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Das Buch

Darien ist die Hauptstadt eines mächtigen Königreiches. Seit tausend Jahren regieren von hier aus die zwölf mächtigsten Familien das Land. Doch die Herrschaft der Zwölf neigt sich dem Ende entgegen, denn ihr Oberhaupt, König Johannes, ist schwach und ängstlich. Als das Militär einen Mordanschlag auf den König plant, um den Thron für einen starken Herrscher frei zu machen, ändert sich das Leben von fünf ungleichen Helden für immer: Ein Jäger, ein Krieger, ein Dieb, eine Magierin und ein Wesen aus einer längst vergangenen Zeit – sie alle führt ihr Weg aus den entferntesten Ecken des Reiches nach Darien, denn nur gemeinsam können sie ihre Welt vor dem Untergang bewahren …

Der Autor

Conn Iggulden, geboren 1971, ist einer der erfolgreichsten Autoren historischer Stoffe. Iggulden lehrte Englisch an der University of London, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Mit seiner Serie um die Rosenkriege wird Iggulden als Erneuerer des historischen Romans gefeiert und mit dem Darien-Epos legt er nun seine erste Fantasy-Serie vor. Iggulden lebt mit seiner Familie in Hertfordshire, England.

CONN

IGGULDEN

DARIEN

Die Herrschaft der Zwölf

ROMAN

Aus dem Englischen von
Kirsten Borchardt

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN

Titel der Originalausgabe

DARIEN – EMPIRE OF SALT

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Deutsche Erstausgabe 09/2017

Redaktion: Werner Bauer

Copyright © 2017 by Conn Iggulden

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by
Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-21293-3
V001

www.heyne-fantastisch.de

Für Jillian Taylor

Erster Teil

1

Wagnis

Elias Post war Jäger. Und zwar ein guter. Die Dorfältesten sprachen mit so viel Stolz von seinen Fähigkeiten, als ob ein Teil seiner Gabe ihnen selbst zuzurechnen sei. Die Menschen von Wyburn verließen sich darauf, dass er ihnen Fleisch besorgte, selbst in den dunkelsten Wintermonaten, wenn anderswo die Alten und die Kinder dahingerafft wurden.

Das Land rund um das Dorf war ausgelaugt, aber dennoch bestellten sie es hartnäckig weiter. Irgendwie gelang es ihnen auch, jedem noch so verkrauteten Feld eine kleine Ernte abzuringen, die sie während des Heranreifens aufmerksam vor den Krähen und den ausgehungerten Tauben beschützen mussten. Auch grasten noch Schafe auf den kahlen Hügeln. Zuchttauben pickten und gurrten in ihren Käfigen. Bienen summten in ihren säuberlich aufgereihten Stöcken. Vielleicht hätte es für alle gereicht, wenn ein Teil der Wälder ungerodet geblieben wäre und man nicht alle Bäume gefällt hätte, um an ihrer Stelle Ölsaat für die Stadt anzupflanzen – was zwar Geld brachte, aber keine Nahrung. Elias wollte nicht darüber urteilen, ob solche Entscheidungen richtig oder falsch waren. Als der Getreidespeicher nur noch einen kümmerlichen Rest dessen enthielt, was sie in den Vorjahren erwirtschaftet hatten, und als alle Kleintiere in ihren Bauen aufgestöbert und gefangen waren, da fasste der Hunger mit seinen dünnen Fingern ins Dorf und warf einen begehrlichen Blick auf die alten Männer, die sich kaum bewegend am Feuer saßen.

Schon als Junge war er auf die Jagd gegangen, und wenn er zu seiner Mutter zurückgekehrt war, hatte er stets triumphierend ein paar Enten an den Füßen hochgehalten oder sich so viele Hasen unter den Gürtel geschoben, dass es aussah, als trüge er einen Rock aus grauem Pelz. Zur Sommerszeit gab es von allem reichlich. Es waren die tiefen Winter, in denen sich Elias das Lob des Dorfrates erst wirklich verdiente. Wenn sich der Frost über das Land legte und die Welt weiß und still wurde, dann wusste er, wie man Wild aufspürte: Rebhühner und Hasen, ja, sogar Wölfe oder Bären, wenn der Schnee wirklich hoch lag. Nur Füchse jagte er nicht, obwohl er ihnen Fallen stellte, damit die Hasen sich vermehren konnten. Das Fuchsfleisch schmeckte eklig, und den Geruch ertrug er nur mit größtem Widerwillen.

Als er vierzig wurde, bot man ihm einen Platz im Dorfrat an, und voll Stolz nahm er an den Treffen teil, die jeweils am ersten Tag des Monats stattfanden. Abgesehen von seinen Fähigkeiten als Jäger verfügte er über eine natürliche Autorität, die mit jedem Jahr größer wurde, wie ein Mantel, den er nun einmal trug, ob er wollte oder nicht. Er sprach nicht viel und erhob die Stimme auch nur dann, wenn er genug über die betreffende Sache wusste, um sich seines Urteils sicher zu sein.

Unverständnis brachte man allein der Tatsache entgegen, dass er keinen Lehrling annahm, aber andererseits war allen klar, dass sein Sohn in Elias’ Fußstapfen treten würde, sobald er alt genug dazu war. Was spielte es schon für eine Rolle, dass Elias seine Kenntnisse nur an die eigene Familie weitergeben wollte? Es gab natürlich immer solche, die missmutig murrten, wenn alle anderen Jäger in die Wälder zogen und dünn und mit leeren Händen zurückkehrten, die Bärte weiß befroren. Und wenn dann Elias kam, gebeugt unter dem Gewicht eines toten Tiers, das er auf den Schultern trug, und ganz schwarz war vor gefrorenem Blut. Er lachte nicht und tat sich nicht groß vor den anderen Jägern, aber manch einer hasste ihn trotzdem deswegen. Auch sie hatten ihren Stolz, und es gefiel ihnen nicht, vor ihren Familien erniedrigt zu werden, auch wenn er das Fleisch mit ihnen teilte und andere Waren oder Münzen dafür annahm. Aber sie hielten Frieden, denn sie waren nicht dumm, und das Dorf brauchte Elias Post mehr als die anderen Jäger. Niemand wollte aus der Dorfgemeinschaft verstoßen werden, um dann in die Stadt wandern und dort sein Dasein als Bettler oder Wachmann fristen zu müssen. So etwas ging nie gut aus, das wusste jeder. Wenn junge Mädchen nach Darien fortliefen, dann kam die Familie sogar zu einer kleinen Beerdigung zusammen, denn es war auch so stets ein endgültiger Abschied. Und vielleicht hofften sie auch, die anderen Mädchen damit abzuschrecken.

Die Seuche war im Sommer mit dem Wagen eines Wundermittelverkäufers aus der Stadt ins Dorf gekommen; jedenfalls erzählte man sich das. Zuerst hatte sie sich als Heimsuchung und Geißel dort breitgemacht, wo die Menschen zu eng beieinander hausten und Wange an Wange mit Flöhen und Läusen lebten. Auch schien es eine Strafe für sündige Vereinigungen zu sein. Schließlich erkannte man nicht erst im Alter, dass in einem gesunden Leben wenig Platz für Vergnügungen blieb. Die Krankheit begann mit einem Ausschlag, und bei den meisten Menschen blieb es auch dabei. Ein paar Tage Fieber und Juckreiz, und dann wurden sie wieder gesund. Darauf hofften alle, doch bei manchen kam es anders, und sie lagen nach einer Woche voller Qualen steif und mit offenen Augen auf ihrem Bett. Es war ein grausames Jahr, das keine Günstlinge kannte.

Als die Vorsteher des Dorfes sich am Tag der Sommersonnenwende trafen, überraschte es sie nicht, dass Elias’ Platz bei dieser Zusammenkunft leer blieb. Voller Sorge und Mitleid raunten sie leise seinen Namen. Natürlich hatten sie es alle schon gehört. Wyburn war schließlich klein.

Binnen einer kurzen Woche war sein Sohn dahingerafft worden, ein kleiner Junge mit schwarzem Haar und lachendem Mund, den es mitten aus dem Leben gerissen hatte. Sein Vater behielt ein Stück Eis im Herzen zurück. Der Jäger war in jener Nacht, die er bei seinem Kind gewacht hatte, um ebenso viele Jahre gealtert, wie sein Junge sie gelebt hatte. Kurz vor dem Ende war Elias zum kleinen Tempel hinuntergegangen, der eine Meile entfernt an der Straße lag, und hatte ein Bündel goldenen Heus, das er von der Ernte zurückbehalten hatte, als Opfergabe dargeboten. Die Schnitterin hatte ihr Gesicht abgewandt und an ihrer eisernen Kette gedreht. Als er zu seinem Haus nahe dem Dorfplatz zurückkehrte, war der Junge kalt und steif. Elias saß noch lange bei ihm und sah ihn nur an.

Als die Sonne aufging, weinten seine Frau und seine Töchter und versuchten, sich nicht an den Schwellungen zu kratzen, die sich nun bei ihnen zeigten. Alle drei stumm vor Angst und blass wie Hühnerhaut. Elias hatte sie geküsst und dabei das Salz hellen Schweißes geschmeckt. Tatsächlich hoffte er darauf, dass ihn die Krankheit nun selbst dahinraffen würde, und als er eine Weile geschlafen hatte und wieder wach wurde, war es ihm beinahe eine Erleichterung, dass auch bei ihm Ausschlag auftrat und seine Stirn feucht war. Seine Frau hatte daraufhin laut zu jammern begonnen, aber er hatte sie und ihre beiden Töchter in einem Knäuel aus Armen und Tränen und Leid an sich gezogen.

»Und was sollte ich ganz allein wohl anstellen, mein Schatz? Du und die Mädchen, ihr seid alles, was ich noch habe, jetzt, da Jack nicht mehr da ist. Ich sah die Möglichkeit, glücklich zu sein, und sie wurde mir genommen. Ich will nicht allein zurückbleiben, Beth! Nein. Wo auch immer wir hingehen, ich gehe mit euch. Was spielt es jetzt noch für eine Rolle, mein Schatz? Wir werden Jack folgen. Wir werden ihn einholen. Wir werden gemeinsam mit ihm weitergehen, wo immer er auch sein mag. Er wird sich freuen, uns zu sehen, das weißt du doch. Also, ich sehe schon sein Gesicht vor mir.«

Als die Dunkelheit kam, stellte Elias fest, dass er es nicht ertrug, den rasselnden Atemzügen seiner Familie in der nächtlichen Stille zu lauschen. Er erhob sich von seinem Stuhl und blieb eine Weile am Fenster stehen, sah auf die mondbeschienene Straße. Es wurde zu jener Zeit früh dunkel, und er wusste, die Taverne würde offen sein. Aber er war nicht auf Bier oder auf Branntwein aus. Dafür hatte er weder das Geld, noch schmeckte ihm dergleichen überhaupt. Es gab vielmehr andere Dinge, die im Licht und im Lärm einer größeren Menge für ihn zu holen waren.

Das ängstliche Volk würde ihn rauswerfen oder sogar töten, wenn man die Schwellungen an seinen Armen und am Bauch sah, das wusste er. Er verzog das Gesicht; der Juckreiz machte ihn verrückt. Vielleicht konnte man es sogar als eine Art Mord betrachten, was er vorhatte, aber das glaubte er dann doch nicht so ganz. Manche Menschen fielen der Krankheit zum Opfer, andere blieben verschont. So war das eben. Sie alle wussten, dass sie durch Berührungen verbreitet wurde, obwohl niemand wirklich verstand, wie das vor sich ging. Seuchen hatte es immer schon gegeben. Sie flammten in den Sommermonaten auf und brannten dann in der Winterkälte richtig aus. Auf gewisse Weise war das so gewöhnlich wie der Wechsel der Jahreszeiten, auch wenn ihm das keinen Trost bot.

Elias zuckte die Achseln. Ein altes Hemd und ein langer Mantel würden die verräterischen Anzeichen verbergen. Er hatte eine Schwellung auf der Kopfhaut und eine unterhalb der Kehle inmitten des gekräuselten Brusthaars. Im Spiegel sah sie aus wie die Landkarte einer Insellandschaft, weiß in einem rosafarbenen Meer. Er schüttelte den Kopf, dann knöpfte er sich das Hemd bis oben hin zu.

Die Jagd war eine saubere Sache, vor allem, wenn es kalt und dunkel war. Er streifte durch den Wald, nutzte seine Gabe und fing das Wild mit bloßen Händen. Das war tatsächlich eine Gabe, von der er anderen noch nie erzählt hatte. Allerdings hatte er gehofft, auch sein Sohn würde diese Fähigkeit eines Tages zeigen, wenn er älter war. Bei diesem Gedanken überkam ihn so viel Trauer, dass es ihn nicht mehr im Haus hielt. Er nahm einige dicke Kleidungsstücke von einem stinkenden Haufen und warf sie sich über, dann schob er sich einen Filzhut mit eingerissener Krempe auf den Kopf, um sein Gesicht zu verbergen. Sich einfach hinlegen und sterben, das konnte er nicht. Dies hatte er schon immer für sich als Schwäche gewertet.

In der Stadt gab es Medizin. Das war bekannt. Dort gab es angeblich Doktoren, die es sogar schafften, dass die Toten wieder aufstanden und tanzten. Aber für solche Wunder brauchte es mehr Geld, als ein einfacher Jäger vom Lande je gesehen hatte. Im Herbst schlachtete Elias Schweine auf den Höfen der Umgebung und bekam dafür Bratenstücke oder Nieren mit. Oder er schlug Holz im Austausch für ein oder zwei Krüge Honig. Wenn ihm rote oder weiße Füchse in seine Fallen gingen, dann zog er ihnen das Fell ab, wartete, bis er eine stattliche Anzahl beisammen hatte, und verkaufte sie dann an einen Mann ein paar Meilen flussabwärts. Dafür erhielt er richtige Silberstücke. In der Stadt war Elias nie gewesen, aber er wusste, dass es dort jede Menge gelehrter Männer gab, die so gut wie alles zu tun vermochten. Für Geld jedenfalls, nicht aus Freundlichkeit oder Liebe. Das verstand sich von selbst, und das ging für ihn auch in Ordnung. Die Welt schuldete niemandem etwas.

Dennoch war es ihm gelungen, ihr ein wenig Geld abzutrotzen, das er in einem Krug auf dem Kaminsims aufbewahrte; er hatte etwas zurückgelegt für die Jahre, in denen er nicht mehr im Schnee auf die Jagd gehen würde, weil seine Finger das Messer nicht mehr richtig zu fassen bekamen oder wenn ihn vielleicht sogar seine Gabe verließ, so wie andere Männer ihr Augenlicht oder ihr Gehör verloren. Jetzt berührte er den kleinen Beutel in seiner Tasche, gefüllt mit den Münzen, die er zuvor auf dem Küchentisch ausgebreitet und gezählt hatte. Vielleicht hatte er es schon immer vorgehabt, er wusste es nicht. Der Verstand war ein seltsam vielgestaltiges Ding, langsam und tiefgründig, mit vielen übereinanderliegenden Schichten. Sein Vater hatte gesagt, dass er sich oft fühlte wie ein Junge, der einen großen Ochsen ritt, ohne dass er eine Ahnung davon hatte, was dem Ochsen durch den Kopf gehen mochte.

Ein Dutzend Jahre Handel mit Fleisch und Pelzen hatte gerade so viele Münzen eingetragen, dass er sie in einer Hand halten konnte. Dennoch waren seine kostbaren Silberstücke ganz sicher nicht genug, um Medizin zu kaufen. Doktoren waren reiche Leute. Reiche Leute erwarteten Goldmünzen, in deren weiches Metall die Köpfe anderer reicher Männer geprägt waren. Eine Goldmünze hatte Elias noch nie gesehen, aber er wusste, dass ein Nobel zwanzig Silberstücken entsprach – und tatsächlich denselben Wert hatte. Es war ein bisschen wie mit den Soldatenhauptmännern, die manchmal im Frühjahr durchs Land zogen und nach jungen Männern Ausschau hielten, um sie anzuwerben. Jeder Hauptmann befehligte über zwanzig Mann, sagte ihnen, was sie tun und wohin sie gehen sollten. Elias fragte sich, während er die Straße entlangschritt, wie viele Hauptmänner ein General wohl kommandierte. Ein Dutzend? Zwanzig? Gab es ein Metall, das noch wertvoller war als Gold? Falls ja, dann hatte er nie davon gehört.

Solche und andere Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er zur Taverne ging, erfüllt von Trauer und Zorn und rücksichtsloser Entschlossenheit. Er hatte sein Leben lang hart gearbeitet und vier Kinder in die Welt gesetzt. Eines davon war nach nur wenigen Tagen wieder von ihnen gegangen. Damals waren er und seine Frau jünger gewesen und eher in der Lage, so etwas zu überwinden. Er hatte zu Beth gesagt, sie hätten eines zurückgegeben, und das hatte seine Frau getröstet. Er hatte gesagt, mit dieser Trauer hätten sie den Zins für ihr Leben bezahlt.

Dass Jack diesem Kind nun gefolgt war, das war kein Teil der Abmachung gewesen, und auch nicht, dass die Kratzkrankheit seine Töchter befiel. Elias war davon ausgegangen, dass die meisten, die krank wurden, auch wieder genasen. Daher war er zunächst ganz ruhig gewesen, in der sicheren Überzeugung, dass Jack es überstehen würde. Er hatte nicht wahrhaben wollen, was da vor sich ging, bis zu dem Augenblick, als er spürte, dass sich die Hand seines Sohnes seltsam kühl anfühlte. Die Haut hatte noch dieselbe Farbe wie zuvor, aber die Wärme war nicht mehr da. Da hatte er es begriffen.

Er hatte den Jungen das Lesen gelehrt, einen Buchstaben nach dem anderen. Es konnte schlicht nicht sein, dass es jetzt mit diesem Unterricht vorbei sein sollte, dass er nie wieder das zögernde Zusammensetzen einzelner Worte hören oder das lachende Gewicht des Jungen spüren würde, wenn er von einem Türpfosten auf den Rücken seines Vaters sprang. Vielleicht war es eine Art von Wahnsinn, die ihn befallen hatte, aber Elias hatte das Gefühl, dass ihm an diesem Abend nichts und niemand auf der Welt Einhalt gebieten konnte – so, als sähe er sein Leben durch eine Glasscheibe und erkannte, dass gar nichts wichtig war, abgesehen von jenen, die er liebte und die ihn liebten.

Heute war einer der wenigen Tage im Jahr, an dem die Farmer ihre Wolle verkauften. Das große Erntefest stand kurz bevor, und das war eine Gelegenheit zum Feiern, wenn der Schinken ausnahmsweise einmal dick geschnitten wurde und die Dorfbewohner sich gegenseitig zuprosteten und aßen, bis sie sich kaum noch bewegen konnten. Aber erst kam der Wollverkauf, wenn der Sommer sich dem Ende neigte. An diesem Abend würden Männer mit echten Silberstücken in der Taverne sitzen und ganz mit sich zufrieden einen Krug des schweren braunen Biers nach dem anderen trinken.

Elias befeuchtete seine Lippen mit der Zunge, merkte aber, dass die kühle Luft die Haut gleich wieder straffte und austrocknete. Noch nie zuvor hatte er seine Gabe in menschlicher Gesellschaft eingesetzt. Dieses besondere Gespür war der tiefen Stille vorbehalten, den dunklen Hügeln und dem Frost. Die Vorstellung, es zu benutzen, während die Augen anderer auf ihm ruhten, fühlte sich an, als wollte er mit heruntergelassenen Hosen in die Wirtsstube treten. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn, und er hatte schon die Hand ausgestreckt, um sich erneut zu kratzen. Nein, heute Nacht nicht. Er würde seine Hände ruhig halten müssen, ganz gleich, wie sehr ihn der Juckreiz quälte. Überall im ganzen Land wurde vor der Krankheit gewarnt, und alle wussten, dass sein Sohn dahingegangen war.

Dann erinnerte er sich wieder, dass die Göttin ihr Antlitz trotz seines Opfers von ihm abgewandt hatte, und er musste sich so lange auf die Lippe beißen, bis der Schmerz ihn erschauern ließ, damit er die Schnitterin nicht laut verfluchte. Denn auch wenn sie für das Flehen der Menschen taub sein mochte – ein böses Wort hörte sie ganz sicher. Es war schwer, sich von dem Zornesausbruch abzulenken, der aus ihm herauswollte. Aber nun stolperte er dem Licht entgegen, das durch die Fenster auf die Straße schien, angelockt vom Lachen und dem Klappern irdenen Geschirrs.

Elias mischte sich unter die Trinkenden und Redenden, ohne dass irgendjemandem seine Anwesenheit auffiel. Selbst in jüngeren Jahren war er nicht groß gewesen, und er trug den grau gesprenkelten Bart kurz gestutzt. Vierundvierzig Jahre lebte er nun schon an diesem Ort, und wenn es nun damit vorbei sein sollte, dann blickte er doch mehr auf gute als auf schlechte zurück. Er nickte ein oder zwei Bekannten zu und drängte sich an ihnen vorüber. Sie sahen ihm staunend nach. Niemand hatte Elias je zuvor in der Taverne gesehen, kein einziges Mal in all der Zeit, seit er auf die Jagd ging. Er war kein besonders geselliger Mensch. Er würde auch niemals Vorsteher von Wyburn werden, auch wenn er vielleicht ein Wörtchen dabei mitreden würde, auf wen zu gegebenem Zeitpunkt die Wahl tatsächlich fiel.

Weiter hinten in der Wirtsstube standen die Spieltische, auf die Elias es abgesehen hatte, und hier saßen auch bereits die Farmer, die er dort erwartet hatte. So ernst die Lage auch war: Seine Mundwinkel zuckten leicht, als er sich daran erinnerte, wie ihn seine Mutter vor genau dieser Taverne und den dort blühenden Lastern gewarnt hatte. Sie war nun schon lange Jahre unter der Erde, in einem Loch, das er mit seinen eigenen Händen gegraben hatte. Seitdem hatte er zweimal Erde aufgefüllt, um einen kleinen Hügel aufzuschütten, nachdem der Boden eingesackt war. Dennoch hallten ihre Worte noch immer in ihm nach.

Jetzt schon befanden sich kleine Münzstapel vor den Männern an den Tischen. Elias fasste in seine Tasche und holte das kleine Dutzend Silberstücke hervor, das er besaß. Um deutlich zu machen, dass er ein Recht darauf hatte, hier zu stehen, hielt er die Münzen deutlich sichtbar hoch und sah sich nach dem Anführer der Gruppe um. Im Großen und Ganzen kannte er die Männer nicht, auch wenn er ein oder zwei vielleicht schon einmal in den Läden vor Ort gesehen haben mochte. Zwar waren sie alle Kerle, die es gewohnt waren, ein Schaf aus einem Dornengestrüpp oder einem schlammigen Graben zu ziehen, aber einer hatte einen härteren Blick als die anderen. Elias wandte den Kopf ab, als die Augen des Fremden über sein Gesicht glitten, überzeugt, dass gleich ein Ruf des Ekels und der Warnung vor der Seuche folgen würde. Der Mann hätte vom Aussehen her eher Türsteher in einem Hurenhaus sein können; jünger als die anderen und angetan mit einer eleganten gelben Weste über einem weißen Hemd, das ihn schon allein von allen anderen unterschied. Weiße Hemden trug man allgemein nur bei Beerdigungen und Hochzeiten – wenn man denn überhaupt eins besaß. Die strapazierfähige Kleidung der anderen am Tisch war in Farben gehalten, auf denen Dreck nur wie eine weitere Schattierung wirkte. Das Gelb und das Weiß waren an sich schon eine Herausforderung. Wer auch immer dieser Kerl sein mochte – mit den Händen arbeitete er jedenfalls nicht.

Elias spürte, dass er sein Gegenüber ebenso interessierte, und das wiederum brachte ihn dazu, sich erneut seinem Blick zu stellen. Der Fremde hatte zwar breite Schultern, aber nichts vom bulligen Körperbau der übrigen Bauern am Tisch. Er war eher Schäferhund als Mastiff, überlegte Elias, und konnte sich eher auf Schnelligkeit denn auf Kraft verlassen. In den Augen des Mannes lag eine Drohung, bei der es Elias kalt den Rücken herunterlief.

Dennoch hielt er seine Münzen weiter ausgestreckt, fest eingeklemmt zwischen den Fingern mit den schwarzen Nägeln. Noch nie zuvor hatte er seine Gabe auf diese Art und Weise eingesetzt, und er spürte, wie seine Hände zitterten, weil er im Grunde selbst nicht daran glaubte, dass es überhaupt funktionieren würde.

Der junge Mann zuckte die Achseln und deutete mit einer Kopfbewegung auf einen leeren Stuhl. Als Elias darauf zuging, sah er, dass eine dieser neuen Pistolen, wie man sie jetzt in der Stadt herstellte, an jeder Hüftseite des Fremden hing, Dinger aus schwarzem Metall, die glatt und gut geölt im Halfter steckten. Es hieß, sie machten einen Riesenlärm und konnten eine Rinderhälfte glatt durchbohren. Elias betrachtete diese Dinger mit Furcht und Ehrfurcht gleichermaßen, und der Besitzer dieser neuartigen Waffen bemerkte sein Interesse und grinste ihn breit an.

»Ah, Euch sind meine kleinen Spielzeuge aufgefallen? Mein Kriegsbringer? Keine Angst, Meneer. Ich heiße Vic Deeds. Falls Ihr schon von mir gehört habt, dann wisst Ihr sicherlich, dass ich in dieser Gesellschaft keine Waffe ziehen würde.«

»Ich habe keine Angst«, sagte Elias. Er sprach mit so offensichtlicher Überzeugung, dass der andere ihm einen seltsamen Blick zuwarf. Bevor der Schütze noch mehr Fragen hätte stellen können, wurden die Karten verteilt, und Elias setzte sich und schob seine erste Münze in die Mitte. Abgesehen von ein paar Runden am Küchentisch mit seiner Frau und seinem Sohn, hatte er selten gespielt, und nie in der Öffentlichkeit. Er wandte den übrigen Gästen den Rücken zu und wusste immerhin, dass er nun darauf achten musste, dass ihm niemand in die Karten guckte. Schließlich hatte er schon davon gehört, dass Männer ihre Freunde hinter den Mitspielern platzierten und sich dann Zeichen geben ließen, ob man ein gutes oder schlechtes Blatt hielt.

Das Spiel begann zunächst mit dem Einsatz, dann gab es die Möglichkeit, das eigene Blatt noch einmal zu verbessern, bevor noch einmal gesetzt wurde. Vom Betrag her schien es keine Grenzen zu geben, und Elias war klar, dass er in nur einer Runde all sein Geld verlieren konnte, wenn es schlecht lief. Seine ersten Karten taugten nichts, und daher legte er sie mit der Bildseite nach unten auf den Tisch und ließ die anderen allein weiterspielen, verzweifelt bemüht, die Ruhe zu erlangen, die er brauchte.

Da. Da war es. Seine Gabe, genau so stark wie immer. Selbst hier, inmitten von Menschen, lautem Gerede und Gelächter, dem Scharren von Stühlen, konnte er sie zu sich rufen. Ganz plötzlich überkam ihn eine Welle von Selbstvertrauen, und er lächelte, als eine Karte nach der anderen umgedreht wurde. Als er den Kopf hob, stellte er fest, dass der Pistolenschütze ihn wieder ansah, mit einer so vollkommenen Konzentration, dass es ihn nervös machte. Als ob dieser Vic Deeds die Gabe sehen konnte, die Elias an diesen gottvergessenen Ort geführt hatte, während all seine Hoffnungen nur wenige Straßen weiter langsam aus dieser Welt glitten.

Elias senkte den Kopf erneut, damit ja niemand seinen Ausschlag sah, und war dankbar für den Hut und das lange Haar, das ihm ins Gesicht fiel. Eine seiner Silbermünzen wanderte auf den Stapel eines anderen Mannes, eine Münze, die etwa eine Woche Jagd bedeutete. Aber immerhin hatte Elias jede Karte vorhersagen können. Als die zweite Runde gegeben wurde, nutzte er wieder seine Gabe und runzelte die Stirn, während er so weit wie möglich vorzugreifen versuchte. Jetzt ging es langsamer, da die Männer ihren Einsatz überdachten, hin und her überlegten, zögerten. Er konnte nicht so weit vorausblicken, wie es nötig gewesen wäre. Bedauernd kam er zu dem Schluss, dass er sich an jeder Runde würde beteiligen und sein Gespür so gut würde einsetzen müssen wie nur möglich, um die Ergebnisse einigermaßen vorherzusagen.

Zwei weitere Runden wurden gespielt, bevor er das erste Mal gewann und dabei nicht nur seinen bisherigen Einsatz zurückerhielt, sondern noch vier weitere Silberstücke einstrich. Der Pistolenschütze brummte verärgert, da er den Großteil des eigenen Geldstapels auf ein schwaches Blatt gesetzt und verloren hatte. Elias schob die Münzen vor sich zusammen und fürchtete schon fast, ohnmächtig zu werden, weil sein Herz so stark hämmerte. Wenn er hier genug Geld gewann, dann konnte er sich vielleicht das Pferd von Witwe Joan leihen und in die Stadt reiten, um Medizin zu kaufen. Mit etwas Glück wäre er beim Morgengrauen schon wieder zurück, mit allem, was seine Frau und seine Töchter brauchten. Das konnte er schaffen. Die Gelegenheit war doch zum Greifen nahe, oder?

Als das nächste Blatt gegeben wurde, spürte er jedoch, wie alles um ihn herum zusammenbrach. Der Mann rechts neben ihm hatte schon an seinem blonden Bart gekaut und Elias mit sauren Blicken bedacht, seit er am Tisch Platz genommen hatte. Nun griff der Farmer ohne Vorwarnung nach Elias’ Mantel. Seine Finger bekamen jedoch nur Luft zu fassen, weil Elias sich blitzschnell zurücklehnte. Doch der schöne Traum zerbrach in scharfe Splitter.

»Sag mal, was versteckst du da unter deinem Ärmel?«, fragte der Mann. Die Hälfte der Mitspieler erstarrte bei diesen Worten, und der Pistolenschütze hob den Kopf und zeigte scharfe, weiße Zähne. Der alte Farmer war sich offenbar gar nicht bewusst, dass seine Frage wie ein Betrugsvorwurf klang. Er deutete mit seiner knochigen Hand auf Elias.

»Du schwitzt wie ein Schwein und ziehst trotzdem den Mantel nicht aus. Der alte Hut, den du da trägst, hat Staub auf der Krempe. Den trägst du nicht jeden Tag, oder? Zeig mir deine Arme, Mann! Wenn du sauber bist, dann werde ich mich entschuldigen und dir die Hand reichen. Verdammt noch eins, ich werde dir sogar einen Drink spendieren. Aber erst mal zeigst du mir, dass du nicht ansteckend bist!«

Elias stand da und legte die Finger an den Hut.

»Ich will keinen Ärger, Meneer. Ich will nur eine Runde Karten spielen.« Er zuckte zusammen, noch bevor der Ruf hinter ihm erschallte. Das war unvorsichtig, aber die Anspannung war einfach zu groß, und sein Verstand war von Schwäche und Fieber vernebelt. Einer der Männer, der den gesamten Gewinn dieses Jahres verloren hatte, stand nun brüllend auf und packte die Tischkante mit beiden Händen, als stünde er kurz davor, das Möbelstück vor Zorn und Gier umzuwerfen.

Da wusste Elias, dass es ein Fehler gewesen war, ein schöner, verrückter Traum, der ihn nun vielleicht das Leben kosten würde. Und er begann vorzugreifen, als um ihn herum der Kampf entbrannte.

Vic Deeds lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und wurde Zeuge, wie ein Mann dem Tod von der Schippe sprang. So etwas hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt, und das, obwohl er den größten Teil seiner sechsundzwanzig Lebensjahre mit Dieben oder bei der Armee verbracht hatte. Der Unterschied zwischen beiden war dabei manchmal so gering gewesen, dass er sich im Nachhinein gar nicht mehr erinnerte, bei welcher Art von Truppe er zuletzt gewesen war. Inzwischen schlugen die Farmer vor Wut spuckend aufeinander ein, aber keiner von ihnen traute sich, Deeds anzugehen, der still dasaß und die eine Hand locker auf die langläufige Pistole gelegt hatte, die auf seinem Schenkel ruhte. Einer der Männer stolperte sogar über seine ausgestreckten Beine und lüpfte daraufhin entschuldigend seinen Hut, aber das war es nicht, was den Schützen so überrascht hatte. Die meisten Farmer spürten, dass er nicht gezögert hätte, sie zu töten, so wie Schafe sich eng aneinanderdrängen, wenn sich ihnen ein Hund nähert, der ihnen nur zu gern die Kehle herausreißen würde.

Was ihn tatsächlich so ungläubig dreinblicken ließ, war der kleine Kerl, der eine hohe Summe auf ein riskantes Blatt gesetzt und dabei einen dicken Batzen Geld gewonnen hatte, bevor man ihn bezichtigte, an der Seuche erkrankt zu sein. Zumindest deswegen machte sich Deeds keine Sorgen. Vor ein paar Monaten hatte man ihm auf Drängen der Armee, die ihn gerade mit ein paar neuen Pistolen ausgestattet hatte, eine schwache Mixtur auf den Arm gepinselt, einen Sirup, der offenbar ein Vermögen kostete. Das war das Problem – wahrscheinlich würde das Heilmittel deswegen nie bis in diese elenden Dörfer gelangen, wo man mit feuchter Wolle handelte.

Allgemein war Deeds durchaus der Meinung, dass es nicht schaden konnte, die Herde ein wenig auszudünnen und dabei vor allem ein paar Alte und Schwache loszuwerden. Das sagte einem doch schon der gesunde Menschenverstand. Außerdem ging es ihn nichts an, wofür die Zwölf Familien von Darien ihr Geld ausgaben – oder eben auch nicht. Dennoch war sein Abend ruiniert. Er hatte gehofft, beim Spiel genug Geld zu gewinnen, damit er sich die nächsten ein, zwei Monate ein schönes Leben machten konnte. Farmer, die nicht in der Lage waren, die Gewinnchancen eines Blattes in Blitzesschnelle einzuschätzen, waren ihm dabei die liebsten Partner.

Doch nun konnte Deeds den Blick nicht von dem Fremden lösen, der sich durch die Menge bewegte, als folge er einem Pfad, der schon lange zuvor festgelegt worden war. Der Jäger in seinem langen Mantel tat jeden Schritt mit Überlegung, hielt kurz inne, um eine Faust vor seinem Gesicht vorüberzischen oder einen Stock seinen Schlag vollenden zu lassen.

Elegant wie eine Katze glitt Elias beiseite, damit er nicht von einem durch den Raum geschleuderten Tisch getroffen wurde, lenkte die Holzplatte aber ganz sanft mit der Handfläche in eine andere Richtung, damit sie nicht auf einen Mann prallte, der soeben zu Boden gegangen war. Es war, als ob man einem Tanz zusah, aber Deeds hatte den Eindruck, als ob das sonst niemandem auffiel. Die übrigen Gäste der Taverne waren so sehr damit beschäftigt, ihre persönlichen Feindseligkeiten auszutragen und sich dieser herrlichen Schlägerei hinzugeben, dass sie ein gutes Dutzend Augenblicke verpassten, die jede Regel verletzten, welche Deeds bisher für allgemein verbindlich gehalten hatte.

Deeds war nie von sanfter Natur gewesen, schon als Kind nicht. Blitzschnell kam er zu einer Entscheidung und hob die Pistole, als Elias gerade noch zwei Schritte davon entfernt war, durch die Tür auf die Straße zu entwischen. Ohne zu zögern, schoss er zweimal, und der Knall erschütterte den engen Raum so heftig, dass danach ein heller Ton in seinen Ohren pfiff. Doch dann klappte ihm der Mund auf, als sein Verstand begriff, was er da eben gesehen hatte, als er zum Zielen über den Lauf blickte.

Elias hatte ihn über die Menge hinweg angesehen, bevor der erste Schuss fiel, und sich dann einen Hauch zur Seite gewandt, sodass die Kugel ihn verfehlte. Beim zweiten hatte sich Deeds beim Zielen mehr auf seinen Instinkt verlassen und in einer Geschwindigkeit angelegt, die einem älteren Mann die Tränen in die Augen getrieben hätte. Und dann sah er, wie die Kugel unter dem Arm des Jägers hindurchging, zwischen Körper und Ellenbogen. Sie riss einen anderen Gast, der hinter Elias stand, von den Beinen. Deeds konnte nur staunen. Sie standen höchstens zwölf Fuß voneinander entfernt. Auf eine solche Entfernung hatte er bisher noch nie danebengeschossen!

An der Tür wandte sich Elias kurz um und blickte mit einer Mischung aus Zorn und Traurigkeit durch den Pulverdampf. In der Stille, die plötzlich eingekehrt war, riss er die Tür mit lautem Krachen auf und verschwand.