Ulrike Balke-Holzberger
Zittern Sie
sich frei!
Mit Faszien-Stress-Release Verspannungen, Ängste und Schmerzen auflösen
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Printausgabe: ISBN 978-3-608-96262-8
E-Book: ISBN 978-3-608-11100-2
PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20397-4
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Sie sind verspannt, unruhig und können sich überhaupt nicht mehr konzentrieren? Durchschlafen ist ein Fremdwort geworden und alles tut irgendwie immer weh? Ihr Leben wird anstrengend und nichts hilft wirklich? Das ist ein enormer Leidensdruck.
Wahrscheinlich waren Sie schon bei etlichen Fachärzten. Sie sollten Ihren Stress abbauen und die Ernährung umstellen. Das klingt richtig, das haben Sie getan. Eine wirkliche Veränderung hat es aber bisher leider nicht gebracht. Dann ging es zum Physiotherapeuten, Sie haben Medikamente genommen. So richtig geholfen hat auch das nicht.
Wer über einen längeren Zeitraum unter Schmerzen leidet und keine Linderung erfährt, ob körperlich oder seelisch, fühlt sich in einer Abwärtsspirale: Es hilft ja eh nichts mehr, da komme ich nie wieder raus, was soll ich denn noch alles tun, mit den Schmerzen, mit diesen Beschwerden muss ich wohl leben. Kennen Sie das?
Was folgt, sind Verzweiflung und Resignation.
Wie kann es weitergehen?
Versuchen Sie es mit der neuen Entspannungsmethode »Faszien-Stress-Release«, kurz FSR. Wie das geht, was Sie ganz allein für sich tun können und mit welchen einfachen Übungen Sie sich selbst helfen können, erfahren Sie hier in meinem Buch »Zittern Sie sich frei«. Zittern soll heilen, das klingt erstmal komisch für Sie? Das verstehe ich, aber ich erkläre Ihnen auf den folgenden Seiten die Wirkungsmechanismen, und Sie können sofort beginnen. Fangen Sie einfach an, Sie haben nichts zu verlieren, Sie werden gewinnen.
FSR beruht auf neuen Erkenntnissen in der Faszienforschung und ist eine hochwirksame Methode gegen Stress und für Entspannung – basierend auf dem Wissen über eine in jedem Menschen genetisch angelegte Fähigkeit zur Selbstregulation: das neurogene Zittern. Mit FSR versetzen Sie Ihren Körper in ein unwillkürliches Zittern. Sie bauen überschüssige Stressenergie ab, was zu sofortiger Entlastung führt. Und das geht überall, an jedem Ort. Sie brauchen weder Sportbekleidung noch Hilfsmittel. Sie müssen dabei nicht reden oder denken.
FSR und mein Buch unterscheiden sich von zahlreichen Faszien-Ratgebern, die die Erhöhung und Stärkung der Faszienbeweglichkeit durch Aktivierung und aktive Mobilisation zum Ziel haben.
Die Anleitungen für die FSR-Übungen habe ich so beschrieben und sie sind grafisch so dargestellt, dass Sie sofort damit beginnen können. Sie können nichts falsch machen. Ihre Symptome werden gehen, und Heilung stellt sich ein.
Sie brauchen für FSR keinen Arzt oder Therapeuten. FSR wenden Sie allein an. Zusätzlich zu dem, was Sie schon für sich tun, Tai-Chi, Qi Gong oder Yoga – integrieren Sie FSR einfach in Ihre Sport- und Bewegungseinheiten. Machen Sie erst das eine, dann das andere oder beides zusammen. Es gibt viele Möglichkeiten. Probieren Sie aus, experimentieren Sie.
Lesen Sie mein Buch von der ersten bis zur letzten Seite und steigen Sie dann mit geballtem Wissen in die Übungen ein. Oder starten Sie gleich mit den Übungen. In einem kleinen Glossar ab Seite 127 können Sie die wichtigsten Fachbegriffe nachlesen. Häufig auftretende Fragen zu FSR habe ich im Anhang beantwortet.
Mein Dank gilt allen Menschen, die ich schon begleiten durfte: den Menschen, die bei mir in der Therapie und im Coaching waren, den Seminarteilnehmenden, Führungskräften und Verantwortungsträger / innen in Gesundheitsprojekten. Ich habe vieles von ihnen und mit ihnen gelernt. Was uns alle miteinander verbindet, ist die Sehnsucht nach Gesundheit, Entspannung und damit nach Freude, Glück und Zufriedenheit im Leben.
Die Geschichten in »Zittern Sie sich frei« haben TeilnehmerInnen meiner Workshops geschrieben. (Die Namen sind geändert.) Vielen Dank dafür! Ebenso danke ich meinem Lektor, Herrn Dr. Heinz Beyer, herzlich für sein Vertrauen und seine große Unterstützung und ebenfalls Frau Rosel Müller für ihre bedachtsame und achtsame Arbeit.
Ein großer Dank gilt meiner Freundin Susanne, mit der ich seit vielen Jahren meditiere. Sie ist selbst Buchautorin und hat mich immer wieder dazu ermutigt, »Zittern Sie sich frei« zu schreiben. Ohne sie hätte ich das Projekt Buch nicht angefangen.
Ich hoffe, dass Sie durch »Zittern Sie sich frei« und vor allem durch FSR Erklärungen bekommen und Erfahrungen machen, die Sie bisher noch nicht hatten und die Ihnen weiterhelfen!
Ich wünsche Ihnen viel Freude und gesunde, leichte und schöne Erfahrungen mit FSR und meinem Buch.
»Mögen alle Wesen Glück und Harmonie erfahren«.
(Ein hinduistischer Segensspruch)
Im Juli 2018
Ulrike Balke-Holzberger
FSR ist eine ganzheitliche Entspannungsmethode zur Reduktion und zum Abbau von Stress, Spannung und Schmerzen. Sie beruht auf dem Prinzip der körpereigenen Selbstregulation: dem neurogenen Zittern. Dieser Vorgang ist in seinem Ursprung eine sehr alte biologische Schutzfunktion.
Unser Körper besitzt die Fähigkeit des unwillkürlichen Zitterns. Neurologische und physiologische Prozesse des menschlichen Körpers lösen diese Stressenergie aus. Sie wird vor allem in den Faszien gespeichert, dem Bindegewebe, das den gesamten Körper durchzieht.
Der Schlüssel zu dieser sehr einfachen Entspannungstechnik ist das unwillkürliche Körperzittern. Stress und viele dadurch ausgelöste Reaktionen werden so einfach abgeschüttelt. Die Faszien werden auf diese Weise spontan entladen – ohne große Anstrengung. Das Zittern ist das A und O für den Stressabbau.
FSR ist Hilfe zur Selbsthilfe. Sie können FSR jederzeit und ohne fremde Hilfe selbst anwenden, bei körperlichen Einschränkungen sollten Sie aber Ihren Arzt fragen, ob etwas gegen die Übungen spricht.
Das neurogene Zittern wirkt, ohne zu sprechen und ohne nachzudenken. Damit überschreitet es Kultur-, Sprach- und Landesgrenzen. Aus diesem Grund wird es auch in der Flüchtlingsarbeit hilfreich eingesetzt. Es wirkt bei allen Menschen gleich und unterstützt uns, die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Wir fördern unseren Körper, seine selbstregulativen Fähigkeiten zu nutzen. Wenn eine gewisse Grundspannung im Körper abgebaut ist, hat unser Körper wieder Platz und Beweglichkeit. Grundgefühle, die zum menschlichen Leben dazugehören, wie Angst, Wut, Scham, Trauer und dergleichen können so besser integriert und verarbeitet werden.
Durch FSR entwickeln viele Menschen wieder ein stimmiges Körpergefühl. Sie fühlen sich mehr im eigenen Körper zu Hause. Dieses Gefühl ist für uns Menschen sehr wichtig bei der Entwicklung unserer Widerstandsfähigkeit gegen Stress und Krisen – auch Resilienz genannt.
Hanna, eine junge Sozialpädagogin schreibt:
»Meine Geschichte mit dem Zittern ist noch nicht allzu lang, ich mache das jetzt seit vier Monaten.
Mir geht es sehr unterschiedlich nach meinen Übungen. Manchmal bin ich müde, manchmal aber auch energiegeladen. Manchmal begleiten mich aufgekommene Gefühle noch eine ganze Weile, manchmal beende ich meine Übung und habe kein bestimmtes Gefühl. Aber in der Regel merke ich nach der Übung irgendwann, wie entspannt ich bin, vor allem im Bauch- und Oberkörperbereich.
Trotz meiner relativ kurzen Geschichte mit FSR hat sich schon eine Menge bei mir getan. Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich feststelle, wie viel sich schon für mich seit meinem Einstiegsseminar verändert hat. Am präsentesten ist für mich ein ganz neuer Bezug zu meinem Körper. Ich habe ein neues Körpergefühl bekommen, das ich immer weiterentwickle. Ich habe mich nie wirklich wohl in meinem Körper gefühlt, habe ihn immer sehr kritisch betrachtet und mir sogar manchmal einen anderen Körper gewünscht. Ich habe ihn eher als Hülle gesehen, in dem ich zwar irgendwie lebe, aber keine richtige Verbindung gespürt.
Seitdem ich die Übungen mache, habe ich anfangen können, mich in meinem Körper wohl und zuhause zu fühlen. Ich nehme mich in meinem Körper intensiver wahr und bin feinfühliger dafür, was mir guttut und was nicht. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis Sport zu machen und habe automatisch abgenommen. Ich bin insgesamt selbstbewusster, entspannter und kann klarer denken. Zittern zu lernen war für mich eine der lebensbereicherndsten Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe. Ich bin sehr froh, diese Technik entdeckt zu haben.
Zudem bin ich selbstbewusster geworden. Ich bin mehr bei mir, habe mehr Lebensenergie und fühle mich rundum wohler. Natürlich kommen auch manchmal alte Gefühle wie Trauer und Wut hoch, aber es tut gut, sie zu fühlen und zu merken, dass man die alten Situationen überlebt hat und sie in der Vergangenheit ablegen kann.
Chronischer Stress, dauerhafte Spannungszustände, anhaltende Ängste und auch traumatische Erfahrungen hinterlassen Spuren in unserem Leben. Da sie in unserem Körper gespeichert sind, können sie negative Auswirkungen auf alle unsere Lebensbereiche haben und Schäden bewirken. Manchmal bemerken wir dies, indem wir Spannungen im Körper und im Geist wahrnehmen: muskuläre Verspannungen in Form von Rücken-, Bauch- oder Kopfschmerzen, nächtliches Knirschen mit den Zähnen, Schlafstörungen oder auch ein Gefühl von innerer Unruhe, Gereiztheit oder Angst. Manchmal verändert sich, schleichend und fast unbemerkt, auch unser soziales Verhalten. Wir sind erschöpft, kommen nicht mehr auf die Beine oder ziehen uns ganz von anderen Menschen und Aktivitäten zurück. Nichts macht mehr Freude, Lebendigkeit und Kreativität gehen immer mehr verloren.
Durch FSR wird unsere Fähigkeit zu zittern aktiviert. Dadurch breitet sich eine tiefe Entspannung in uns aus. (Lebens-) Energie, die lange in uns festgesteckt hat, wird freigesetzt. Der ganze Körper kommt dabei in Bewegung. Durch das Zittern wird die überschüssige Stress- und Belastungsenergie, die in Faszien und in Muskeln gespeichert wird, automatisch gelöst. Der Körper regeneriert sich.
FSR besteht aus leichten Übungen. Einfache, gezielte Dehnungen rufen auf sanfte Weise das unwillkürliche Faszien- und Muskelzittern hervor. Die Übungen werden im Stehen und im Liegen durchgeführt. Tiefliegende fasziale und muskuläre Verspannungen und Verhärtungen werden wie von selbst im Körper aufgelöst.
Durch die Dehnungs- und Anspannungsübungen erhält der Körper Anregungen, um die Muskeln zunächst zu aktivieren und in Spannung zu bringen. Sie werden ein wenig ermüdet. Diese Muskelermüdung senkt den Widerstand vor dem Loslassen, dem Zittern. Schon durch diese Übungen erhält der Körper also die Information über den Folgeablauf: anspannen – loslassen – anspannen – loslassen. Das folgende Zittern oder Vibrieren, das unseren Körper bis ins Innerste in Bewegung bringt, ist nichts anderes als vorhandene Spannung loszulassen. Der Körper bewegt sich einfach, ohne dass ich dafür aktiv Energie aufbringen muss, Entspannung stellt sich ein – wie von selbst. Das erleben Menschen als ungemein wohltuend. Ich muss mich nicht anstrengen, ich werde bewegt und erhalte Entspannung.
Damit unterscheidet sich diese Methode in ihrer Wirkungsweise von traditionellen klassischen und alternativen Entspannungs- und Stressmanagement-Methoden wie
Fasziengymnastik, Yoga oder die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, deren Wirkungsprinzip auf aktiver Bewegung beruht.
Jede stressige Erfahrung löst bei uns Menschen automatisch und unwillkürlich das genetisch festgelegte Stress-Reaktionsmuster aus. Faszien und Muskeln ziehen sich spontan zusammen, um den Körper wie in einen Kokon einzuhüllen. Damit ist vor allem die Region des Unterbauches vor Verletzungen geschützt. Die Psoas-Muskeln, auch die Hüftbeuger oder Lendenmuskulatur genannt, ziehen sich zusammen.
In kürzester Zeit wird im ganzen Körper unwillkürlich eine Muskelspannung aufgebaut, die dem Körper die Energie für lebensnotwendiges Verhalten bereitstellt: Angreifen oder Fliehen. Das ist ein altes, archaisches Muster – aber es wirkt bis in unsere Zeit. Dieses Muster ist tief in unseren Genen verankert und hat unseren Vorfahren beim plötzlichen Auftauchen des Säbelzahntigers häufig das Leben gerettet. Ob wir die automatisch bereitgestellte Energie überhaupt brauchen, hängt von der jeweiligen Situation ab. Denn nicht immer können wir in stressigen Situationen angreifen oder fliehen; manchmal bleiben wir mehr oder weniger bewegungslos. Denken Sie zum Beispiel an langanhaltende Streit- oder Konfliktsituationen in der Familie oder im Arbeitsleben. Meinen Chef kann ich nicht einfach stehen lassen und den Raum verlassen – geschweige denn angreifen. Auch wenn man es am liebsten tun möchte. Was aber passiert dann mit der aufgebauten Energie?
Normalerweise kommt der Körper wieder in seinen sicheren Entspannungszustand zurück, wenn die Gefahr vorüber ist und ich gekämpft habe oder geflohen bin. Ich kann danach wieder entspannen. Anspannung – Entspannung, ein völlig normaler zum Leben gehöriger Kreislauf.
Im Alltag unseres modernen Lebens wirken aber die archaischen Verhaltensweisen nicht mehr, auf die wir gleichwohl noch immer programmiert sind. Wenn ich weder gekämpft habe noch geflohen bin und auch mal wieder keinen Sport gemacht habe, führt der ganz normale Alltagsstress zu einem regelrechten Energiestau im Körper. Die Folge ist ein sehr unerfreuliches Gefühl: Ich kann mich nicht bewegen, weil die bereitgestellte Energie im Körper geblieben ist. Unsere Faszien und Muskeln speichern sie, solange sie Platz für die Energie haben. Wenn der Speicher voll ist, kommt es zur Selbstentladung, wie bei einer bis zum Anschlag gespannten Sprungfeder. Der Körper fängt einfach an zu zittern – er bewegt sich wie von selbst. Meine Knie schlottern vor lauter Stress, Aufregung oder Angst. Manch einer kennt das vielleicht aus Prüfungssituationen. Nach einer gewissen Zeit nimmt das Zittern ab, und der Körper beruhigt sich wieder. Alle Alarmsysteme regulieren sich runter. Sie kommen in ihren ursprünglichen Ruhezustand zurück. Die Gefahr ist vorbei – der Körper kann runterfahren. Nun erholt sich unser Körper, und wir kommen wieder in ein gesundes Gleichgewicht zurück. Wenn nicht gleich die nächste stressige Situation auf uns wartet.
Das ist unser genetisch festgelegter Selbstregulationsmechanismus. Wir Menschen müssen das Zittern nicht lernen. Das ist die dem Körper innewohnende Fähigkeit, unser System auszubalancieren. Nach einiger Zeit löst das Zittern die individuellen Stressmuster auf, und stressbedingte Symptome können sich auflösen. Das autonome Nervensystem (ANS) beruhigt und reguliert sich. Der Körper kommt wieder in den ursprünglichen, ganz natürlich entspannten Zustand.
Viele Menschen berichten, dass sie nach dem Zittern das Gefühl haben, der Körper sei neu justiert, sie gehen wieder aufrechter durchs Leben, sind beweglicher und insgesamt lebendiger, ausgeglichener.
Kathrin Sozialpädagogin, 32 Jahre, beschreibt das so:
»
Meine einzige Aufgabe ist es, mich immer wieder zu erinnern, Zittern zu nutzen, wenn ich es brauche. Das ist das Schwerste. Aber ich bin dabei, aufmerksamer dafür zu sein, wenn ich angestrengt und angespannt bin. Und das dann beizeiten abzuschütteln.