ALBERT
ANDAKAWWA
Geheimster Geheimagent aller Zeiten
DER DIAMANT IM DACKEL
Zeichnungen von Horst Klein
Patricia Schröder,
1960 geboren, lebt mit ihrem Mann auf einer Warft an der Nordsee. Ein Känguru besitzt sie zwar nicht – geschweige denn, dass sie auf einem reiten könnte –, dafür aber eine ganze Reihe anderer Tiere. Ihr „richtiger“ Beruf ist Textildesignerin, noch lieber aber als Muster für Krawatten oder Unterhosen denkt sie sich Geschichten aus, und so hängte sie ihren ersten Beruf vor einigen Jahren kurzerhand an den Nagel.
Inzwischen sind zahlreiche Kinder- und Jugendromane veröffentlicht. Mehr über die Autorin unter
www.patricia-schroeder.de.
Horst Klein
wurde 1965 im Bergischen geboren, verbrachte aber prägende Jahre in Ostfriesland, bevor er 1989 für sein Studium in visueller Kommunikation nach Krefeld zog. Dort ist er dann auch kleben geblieben und arbeitet heute als Illustrator und Grafiker für Verlage und Zeitschriften, Hans und Franz. Er hat eine Frau und zwei Kinder. Die heißen aber anders.
www.malenfuerzahlen.de
1. Auflage 2014
© Arena Verlag GmbH, Würzburg 2014
Alle Rechte vorbehalten
Einband und Illustration: Horst Klein
ISBN 978-3-401-80346-3
www.arena-verlag.de
KAPITEL 1:
VON WARZEN
UND HUNDEN
„Was machen wir bloß damit?“, fragt meine Freundin Sofie. Sie wirft den kleinen Goldring hoch in die Luft, den ich mir in meinem allerersten Fall als geheimster Geheimagent aller Zeiten erarbeitet habe. Irgendwann hatte er mal einen Edelstein. Aber der ist wohl verloren gegangen. Die Fassung ist jedenfalls leer.
Sofie versucht, den Ring mit der Zunge aufzufangen, doch leider geht das voll daneben.
„He, das ist doch kein Popcorn!“, ruft Max. Unterdessen landet der Ring irgendwo zwischen Mamas Gartenzwergsammlung im hohen Gras unseres ein wenig vernachlässigten Vorgartens.
„Erzähl mir nicht, dass du Popcorn mit der Zunge auffangen kannst“, blafft Sofie ihren Zwillingsbruder an. „Und wie ich das kann!“, blafft der zurück.
„Ha!“, erwidert Sofie. „Deine Zunge ist viel zu kurz.“ „Gar nicht“, sagt Max. Er macht ein Geräusch, das sich in etwa wie URRRGÄÄÄH anhört, und fährt seine Zunge aus. Seine Augen werden immer größer und glubschiger und sein Gesicht läuft vor Anstrengung knallrot an. Dazu schielt er auch noch.
„Du siehst aus wie ein durchgeknallter Ninja-Turtle“, sage ich.
„Kümmere dich nicht um uns, suche lieber den Ring“, empfiehlt mir Sofie. „Klar“, brumme ich. „Ich hab ihn ja auch ins Gras gepfeffert.“
„Ich habe ihn nicht gepfeffert, er ist mir runtergefallen“, korrigiert Sofie. „Ja, weil deine Zunge zu kurz ist“, geifert Max.
„Gar nicht“, geifert Sofie zurück und macht nun ebenfalls auf durchgeknallter Ninja-Turtle.
Eine Weile urrrgääähen sie sich gegenseitig an.
Ich lege mich derweil gähnend ins Gras. Ich gähne … und gähne … und gähne. Plötzlich bemerke ich aus dem Augenwinkel etwas Grünes. Es ist dicker als Gras. Grüner. Vor allem aber ist es gruseliger. Ehe ich mich in Sicherheit bringen oder einfach die Klappe schließen kann, landet der Grashüpfer in meinem Mund. Wie von der Tarantel gestochen, springe ich auf und spucke das Urviech dorthin zurück, wo es hingehört: ins Gras.
„URRRGÄÄÄH! URRRGÄÄÄH! URRRGÄÄÄH!“, brülle ich, strecke die Zunge heraus und schüttle mich.
„Juhuuu!“, quietscht Sofie. „Albert macht mit!“
Sie kommt ganz dicht an mich heran und starrt mich mit ihrem berühmtberüchtigten Röntgenblick an.
„Keine Konkurrenz“, ruft sie ihrem Bruder zu. „Alberts Zunge ist eindeutig am kürzesten.“
„Ist mir völlig egal“, erwidere ich.
Ich hatte einen Grashüpfer im Mund.
Leute, einen Grashüpfer!
„Klar“, sagt Sofie. „Du hast andere Qualitäten. Du bist ja jetzt Geheimagent.“
„Der geheimste aller Zeiten“, setzt Max voller Stolz hinzu.
„Trotzdem kannst du noch lange kein Popcorn mit der Zunge auffangen“, fährt Sofie ihn an.
„Hört endlich auf zu streiten“, brumme ich. „Wir haben ja sowieso kein Popcorn, um es zu beweisen.“
„Hallo, Kinder!“, ertönt da die Stimme meiner Mutter von der Dachterrasse zu uns herunter. „Möchtet ihr Popcorn?“
Wie Granatengeschosse fliegen unsere Blicke zu ihr hinauf. Zwischen einem Oleanderstrauch und einer riesigen Bananenpflanze ragt die Hand meiner Mutter hervor, die eine Popcorntüte mit der Aufschrift Disneyland Paris umklammert hält. „Mamaaa!“, rufe ich. „Das Zeug ist mindestens 100 Jahre alt! Das kann man doch nicht mehr essen!“
Garantiert laufen schon die Schimmelmonster darauf herum.
„Unsinn, Albertchen!“ Meine Mutter stößt ein kurzes, glockenhelles Lachen aus. „Du warst sechs, als wir dieses grauenvolle Wochenende in Disneyland verbracht haben.“
„Na, gut“, murmle ich. „Dann ist das Popcorn eben nur vier Jahre alt.“
„Du warst in Disneyland Paris?“ Sofie sieht mich an, als wäre ich das achte Weltwunder, der Weihnachtsmann und Luke Skywalker in einer Person. „Reg dich ab“, sage ich.
„Es war grauenvoll. Genau wie meine Mutter gesagt hat.“
Jetzt guckt Sofie so, als gehörte ich in die Klapsmühle eingeliefert oder besser direkt im Klo runtergespült.
„Hast du eine Ahnung, was ich geopfert hätte, um ein einziges Mal dorthin zu kommen? Nur für einen popeligen Tag?“, fährt sie mich an.
„Klar“, brummt Max. „Deine bescheuerte Barbie-Puppen-Sammlung.“ Sofie fährt zu ihm herum und durchbohrt ihn mit ihrem Wutblick. „Ich habe keine bescheuerte Barbie-Puppen-Sammlung!“, zischt sie. Dann wirbelt sie zurück und setzt mir ihren Zeigefinger auf die Brust. „Glaub ihm kein Wort, Albert!“ „Wollt ihr nun das Popcorn haben oder nicht?“, ruft meine Mutter und wedelt ungeduldig mit der Tüte.
„Hahaha!“, gackert Sofie los. „Du siehst aus wie ein Warzenmonster!“
„Sehr lustig“, brumme ich.
Mir würde es sehr viel besser gefallen, wenn Superhonk Kevin aus unserer Klasse und seine beiden Unterhonks Tim und Tom wie Warzenmonster aussähen. Max ist zwar manchmal ein bisschen plemplem, aber er ist mein bester Freund. Ich mag ihn genauso gern wie Sofie, und ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn die beiden sich streiten.
„Wenn ihr nicht sofort aufhört, hole ich Jumpie, damit sie euch in den Hintern beißt.“
„Okay, wir hören auf“, bietet Sofie mir an. „Aber nur, wenn du unsere Zungen ausmisst.“
„Ne“, sage ich. „Das mache ich ganz bestimmt nicht.“
Schließlich bin ich Agent. Andakawwa zwar, aber immerhin Agent. Ein solcher Kinderkram ist einfach unter meinem Niewo.
GESTATTEN: ANDAKAWWA ALBERT ANDAKAWWA
Sofie sieht mich an wie die Schlange Kaa aus Das Dschungelbuch, die Mogli hypnotisieren wollte. Doch ihre Augen verwandeln sich nicht in bunte Spiralen. Dafür fangen sie an zu triefen. Bei normalen Mädchen nennt man so was Tränen, bei Sofie bedeutet das: Dauerregen, „Land unter“ und Sirenenalarm.
Ein Wasserfall sprudelt über ihr Kinn und dann an ihrem Hals hinab, verschwindet in ihrem Sommerkleid, kommt an ihren Knien wieder zum Vorschein und rinnt von dort auf ihre Füße. Schon nach wenigen Sekunden schwappt das Wasser aus ihren Turnschuhen.
Horn von Afrika