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Blanca ImbodenFrank Baumann
Schule
SchuljahrKlasseSchuljahrzwei
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Alle Rechte vorbehalten,einschliesslichderjenigen des umzugsweisen Abdrucks und derelektronischen Wiedergabe.© 2016Wörterseh, GockhausenIllustrationen: Frank Baumann, Gockhausen Lektoratund Korrektorat: Andrea Leuthold,Zürich Umschlaggestaltung:Thomas Jarzina, Holzkirchen Layout, Satz undherstellerische Betreuung: Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, UlmPrint ISBN 978-3-03763-073-0 E-Book ISBN 978-3-03763-616-9www.woerterseh.chausz
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auf Seite294
Füralle Saras.Und für Luna, Stefano, Abby, Gisele, Sonja, Christian, Victoria,Guido-Maria, Dani, Roman, Frida, Izmir, Heinz, Paris,Achmed, Sophy, Cara, Heike, Gigi, Lee, Mika, Ada, Suzann, Bettina, Carlotta, Bea, Keegan, Daisey, Alfredo, Daphne, Vicky, Dante, Guy, Alicia, Ryan, Elisa, Dimitri, Dieter,Eleonor,Angel, Ragnar,Elmar, Enrique, Fabiano, Karrie,Felipe, Henrik, Flurina, Aisha, Shannon, Frederica, Pieter,Freya, Gillian,Georgina,Shane, Gianluca, Sam,Gilbert, Bubba, Tilla, Giorgio,Tiffany, Valdemar,Giulia,Rafa,Giuseppe, Heini, Gustav, Yvo, Hannes, Jérôme, Hendrick, Trevor,Henrietta,Ida, Ivana,Matthew, Jack, Jamiro, Darran,Janosch, Jeffrey, Bruce, Cosima, Jocelyn, Amir, Melody, Vince, Leandra, Bruno, Megan, Juri, Hiroshi, Cindy, Kimberly, Alaska, Lenny,Josh, Lilith, Ronia, Amy, Lois, Alf, Lucien, Thorsten, Rovena,Cheyenne, Lotta, Rory, Sergio, Ludwig, Fabrizio, Luzia, Magdalena, Justin, Marcelo, Anaïs, Röbi, Dean, Malcolm, Maike, Darina, Manfred, Coraghessan, Mareike, Dustin, Cathérine, Marlene, Bastian,Jordan, Mathilda,Ian, Boris, Mirco, Candie, Mattieu, Kerstin, Jolanda, Miguel, Charles, Michel, Esther, Monique, J. J., Hubertus,Viggo,Moe, Morena,Sean, Nanni, Pernilla, Nemo, Penelope, Olivier, Nelly, Oriana, Yotam, Pablo, Ariane, Pedro, Regina, Anuschka, Philippa, Aladin, Jean, Pierre, Finley, Priscilla, Adele,Rachel,Fabienne, Quentin, Craig,Pepe, Raphaela, Anastasia, Rico,Austin, Roberta, Zoey,Tess, Romeo,Aschi, Seven, Beni, Salome, Davis,Annemarie, Sandrine, Rosalie, Thierry, Selma, Serena, Brad, Sheila, Tyrell, Silvana, Cameron, Jason, Sinja, Russel, Taylor,Ted, Soraya,Robin, Timon, Filippo, Valeria, Dale, Violetta, Laetitia, Mary, Wendy,Yara, Spencer,Zora,Amalia, Elsa, Benedikta, Ava, Carrie,Sherlock, Aurelio, Stacy,Bligg, Angelina, Arthur, Bryce, Agnes, Bob,Berndund alle anderen Schüler dieser Welt.
WARNUNG: In diesem Buch kommt das Wort SUPER gefühlte 167 325,5 Mal vor.Dies könnte (vor allembei Erwachsenen,insbeson-dere bei Lehrern, Eltern, Gross- und Urgrosseltern) zu bleibenden Schäden in den Sprachzentren des Gehirns führen, zum Beispiel im Broca-Areal oder im Wernicke-Zentrum.Achtung: Wenn du supernichtsuper findest, raten wir dringend von der Lektüre dieses supermässigen Buches ab; es besteht die akute Gefahr einer Superisierung.Die Autoren lehnen jede Verant-wortung ab.Wenn du zusammengezählt hast, wie oft das S-Wort (inklusive Kombinationen) in diesem Buch wirklich vorkommt, dann sause subito auf www.schuleistdoof.ch. Es könnte sich lohnen!
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Wenn ich gewusst hätte, dass alles dermassen aus dem Ruder laufen und ich auf eine so gefährliche Berg-und-Tal-Fahrt geraten würde, wäre ich wohl abgehauen. Ich hätte meine Céline-Tasche gepackt, wäre geflüchtet und hätte mich am Ende der Welt versteckt wie ein australisches Wildkaninchen in seinem Bau. Drei Meter tief unter der Erde. Aber das wäre auch superschade gewesen, denn dann hätte ich einiges verpasst. Ja, nachher ist man immer schlauer,schon klar. Nachher.Meine Schulkameraden nennen mich Sara Super.Ich weiss es.Das ist kein Geheimnis.Zugegeben, es gibt schlimmere Spitznamen. Man könnte mich ja auch Schickimicki-Sara oder Spass-bremse nennen, Streberin oder Möchtegern-Model. Gewisse Nicknames sind voll gemein, ein vorauseilen-der Rufmord könnte man sagen – und man kann rein gar nichts dagegen tun. Da darf ich mich schon glück-lich schätzen, dass man mich Sara Supernennt.Super ist doch super.
8Allerdings nennen sie mich nicht Sara Super, weil ich so super aussehe. Dabei wäre das durchaus eine Möglich-keit. Ich sehe nämlich – und das muss ich jetzt bei aller Bescheidenheit einmal sagen –, ich sehe ziemlich super aus, ich bin sozusagen schön. Ich weiss das, weil ich einen Grossteil meines Lebens vor dem Spiegel ver-bringe. Dasbehaupten zumindest meine Eltern. Dasstimmt natürlich so nicht. Aber ich mag halt meine schönen rotblonden Haare. Die finde ich super. Die türkisen Augen sind auch sehr cool, weil sie manchmal so leuchten und ich oft beobachte, wie sie die Blicke anderer anziehen. Das ist ein superGefühl. Ausserdem habe ich lange Beine, dazu eine supergesunde Haut, ohne Pickel und ohne Unreinheiten. Ich bin super-schlank. Und ich habe viel mehr Kurven als andere Mädchen in meinem Alter. Ich sehe schon fast aus wie eine Frau. Und ich ziehe mich auch supergut an. Kleider bedeuten mir etwas.Kleider sind meine Visitenkarte. Deine übrigens auch, ob du willst oder nicht! Oder denkst du etwa, es spiele keine Rolle, ob du alte Schlabber-T-Shirts trägst oder ein Designer-Top? Ich sag nur: Du kriegst nie eine zwei-te Chance, um einen ersten Eindruck zu hinterlassen! Ich habe in einer Zeitschrift gelesen, dass das Gehirn nur eine Zehntelsekunde brauche, um ein Urteil über
10einen Unbekannten zu fällen. Eine Zehntelsekunde für den ersten Eindruck! Und dieser erste Eindruck bleibe dann meist sehr lange, wenn nicht sogar für immer, be-stehen. Denkst du also wirklich, in dieser kurzen Zeit-spanne erfasse dieses kleine Gehirn deine inneren Werte? Dein wunderbares Wesen? Dein reines Herz? Deine Begabung in Mathematik? Deine Kenntnisse in Fremdsprachen?Vergisses!Im ersten Moment zählt nur das Äussere. Nur! Aus-schliesslich! Also darf man ruhig ein wenig mehr darauf achten, finde ich, ohne gleich eine supereitle Gans zu sein oder in die Tussi-Schublade gemobbt zu werden.Vielleicht denkst du da ja anders drüber. Selber schuld. Glaubs mir: So oder so kommt es nicht nur auf den Style, sondern eben auch auf den Stil an. Mein Vater sagt immer, der »Manhattan« sei das Geheimnis. Und er meint damit Bliggs gleichnamigen Hit. Du kennst den Text auswendig,oder?MACHS MIT STIL, STIL, ODER LASS ES SI, STIL BRINGT DICH AS ZIEL, EGAL WOHER, EGAL WOHI, JA, STIL MUSS SI.
12Und dann eben der superRefrain:ENTWEDER ODER NÖD, MÄNHÄTÄN ODER NÖD, S GAHT BESTIMMT AUOHNI, DOCH MIT IHM ISCH S LÄBE SCHÖN.Ja, sorry, jetzt bin ich ein bisschen abgeschweift, wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei mir (hihi). Wie bereits erwähnt – mit meinem Aussehen hat mein Spitzname nichts zu tun. Leider.Unsere Deutschlehrerin, Frau Fischer, hat ihn quasi er-funden. Sie hackte in einer Stunde dauernd auf mir her-um, weil ich in einem Aufsatz zu oftdas Wort »super« verwendet hatte. Und am Ende nannte sie mich dann Sara SuperstattSara Suter,wie ich tatsächlich heisse. Aber gell, mit Absicht hatsie das kaum gemacht, denn das wäre ja schon fast witzig und würde eine gewisse Art vonHumor voraussetzen, und den hat die Fischer garantiertnicht, ich schwörs. Frau Fischer ist weder lus-tig noch nett, und wir sind keineswegs auch nur annä-hernd befreundet. Im Gegenteil: Seit der ersten Schul-stunde hasst sie mich. Und ich weiss auch, warum: Frau Fischer ist eine absolut mittelmässig aussehende Frau mittleren Alters. Es gibt bestimmt irgendein Adjektiv für
14sie. Aber »super« passt jetzt also ganzsicher nicht. Am ehesten noch so etwaswie grauschimmlig, oder noch besser: graumäusig.Genau. Sie hat so etwas Graumäusigesin ihrem Aus-sehen und vor allem in ihrem Wesen, ihrer Art, ihrem Benehmen.Graumäusig.Das Wort gibt es nicht?Ja, aber hallo, gibt es denn irgend-wo ein Gesetz, das besagt, dass man keine neuen Wörter erfindendarf?Ich glaube,Frau Fischer bemängelt aus Prinzip meinen aus ihrer Sicht »mangelnden Wortschat, und das seit dem ersten Tag. Drum habe ich jetzt ab sofort einen neuen Ausdruck in meinem virtuellen Wörterbuch: graumäusig. Super. Und steigern könnte man das so: graumäusig, graumäusiger,graumausetot.Ich glaube, es gibt nur einen Grund, warum die GM (graue Maus) mich nicht mag: Neid. Purer Neid! Neid auf alles, was jung und bunt und pfiffig ist statt graumäusig und brüllgähnend. Aber sie tut absolut gar nichts dage-gen. Sie trägt beispielsweise nie etwas Farbiges. Schon ein zartes Rosa oder ein Blausa wäre für sie viel zu ge-wagt. Da käme sie sich wohl schon total aufgedonnert
15vor. Ja, ja, Blausa gibt es offiziell auch nicht, aber das ist mir egal, ich befinde mich grad im Wortschöpfungs-modus.Graumäusiges Blausa.Dünnsuppiges Graugelb.Lilöliges Vollnichts.Putzfädiges Fadmelange.Popliges Pupswääk.Graumaus eben.
17Das Bunteste, was ich je an ihr gesehen habe, war etwas Spinat, das nach einem Mittagessen in ihren Zähnen hing. Manchmal, wenn sie so vor der Klasse steht, sieht sie aus, als hätte man bei ihr mit einem Bildbearbeitungsprogramm alle Farben entfernt. Nur bei ihr. Der Rest des Zimmers ist vierfarbig.Sie ist wie ein Fehler im Computer, wie eine Bildschirmstörung, ein Farbloch. Ein geschmacks-befreiter Gedankenstrich. – Guido Maria Kretschmer, der Modedesigner aus der Doku-Soap »Shopping Queen«, würde ins Stromkabel seiner klapprigen Näh-maschine beissen, wenn er die unsägliche Graumaus zu Gesicht bekäme. Der würde sofort ein Styling-Care-team für sie zusammenstellen. Der Vorher-nachher- Effekt wäre garantiert superumwerfend.Am Anfang dachte ichnoch, ich würde mit Frau Fi-scher irgendwie klarkommen, dachte, es wäre voll easy, solange ichnett und freundlich sei (was ich zuLehrern ja grundsätzlich immer bin). Das war aber ein Irrtum, ein richtig grosser. Fast müsste man darüber lachen – aber ich kann es nicht: Als ich meinen ersten Aufsatz zurückbekam, stand da immer wieder am Rand und in Rot: »Wortschatz!« Oder: »Wortwahl!« Zuerst dachte ich, die Deutsch-Tussi mache mir Komplimente, und ich hielt mich schon für die neue Joanne K. Rowling.
18Ich stellte mir vor,wie die Leute über Nacht vor den Buchhand lungen Schlange stehen oder campieren würden, weil um sieben Uhr morgens mein Erstlings-werk in die Läden käme und alle so sehnsüchtig darauf warteten. Ein schöner Gedanke, ein legendär angeneh-mer Traum, aber eben nur so eine ArtSeifenblase, die sofortzerplatzte, als ich am Ende meines Textes die miese Notesah. Da wurde mir klar,dass die GM meine Wortwahl und meinen Wortschatznicht lobte, son-dern kritisierte.Immer wenn ich superverwende, macht sie mich fertig, und sobald ich fantasievoll neue Worte kreiere, ist es auch nicht recht. Ich meine, das ist nun echt zum Schreien.Da gibst du dir Mühe, und sie schraubt dir ein »Ungenügend« rein.Super!In der Primarschule hatte sich keiner an meinen Wort-schöpfungen gestört. Erst jetzt, im ersten Gymnasium, werde ich deswegen genervt.Super.Das kann also noch locker drei Jahre lang so weiterge-hen. Aber die GM, das verspreche ich hier und heute, die GM wird mich nicht verändern. Mich nicht! Ich wer-de mein Maturazeugnis entgegennehmen und immer noch bunt und schön sein. Die Fischer wird ganz be-
19stimmt nicht auf mich abfärben oder mich mit ihrer Graumäusigkeit anstecken. Ich werde auch nicht farb-loser werden,um bessere Noten zu bekommen.Niemals.Diesen Kampf nehme ich auf.Möge die Stärkere gewinnen, Graumausi!
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In der Kantonsschule Kollegium Schwyz, man nennt sie hier »das Kollegi«, bin ich bekannt wie ein bunter Hund, oder vielmehr wie eine bunte Hündin. Das ist allerdings nicht so wahnsinnig schwierig. Schwyz ist ein Kuhdorf, was heisst, dass es hier fast so viele Kühe wie Einwoh-ner gibt. Gut, das ist vielleicht übertrieben. Aber wenn man noch Hühner und Hasen, Pferde, Schweine und Schafe dazuzählt, kommtes bestimmt irgendwie hin. Zumindest fühlt es sich so an. Und die Zahlen sprechen ja eigentlich für sich: Die ganze Gemeinde Schwyz hat gerade mal 15 000 Einwohner und die Stadt Zürich allein schon fast 414 000. Rechnet man die Agglome-ration hinzu, kommt man im Grossraum Zürich auf eine Million Menschen.Warum ich Schwyz mit Zürich vergleiche? Weil ich von da komme! Selbstverständlich ist es nicht automatisch so, dass es umso besser ist, je mehr Leute irgendwo leben, das weiss ich auch. Aber die Chance, Gleichge-sinnte zu finden, ist logischerweise grösser, wo mehr Menschen aufeinandertreffen. Und hier in Schwyz ist
die Chance doch wesentlich grösser, in einen Kuhfladen zu treten,als einer Seelenverwandten zu begegnen.Im Zahlenspiegel des Kantons Schwyz habe ich gese-hen, dass ungefähr jeder dritte Einwohner eine Kuh hat. Und jeder – jeder! – ein Huhn. So sieht es aus. Ja, klar, nein, nicht wirklich, aber im Durchschnitt, statistisch gesehen halt schon.Manche haben aber auch bloss einen Vogel ;-))Und rundherum Berge! Nix als Berge. Darum heisst es ja Schwyzer Talkessel. Wir sind hier eingekesselt, um-zingelt, eingesperrt!Die meisten Menschen hier können nicht weiter se-hen – und erst recht nicht weiter denken – als bis zum nächsten Hügel, bis zur nächsten Felswand. Dashat jedenfalls meine Mutter neulich gesagt. Gut, sie hatte mal wieder Kopfschmerzen, und dann ist sie unaus-stehlich und findet alles superpainful. Sie verträgt nämlich den Föhn nicht, den gemeinen Südwind, der hier von den Bergen herab wie ein riesiger Mürbteig in den Talkessel fällt und sogar den Eingeborenen den sturen Grind zunderobsi bringt. Der Föhn sei ein Sauhund, meinte Mum neulich wörtlich. Aber ich weiss, meine Mutter würde auch ohne Schädelbrummen lieber heute als morgenvon hier ab hauen. Egal wohin, nur auf und
25davon. Am liebsten, das ist klar, nach New York, London oder Paris, nach Mailand, Hamburg oder – zumindest zurück nach Zürich. Sie singt es sogar manchmal laut-stark durchs Haus, gemeinsam mit Adrian Stern:CHUM, MIRHAUED AB . .. CHUM, MIRSTIGED INÄS FLUGZÜÜG UND VERSCHWINDETUF AMERIKA ...Schwyz ist in jeder Hinsicht dermassen Off-Broadway, dass man es kaum fassen kann. Aber auch ich bin ja nicht freiwillig hier. Meine Eltern haben mich, mitten im sechsten Schuljahr, aus meiner Klasse gerissen und skrupellos hierher mitgeschleift. Ans Ende der Welt. Ich bin praktisch ein Entführungsopfer (wie seinerzeit John-ny Depps Mutter, die Volksmusiksängerin Jasmin Janser, du erinnerst dich).Aber es war halt so, dass mein Vater die einmalige Chance bekam, hier eine gut gehende Praxis zu über-nehmen. Und weil Zahnarztsein auch nicht mehr das ist, was es früher einmal war, weil die Billigkonkurrenz aus dem Ausland den Markt überschwemmt, musste Paps nach dem entfernten Rettungsring greifen und sich daran festklammern wie der einzige Überlebende einer grossen Schiffskatastrophe im Panamakanal amRettungsring eines japanischen Containerschiffs mit
26Heimathafen Kuba. So ähnlich hat er es jedenfalls er-klärt. Was mein Vater mit dem Überlebenden einer Schiffskatastrophe gemein haben soll, habe ich nicht wirklich verstanden. Aber meine Mutter hat sich nicht gegen den Umzug gewehrt. Jedenfalls nicht erwäh-nenswert gewehrt.Anfangs dachte ich, ich müsste hier untergehen wie eine entwurzelte und in völlig falscher Erde wieder ein-getopfte Primel im sintflutartigen Sommerregen. Aber ich bin zäh wie ghanaisches Gecko-Gulasch.Irgendwie halte ich michüber Wasser.Frag mich nicht wie, denn alles ist daneben.Aber ich überlebe.Irgendwie.Ich ignoriere den ländlichen Wahnsinn.Leichter gesagtals getan.Doch ich passe mich an.Noch leichter gesagt als getan.Manchmal könnte ich fluchen.Nach einem Grund muss ich nicht lange suchen.Hey, das klingt ja cool, fast schon ein Rap!Aber von wegen fluchen: Meine Mum sagtimmer,eine Dame schimpft und flucht nicht, eine Dame bewahrt stets die Contenance – vornehme Zurückhaltung.
27Con-te-nance, dieses Wort schon. Jetzt mal ehrlich: Scheiss drauf!Ich will mich gar nicht anpassen.Im Gegenteil.Ich bleibe, wie ich bin.Ich. Bleibe. Ich.Und das scheintirgendwie zu funktionieren. Mehr noch, ich gehöre dazu, werde akzeptiert, manchmal sogar bewundert. Ich glaube,ich bin schon fast das Schwyzer It-Girl. TimTabak meinteneulich sogar, ich sei die Schwyzer Antwort auf Paris Hilton. Die wohnte ja auch kurze Zeit im Kanton Schwyz. Aber nacheinem Jahr war die Liebe zu ihrem Grossunternehmer nicht mehr so gross, und sie zog aus.Aus die Maus. Klar, eine Weile war es wohl cool, Selfies mit Kühen zu twittern. Aber auf Dauer hieltsie es dann doch nicht aus in der Postkartenschweiz. Wahrscheinlich zerbrach die Liebe an einer Überdosis Kuhfladen.
29Who cares. Ich selber würde mich sowieso lieber mit Cara Delevingne vergleichen. Bereits 2012 wurde sie von Chanel zum Gesicht des Jahres gekürt. Ihre Gross-mutter war übrigens die Kammerzofe der britischen Prinzessin Margaret. Aber hier kennt die ja keiner. Nein, die sowieso nicht. Ich meinte nicht die Grossmutter und auch nicht die Prinzessin (die ja selber bereits eine Oma wäre, aber sie lebt gar nicht mehr) – also nein, ich mein-te die Cara Delevingne. Kapiert? Eben.Hier wissen die Leute im besten Fall, wie die Siegerkuh der letzten Viehausstellung geheissen hat. Ja, hier in Schwyz werden Missen nur bei Kühen gewählt. Echt! »Unfuckingfassbar«, würde Rea Garvey von »The Voice of Germany« sagen. Oder »funfuckingtastisch«. Aber das ist ja auch schon eine Weile her. Und beide Aus-drücke sind bestimmt nichts für die GM Fischer. Die Miss Schwyz von 2016 ist übrigens eine Braunviehkuh aus Steinen und heisst Glenn Glena. Nicht einmal Hör-ner hat sie, und trotzdem konnte sie Miss werden.Und nur der Vollständigkeit halber: Es gibt auch eine Miss Ziege. Dieses Jahr heisst sie Sischa und kommt aus Willerzell.
31Die zeichnen hier wahrscheinlich auch noch das schönste Huhn aus, aber eine richtige Miss Schwyz auf zwei Beinen, die gibt es nicht. Noch nicht.Aber zurück zu den echten Stars: Die 24-jährige Cara Delevingne hat – Achtung, jetzt pass auf! – 35,2 Millio-nen Follower auf Instagram und gehörte bereits zu den bestverdienenden Models überhaupt. Also für mich war sie schon fast eine Art Idol. Aber das sage ich jetzt nur so unter uns. War? Ja, war, denn leider hat sie inzwi-schen bekannt gegeben, nicht mehr als Model posieren zu wollen. Der Beruf habe sie krank gemacht. Mal se-hen, ob sie auf die Länge wirklich aufhört.Also jetzt mal unter uns; so ein kleines Krankheitsrisiko würde ich jetzt locker auf mich nehmen, böte man mir die Gelegenheit, eine solche Karriere auf den Laufsteg zu legen. Aber ich stecke ja hier in diesem Kaff fest; kein Wunder, konnte ich nicht ihre Nachfolgerin bei der Topshop-Kette werden (urgh!). Das ist jetzt ja Gigi Hadid. Dabei wurde die doch noch bis vor kurzem von vielen grosse Agenturen abgelehnt, weil sie für ein Model zu dick (!) sei. Also das würde mir nie passieren, wenn man mich nur endlich entdecken würde. Hihi.
33Jetzt habe ichgrad einen Momentlang ziemlichwich-tiggetan, ich weiss, aber wenn ichganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich schon so meine Zweifel habe, ob ich das Zeug zum Model mitbringe. In Zürich bin ich ja zum Beispiel überhaupt nichtaufgefallen.Höchstens durch meine superschönen rotblonden Haare.Aber an-sonsten war ich nichtsBesonderes. In Zürich gibt es zu viele attraktiveMenschen. So gesehen, könnte man also sagen, dass Schwyz genau dasRichtige für mich ist.Nur fühle ich michmanchmal ziemlich einsam hier, rich-tig allein, weil sich niemand für die Themen interessiert, die ich mit meinen Freundinnen in Zürich besprechen konnte:Mode, Models,Styling, Shopping,Make-up. Klar, redet man auchhier über Haare und Kleider,aber auf einem ziemlich anderen Level. Irgendwie voll ahnungs-befreit. Ich fühle mich oft völligdeplatziert, als hätte man mich auf einem fremden Planeten ausgesetzt. Dar-um tue ich meist so,als wäre ich gern allein, als würde ichniemanden brauchen. Und dasspiele ich inzwischen so gut, dass ich es manchmal selber glaube.Es verleiht mir eine Aura, die alle möglichen Leute anzieht.Schon eigenartig: Weil ich so tue, als brauchte ich kei-nen, kommen sie alle und suchen meine Nähe. Aber ich bin froh: Immerhin habe ich Kollegen, Kameraden, Leidensgenossen.
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»Ein Vater ist doppelt so alt wie sein Sohn. Vor zehn Jah-ren war er dreimal so alt wie dieser. Wie alt sind die beiden heute?«Ich sollte mich wohl endlich konzentrieren. Schliesslich sitze ich über einer Matheprüfung. Lineare Gleichungen. Ich kann das. Meistens jedenfalls. Zumindest wenn es mir gelingt, mich mal eine Weile lang richtig zusam-menzureissen.Also.Ja, aber hallo, was ist denn das?… jetzt doppelt so alt – früher dreimal so alt …Krass.Zeitebenen – Zeitpunkte Super.Ich vermute mal, dass der Sohn zwischen fünfzehn und zwanzig sein müsste.Und der Vater um die vierzig. Aber lass es uns schnell durchrechnen.»Schnell«, das war natürlich ein Witzli. Vor allem, weil der Jakob »Dschei-Dschei« Janser (J. J.), unser Mathe-