Nr. 736

 

Rächer zwischen den Sternen

 

Eine Legende wird zur Wirklichkeit. Das Geisterschiff verbreitet Angst – und Hoffnung

 

von CLARK DARLTON

 

 

Überall dort im Kosmos, wohin Teile der Menschheit verschlagen wurden, gibt es Kämpfe und Konflikte.

Da sind die Terraner und deren Nachkommen, die auf vielen Planeten der Galaxis verstreut leben. Die meisten von ihnen führen ein Sklavendasein, andere wieder müssen sich der Nachstellungen der Laren und ihrer Vollzugsorgane, der Überschweren, erwehren.

Nur die unter Atlans und Julian Tifflors Führung in die Dunkelwolke Provcon-Faust evakuierten Terraner des Neuen Einsteinschen Imperiums (NEI) können sich einer einigermaßen gesicherten Existenz erfreuen – bislang jedenfalls.

Die SOL, die, mit Perry Rhodan und Tausenden seiner Getreuen an Bord, seit Jahrzehnten auf dem Rückweg vom Mahlstrom der Sterne zur Milchstraße begriffen ist, hat in Balayndagar und in der Dakkarzone der Zgmahkonen schwere Kämpfe zu bestehen.

Und jene Milliarden Terraner, die mit ihrem Heimatplaneten und seinem Trabanten durch den Soltransmitter gingen und im Mahlstrom landeten, sind zwar in Sicherheit vor der Macht des Konzils, gerieten dafür aber fast zur Gänze in den Bannkreis der Aphilie, die sie und ihre Kinder in Geschöpfe ohne Nächstenliebe verwandelt hat.

Nach den Ereignissen, die Terra zum Schauplatz hatten und im Kampf Trevor Casalles, des neuen Diktators, gegen die nicht-aphilische OGN gipfelten, blenden wir nun um zur Handlungsebene »Milchstraße«.

Hier wird Ende des Jahres 3580 eine Legende zur Wirklichkeit. Ein Geisterschiff erscheint und verbreitet Angst und Schrecken unter den Gegnern der Menschheit, denn es wirkt als RÄCHER ZWISCHEN DEN STERNEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Senco Ahrat – Kommandant eines Geisterschiffs.

Ras Tschubai – Der Teleporter lehrt die Handlanger der Laren das Fürchten.

Glytha Vermeeren – Eine Terranerin sucht eine neue, freie Welt.

Phelton Vaskoss und Leutnant Melaxon – Glythas Vertraute.

Atlan – Der Lordadmiral erfährt vom Schicksal der verschollenen Erde.

Prolog und Rückblende

 

Noch war der junge Überschwere vom Planeten Obskon nicht der Erste Hetran der Milchstraße, aber tief im Innern seines ehrgeizigen Herzens spürte er die Berufung für dieses höchste Amt, das die Laren zu vergeben hatten. Er wusste, dass nur noch wenige Beweise seines Mutes und seiner Loyalität notwendig waren, um das Vertrauen Hotrenor-Taaks zu gewinnen, der als »Verkünder der Hetosonen« im Auftrag des allmächtigen Konzils die Heimatgalaxis der Terraner beherrschte.

Maylpancer war 38 Jahre alt und für die Begriffe der Überschweren noch sehr jung. Schon auf seiner Heimatwelt hatte er sich durch Klugheit und taktische Zurückhaltung ausgezeichnet, auch wirkte er nicht ganz so grobschlächtig und brutal wie seine Artgenossen. Er war jedoch 1,82 Meter groß und fast ebenso breit in den Schultern, und die stämmigen Beine trugen ihn mühelos auf einem Planeten mit hoher Schwerkraft.

Klug, wie er war, erkannte er die Herrschaft der Laren an und fügte sich stets ihren Forderungen, wenn es um die endgültige Unterwerfung der in der Milchstraße verbliebenen Menschheit ging, die unter Führung Atlans ein mehr oder minder verborgenes Dasein führte.

An diesem Tag hatte Hotrenor-Taak ihn zu sich befohlen, ohne nähere Gründe zu nennen.

Was mag er wohl heute von mir wissen wollen?, dachte Maylpancer bei sich, während er sich den Kontursessel zurücklehnte, der viel zu klein und schmal für ihn war. Ein Beiboot hatte ihn an Bord des SVE-Raumers gebracht, der tief im All stand. Das nächste Sonnensystem musste Lichtstunden entfernt sein. Hotrenor-Taak war von Natur aus misstrauisch und vorsichtig.

Als er endlich eintrat, stand Maylpancer auf und blieb abwartend stehen, bis der Lare sich gesetzt hatte.

»Nehmen Sie wieder Platz, Maylpancer«, sagte der Verkünder der Hetosonen höflich. »Ich habe mit Ihnen zu reden. Es kann sein, dass Sie mir nützliche Hinweise zu geben in der Lage sind. Sie sind viel gereist, haben viel gesehen und gehört – und Sie kennen auch die Terraner. Ihre Vorfahren stammen sogar von ihnen ab. Vielleicht haben sich einige Atome ihrer Mentalität auf Sie vererbt. Es gibt gewisse Dinge, die ich gern wüsste.«

»Sie wissen, Hotrenor-Taak, dass Sie mir vertrauen können. Die Vorherrschaft der Terraner in dieser Galaxis ist längst gebrochen, und wir werden die Befreiung durch das Konzil niemals vergessen. Ich glaube nicht, dass Sie Grund zur Besorgnis haben.«

Hotrenor-Taak sah ihn forschend an.

»Keine Besorgnis, mein Freund, nur ein wenig Unsicherheit. Die Terraner sind auch heute noch unberechenbar, wenn auch die meisten von ihnen auf Verbannungsplaneten leben. Viele jedoch sind noch frei, und dieser Atlan steht dem verschollenen Rhodan in keiner Weise nach. Er ist gefährlich. Ich spüre, dass wir noch einige Überraschungen mit ihm erleben werden.«

Maylpancer schwieg, aber sein Schweigen bedeutete in diesem Fall absolute Zustimmung. Sollte der Lare ruhig weiterreden. Und der tat es auch und kam gleich zum Kernpunkt des Problems. Ohne jede Einleitung schoss er seine Frage ab: »Was halten Sie eigentlich von diesem Vhrato, den die Terraner und auch andere Völker der Milchstraße den ›Sonnenboten‹ nennen?«

Für einen Augenblick konnte der Überschwere seine Überraschung nicht verbergen. Natürlich hatte er schon von dem Mythos gehört, der fast einer neuen Religion gleichkam. Aber wissen ...? Nein, wissen tat er so gut wie nichts.

»Sehr viel ist mir nicht darüber bekannt«, wich er vorsichtig einer direkten Antwort aus. »Es ist eine ganz natürliche Erscheinung, dass sich unterdrückt fühlende Völker mit vagen Hoffnungen trösten, oder es zumindest versuchen. Sie erfinden immer wieder so genannte Erlöser, die plötzlich von irgendwoher erscheinen, um sie zu befreien. Ich glaube, das ist auch bei dem sagenhaften Vhrato der Fall.«

»Und davon sind Sie überzeugt?«, vergewisserte sich Hotrenor-Taak voller Zweifel. »Nur ein Phantom?«

»Sicherlich, was sonst? Noch nie hat jemand diesen Vhrato gesehen oder je seine Existenz beweisen können. In aussichtsloser Lage klammern sich selbst logisch denkende Intelligenzen nur zu gern an vage Hoffnungen, und um diesen Hoffnungen eine greifbare Gestalt zu geben, wurde von Fanatikern der Vhrato erfunden – das scheint mir eine vernünftige Erklärung zu sein.«

»Sie meinen also, es gibt ihn überhaupt nicht?«

»Davon bin ich überzeugt!«

Hotrenor-Taak versank in grüblerisches Schweigen. Maylpancer hielt ebenfalls den Mund und beobachtete sein Gegenüber aufmerksam. Seit wann, dachte er bei sich, geben sich die Laren mit Märchen ab, mit unbewiesenen Gerüchten und nicht greifbaren Phantomen? Sollten sie sich ihrer Vormachtstellung doch nicht so sicher sein, wie es stets den Anschein hatte? War etwas geschehen, von dem er, Maylpancer, noch nichts wusste?

»Kein Gerücht entsteht ohne Grund«, stellte Hotrenor-Taak endlich fest und sah den Überschweren wieder an. »Ich muss mehr darüber erfahren!«

»Es wird keine Beweise geben, nur Erzählungen, Hoffnungen und ... ja, und Lügen. Der Vhrato wurde nur erfunden, um die Terraner wach zu halten und ihre Entschlossenheit zu schüren, eines Tages loszuschlagen.«

»Gegen das Konzil? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Was sollten sie gegen das Konzil unternehmen können? Wir verkörpern nicht nur die Macht einer einzigen Galaxis. Selbst ein Rhodan käme dagegen nicht an, wenn es ihn noch gäbe. Warum ist er denn mit seinem Planeten geflohen und ließ die anderen Terraner im Stich? Weil er Angst vor uns hatte! Weil er zu schwach war, etwas gegen uns zu unternehmen! Und Atlan ist klug genug, das zu wissen. Sicher, er wird uns hier und dort Schwierigkeiten bereiten, das sagte ich ja schon, aber er wird uns niemals offen angreifen. Dazu ist er zu gerissen.«

»Selbst Kluge begehen oft Fehler«, erinnerte ihn der Überschwere. »Atlan wird niemals aufgeben!«

»Wir kommen vom Thema ab«, sagte Hotrenor. »Ich will alles über den Vhrato wissen, und zwar möglichst bald. Sammeln Sie die kursierenden Gerüchte und versuchen Sie, mir ein klares Bild zu liefern. Danach werde ich entscheiden können, ob es Grundlagen gibt oder nicht. Ich weiß, das ist keine leichte Aufgabe, aber sie ist wichtig für uns alle. Kümmern Sie sich um den Vhrato – das ist jetzt Ihre Aufgabe!«

Maylpancer blieb ruhig sitzen und dachte nach. Es gab in seinen Augen Probleme, die vordringlicher waren. Um sie zur Sprache bringen zu können, musste er sie mit dem Vhrato in Verbindung bringen. Er wusste, dass er ein Risiko einging, aber er nahm es auf sich.

»Könnte mit dem Vhrato nicht Perry Rhodan gemeint sein?«, fragte er ohne jede Einleitung.

Hotrenor-Taak starrte ihn verwundert an. Über seine Züge glitt so etwas wie Erschrecken, aber dann lächelte er ungläubig.

»Das wäre zu einfach«, sagte er schließlich, als wolle er sich selbst beruhigen. »Rhodan ist seit mehr als hundert Jahren verschollen. Warum sollte er plötzlich zurückkehren? Und wenn, was hätte das mit dem Vhrato zu tun, den sie den Sonnenboten nennen?«

»Nichts vielleicht, oder auch alles«, sagte Maylpancer entschieden. »Immerhin sollten wir uns überlegen, was in einem solchen Fall zu tun wäre. Stellen Sie sich vor, Rhodan kehrte eines Tages in unsere Galaxis zurück. Ein Aufstand aller Verbündeten Terras gegen das Konzil wäre die unvermeidliche Folge. Es käme zu einer Katastrophe.«

»Wir sind die Stärkeren!«, beruhigte ihn der Lare.

»Darum allein geht es nicht. Was nützt es dem Konzil, wenn die Bevölkerung der Milchstraße ausgerottet würde? Es gäbe vielleicht eine bessere Lösung.«

Die Frage »Und welche?«, musste kommen, das wusste Maylpancer, und sie gab ihm die Gelegenheit, sich erneut zu profilieren, seinen Mut und seine Klugheit unter Beweis zu stellen – und den Laren von diesem nicht existierenden Vhrato abzulenken.

»Und welche?«, fragte Hotrenor-Taak.

»Wir alle wissen, was damals geschah, wenn vielleicht auch nicht aus eigenem Erleben heraus. Aber es gibt genügend zuverlässige Berichte. Terra, der Heimatplanet der Terraner, verschwand aus der Milchstraße. Wahrscheinlich handelt es sich um eine unvorstellbare Fehltransmission, denn wäre sie wie geplant verlaufen, wären Kundschafter und Spione Rhodans erschienen. Das ist einwandfrei niemals der Fall gewesen. Damit dürften wir als erwiesen sehen, dass Rhodan selbst keine Ahnung hat, wo er sich jetzt befindet. Er hätte die Menschheit niemals im Stich gelassen, sondern sich heimlich um das gekümmert, was weiter in seiner Galaxis geschah.«

»Vielleicht hat er das auch«, vermutete der Lare.

»Nein, dann wüssten wir das! Er fand den Weg zurück noch nicht, was wiederum darauf schließen lässt, dass der Ort der Rematerialisation sehr weit von uns entfernt sein muss. Das wiederum bedeutet, dass er zur Rückkehr ein gigantisches Fernraumschiff benötigt, selbst dann, wenn er nur allein kommen wollte.«

»Na schön, nehmen wir an, Sie haben recht. Was folgern Sie weiter?«

»Das ist logisch. Die lange Zeit des Wartens auf das Erscheinen Rhodans verrät eine unvorstellbare Entfernung von uns, was wiederum besagtes Fernraumschiff zur Folge haben muss. Wir wissen aber beide, dass die Treibstoffvorräte eines solchen Schiffes nur unter besonders schwierigen Bedingungen ergänzt werden können. Meines Wissens gibt es in unserer ganzen Galaxis nur drei dafür in Frage kommende Welten.«

»Sie meinen einen Depotplaneten?«

Maylpancer sah ihn verblüfft an.

»Sie wissen davon?«, wunderte er sich. »Aber es stimmt: Depotplaneten besitzen als einzige die notwendigen Vorrichtungen, diesen komplizierten Vorgang zu ermöglichen. Ich weiß nicht, ob Sie mit der Materie genügend vertraut sind ...«

»Ich bin kein Spezialwissenschaftler. Sagen Sie mir, was ich wissen muss, damit ich die entsprechenden Entscheidungen treffen kann. Mir scheint, Ihre Ausführungen sind logisch.«

Maylpancer ergriff seine Chance mit beiden Händen.

»Natürlich bin auch ich kein Spezialist für Fernantriebe terranischer Raumschiffe, aber es ist mir bekannt, dass die Nachfüllung des Treibstoffs, der praktisch aus einer Komprimierung positiver Positronen besteht, nur auf diesen drei Depotplaneten vorgenommen werden kann. Die Energiemasse, die an die Materie Weißer Zwerge erinnert, wird durch Kraftfelder in einer Stahlkugel gehalten. Das alles ist relativ klein und konzentriert, aber es muss ein ungeheures Gewicht besitzen – bis zu zweihunderttausend Tonnen. Im Raum genügen natürlich Antigravfelder, um das Gewicht zu neutralisieren, aber die Masse bleibt wirksam. Sie werden sich vorstellen können, welche Schwierigkeiten es bedeutet, eine solche Treibstoffkugel zu verladen.«

»Es ist also nur auf den drei Depotplaneten möglich«, sagte Hotrenor-Taak noch einmal. »Dort existieren die entsprechenden Anlagen, das wissen wir. In sicheren Bunkern lagern tief unter der Oberfläche die zwölf Meter durchmessenden Stahlkugeln, in deren Zentrum, von Energiefeldern gehalten, die künstlichen Sonnen schweben. Sollte jemals der Strom zu diesen Feldern unterbrochen werden, käme es zu einer Katastrophe, denn die gefesselten Positronen haben natürlich das Bestreben, nach allen Seiten zu entfliehen.«

Maylpancer nickte anerkennend.

»Sie sind bestens orientiert, Hotrenor-Taak. Ich kann mir weitere Erklärungen wohl ersparen. Jedenfalls finden wir Rhodans Spur, sollte er jemals auftauchen. Die drei Depotplaneten!«

»Ganz richtig, mein Freund, die drei Depotplaneten. Überlegen wir uns, wie wir sie in Fallen verwandeln können ...«

»In Fallen?«, vergewisserte sich Maylpancer, der die Initiative aus seinen Händen genommen sah. »Rhodan würde nicht so dumm sein, sofort eine der Depotwelten anzulegen – warum sollte er auch?«

»Um manövrierfähig zu bleiben! Für mich ist klar, dass ich an seiner Stelle dasselbe tun würde. Er kann nicht sofort Kontakt zu Atlan aufnehmen, weil er gar nicht weiß, wo der ist. Also muss er ihn suchen, und dazu benötigt er ein Schiff – eben jenes Schiff, mit dem er zu uns kommt. Und dessen Treibstoffvorräte dürften dann ziemlich erschöpft sein.«

Maylpancer überlegte. Hotrenor-Taak konnte mit seiner Vermutung recht haben.

»Alle drei Welten müssten ständig überwacht werden«, sagte er. »Es handelt sich, soweit ich mich erinnern kann, um den ehemaligen Handelsplaneten der Terraner, Olymp. Dann um einen Planeten im Wega-System und um die Welt Sormora im Kennkant-System. Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Hotrenor-Taak. Geben Sie mir eine Aufgabe ...«

»Das mit dem Depotplaneten erledige ich selbst«, unterbrach ihn Hotrenor-Taak fast ungeduldig. »Kümmern Sie sich um diesen Vhrato, den es nicht geben soll. Sollte es wirklich einen Zusammenhang mit Rhodan geben, können wir die beiden Angelegenheiten kombinieren.«

»Wie Sie wünschen«, erklärte Maylpancer und nahm den Auftrag an, weil er keine andere Wahl hatte.

Er beobachtete den Laren, der plötzlich aufsah und seinem Blick begegnete.

»Ja, so dürfte es am besten sein«, sagte er schließlich, und ein Ausdruck der Befriedigung glitt über sein Gesicht. »Ich werde dafür sorgen, dass zwei der in Frage kommenden Planeten so präpariert werden, dass kein Schiff unbehelligt auf ihnen landen kann.«

»Warum nur zwei?«, wunderte sich der Überschwere.

»Damit lassen wir einen der drei möglichen Wege offen – und das wird die Falle sein!«

Maylpancer erfasste die teuflische Klugheit des Plans, und er würde alles versuchen müssen, sich daran beteiligen zu können.

Die Geschichte mit dem geheimnisvollen Vhrato allein genügte nicht als Bewährungsprobe.

Das Beiboot nahm ihn auf und brachte ihn zurück.

1.

 

Die beiden Kugelraumer kamen aus dem Linearraum und fielen ins Einsteinuniversum zurück, durch das sie sich annähernd mit Lichtgeschwindigkeit weiterbewegten. Es war offensichtlich, dass die Kommandanten den Triebwerken eine Erholungspause gönnen wollten, denn obwohl sich die Schiffe an der Peripherie des galaktischen Zentrums aufhielten, wo die Sterne dichter als anderswo standen, war das nächste System immerhin noch drei Lichtmonate entfernt.

An Bord der beiden fünfhundert Meter durchmessenden Kugelraumer befanden sich viertausend Terraner, die eine neue Heimat suchten. Die meisten von ihnen hatten die Erde nie gesehen und waren auf Schiffen oder auf einem der Strafplaneten Leticrons geboren worden. Mit Atlan und der Neuen Menschheit hatten sie kaum Kontakt.

Man konnte sich keine größeren Gegensätze als die beiden Anführer der viertausend Siedler vorstellen.

Glytha Vermeeren war 165 Jahre alt und auf der Erde zur Welt gekommen. Sie war eine robuste, vierschrötige Frau, die das abrupte Ende des Solaren Imperiums noch miterlebt hatte. Damals war sie noch mit ihrem Vater zusammen gewesen, der Kommandant eines Handelsfrachters war und der sie oft auf seinen weiten Flügen mitgenommen hatte. Als sie von einem dieser Flüge in das Sonnensystem zurückkehren wollten, fingen sie die bestürzenden Neuigkeiten per Hyperfunk auf. Die Erde war verschwunden, und mit ihr ein Großteil der Menschheit.

Glythas Vater hatte den Schock nie ganz überwinden können. Mit seinem Schiff und der Mannschaft hatte er sich in die sternenarmen Regionen der Milchstraße zurückgezogen, um die weitere Entwicklung abzuwarten. Nach und nach hatten die Laren ihre Positionen gefestigt, Strafplaneten für die noch rebellischen Intelligenzen der Galaxis eingerichtet und vor allen Dingen die Menschheit versklavt.

Dann, als ihr Vater starb, war Glytha Vermeeren plötzlich allein gewesen. Sie übernahm sein Schiff mitsamt der Mannschaft, die ihr treu ergeben war. Es gab noch genügend unbewohnte Welten, die ihnen eine Zuflucht boten, und eine solche fanden sie am Rande des galaktischen Zentrums. Glytha nannte sie »New Terra«.

Sie wusste nur zu gut, dass mehr als nur dreißig Männer notwendig waren, eine lebensfähige Kolonie aufzubauen, also fasste sie bald den Entschluss, für Nachschub zu sorgen. Mit einer Notbesatzung brach sie auf und erbeutete bei der Befreiung von nahezu viertausend Menschen beiderlei Geschlechts zwei Kugelraumer, die dann zur Flucht benutzt wurden. Die Laren hatten ihnen hörige Hilfsvölker zur Bewachung der Strafgefangenen eingesetzt, die kaum Widerstand leisteten.

Ehe der Überfall bekannt wurde, hatten sich die Spuren der beiden Schiffe in der Unendlichkeit des Weltraums verloren. Glytha programmierte einen verwirrenden Kurs, dem niemand folgen konnte, und nun war New Terra in unmittelbarer Nähe. Noch eine Linearetappe, und man hatte das Ziel erreicht.