Disziplin, zum ungünstigsten Zeitpunkt Geschmacklosigkeiten von mir zu geben. Beispiel: Die 18 Monate alte Nele macht noch keinen Schritt, ja, nicht einmal Anstalten, sich hochzuziehen. Alle anderen Kids in diesem Alter laufen. Die Mutter ist ohnehin schon hochalarmiert. Ich (lösungsorientiert): »Bist du sicher, dass Nele nicht behindert ist?« Der 20 Monate alte Max spricht – zum großen Kummer seiner Eltern – noch fast kein Wort. Ich (einfühlsam): »Aber taub ist er nicht, oder?« Ich ahnte ja nicht, was für Urängste in Mamas stecken können und wie wichtig eine altersgerechte Entwicklung ist.

Erkälteten Zwergenbesuch schubste ich gerne mal von meinem Sofa. Ich wollte keinen Rotz an meinem Kissen – nur, weil die Mutter ihrem Kind die Nase nicht putzte. Mit alldem hatte ich nichts am Hut. Noch nicht.

Ich fand die Kinder meiner Freunde durchaus niedlich, aber zwei Nachmittage im Monat waren ausreichend. Ich verstand auch nicht, wieso niemand mehr mit mir ausging. Ich wurde ständig zum Essen nach Hause eingeladen, weil Kino und Babysitter den Mädels zu teuer waren. Klar, sie arbeiteten ja jetzt nur noch 20 Stunden pro Woche. Da kommt netto nicht mehr so viel rum.

Was ich damals nie zugegeben hätte, war, dass ich insgeheim brutal neidisch auf meine Mädels war. Sie waren alle viel mutiger als ich, sie waren mir einen großen Schritt voraus. Sie hatten aufgehört, sich nur noch um sich selbst zu drehen. Sie hatten Familien gegründet und Verantwortung für kleine Wesen übernommen.

Ich hatte mich, Georg, meinen Job und unsere tolle Wohnung. Ich redete mir ein, meine Freiheit zu genießen, und lebte mein Leben als Serientäterin. Meine Familie war zu dieser Zeit der »Marienhof«. Ich konnte mitentscheiden, wer krank, betrogen, verlassen, ermordet oder bestohlen wurde. Ich kümmerte mich um Hochzeiten, ließ Kinder auf die Welt kommen und lieb gewonnene Figuren beerdigen. Das war meine Welt. Das war 2002. Das war die Ur-Daniela. Heute weiß ich: Dieses Leben war zwar eine Menge Spaß – aber eben noch nicht der ganze Funpark!