Susin Nielsen
Aus dem Englischen
von Claudia Max
Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House
1. Auflage 2015
© 2015 Susin Nielsen
Die Originalausgabe erscheint 2015
unter dem Titel »We Are All Made of Molecules« bei
Wendy Lamb Books, an imprint of Random House Children’s Books,
a division of Random House LLC,
a Penguin Random House Company, New York.
Wendy Lamb Books and the colophon are trademarks
of Random House LLC.
© 2015 für die deutschsprachige Ausgabe cbt Verlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Aus dem Englischen von Claudia Max
Lektorat: Friederike Zeininger
Umschlaggestaltung: Umschlaggestaltung: semper smile, München,
unter Verwendung von Motiven von Getty Images/Jenny Meilihove
und Shutterstock/Lera Efremova
TP · Herstellung: kw
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN: 978-3-641-15000-6
www.cbt-buecher.de
Für Oskar – mit dir haben Dad und ich
wirklich das große Los gezogen.
Ich wollte immer eine Schwester haben.
Einen Bruder weniger. Ich mag Symmetrie, und ich fand immer, mit einer Schwester wären wir das perfekte Viereck oder »Familienquadrat« gewesen, bei dem die X-Chromosomen zwei Seiten formen würden und die Ypsilons den Rest.
Wenn ich meinen Eltern damit in den Ohren lag, bekam ich zu hören: »Stewart, aber wir haben schon das perfekte Kind! Was könnten wir Besseres kriegen als dich?« Ihrer Logik etwas entgegenzuhalten war schwierig.
Eines Tages, ich war gerade zehn geworden, belauschte ich eine Unterhaltung zwischen ihnen, die nicht für meine Ohren bestimmt war. Ich baute in meinem Zimmer mein Geburtstagsgeschenk zusammen, ein riesiges Lego-Raumschiff, und zwar ohne Anleitung, ich habe nämlich ein ziemlich gutes räumliches Vorstellungsvermögen. Meine Eltern waren unten, aber durch den Lüftungsschacht konnte ich sie gut hören.
»Leonard«, hörte ich Mom sagen. »Ich glaube, Stewarts Wunsch geht endlich in Erfüllung.« Ich legte die Legobausteine beiseite und drückte mich näher an den Schacht. »Ich habe meine Periode schon zwei Monate nicht mehr bekommen. Und ich lege in der Mitte ein bisschen zu. Ich bin ständig müde …«
»Meinst du, du bist schwanger?«, hörte ich Dad sagen.
»Ich glaube, ja.«
Ich konnte nicht anders. Ich rief »ENDLICH!« durch den Lüftungsschacht. »DAS BESTE GEBURTSTAGSGESCHENK ALLER ZEITEN!«
Am nächsten Tag vereinbarte Mom einen Termin bei ihrem Arzt.
Aber es war kein Baby, das in ihr wuchs. Es war Krebs. Er hatte in ihren Eierstöcken angefangen, und als er festgestellt wurde, hatte er sich schon ausgebreitet.
Sie starb ein Jahr und drei Monate später.
Ich bin jetzt dreizehn, und ich vermisse sie immer noch wie verrückt, denn sie war ein wertvoller Mensch. Als ich sieben war, kauften mein Dad und ich ihr eine Tasse zum Geburtstag, auf der BESTE MAMA DER WELT stand, und ich war felsenfest überzeugt, dass es nur eine solche Tasse auf dem Planeten gab und dass sie nur für sie hergestellt worden war.
Ich rede nicht gern über das Jahr, in dem sie krank war. Oder über das Jahr nach ihrem Tod. Mein Vater ist auch wertvoll, und er gab sich große Mühe, und ich denke, ich bin auch wertvoll und habe mir deshalb auch große Mühe gegeben. Aber es war echt hart, weil ein Drittel unserer Familie fehlte.
Wir waren wie ein gleichschenkliges Dreieck gewesen.
Mom war die Basis, die das ganze Gebilde zusammenhielt. Als wir sie verloren, klappten die beiden Schenkel einfach aufeinander.
Wir waren sehr, sehr traurig. Meine Therapeutin, Dr. Elizabeth Moskowitsch, sagte mir gleich bei den ersten Sitzungen, dass ein Teil von uns immer traurig sein wird und dass wir lernen müssen, damit zu leben. Anfangs hielt ich sie für keine besonders gute Therapeutin; wäre sie gut gewesen, hätte sie doch in der Lage sein müssen, mich wieder glücklich zu machen. Aber nach einer Weile stellte ich fest, dass das Gegenteil der Fall war: Sie ist eine geniale Therapeutin, weil sie nichts beschönigt.
Dr. Elizabeth Moskowitsch sagt auch, dass man, selbst wenn man ab und zu traurig ist, trotzdem glücklich sein kann. Am Anfang klang das wie ein Widerspruch, aber es stimmt. Zum Beispiel bin ich immer noch glücklich, wenn Dad und ich uns ein Baseballspiel im Nat-Bailey-Stadium anschauen. Ich kann mich immer noch freuen, wenn ich meinen besten Freund Alistair bei Stratego vernichtend schlage. Und als Dad und ich Schrödinger aus dem Tierheim geholt haben, war ich nicht nur glücklich, ich war überglücklich.
Natürlich kann Schrödinger meine Mutter nicht mal annähernd ersetzen. Mit ihm kann man keine guten Gespräche führen; er kann auch keine selbst gemachten Chicken Finger zubereiten; er kann mir auch nicht den Rücken kraulen oder mir zum Einschlafen einen Kuss auf die Stirn drücken. Aber er braucht mich und ich brauche ihn. Er braucht mich, weil ich ihn füttere und mit ihm schmuse und seine Kacke wegräume. Ich brauche ihn zum Reden, auch wenn er nie etwas antwortet. Und ich brauche es, dass er nachts neben meinem Kopf schläft, dann fühle ich mich nämlich nicht mehr so allein.
Als Dad ein Jahr nach Moms Tod anfing, sich mit Caroline Anderson zu treffen, verstand ich das irgendwie. Caroline ist Dads Schrödinger. Er braucht sie und sie braucht ihn. Das heißt nicht, dass er nicht trotzdem manchmal traurig ist, das ist er nämlich. Aber es bedeutet, dass er die Traurigkeit für eine gewisse Zeit verdrängen kann, und das ist gut. Lange war er nämlich vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche der Traurige Dad, und ich war vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche der Traurige Stewart, und zusammen waren wir die Traurigkeit im Quadrat, es war einfach ein großes schwarzes Loch Traurigkeit.
Caroline und mein Dad arbeiten seit fast zehn Jahren zusammen in der Redaktion. Sie hatten sich immer gut verstanden, aber erst als sie beide Singles waren, haben sie sich auf diese Art wahrgenommen. Carolines Ehemann hat sie ungefähr um dieselbe Zeit verlassen, als Mom gestorben ist. Sie ist geschieden. Als Mom noch lebte, hab ich Caroline ein paarmal bei Partys im Sender getroffen. Und ich sehe sie natürlich auch ständig im Fernsehen. Ich mag sie, und ich weiß, dass sie mich auch mag. Noch besser, sie mochte meine Mutter, und ich weiß, dass dieses Gefühl gegenseitig war.
Doch am allerwichtigsten ist, sie liebt meinen Dad. Ich sehe es an der Art, wie sie ihn anhimmelt, und er sieht sie genauso an. Manchmal bekomme ich Bauchschmerzen, wenn ich an meine Mutter denke und dass, wäre alles anders gelaufen, Dad sie angehimmelt hätte, aber wie Dr. Elizabeth Moskowitsch mir erklärt hat, darf ich nicht in der Vergangenheit leben. Caroline macht meinen Vater glücklich und das ist gut so.
Das Beste ist, Caroline hat eine Tochter. Sie heißt Ashley und ist ein Jahr älter als ich. Ich habe Ashley nur ein paarmal getroffen. Sie ist sehr hübsch, aber ich glaube, sie ist auch schwerhörig, denn wenn ich versuche, mit ihr zu reden, läuft sie entweder weg oder dreht den Fernseher auf volle Lautstärke.
Vielleicht ist sie auch bloß einfach schüchtern.
Und nun ziehen wir mit ihnen zusammen. Das haben uns Dad und Caroline letzten Monat eröffnet. Dad und Schrödinger und ich verlassen unser Haus im Norden von Vancouver und ziehen in Carolines und Ashleys. Da sie es Ashley und mir getrennt gesagt haben, weiß ich nicht, wie sie reagiert hat, ich bin jedenfalls zu 89,9 Prozent glücklich mit der Entscheidung.
»Neunundachtzig Komma neun?«, fragte mich Dr. Elizabeth Moskowitsch bei unserer Sitzung letzte Woche. »Was ist mit den anderen zehn Komma eins Prozent?«
Ich räumte ein, dass dieser Teil aus weniger positiven Gefühlen bestand. Wir stellten eine Liste auf und darauf standen Wörter wie Angst und Schuldgefühle. Dr. Elizabeth Moskowitsch hat mir erklärt, dass das völlig normal ist. Immerhin verließen wir das Haus, in dem ich mein ganzes Leben verbracht hatte, das Haus, das Mom und Dad ein Jahr vor meiner Geburt gekauft hatten. Dad hat das Haus mittlerweile an ein junges Paar mit Baby verkauft, es gibt also kein Zurück mehr. Wir bringen einen Haufen Zeugs mit, aber Moms Mosaikplatten im Garten können wir nicht mitnehmen, ebenso wenig die Blumen, die sie gepflanzt hat, oder ihre Moleküle, die ganz bestimmt noch durch die Luft schweben, wieso sonst sollte ich ständig ihre Gegenwart spüren? Weniger wissenschaftlich denkende Menschen würden es vermutlich »Schatten« nennen und Moms Schatten ist selbst lange nach ihrem Tod noch in jedem Winkel unseres Hauses zu spüren.
Ich mache mir ein wenig Sorgen deshalb. Wohin wird ihr Schatten gehen, wenn wir nicht mehr da sind? Wird er den Weg zu unserem neuen Haus finden wie die Tiere in Die unglaubliche Reise, die Hunderte von Kilometern liefen, um ihre Besitzer wiederzufinden? Oder wird er sich unterwegs verirren?
Ich mache mir auch Sorgen, wie Ashley die Zusammenführung unserer beiden Familien finden wird. Ich gehe nicht davon aus, dass sie 89,9 Prozent Begeisterung aufbringen wird. Aber ich hoffe, sie ist wenigstens zu 65 Prozent begeistert. Mit 65 Prozent komme ich klar.
So hatte ich mir die Erfüllung meines Traums nicht vorgestellt. So hatte ich nicht zum Quadrat werden wollen. Ich wäre viel, viel lieber ein Dreieck geblieben, wenn meine Mutter dafür noch am Leben wäre. Aber da das wissenschaftlich unmöglich ist, versuche ich, es positiv zu betrachten.
Ich habe mir immer eine Schwester gewünscht.
Und jetzt kriege ich eine.
Ashley
Meine Familie ist bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.
Mit diesen Worten hat meine Teilzeitfreundin Claudia gestern in der Schule ihre eigene Familie beschrieben. Als ich sagte, dass ich keine Ahnung habe, was das heißen soll, meinte sie nur. »Klar, du hast ja von nichts eine Ahnung.«
Es ist so, Claudia lebt schon seit ein paar Jahren in einer sogenannten Patchworkfamilie. Sie hat einen fiesen Stiefvater und zwei hochnäsige kleine Halbschwestern. Sie versteht also den Wahnsinn, der momentan bei mir abgeht.
Da ich gerade erst vierzehn geworden bin, muss ich laut Claudia noch zwei Jahre warten, bis ich einen Anwalt beauftragen kann, mich für vollzählig erklären zu lassen. Moment. Das ist falsch. Ich muss es noch mal nachschlagen. Ich meine volljährig. Laut Claudia bedeutet das, dass man sich von den Eltern scheiden lässt und endgültig seine Ruhe vor ihnen hat. Claudia will sich auch von ihrer Familie scheiden lassen. Auch wenn sie ein bisschen moppelig um die Taille ist und ihre Haare nicht oft genug wäscht und nicht mal annähernd meinem sozialen Status entspricht, begreift sie einigermaßen, was ich durchmache.
Was mich an der Sache echt nervt, ist, dass meine Familie nicht immer »verstümmelt« war. Zwölfeinhalb Jahre lang war sie perfekt. Mein Vater arbeitet für eine Werbeagentur, meine Mutter moderiert die Abendnachrichten. Für alte Leute sehen sie beide super aus, und wenn ich sage, dass ich von beiden das Beste geerbt habe, hat das nichts mit Arroganz zu tun, sondern ist nur eine Feststellung von Tatsachen. Wir haben einen fast neuen silbernen Volvo-Kombi und bis vor anderthalb Jahren sind wir in den Frühjahrsferien immer nach Maui geflogen. Wir haben ein großes modernes Haus und im Garten noch ein kleines Haus, das zum Durchgangsweg hinausgeht. Diese kleinen Gartenhäuser sind in Vancouver der letzte Schrei. Sie werden an den Durchgangswegen gebaut, die hinter den eigentlichen Häusern verlaufen, dort, wo sich normalerweise eine Garage befindet. Als meine ganze Welt zusammenbrach, war unseres gerade fertig geworden. Meine Eltern hatten vorgehabt, es vielleicht für ein paar Jahre zu vermieten, und später hätte ich darin wohnen können, wenn ich in Vancouver auf die Uni gegangen wäre. Mein Schulberater in der Neunten war allerdings der Meinung, ich müsse mich »der harten, unerbittlichen Tatsache stellen«, dass mich mein gerade mal ausreichender Notendurchschnitt nicht auf die Uni bringen würde.
Und es ist auch nur wieder eine Tatsache, wenn ich sage, dass meine Freunde neidisch auf mich und mein Leben waren. Was auch sonst. Wäre es nicht sowieso schon meins gewesen, wäre ich auch neidisch gewesen.
Und dann hat sich mein Vater vor anderthalb Jahren vor meine Mutter gesetzt und hat die drei Worte ausgesprochen, die unsere Familie zerrissen haben.
»Ich bin schwul.«
Über diesen Teil weiß keiner meiner Freunde Bescheid. Nicht mal meine beste Freundin Lauren. Ich habe ihr bloß erzählt, dass sich meine Eltern getrennt haben, weil es ständig Streit gab.
Denn es gibt Gewisse Leute, die der Meinung sind, ich wäre nicht nett. Das ist zwar erstunken und erlogen und falsch und eine Lüge. Aber Gewisse Leute halten mich für eine hochnäsige Schnepfe (das hat zumindest irgendein Schwachkopf in der Achten auf meinen Spind geschrieben). Claudia hat mir erzählt, dass sich Gewisse Leute über die Trennung meiner Eltern richtig gefreut haben, so nach der Devise, ein bisschen Schmerz würde mir guttun. Es ist vermutlich teilweise wahr, dass ich über die Jahre ein paar Kommentare über andere Familien abgelassen habe (zum Beispiel habe ich Violet Gustafson gesagt, dass ihre Mutter eine Schlampe ist, wofür sie mir die Nase gebrochen hat, die zum Glück so gut geheilt ist, dass man es kaum sieht), aber manche haben meine Bemerkungen bloß in den falschen Hals gekriegt. Als ich das zu Violet sagte, war es eigentlich als Beobachtung gemeint, nicht als Beleidigung. Aber Violet und ihre Freundin Phoebe haben das anders gesehen, weshalb ich sie jetzt hinter ihrem Rücken Hanni und Nanni nenne, was ich persönlich ziemlich witzig finde.
Als sich meine Eltern trennten, hatte jedenfalls niemand Mitleid mit mir. Im Gegenteil, Gewisse Leute haben mich ziemlich aasig angefeixt, als sie es spitzkriegten. Selbst Laurens Mitleidsbekundungen waren total geheuchelt, was ehrlich gesagt ganz schön wehgetan hat. Deshalb werde ich den Teil mit dem Schwulsein um nichts in der Welt erzählen. Nicht, weil Gewisse Leute Schwulenhasser sind (und ich bin überzeugt, dass es ein paar sind), sondern weil es einfach ein gefundenes Fressen für sie wäre, dass mein sogenanntes perfektes Leben auf einer dicken fetten Lüge beruhte.
Vermutlich bin ich, wenn ich richtig ehrlich bin, selbst ein bisschen eine Schwulenhasserin. Ich glaube, das war früher nicht so. Zum Beispiel mag ich Geoffrey, Moms Visagisten in der Redaktion, und er ist schwul. Und in meinen Lieblingsfernsehshows gibt es ja auch Schwule und sie scheinen lustig und schnippisch und unterhaltsam zu sein.
Aber es ist etwas anderes, wenn der eigene Vater plötzlich verkündet, dass er einer von ihnen ist. Daran ist absolut nichts lustig oder unterhaltsam. Man stellt sich bloß einen Haufen Fragen. Fragen, auf die ich nicht wirklich die Antwort wissen will. Fragen wie: Hat er uns jemals wirklich geliebt? Oder war das auch eine Lüge?
Mein Vater hat meiner Mutter an einem Dienstag eröffnet, dass er schwul ist. Am Samstag war er schon ausgezogen.
Nicht in ein Appartement in der Innenstadt. Nicht nach Sibirien, wie ich ihm vorgeschlagen habe.
Nein. Er ist ungefähr anderthalb Meter von uns weggezogen, in unser Gartenhaus.
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Mein über Nacht schwul gewordener Vater hätte sich nur eine eigene Wohnung leisten können, wenn er und Mom das Haus verkauft hätten, was sie einstimmig zu hart mir gegenüber hielten. Ihre geniale Lösung: Er würde in unserem Garten wohnen. Wenn ich jetzt also aus unserem Küchenfenster schaue, blicke ich in sein Küchenfenster.
Anfangs dachte ich, es wäre eine Übergangslösung. Ich ging davon aus, dass Mom und ich uns in unserem Hass auf Dad verbünden und unsere geballte Wut ihn ziemlich bald vertreiben würde.
Schöner Traum. Er wohnt nicht nur immer noch im Garten, meine Mutter hat mich auch noch nach Strich und Faden verraten. Erstens konnte sie einfach nicht lange sauer auf meinen Vater sein. Sie versuchen jetzt allen Ernstes »daran zu arbeiten, Freunde zu sein«!!!! Zweitens hat sie vor einem Jahr was mit ihrem Producer, Leonard Inkster, angefangen, was meiner Meinung nach gegen sämtliche Arbeitsplatzgesetze verstößt. Und drittens – als wäre es nicht schon schlimm genug, dass sie mir das Herz aus dem Leib gerissen und immer wieder auf den Boden geschleudert hat – hat meine Mutter Leonard gefragt, ob er nicht bei uns einziehen will. Und Leonard kommt nicht allein. Er bringt seinen Liliputaner-Eierkopf-Oberfreak von Sohn mit.
Oh mein Gott. Ihr Umzugswagen fährt gerade vor.
Ich hasse meine Mom.
Ich hasse meinen Dad.
Ich hasse Leonard.
Ich hasse seinen Sohn.
Ich hasse mein Leben.
Noch zwei Jahre, bis ich vollzählig bin.
STEWART
Mein Vater und ich zogen mit unserem gesamten Kram in weniger als zwei Stunden ein. Wir waren so schnell, weil wir in der Woche zuvor schon eine Menge Zeugs in einem Lagerraum untergebracht hatten. Ich war nicht glücklich darüber, aber Dad machte mir klar, dass Caroline schon ein ganzes Haus voller Möbel hatte und dass wir nicht alles doppelt haben können. Aus praktischer Sicht ist das absolut einleuchtend und Dad und ich sind beide sehr praktisch veranlagt. Aber es ist ein interessantes biologisches Phänomen, wenn das eine Organ – in diesem Fall mein Hirn – mir das eine erzählt und ein anderes Organ – in diesem Fall Herz – etwas anderes.
Ich will nicht lügen: Es fühlte sich nicht gut an, all die Dinge, die unser Leben mit Mom bezeugten, in einen Lagerraum einzuschließen. Zum Beispiel den Resopalküchentisch mit den Goldsprenkeln, an dem wir drei die meisten Mahlzeiten eingenommen hatten. Oder das Sofa mit den roten und gelben Blumen, auf dem Mom an den Tagen geruht hatte, an denen es ihr schlecht ging, oder, wenn sie die Energie aufbrachte, versucht hatte zu stricken. Oder den Beistelltisch, der überall runde Tassenränder hatte, weil Mom nichts von Untersetzern hielt. Auch wenn Dad mir versprach, dass wir jederzeit dorthin gehen konnten, schnürte es mir ziemlich die Kehle zu, als er die Tür abschloss.
Ich versuchte mich mit dem Gedanken aufzumuntern, dass wir ja immer noch einen ganzen Kleinlaster mit unseren Sachen hatten. Auf einige hatten Dad und ich uns geeinigt, zum Beispiel das Mutter und Kind-Bild, das Mom in einem ihrer Malkurse gemacht hatte. Dad hatte mir außerdem erlaubt, drei Dinge nur für mich mitzunehmen. Ich wählte (1.) die mehrfarbigen Decken, die sie für mein Zimmer und die Rückenlehne der Couch gehäkelt hatte, (2.) den großen dick gepolsterten grün-lila Sessel, in dem sie mir sämtliche Harry-Potter-Bände vorgelesen hatte, und (3.) ihre Keramikfigurensammlung.
Als wir vorfuhren, stand Caroline vor dem Haus, um uns zu begrüßen. Sie trug Jeans und ein Sweatshirt und ihre langen roten Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie ist sehr hübsch und auch sehr nett. »Willkommen!«, rief sie, nahm mich fest in den Arm und gab mir einen Kuss, noch bevor sie meinen Vater umarmte und küsste. »Wir freuen uns sehr, dass ihr hier seid.«
Weil sie das Wort wir benutzt hatte, fragte ich: »Wo ist Ashley?«
Caroline zögerte. »Sie ist in ihrem Zimmer. Sie muss eine Menge Hausaufgaben machen.« Da ich von meinem Vater gehört hatte, dass Ashley nicht besonders gut in der Schule war, klang das vernünftig.
»Okay, ihr zwei, jetzt wird geschleppt«, sagte Dad. Er stellte sich wie ein Bodybuilder in Pose und schnaubte, was Caroline zum Lachen brachte.
Zu dritt entluden wir den Kleinlaster. Ich brachte Schrödinger in mein neues Zimmer, das früher das Gästezimmer war. Es ist groß, aber nichtssagend, die Wände sind beige. Zu Hause – also an dem Ort, wo ich bis zu diesem Tag gewohnt hatte – hatten Mom und ich meine Wände leuchtend blau gestrichen. Ich ließ Schrödinger aus seinem Katzenkäfig und sperrte ihn in das angrenzende Badezimmer, damit er nicht weglief oder auf den Teppich pinkelte, während wir ausluden.
Ich muss gestehen, von nun an ein eigenes Badezimmer zu haben fand ich ziemlich aufregend. Zu Hause – also an dem Ort, an dem ich bis zu diesem Tag gewohnt hatte – hatte es nur ein Badezimmer gegeben. Dieses Haus hat fünf! Eins für Caroline und Dad, eins für Ashley, eins für mich, eins im Erdgeschoss, das hat aber nur eine Toilette und ein Waschbecken, und noch mal ein komplettes im Keller! Jedes Mitglied dieses Haushalts konnte zur gleichen Zeit aufs Klo und es war immer noch eins übrig.
Als ich die Badezimmertür hinter Schrödinger schloss, entdeckte ich eine Riesenschachtel Purdy’s Pralinen auf der Fensterbank. Purdy’s ist meine Lieblingssorte. An der Schachtel hing ein Kärtchen mit den Zeilen Wir freuen uns sehr, dass ihr nun zu unserer Familie gehört. Alles Liebe, Caroline und Ashley.
Ich futterte sechs Pralinen, bevor ich mein neues Zimmer verließ. Auf dem Weg zur Treppe kam ich an Ashleys Zimmer vorbei, das am anderen Ende des Flurs liegt. Ihre Tür war geschlossen. Ich überlegte, anzuklopfen und mich für die Pralinen zu bedanken und ihr vielleicht sogar eine anzubieten, aber da ich nicht sicher war, ob ich sie beim Lernen stören sollte, ließ ich es lieber sein.
Das Anderson-Haus ist völlig anders als das Inkster-Haus, und nicht nur, weil es so viele Toiletten besitzt. Erstens ist es sehr viel moderner. Unser Haus – also das Haus, in dem ich bis zu diesem Tag gewohnt hatte – war ein alter Bungalow aus den Vierzigern gewesen, und die Zimmer waren klein, und die Böden knarrten. Dieses Haus hier ist sehr groß und sehr sauber und sehr aufgeräumt. Ich würde ihren Stil als minimalistisch bezeichnen, unser Haus war dagegen eher maximalistisch. Bei uns stand überall etwas herum! Auf den Tischen und auf dem Boden stapelten sich Bücher und auf dem Esstisch lag immer mindestens eines meiner Schulprojekte. Wir hatten bestimmt zwanzig Zimmerpflanzen. Die Wände waren voller Bilder und Familienfotos. Auf dem Kaminsims und auf jedem Fensterbrett standen Moms Keramikfiguren. Außerdem lagen ihr Strickzeug, ihre Zeichenstifte, ihre Notizblöcke, ihre längst vergessenen halb vollen Teetassen, ihre Zeitschriften, Dads Zeitungen und seine Lesebrille, seine schmutzigen Socken und meine, außerdem mein Chemiebaukasten und meine Comics herum.
Vermutlich tun wir Caroline und Ashley einen Gefallen, wenn wir ein bisschen was von unserem Kram dazutun; es wird ihr Haus bewohnter aussehen lassen. Den großen grün-lila Ohrensessel stellten wir zum Beispiel im Fernsehzimmer zwischen ihre schmale braune Ledercouch und zwei passende braune Ledersessel. Wir mussten ihn ganz schön reinquetschen, aber der Raum sah sofort lebendiger aus, muss ich sagen. Ich warf eine von Moms Häkeldecken über die Rückenlehne ihres Sofas, was dem Ding den dringend benötigten Farbtupfer verlieh. Für Moms Bild sehe ich mindestens fünf gute Plätze, außerdem viele Orte, wo wir ihre Keramikfiguren aufstellen können.
Einmal, als ich draußen beim Laster war, sah ich kurz Ashley. Sie stand am Fenster ihres Zimmers und spähte zu uns herunter. Ich winkte. Sie winkte nicht zurück.
Vielleicht ist sie nicht nur schwerhörig, sondern auch sehbehindert.
Ashley
Mom zwang mich, zum Abendessen herunterzukommen. Als sie klopfte, zeichnete ich, statt Mathe zu machen, gerade eine Idee für ein neues Outfit. Da ich keine Antwort gab, sprach sie durch die Tür zu mir. »Ashley, ich möchte, dass du dich zu uns an den Tisch setzt.«
»Ich habe zu tun.«
Ich konnte sie seufzen hören. »Ich erwarte, dass du mit uns isst. Und ich erwarte, dass du dich manierlich benimmst.«
»Die Antwort lautet in beiden Fällen Nein.«
»Ashley, treib es nicht auf die Spitze.«
»Ich wollte nie, dass sie hier einziehen. Ich bin auch Teil dieser Familie und meine Stimme hat überhaupt nicht gezählt.«
Da öffnete Mom die Tür, denn obwohl ich um ein Schloss gebeten habe, hat sie keins. Ich habe überhaupt keine Privatsphäre. »Wenn du dir dein eigenes Haus kaufst und die Schulden abbezahlst, hast du ein Stimmrecht«, sagte sie. »Und bis dahin hörst du auf rumzujammern und tust, was ich dir sage.«
Manchmal ist meine Mutter wie die Königin in Schneewittchen – schön, aber eiskalt.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich komm nicht runter.«
»Gut«, sagte sie mit geheuchelt gelassener Stimme. »Aber wenn du nicht kommst, gibt es diese Woche kein Taschengeld.«
So was von unfair! Ich habe das Geld für den supertollen Rock von H&M fast zusammen und das weiß sie. »Du bist so fies«, sagte ich, als ich aufstand und ihr die Treppe hinunterfolgte.
»Genau. Das gleiche Kaliber wie Idi Amin und Slobodan Milosevic.«
Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete, wahrscheinlich von irgendwelchen Typen auf der Arbeit.
Als ich runterkam, saß Oberfreak bereits am Tisch. Ich setzte mich ihm gegenüber und musterte ihn demonstrativ von Kopf bis Fuß.
Er sieht echt komisch aus. Er hat unglaublich viele dicke wirre braune Haare, die weder gerade noch lockig sind. Dass sie kurz geschnitten sind, betont seine Segelfliegerohren. Aber trotz des Kurzhaarschnitts sind es immer noch so viele, dass es aussieht, als würde ein flauschiges Nagetier auf seinem Kopf sitzen. Und wenn wir schon beim Thema klein sind: Er ist superklein. Ich hätte ihm am liebsten einen Hochstuhl angeboten.
»Hi, Ashley«, sagte er, als ich mich hinsetzte, und zwar so laut, als wäre ich taub oder so.
Mom kam mit einem Salat aus der Küche. Leonard folgte mit unserer Lieblingsnudelschüssel mit den aufgemalten Tomaten.
Als ich die Schüssel in seinen Händen sah, krampfte sich bei mir innerlich alles zusammen. Bis zu diesem Moment hatte alles in diesem Haus mir und meiner Mutter gehört. Doch von diesem Tag an würde es auch Leonard und seinem Zwerg von Sohn gehören.
Es wäre ja nicht so schlimm gewesen, wenn ich hätte nachvollziehen können, was Mom an Leonard fand, aber das konnte ich beim besten Willen nicht. Trotz ihrer Krähenfüße, die jedes Jahr tiefer werden, und ihrer Ahnungslosigkeit in Klamottenfragen ist meine Mutter wunderschön. Sie ist statuesk, das ist ein glamouröseres Wort für »groß«, das ich in einer meiner Modezeitschriften gelesen habe. Sie hat lange rote Haare und bisher noch kein einziges graues. Sie hat hohe Wangenknochen und große grüne Augen. Kein Wunder, dass sie schon vor Jahren von Reporterin zur Nachrichtensprecherin befördert wurde. Sie ist natürlich eine seriöse Journalistin, aber sie ist auch »was fürs Auge«, wie ihr Visagist, Geoffrey, gern sagt.
Leonard hingegen ist bloß eine erwachsene Ausgabe seines schräg aussehenden Sohnes, er hat dieselben Ohren und Haare, er ist nur besser gestylt. Und auch wenn ich ihn nicht direkt als klein bezeichnen würde, ist er nicht so groß wie mein Vater – maximal eins achtzig, womit er praktisch genauso groß ist wie meine Mutter. Außerdem ist er knochig: Der Typ hat hundertprozentig noch nie in seinem Leben Gewichte gestemmt. Mein Dad dagegen ist ständig am Trainieren, er ist muskulös, und seine Kleider sitzen wie angegossen. Er hatte schon immer ein Händchen sich anzuziehen, wohingegen ich bei Leonard annehme, dass er in einem mittelmäßigen Laden einkauft und das, was ihm gefällt, immer gleich zweimal in verschiedenen Farben nimmt. Man sieht, dass er sich keine großen Gedanken macht. Außerdem trägt er immer Hosen, die seinen MAV zur Schau stellen (Männlicher Arschverlust, ein tragisches und niederschmetterndes Syndrom bei alternden Männern, über das ich in einer meiner Illustrierten gelesen habe).
Letzte Woche hab ich meine Mutter einfach mal gefragt, was sie in ihm sieht. Ein Strahlen ging über ihr Gesicht und sie sagte: »Er ist so klug, Und so lieb. Und er bringt mich wie kein anderer zum Lachen.«
»Und ob du ihn anziehend findest, ist dir egal?«
»Oh, ich finde ihn anziehend. Er ist umwerfend. Ich könnte mich in diesen wundervollen braunen Augen verlieren. Und sein Lächeln … und diese Lippen …« Da das Gespräch sich in die völlig falsche Richtung bewegte, hob ich die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, aber da sagte sie schon: »Ich finde ihn unglaublich sexy.«
»Boaaahh! Es reicht!«, rief ich.
Meine Mutter lügt sich eindeutig was vor. Leonard ist der totale Abstieg. Genau genommen ist das Einzige, was er meinem Vater in meinen Augen voraushat, sein Nicht-Schwul-Sein – was schon mal ’ne Menge ist, aber trotzdem. Es gibt massenhaft nicht schwule Männer, warum in aller Welt musste sich meine Mutter ausgerechnet den raussuchen?
»Ist das nicht schön?«, fragte Leonard, als er sich meiner Mutter gegenübersetzte. Seine Oberlippe war ein wenig feucht, man sah ihm an, dass er nervös war »Unsere erste Mahlzeit als Familie.«
Wir werden nie eine Familie sein!, rief ich, allerdings nur in meinem Kopf, ich wollte den H&M-Rock wirklich.
Mom verteilte die Nudeln und Leonard reichte den Salat herum. Keiner sagte ein Wort, weil alles so unglaublich merkwürdig war. Ich wollte gerade meine Gabel nehmen, als Oberfreak zu sprechen anfing.
»Bevor wir anfangen«, sagte er. »Da gibt es etwas, das meine Mom immer beim Essen gemacht hat.«
Seine Mom. Ich wusste natürlich, was mit ihr war. Ich muss zugeben, ich hatte ein bisschen Mitleid mit ihm, als er das sagte.
»Was war das denn?«, fragte Mom.
»Man nimmt seinen Tischnachbarn an der Hand«, sagte er. Ich warf meiner Mutter einen Blick zu, der sagen sollte Das ist aber jetzt nicht dein Ernst. Aber sie streckte mir die Hand entgegen, genau wie Leonard.
Denk an den Rock, sagte ich mir. Ich nahm ihre Hände, Stewart tat dasselbe. Dann holten er und sein Dad tief Luft und sagten »Vielen Dank«, Leonard und Mom drückten meine Hand.
Das war’s. Nichts gegen seine tote Mutter, aber das war ja wohl Oberkitsch. Aber Mom schien ernsthaft Tränen in den Augen zu haben! »Das war schön, Stewart! Wenn du einverstanden bist, sollten wir den Brauch deiner Mutter fortführen.«
»Danke, Caroline«, erwiderte er. »Das würde ich sehr gern tun.«
Kotz!
Die drei plapperten während des ganzen Essens. Ich aß schweigend und kaute bedächtig jeden Bissen, in einer der Illustrierten hatte ich gelesen, dass es ein gutes Mittel ist, nicht zu viel zu essen. Stewart hingegen schlang sein Essen hinunter und lud sich den Teller erneut voll. Für einen Zwerg hatte er einen ziemlichen Appetit. »Das ist lecker«, sagte er, voll das Schleimschwein, die Nudeln waren bestenfalls so lala.
»Ashley, wie gefällt es dir auf deiner Highschool?«, fragte Leonard halbherzig, um mich in die Unterhaltung einzubeziehen.
Ich zuckte die Achseln. »Sie ist in Ordnung. Ist halt eine Schule.« Ich konnte zumindest froh sein, dass Eierkopf nicht auch dorthin ging.
»Stewart ist ein bisschen nervös deswegen, mehr nicht«, sagte Leonard.
»Wieso? Er geht doch auf die Nerd-Schule am Nordufer.«
»Sie ist nicht für Nerds«, sagte Oberfreak. »Sondern für Hochbegabte.«
Wo ist der Unterschied!
»Es ist nämlich so«, sagte Leonard, »Stewart hat beschlossen, die Schule zu wechseln.«
Ich ließ meine Gabel auf den Teller fallen, dass es klirrte.
»Ich denke, es wäre aus einer Plethora von Gründen besser für mich«, sagte Stewart. Ja, er sagte ernsthaft Plethora. Welcher Jugendliche sagt Plethora? Was bedeutet Plethora überhaupt? »Ich habe keine Lust, jeden Tag stundenlang Bus zu fahren. Und ich habe mir überlegt, dass es für unsere Bruder-Schwester-Beziehung gut wäre, wenn ich auf dieselbe –«
An diesem Punkt schrie ich wirklich. Das kann ich super; mein Schreien ist so gellend, dass mir meine Freunde immer sagen, ich könnte damit in einem Horrorfilm mitspielen. Oberfreak presste sich die Hände auf die Ohren.
Ich rannte vom Esszimmer ins Fernsehzimmer und hoffte, meine Mutter käme mir hinterher. Ich würde mich mit Schwung auf die Couch werfen und in die Polster schluchzen. Aber da stand dieser megascheußliche lila-grüne Sessel im Weg. Ich musste mich vorbeiquetschen, was mich langsamer machte, und ich konnte mich so nicht so dramatisch hinwerfen.
Und das war noch nicht alles. Ich merkte plötzlich, dass ich von Dutzenden hässlicher Keramikgeschöpfe umzingelt war, sie starrten mich aus jeder Ecke des Zimmers an, vom Kaminsims, den Fensterbänken, unseren Beistelltischen. Gnome, Elfen, Häschen, Drachen, Einhörner … Sie waren so was von nicht unser Stil!
Ich hatte das Gefühl, in meinem persönlichen Horrorfilm mitzuspielen. Es war mein Haus und doch wieder nicht. Es war mein Leben und doch nicht.
Ich schrie noch einmal, laut, lange und gellend. Dann rannte ich nach oben, knallte die Tür zu und warf mich gezwungenermaßen auf mein Bett.