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Das Buch

Im Oktober 2004 lief ein damals weitgehend unbekannter langer Schlaks im Alter von zwanzig Jahren erstmals im Trikot der deutschen Elf auf. Als Per Mertesacker in Teheran sein Debüt in der Nationalmannschaft feierte, hatte er zuvor erst wenige Spiele als Profi von Hannover 96 absolviert. Es war der Beginn einer traumhaften Karriere im Fußball, die mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft zehn Jahre später ihren Höhepunkt fand.

In seiner Autobiographie blickt der Defensivspezialist auf eine einmalige internationale Karriere zurück. Er erzählt von seinen Bundesliga-Stationen in Hannover und Bremen, vom Sommermärchen 2006 und dem Titelgewinn in Brasilien, von der Signalwirkung seines legendären Eistonnen-Interviews und von den Erfahrungen in der Premier League.

Immer wieder geht Mertesacker der Frage nach, welche Rolle Talent im Fußball spielt. Ihm selbst wurde in der Jugend des Öfteren bescheinigt, zu wenig davon zu besitzen – bis ihn eines Tages Ralf Rangnick zu den Profis von Hannover 96 holte. Außerdem berichtet er, welche Auswirkungen der tägliche Druck im Profigeschäft bei ihm hinterlassen hat – und wie er in seiner neuen Rolle als Leiter des Nachwuchszentrums beim Arsenal FC die Jungprofis auch für die Schattenseiten des vermeintlichen Traumberufs sensibilisieren möchte.

Die Autoren

Per Mertesacker wurde 1984 in Hannover geboren. Nach Stationen in der Bundesliga bei Hannover 96 und Werder Bremen wechselte der Innenverteidiger 2011 zum Arsenal FC, wo er als Kapitän dreimal FA-Pokalsieger wurde. 2014 gewann Mertesacker mit der Nationalelf die Weltmeisterschaft in Brasilien. Im Mai 2018 beendete er seine aktive Karriere als Spieler und arbeitet seitdem als Leiter der Nachwuchsakademie des Arsenal FC.

Raphael Honigstein, geboren 1973 in München, lebt seit vielen Jahren in London und ist Sportjournalist, TV-Experte und Autor. Für Spiegel Online und 11 Freunde schreibt er über den englischen Fußball, für die TV-Sender BBC, ESPN und BT Sports berichtet er über den deutschen Fußball. Bei Ullstein erschien 2017 von ihm das Buch Ich mag, wenn’s kracht.

Per Mertesacker

mit Raphael Honigstein

WELTMEISTER OHNE TALENT

MEIN LEBEN, MEINE KARRIERE

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ISBN 978-3-8437-1770-0

Copyright © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018
Covergestaltung: ZERO Media, München
Covermotiv: © Marc Wagener

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Über das Buch und die Autoren

Titelseite

Impressum

Das Ende

1 Pattensen

2 Bundesliga

Hannover 96

Werder Bremen

3 Premier League

4 Weltmeister

Deutschland 2006

Österreich / Schweiz 2008

Südafrika 2010

Polen / Ukraine 2012

Brasilien 2014

Der Anfang

Danksagung

Bildteil

Bildnachweis

Feedback an den Verlag

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Das Ende

Ich spielte in meinem ersten Jahr in der C-Jugend von Hannover 96, als es anfing. Ich war fünfzehn Jahre alt, schoss urplötzlich in die Höhe und bekam fürchterliche Wachstumsschmerzen. Im linken Knie war es besonders schlimm. Meine Eltern sind mit mir zu einigen Ärzten gegangen. Alle sagten das Gleiche: Da kann man nicht viel machen. Keiner wusste, woher die Schmerzen genau kamen, was es genau damit auf sich hatte. Keiner wusste, wann oder ob das irgendwann wieder vorbeigehen würde.

Ich hatte jeden Tag Schmerzen, schluckte unzählige Tabletten. Fast ein ganzes Jahr lang konnte ich weder spielen noch trainieren. Ich probierte es immer mal wieder, aber es ging nicht. Ich schaffte es gar nicht mehr auf den Rasen.

Im Verein hieß es: »Der Junge packt das nicht. Er ist fußballerisch sowieso nicht begabt genug, und jetzt wächst er auch noch so schnell. Er ist zu groß. Die Hebel funktionieren nicht.« Mein damaliger Trainer meinte zu mir: »Per, das wird nichts. Dir fehlen die körperlichen Voraussetzungen. Das Tempo ist nicht da.« Selbst mein Vater, der mich bis vor ein paar Monaten in der D-Jugend von 96 trainiert hatte, kam nach einer Weile zur Einsicht, dass es für mich keinen Sinn mehr machen würde. Für ihn war immer wichtig, dass man sich über das Training verbessert, dass man Schritt für Schritt nach vorne kommt, aber bei mir war über Monate hinweg nichts als der totale Stillstand. Er hat keine realistische Perspektive mehr für mich gesehen. »Für dich geht es hier nicht weiter«, hat er eines Tages gesagt. »Du schaffst es eh nicht. Komm, lass uns die Sache abhaken.«

Für einen Jungen, der alles daransetzt, Fußballprofi zu werden, ist das natürlich ein verheerender Satz. Ein Todesurteil. Der eigene Vater zweifelt an dir, er glaubt nicht mehr an dich. Liebt er mich jetzt nicht mehr? Solche Fragen können da hochkommen. Aber bei mir war das gar nicht so. Für mich ist in dem Moment die Welt nicht zusammengebrochen. Denn bei uns in der Familie war eines immer klar: Fußball ist nicht alles.

Mein großer Bruder Denis hatte eine Sprachbehinderung und ging auf Sonderschulen. Meine Eltern sind damit sehr offen umgegangen, das hat mich immens beeindruckt. Er hat sich dann sensationell entwickelt, er hat heute Familie und einen normalen Job. Damals habe ich schnell gemerkt, dass es wichtigere Dinge gibt als Fußball. Fußball war höchstens der Plan B. Plan A war, das Abitur zu machen und dann in Hannover Sport zu studieren.

Die Idee, Profi zu werden, lag gar nicht in meinem Fokus. Nicht mal im Ansatz. Für mich stand im Vordergrund, dass ich Spaß am Kicken hatte. Es war mein Hobby, meine Leidenschaft, obwohl mich Papa mit vier Jahren quasi dazu gezwungen hat, anzufangen. Er war damals Trainer in unserem Heimatverein, dem TSV Pattensen, und er hat gesagt: »Okay, wir machen das jetzt.« Er ging dann später zu Hannover 96 als Jugendtrainer und hat mich und zwei andere Spieler aus Pattensen, die beide bessere Fußballer waren als ich, mitgenommen. Ich war zwölf, alleine hätte ich das nie gemacht. Ich war nur ein Anhängsel und habe relativ zügig erkannt, dass andere viel mehr Talent hatten als ich. Ich wurde nicht gehypt. Ich stand nie im Zentrum der Aufmerksamkeit. Für mich selbst war hundertprozentig klar, dass das alles an einem gewissen Punkt vorbei sein würde, und das würde dann so auch in Ordnung sein. Als nun die Schmerzen kamen, dachte ich, jetzt ist ebendieser Punkt erreicht. Der Trainer und Papa sprachen nur aus, was ich insgeheim für mich schon immer wusste.

Ich war nicht wütend. Ich habe das, wie auch meine Eltern, so akzeptiert: Gehe ich halt einen anderen Weg. Ich wollte niemandem etwas beweisen oder allen zeigen, dass sie sich in mir täuschten. Von so einer Trotzreaktion war ich meilenweit entfernt. Der Traum, Fußballprofi zu werden, war nicht zerstört. Ich hatte ihn nie gehabt.