Zum Inhalt

Ein frisch vermähltes Paar, Caroline und Georg Andtner, lassen sich auf einen Hauskauf im nördlichen Weinviertel ein, obwohl alle Anzeichen gegen einen Erwerb dieses Anwesens sprechen. Nicht erst durch die Nachbarn müssen sie erfahren, daß dieses 3oo Jahre alte Landhaus keinem seiner Vorbesitzer je Glück gebracht hatte – ganz im Gegenteil sogar…

„Reinthal“ ist ein Roman Noir im ursprünglichen Sinne – also eine Gothic Novel, ein Schauerroman im Geiste des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts – und wurde nach der alten Rechtschreibung (vor 1996) lektoriert.

Der Autor

© Patrick Karez, 2019

Patrick Karez wurde in den Siebziger Jahren als Kind Prager Eltern in Deutschland geboren. Nach seiner Matura lebte er zehn Jahre lang in Paris, wo er an der Université de Paris-Sorbonne in Kunst- und Architekturgeschichte s.c.l. promovierte und als Kunstkritiker für eine dem französischen Ministerium für Kultur anhängige Institution tätig war. In diesem Rahmen publizierte er bereits mit Mitte Zwanzig – so etwa Kunstkritiken, Übersetzungen aus dem Tschechischen, Englischen und Französischen – und verfasste nebenher kontinuierlich belletristische Texte. Nach seinem Studium ging er für ein Vierteljahr nach Südostasien, lebte ferner für mehrere Jahre in Budapest, Rom, New York und Wien, wo er sieben Jahre lang als Mitarbeiter für die Österreichische Nationalgalerie Belvedere samt anhängigen Häusern tätig war. Das 19. Jahrhundert und die Kunst der Jahrhundertwende zählen zu seinen Forschungsschwerpunkten. So stammen etwa aus der Feder des Autors u.a. die beiden Romanbiographien „Gustav Klimt“ (erschienen im November 2014 im acabus Verlag, Hamburg; 4. Auflage 2020; russische Ausgabe bei Molodaya Gvardiya, Moskau, 2019) sowie „Egon Schiele“ (erschienen im September 2016, im acabus Verlag, Hamburg). Nach seinen ironischen Romanen „Schwartz auf Weiss“ (2004, publiziert 2018) und „Diva – Whatever happened to Martha Kűlföldi“ (1999/2019), legt der Autor nun den Schauerroman „Reinthal“ vor.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2020 Dr. Patrick Karez

Cover/Layout: Patrick Karez & Roman Bitzinger

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH,

Norderstedt

ISBN: 9783752638530

FÜR ROMAN

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

Der hohe Pfeifton war schier unerträglich. Seit Wochen litt Franz darunter und wußte sich weder ein noch aus. Und dazu dann noch diese Klopfgeräusche. Dumpf. Und bedrohlich. Alles hatte er versucht. Er hatte das Dach untersucht, war auf den Boden gestiegen, hatte die Regenrinnen überprüft, doch das alles hatte nichts genutzt. Das Klopfen blieb. Und das Pfeifen auch. Und das war noch viel schlimmer auszuhalten. Der Ton war hoch, so hoch, daß er kaum wahrzunehmen war. Wie das schrille Fiepen einer Sendeanlage, irgendwo im kaum hörbaren Bereich, doch Franz hörte ihn dennoch. Während der letzten Tage hatte er sich nurmehr mit den Fäusten gegen die Schläfen schlagen können, was ihm natürlich keinerlei Linderung oder gar Abhilfe zu verschaffen vermochte. Ganz im Gegenteil.

Doch jetzt war genug. Er hielt das einfach nicht mehr aus. Das Geräusch machte ihn im wahrsten Sinne des Wortes rasend. Nein: wahnsinnig! Und dazu noch diese Bilder! Oder wie auch immer man es nennen mochte. Denn auf diesem Gebiet war er sehr vorsichtig. Schließlich war ja Tante Martha einst in der Klapse gelandet, justament weil sie ebenfalls Dinge gesehen hatte, die andere nicht sehen konnten. Gut, bei ihr waren es eher fromme Bilder gewesen – Engel und Heilige und so – doch bei ihm war es alles andere als das! Kurz nachdem er dieses unselige Haus gekauft hatte, war es schon losgegangen. Zunächst waren es nur Schatten gewesen. Aus dem Augenwinkel hatte er sie sehen können. Wie sie von einem dunklen Eck ins andere huschten. Vermutlich Mäuse. Hatte er anfangs noch gedacht. Doch es waren keine Mäuse. Mäuse werden nicht zwei Meter groß. Beziehungsweise noch größer. Fast drei! Außerdem gab es nirgends Mäusekot. Zumindest hier oben im Haus nicht. Aber auch unten, im Kellerstüberl, hatte er niemals welchen finden können. Was seltsam war. Die Mäuse schienen dort nicht bleiben zu wollen und kamen auch nicht hinauf in die Stube, selbst in die Küche nicht, warum auch immer. Sogar, wenn er über Nacht Brotkrumen oder andere Essensreste auf dem Küchentisch liegen ließ, kamen sie nicht. Gar nichts kam hier rauf! Nicht einmal Ameisen. Oder Asseln. Oder Spinnen. Die wenigen Fliegen, die sich ab und an durchs halb geöffnete Fenster in die dunkle Stube verirrten, krepierten nur kurz darauf. Aus unerfindlichen Gründen.

Das Haus war verflucht. Dachte er. Denn anders konnte man all diese Vorkommnisse hier nicht erklären. Zumal die Schatten im Laufe der Zeit immer konkreter wurden. Sie hatten Hand und Fuß. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und dabei war Franz kein Spinner. Nein. Er war ein gestandener Mann. Mitte Fünfzig. Handwerker. Weder gläubig. Noch ungläubig. Einfach nur ein einfacher Mann. Der von alledem hier völlig überfordert war. Alleingelassen. Und alleinstehend. Packte er heute den Spiegelschrank über dem Waschbecken mit beiden Händen. Und schlug mit aller Kraft seinen Schädel hinein. Das hohe Fiepen hörte trotzdem nicht auf. Fledermäuse konnten es nicht sein. Obwohl es draußen im Garten – und vermutlich auch oben, auf dem Boden – nur so von ihnen wimmelte. Ganz kapitale Biester, die man tatsächlich Fiepen hörte. Aber deren Fiepen war nur kurz. Und nicht so hoch. Nicht ganz so hoch. Längst hatte er den Fernseher von der Wand abgesteckt. Und ihn nur kurz danach aus dem Fenster der Stube geworfen. Auf die Gasse hinaus. Sehr zum Mißfallen seiner wenigen Nachbarn. Die ihn alle für verrückt hielten. Nicht etwa, weil er den Fernseher hinaus auf die Gasse geworfen hatte. Sondern weil er so verrückt gewesen war, dieses Haus hier zu kaufen. Jahrelang hatte es leer gestanden. Jahrzehntelang sogar. Niemand hatte es haben wollen. Und es rankten sich zahlreiche Geschichten darum. Die mit jedem Jahr immer noch unvorstellbarer und noch unglaubwürdiger wurden. Die Dorfjugend war einmal in dieses Haus eingebrochen. Aber nur ins Kellerstüberl, nicht ins Herrenhaus. Doch das schien ihnen genug gegeben zu haben, um nie wiederzukommen. Heute waren sie übrigens alle tot. Einer hatte sich mit dem Wagen gegen einen Baum gefahren. Draußen, an der ellenlangen Landstraße nach Großkrut. Ein anderer hatte sich bei der Arbeit die Hand abgetrennt. Im Sägewerk. In Poysdorf. War er verblutet. Vor den Augen seiner Kollegen, die nichts für ihn hatten tun können. Ein anderer war in Bernhardsthal mitten auf der Straße überfahren worden. Am hellichten Tage. Ein anderer wiederum, war einfach nicht mehr aufgewacht. Einfach so. Mit knapp 17 Jahren. Und so ging es munter weiter. Dumme Dorfjugend. Mit einer naturgemäß eher niedrigen Lebenserwartung. Könnte man meinen. Doch die Einwohner hier sahen es naturgemäß ganz anders. Das Haus ist verflucht. Sagten sie. Und machten seit jeher einen großen Bogen darum. Selbst die direkt angrenzenden Nachbarhäuser standen allesamt vakant. Es war tatsächlich wie verflucht. Niemand schien hier leben zu wollen. In der Nähe dieses Hauses. Und überhaupt. An der mährischen Grenze. Die nur wenige hundert Meter dahinter lag. Aber die slowakische war auch nicht weit. Nicht einmal 2o Kilometer. War das nächste slowakische Kaff entfernt. Den Österreichern war es hier offensichtlich nicht geheuer. In diesem keilförmigen Zipfel. Nördlichsten Österreichs. Eingepfercht. Zwischen Tschechei. Und Slowakei. Vor allem die Wiener schienen dieser Gegend nicht zu trauen. Für sie hörte die Welt ja schon in Floridsdorf auf. In nördliche Richtung zumindest. Die Tschechen, weiter oben, wurden seit jeher mit Argwohn und Mißtrauen beäugt. Die „foischen Behm“. Die „Ziegelbehm“. Aber der nordöstlichste Zipfel Österreichs, keine 8o Kilometer von Wien entfernt, grenzt gar nicht an Böhmen, sondern an Mähren. Allerdings kennt diesen Unterschied heutzutage niemand mehr. Franz kannte ihn. Und er war wie alle anderen in diesem Kaff regelmäßig rüber, über die Grenze, einkaufen gefahren. Dazu waren die Tschechen dann plötzlich doch wieder gut. Immerhin hatten sie einen Albert. Und sogar einen Tesco. Gleich drüben. In Břeclav. Zu Deutsch Lundenburg. Etwas, von dem man hier im nördlichen Weinviertel nur träumen konnte. Denn da gab es ja oft nicht einmal einen Supermarkt im Ort. Wie in Maustrenk zum Beispiel. Oder in Katzelsdorf. In Reinthal und in Bernhardsthal gab es immerhin einen Adeg. Aber der war nur alle Jubeljahre mal offen. Und bei weitem nicht so günstig. Also fuhr man im Verbund rüber zu den Tschechen. Nur mal ganz schnell. Um tunlichst vor Einbruch der Dämmerung wieder zuhause zu sein. Denn den „foischen Behm“ traute hier niemand. Weshalb man die Häuser regelrecht verrammelte. Des Nachts. Um nicht überfallen und ausgeraubt zu werden. Was jedoch so gut wie nie geschah. Eigentlich nie. Jede Woche fuhr man also rüber. Zum Albert. Und zum Tesco. Es waren ja bloß zwei müde Kilometer ab der Grenze. Nur ein Steinwurf entfernt. Von Reinthal. Und von Bernhardsthal. Ein Katzensprung. Sozusagen. Von Katzelsdorf. Aber die großartigen böhmischen, beziehungsweise mährischen, beziehungsweise liechtensteinischen Schlösser dort, die sah man sich natürlich nicht an. Obwohl diese auch nur wenige Kilometer hinter der Grenze lagen. Nicht einmal sieben! Und dabei war Feldsberg, heute Valtice, während der Monarchie noch Gerichtssitz vom politischen Bezirk Mistelbach gewesen! Mit einem wahrhaft pompösen Barockschloß und einer monumentalen, barocken Basilika. Bloß 7 Kilometer entfernt. Von Schloß Eisgrub. Heute Lednice. Einem der schönsten und meistbesuchten Schlösser Böhmens und Mährens, vulgo der Tschechischen Republik. Gut eine halbe Million Menschen kam jedes Jahr hierher, um sich dieses phantastische Schloß im neugotischen Tudor-Stil anzusehen, welches natürlich in diese Gegend hineinpaßte wie die Faust aufs Auge. Wie ein vom Mond heruntergefallener Fremdkörper. Sozusagen. Kamen die Menschen aus New York. Aus Paris. Aus London. Aus Tokyo. Und aus Hongkong. Nur die Weinviertler, die kamen nicht. Obwohl sie es von Katzelsdorf oder von Reinthal aus nur eine Handvoll Kilometer weit hatten. Wozu Schlösser anschauen, wenn doch im Abendprogramm die Millionenshow läuft. Und dann noch nach Lednice! Was gefühlt am anderen Ende der Erde lag. Und was übrigens wortwörtlich übersetzt „Kühlschrank“ im Tschechischen bedeutet. Im Deutschen heißt es immerhin Eisgrub. Was nicht ganz so pragmatisch klingt. Aber das alles interessierte hier keinen. Denn niemand sprach hier tschechisch. Man lebte zwar nur wenige Kilometer von der Grenze weg, aber man war nicht die Bohne am Nachbarn interessiert. Schließlich waren die da drüben ja auch mal Österreicher gewesen. Vor exakt 1oo Jahren nämlich noch. Und was sind schon 1oo Jahre angesichts der Jahrtausende alten Geschichte dieser Region? Nichts! Damals hatte man jenseits der Grenze nicht nur deutsch gesprochen, sondern die Bevölkerung dort war auch fast zu 1oo Prozent deutsch gewesen. Jetzt war alles anders. Jetzt sprachen die da drüben diese seltsame Tschuschensprache. Mit all ihren offenen Vokalen. Den gerollten Rs. Und den ganzen lästigen Čs. Und Šs. Und Řs. Und Ňs. Schrecklich anzuschauen. Und noch schrecklicher anzuhören. Unzivilisiert! Nein. Das wollte man hier nicht. Denn im nördlichen Weinviertel, da war man schließlich ganz gern unter sich. Da war man österreichisch. Zumindest meinte man das. Auch Franz hatte sich nicht die Bohne für die böhmisch-mährischliechtensteinische Kultur interessiert. Er war ein Pragmatiker. Er hatte dieses Haus gekauft, weil er nicht viel Geld hatte. Und dieses Haus, das hatte man ihm wahrlich hinterhergeschmissen! Wenige tausend Euro nur, hatte er dafür bezahlt. Und dabei verfügte es über beinahe 1.ooo Quadratmeter Grund. Mit ganzen fünf Gebäuden darauf. Einem Haupthaus. Einem Gästehaus. Einem Kaminhaus. Einem Werkstatthaus. Und einem Saunahaus. Das Haupthaus stammte noch aus dem frühen 18. Jahrhundert. Die anderen Gebäude hingegen waren etwas jünger. Aber auch nicht viel. Die mächtige Balkendecke in der Stube hatte man erst im Jahre 1789 eingezogen, wie eine Inschrift im Hauptbalken bezeugte. Einem Giganten. Aus Eiche. Ganz dunkel. Genauso wie der Rest des Hauses. Welches lediglich über zwei kleine Fenster zur Gasse hin verfügte. Und die zu allem Unglück auch noch nach Norden ausgerichtet waren. Sodaß kaum Licht hineinkam. Aber er hatte das Haus gemocht. Klein. Aber fein. Hatte er gedacht. Und es modernisieren wollen. Doch dazu war es nicht mehr gekommen. Erst kamen diese schier unerträglichen Kopfschmerzen. Und dann dieser Schwindel. So stark, daß er zuletzt des öfteren gestürzt war. Er war einfach hingefallen. Wie ein nasser Sack. Zement. Dann waren auch noch Krämpfe dazugekommen. Dieses lästige und mit der Zeit auch schmerzhafte Muskelzittern. Und schließlich diese Wahnvorstellungen. Dabei war Franz alles andere als eine Memme. Oder ein Weichei. Oder wie auch immer man es auszudrücken pflegt. Nein. Franz war vielmehr ein völlig unterdurchschnittlicher Mann. Vom Land. Den so leicht nichts umhaute. Und doch haute es ihn um. Tag. Für Tag. Und von Tag. Zu Tag. Immer häufiger.

Bestürzt musterte er sein blutendes Antlitz. Die Scherben des zertrümmerten Badezimmerspiegels warfen es ihm hundertfach zurück. So konnte es nicht weitergehen. Dachte er. Und trat in den Garten hinaus. Hinterm Haus. Im Dunkel der Nacht. Stand diese gewaltige Robinie. Jahrhunderte mußte sie alt sein! Obwohl Robinien über eher brüchiges Holz verfügen und deshalb Stürmen nicht so gut standhalten. In der Regel. Doch diese Robinie hier war anders. Sie hielt stand. Und das, obwohl sie auf Lehm stand. Der nicht einmal besonders dick war. Denn nur etwa zwei bis drei Meter unter ihr zog sich, von der Gasse ausgehend, eine ellenlange, teilweise gemauerte Kellerröhre unter dem gesamten Anwesen hindurch, welches auf einem kleinen Hügel, beziehungsweise auf einer kleinen Erhebung, stand, nur wenige Meter hoch, aber das genügte, um alles auf diesem Grund sozusagen in der Luft schweben zu lassen. Denn das Weinviertel war an vielen Stellen ausgehöhlt wie ein löchriger Schweizer Käse. Vor genau 3oo Jahren, als man dieses Haus mitsamt seinem Erdkeller errichtet hatte, lebten die Menschen in dieser Gegend hauptsächlich vom Weinbau. Ein Umstand, dem das Weinviertel letztendlich seinen Namen verdankt. Der Lehmboden der Kellerröhre blieb das ganze Jahr über konstant bei ca. 8 Grad Celsius. Ideale Bedingungen. Für die dauerhafte Einlagerung von Weinfässern. Oder anderem. Und ein weiteres Indiz dafür. Warum Eisgrub auf tschechisch ausgerechnet „Kühlschrank“ heißt. Doch das wußte Franz wie gesagt nicht.

Taumelnd schritt er auf die Robinie zu, die im hinteren Teil des Gartens stand. Oder des Anwesens, mußte man fast schon sagen, obwohl es mit knapp 1.ooo Quadratmetern Grund nicht besonders groß war. Doch es wurde zu allen Seiten von gut zwei bis drei Meter hohen Mauern umgeben. Und es lag auch gut zwei bis drei Meter über dem es umgebenden Straßenniveau. Weshalb es den Anschein einer befestigten Anlage machte. Fast schon einer Art Burg. Nur nicht ganz so spektakulär. Versteht sich. Aber spektakulär war diese Robinie durchaus. Welche derzeit kurz vor der Blüte stand. Und deren mächtiger Hauptstamm zweigeteilt war. Einen Bruder hatte sie auch noch bis vor kurzem gehabt. Weiter vorn. Direkt hinterm Haupthaus. Doch den hatte Franz gleich nach dem Kauf dieses Anwesens fällen lassen. Denn dieses Monstrum war ihm nicht ganz geheuer gewesen. So nah. An seinem Gemäuer. Außerdem war er der Meinung, daß dessen Wurzeln die Kellerröhre eindrückten. Das zweite Ungetüm jedoch, weiter hinten, hatte Franz stehengelassen. Nicht etwa aus Pietät. Oder gar aus Umweltliebe. Oder aus Gründen des Naturschutzes. Nein. Ihm war einfach die Lust am Fällen vergangen, denn so ein zig Meter hohes Monstrum muß schließlich fachgerecht zerlegt werden. Meter. Für Meter. Sonst bricht es. Und fällt aufs Haus. Oder Schlimmeres. Also waren bald schon sämtliche geplante Umbau- und Umgestaltungsarbeiten auf Eis gelegt worden. Anstatt das Haus zu renovieren, ließ er es nur noch weiter verfallen. Es war ganz so, als wolle dieses Haus nicht angerührt werden. Als wolle es in Ruhe gelassen werden. Als wolle es nicht, daß jemand es verändert, oder gar bewohnt. Weder Mensch. Noch Tier. Auch bei den Pflanzen war es schwierig. Der lehmige Boden trocknete während der Sommermonate völlig aus. Sämtliche Begrünungsversuche von seiten Franzens entpuppten sich als Reinfall. Er hätte schon jeden Tag gießen müssen – und das nicht zu knapp – doch erstens hatte er Besseres zu tun, und zweitens war ihm die Wasserrechnung auf Dauer zu hoch. Also ließ er es bleiben. Das einzige, was hier wucherte, waren also die Robinien, die zudem permanent Schößlinge aus dem Boden trieben. Entfernte man diese nicht sofort, so wuchsen sie in wenigen Wochen auf über einen Meter Höhe heran. Mit ihren großen und spitzen Dornen waren sie die reinste Plage. So fand Franz. Und er begriff schon sehr bald, daß es nicht genügte, sie einfach auszureißen. Nein. Man mußte sie förmlich ausgraben und ihr gesamtes Wurzelwerk freilegen, bevor man es irgendwo entsorgte. Denn nur ein Bruchstück davon, welches unachtsam im Boden verblieb, beförderte nur bald darauf eine neue Armee von Robinienkriegern aus dem lehmigen Boden herauf. Franz war also wie Iason, der gegen eine ganze Armee von Kriegern ankämpfen mußte, welche aus zuvor gesäten Drachenzähnen aus der Erde emporstieg. Vorausgesetzt natürlich, Franz hätte überhaupt gewußt, wer oder was Iason überhaupt ist oder war, aber Franz hatte diesbezüglich nicht den leisesten Schimmer. Genauso verhielt es sich übrigens auch mit dem Stechapfel. Eine wahre Plage. Giftig. Und stinkend. Kaum ausrottbar. Aronstab gab es hier auch. Ebenso giftig. Wie stinkend. Wie unausrottbar. Und überhaupt. Schien hier alles giftig und stinkend und unausrottbar zu sein. Obendrein war es zumeist auch noch stachelig. Beziehungsweise mit Dornen besetzt. Wie irgendwo im Süden. In der Steppe. Oder in der Halbwüste. Und tatsächlich konnten die Sommer hier im nördlichen Weinviertel sehr heiß werden. Trocken vor allem. Weshalb sich eigentlich nur der Weinbau wirklich lohnte. Alles andere wäre die Mühe nicht wert. Allein das Bewässern von Salaten und anderem Grünzeug würde dieses anschließend auf dem Markt oder im Ladenregal völlig unerschwinglich machen. Eine karge Gegend. Eine unwirtliche Gegend. Und dennoch lieblich. Mit sanft geschwungenen Hügeln. Der Toscana oder zumindest der Champagne nicht unähnlich. Franz hatte sie nach einiger Zeit zu schätzen gelernt. Aber nur für kurze Zeit. Bald darauf verfluchte er sie auch schon. So auch heute. Als er humpelnd auf die Robinie zuschritt. Mit blutender Stirn. Und mit einem langen, gelben LKW-Spanngurt in der Hand. Einen langen, tiefen Schrei ausstoßend, in welchem sich all seine Verzweiflung zu manifestieren schien. Kurz darauf krachte es. Dann war Ruhe.

I

Caroline war nervös. Schließlich ist man nicht aller Tage beim Notar. Und sie war es überhaupt zum ersten Mal. Auch kauft man nicht alle Tage ein Haus. Und für sie war auch dies eine Premiere. Ihr Mann, Georg, hingegen, war die Ruhe selbst. Zumindest schien er dies zu sein, obwohl der heutige Tag auch für ihn eine Premiere bezüglich der beiden, oben erwähnten Sachverhalte darstellte.

„Die läßt sich aber Zeit!“, murmelte sie, „Jetzt warten wir schon seit zehn Minuten!“

„Ich denke, sie hat viel zu tun“, erwiderte Georg schulternzuckend, während er auf das Display seines Smartphones starrte und ab und zu mit dem rechten Daumen darüberwischte.

„Herr und Frau Andtner!“, ertönte es schließlich aus dem Sekretariat, und die Notariatsgehilfin führte das frisch vermählte Paar nach links hinten durch, in die Höhle des Löwen sozusagen, beziehungsweise der Löwin, denn der Notar war eine Frau.

„Herr und Frau Andtner!“, wiederholte die Notarin nun die Worte ihrer Gehilfin, „Nehmen Sie doch bitte Platz!“

Caroline beobachtete schweigend diese Frau, die gut und gerne 7o sein mußte. Zumindest aber Ende Sechzig, so circa 68, vielleicht aber auch schon über 7o, so um die 72. Und Caroline wunderte sich insgeheim darüber, daß es für den Notariatsberuf offensichtlich kein offizielles Verfallsdatum zu geben schien.

Die Notarin drückte sich sehr gewählt aus und wirkte überhaupt sehr „damenhaft“, was Caroline einigermaßen verwunderte, denn in diesem Nest namens Mistelbach, in welches es sie am heutigen Tage überhaupt zum ersten Mal verschlagen hatte, hätte sie sich eher eine Juristin auf dem beruflichen Abstellgleis erwartet, aber diese Vertreterin ihrer Art war alles andere als das. Schweigend saß sie also da und ließ ihren Mann das alles machen. Das war ja schließlich Männerkram. Dachte sie. Es interessierte sie nicht sonderlich. Andererseits war der Notar eine Frau, also war es wohl doch nicht alles nur Männerkram, aber diesen Gedanken verwarf Caroline alsbald wieder, denn es brachte ihr mühevoll zurechtgezimmertes Weltbild durcheinander. Georg machte das sehr gut, wie sie fand. In seiner freundlichen, fast schon koketten Art brachte er diesen alten Fuchs sogar zum Schmunzeln und entlockte ihm auch so manch privates Geheimnis – so etwa, daß er einst in Wien studiert und exerziert hatte, dieser Notar, der ja eine Frau war. Caroline beobachtete indessen die Sonnenstrahlen, die zu so früher Stunde durch die beiden Fenster auf den glänzenden Parkettboden aus dunkler Eiche fielen und versank halb in ihren Gedanken, während die beiden anderen unablässig murmelten, einander Fragen stellten und teilweise Passagen vorlasen, wobei sie gemeinsam den Vertrag durchgingen.

„Wir wollten etwas unter 1oo.ooo € finden“, sagte Georg nun plötzlich, was Caroline aus ihren Träumereien riß, „eigentlich eher so um die 5o.ooo, aber jetzt ist es mehr oder weniger so was dazwischen geworden.“

„Es gibt hier im Weinviertel, vor allem im nördlichen Weinviertel, gleich oben, an der tschechischen Grenze, noch so manches Schnäppchen zu ergattern“, ging die Notarin bereitwillig auf die privaten Ausführungen ihres Mandanten ein, obwohl diese nichts zur Sache taten. Aber schließlich ließ sie sich ihre Dienste fürstlich entlohnen, da konnte man auch gut und gerne mal die eine oder andere Banalität einwerfen.

Nördliches Weinviertel, dachte Caroline, und war sich nicht so ganz sicher darüber, was sie hier überhaupt tat. Gewiß, das Haus gefiel ihr, es war zwar nicht sehr groß, aber es wirkte mit seinem hohen und spitzen Giebel, der zur Gasse stand, geradezu wie eines dieser Häuser aus den Märchen; alt war es ja auch, gut und gerne 3oo Jahre alt, hatte ihr der Makler gesagt. Etwas düster war es zwar, aber es war nicht allzu teuer, wobei sie sich dennoch hatten verschulden müssen, um es zu kaufen, denn mit 5o.ooo € kam man heutzutage nicht mehr weit, selbst im nördlichen Weinviertel nicht. Alles, was sie sich zu diesem Preis – und teilweise sogar auch darunter! – im Internet angesehen hatten, hatte, bei genauerer Betrachtung, einen Haken. Entweder war es ein Öltank im Garten, oder es war erst gar kein Garten vorhanden, schließlich hat ja alles seinen Preis und von nichts kommt bekanntlich nichts. Also war es letztendlich doch dieses Haus hier geworden, wobei es nicht einmal wirklich einen Verkäufer gab, zumindest war hier heute keiner anwesend, was sie schon recht seltsam fand. Aber die Notarin versicherte ihnen, dies sei unter gewissen Umständen durchaus so üblich – etwa, wenn es keine direkten Nachkommen mehr gibt und das Haus dem Staate zufällt, auch bei Konkursmasse und somit bei Veräußerung durch eine Bank sei es des öfteren so – aber genau konnte Caroline das auch nicht sagen, ganz einfach, weil sie nicht wirklich zugehört hatte.

Doch plötzlich hörte sie zu. Und wie. Ihr gefror förmlich das Blut in den Adern.

„Vor der Vertragsunterzeichnung sehe ich mich verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, Herr und Frau Andtner, daß der Vorbesitzer dieser Liegenschaft sich in derselben das Leben genommen hat. Und ich sage es Ihnen lieber jetzt, bevor Sie es dann noch von den Nachbarn erfahren oder so ähnlich. Dann nämlich hätten Sie tatsächlich das Recht, auch im Nachhinein, vom Kauf zurückzutreten, aufgrund einer etwaigen Unterschlagung für Sie wichtiger Informationen.“

Da ihre beiden Mandanten lediglich starr dasaßen und in keinster Weise reagierten, fuhr sie fort, wobei sie das bereits Gesagte nun in anderen Worten wiedergab:

„Ich sage Ihnen das jetzt nicht aus barer Philanthropie, müssen Sie wissen, sondern ganz einfach, weil ich es muß, weil ich von Rechts wegen dazu verpflichtet bin. Sie müßten als Käufer über diesen Umstand eigentlich von seiten des Verkäufers – und in diesem Falle ist es ja die Republik Österreich, wenngleich heute hier nicht physisch vertreten – informiert werden, ansonsten könnte es Ihrerseits als triftiger Grund für einen Rückzug vom Vertrag geltend gemacht werden, als Widerrufs- und Kündigungsgrund sozusagen, und dies sogar auch zu einem späteren Zeitpunkt, gegebenenfalls vor Gericht, welches es daraufhin nach geltendem Recht als hinterbeziehungsweise als arglistiges Täuschen oder zumindest als Verschweigen von rücktrittswürdigen Gründen auslegen würde, womit dieser Kaufvertrag also null und nichtig wäre, denn derartige Informationen sind selbstverständlich nicht unerheblich und beeinflussen den Entscheidungsprozeß maßgeblich. Aber ich nehme an, der Makler hat Sie ohnehin bereits darüber informiert!?“

Caroline stand indessen der Mund offen. Ein zögerlicher Blick nach rechts, zu ihrem Mann, verriet ihr, daß auch er nach den passenden Worten rang.

„Also nicht!“, fügte die Notarin nach nur wenigen Sekunden hinzu, „Das tut mir leid. Er müßte es tun, er macht sich dadurch sogar strafbar! Gott, diese Makler! Sie tun doch in ihrer Verzweiflung wirklich alles, um ihre Häuser loszuwerden! Respektive unterlassen sie so einiges, um dieselben an den Mann zu bringen. Oder an die Frau, je nachdem…“

„Schatz?“, endlich schien Georg aus seiner Starre erwacht zu sein und sah seiner Frau entgeistert in die Augen.

„Das… das ist jetzt… eine ziemlich verwirrende Neuigkeit!“, stammelte diese bloß.

„Wissen Sie was?“, die Notarin schob den Kaufvertrag kurzerhand zur Seite, „Gehen Sie doch kurz hinaus, gehen Sie ein Weilchen in der Sonne spazieren, und überlegen Sie es sich noch. Wie gesagt: Sie sind jetzt nicht mehr verpflichtet, diese Liegenschaft zu erwerben – das von Ihnen unterzeichnete Kaufangebot hat somit gänzlich seine juristische Wirkung verloren.“

„Wir… wir kommen bald wieder“, murmelte Georg, „So in einer halben Stunde etwa? Geht das?“

„Aber sicher!“, die Notarin winkte ab, „Nehmen Sie sich nur die Zeit, die Sie brauchen. Ich laufe Ihnen nicht davon.“

„Eine Frage noch…“, Georg war plötzlich in der Tür zum Vorzimmer stehengeblieben.

„Ja, bitte?“

Wie… ich meine… wo…?“

„Nun, ich habe den Akt hier… warten Sie einen Augenblick!“, die Notarin tat so, als krame sie umständlich in ihren Papieren herum, dabei lag das betreffende Dokument gleich unter dem Kaufvertrag, „Tod durch Erhängen, steht hier.“

„Erhängen?“, Georg sah seine Frau mit schockierter Miene an.

„Ja, durch Erhängen. Strangulation steht hier, um genau zu sein“, der Notarin schien die Situation nun ebenfalls unangenehm zu sein.

„Etwa im Haus?“, brachte nun auch Caroline ihren ganzen Mut auf.

„Nein, nicht im Haus. Gott sei Dank!“, die Notarin lächelte mit verzerrtem Gesicht, „Also, falls es Sie beruhigt: Der arme Mann hat sich im Garten, vermutlich an einem Baum, aufgeknüpft. Er ist nicht im Haus gestorben, falls Ihnen das irgendwie weiterhilft.“

II

„Ich kann es nicht fassen!“, murmelte Caroline mit schockierter Miene, während sie in der milden Frühjahrssonne über den Mistelbacher Hauptplatz schritten, „Wie hat man uns das nur verschweigen können!?“

„Darüber redet wohl niemand so gern“, gab Georg lapidar zurück, „Und eigentlich ist es ja auch egal.“

Egal? Bist Du verrückt geworden?“

„Nun ja…“, er schien nach den passenden Worten zu suchen, „Das Haus wird ja dadurch nicht schlechter.“

„So? Findest Du? Das sehe ich aber ganz und gar nicht so!“

„Sieh mal, Caro, wir haben nun mal nicht so viel Geld. Dieses Haus ist das beste, was wir für diesen Preis bekommen konnten, das weißt Du genausogut wie ich. Bis jetzt gab es immer einen Haken bei den Häusern unter Hunderttausend – und, ganz ehrlich, wenn dies der einzige Haken bei diesem Haus ist, dann bin ich froh.“

„Aber wir können doch wohl nicht in dem Haus eines Selbstmörders leben!?“

„Warum nicht? Was kann denn das Haus dafür? Menschen sterben nun mal in Häusern! Auch in Wien gibt es zahlreiche Wohnungen, auch Gemeindebau- und Genossenschaftswohnungen übrigens, in denen Menschen gestorben sind, sich umgebracht haben, oder gar ermordet wurden. Die meisten Mieter wissen doch gar nicht, was zuvor in ihrer Wohnung geschehen ist – und das ist auch gut so! Erst die dummen Nachbarn plaudern dann diese Dinge immer aus – und plötzlich fühlen sich die neuen Mieter oder Eigentümer nicht mehr wohl in ihren eigenen vier Wänden, obwohl sie doch vorher dort glücklich waren! Das passiert doch alles nur im Kopf!“

„Ja, aber haftet dem Haus – oder der Wohnung – so etwas nicht an? Ich meine…“

„Ach, Caro!“, Georg lächelte müde, „Du immer mit Deinem esoterischen Quatsch! Wie könnte es das denn? Das Geburtshaus Adolf Hitlers in Braunau zum Beispiel, das war ja schließlich schon vor seiner Geburt dort und hatte nun mal das Pech, daß Hitler in ihm geboren wurde. Dafür kann doch das arme Haus nichts!?“

„Und dennoch soll es jetzt abgerissen werden, habe ich gelesen!“

„Ja. Zu Unrecht! Man hat die rechtmäßige Eigentümerin enteignet! Kannst Du Dir das vorstellen!? Enteignet! In Österreich! Im 21. Jahrhundert! Damit man es nämlich planieren kann, dieses ach so böse Haus! Das ist doch alles völliger Unsinn! Häuser können absolut nichts dafür, was die Menschen in ihnen machen! Wenn ein Mensch vorher schon ein Mörder oder eben selbstmordgefährdet war, dann bringt er sich, oder andere, eben um – völlig unabhängig vom Haus!“

„Ja, aber die Seele!“

„Was für eine Seele?“, nun war es Georg, der seine Frau schockiert ansah, „Was redest Du denn da nur für einen Unsinn?“

„Wenn jemand in einem Haus oder in einer Wohnung gewaltsam zu Tode kommt, dann verbleibt doch seine Seele an diesem Ort…“

„Caro, wirklich, Du machst mich fertig!“

„Aber es ist doch so! Onkel Hannes zum Beispiel…“

„Grundgütiger! Komm mir nicht mit diesen dummen, alten Geschichten! Wie kannst Du nur so einen Unsinn reden!? Im 21. Jahrhundert!?“, Georg echauffierte sich sichtlich, „Und einmal abgesehen davon: Deine einfältige Theorie hinkt insofern, als daß alle Krankenhäuser der Welt nur so wimmeln müßten von… herumirrenden Seelen, wie Du es nennst! Es gibt kein Leben nach dem Tod, es gibt keine Seele, also wie um alles in der Welt könnte dann noch irgend etwas am Sterbensort verbleiben, wie Du es ausdrückst!?“

„Ich weiß auch nicht. Ich…“

„Komm, laß uns jetzt nicht streiten!“, er drückte sie vage an sich – aber nicht etwa aus tatsächlichem Verständnis, sondern aus einem anerzogenen Reflex heraus, „Fakt ist, daß dieses Haus gut für uns ist. Es war doch auch gut für Dich, nicht wahr? Bis vor zehn Minuten zumindest…“

„Ja, aber da war die Lage doch noch ganz anders!? Ganz ehrlich, Georg, willst Du in einem Haus wohnen, wo sich jemand umgebracht hat!? Erhängt!?“

„Er hat sich doch gar nicht im Haus erhängt! Weiß der Teufel, wo er es gemacht hat – vielleicht an der Laterne vor dem Haus oder irgendwo hinten, das ist doch wohl völlig egal! Schließlich hängt er ja jetzt nicht mehr dort. Und einmal ganz abgesehen davon: Wenn er nicht mehr leben wollte, dann wird seine… Seele…“, Georg malte mit seinen Fingern zwei Anführungsstriche in die Luft, „auch ganz sicher nicht an diesem Ort… verbleiben“, wieder malte er die Anführungszeichen in die Luft, „denn er wird heilfroh sein, endlich tot zu sein und machen, daß er von hier wegkommt!“

„Es gibt nurmehr diesen einen, riesigen Baum, hinten im Garten! Der gleich neben dem Haus wurde unlängst gefällt.“

„Ja, meinetwegen! Soll er sich dort ruhig aufgeknüpft haben! Mir persönlich ist es völlig wurscht!“

„Mir nicht!“, sie verschränkte trotzig ihre Arme unter der Brust, „Ich werde jeden Tag daran denken müssen, wenn ich diesen Baum ansehe!“

„Gott, Caro!“, Georg schüttelte verständnislos den Kopf, „Es ist doch nur eine Akazie! Und sie blüht derzeit auch noch und duftet so schön! Sie biegt sich förmlich durch, vor lauter duftenden Blütendolden! Und hast Du die Bienen darin gesehen? Wie viele es sind? Das Leben geht nun mal weiter, auch wenn ein anderes zu Ende gegangen ist! So ist das Leben nun mal!“

„Dann werden wir sie fällen!“, erwiderte sie mit entschiedener Stimme.

„Fällen?“, er sah sie mit großen Augen an, „Ja, aber dann haben wir ja gar keinen Altbaumbestand mehr auf dem Grund!“

„Ich weiß…“

„Gut, das überlegen wir uns dann noch, das muß man ja schließlich nicht jetzt und hier sofort entscheiden, oder?“

„Tragischerweise ist dieser Baum just einer der Gründe, weshalb ich dieses Haus letztendlich doch noch kaufen wollte“, fügte sie kleinlaut hinzu, „Und jetzt muß er weg…“

„Gar nichts muß weg!“, er zog sie erneut mit mechanischer Geste an sich, „Der Baum kann ruhig bleiben! Oder glaubst Du etwa, daß es dort jetzt spukt!? Ich bitte Dich!“

„Es ist schon verrückt“, sagte sie nach einer Weile, nachdem Georg sie geschickt wieder in Richtung der Notariatskanzlei gelenkt hatte, „Man sieht so was nicht!“

„Was meinst Du?“

„Ich meine: man sieht es einem Gebäude nicht an! Man ist ja aus Horrorfilmen gewöhnt, daß solche Häuser immer ganz unheimlich aussehen und eine dunkle Aura haben, aber hier…“

„Ach, Caroline!“, Georg schüttelte verständnislos den Kopf, „Was sollte an einem Gemeindebau oder an einer Genossenschaftswohnung düster oder unheimlich sein, wenn sich dort jemand umgebracht hat!? Wenn die Wohnung düster ist, dann liegt das doch wohl sicher nur daran, daß kein Licht hineinfällt!“

„Aber ein wenig unheimlich ist es schon, findest Du nicht auch?“

„Was denn?“

„Na, unser… ich meine: das Haus!“

„Ja, aber doch nur, weil es 3oo Jahre alt ist! Nicht, weil sich dort… jemand…“, doch er zog es vor, die restlichen Worte zu verschlucken.

„Und was machen wir jetzt?“, sie sah ihn ratlos an.

„Na, was schon!?“, er zuckte mit den Schultern, „Wir kaufen es!“

„Bist Du Dir da ganz sicher? Ich bin es nämlich nicht.“

„Ja, ganz sicher!“, Georg setzte eine siegesbewußte Miene auf, „Und da wir ja jetzt wissen, was dort passiert ist, werde ich den Preis noch einmal ganz ordentlich zu drücken versuchen! Machen wir es doch einfach davon abhängig: Läßt der Verkäufer – also der Staat oder die Bank, denen es noch gehört – sich darauf ein, dann ist es ein Zeichen, dann kaufen wir es. Abgemacht!?“

Ein Zeichen?“, ungläubig sah sie ihn von der Seite an, „Du glaubst an Zeichen?“

„Natürlich nicht!“, er lächelte verlegen, „Aber ich rede nun mal so mit Dir, damit Du mich überhaupt verstehst, beziehungsweise, damit ich Dich irgendwie erreichen kann! Du weißt, ich bin Techniker; ich bin so fern von Zeichen und Gefühlen und Geistern und Seelen und was auch immer, wie der Mars von der Erde!“

„Das ist nicht allzu weit.“

„Das ist alles relativ.“

III

„Georg, wo soll ich die Kamelien hinsetzen?“, Caroline trug die Töpfe mit den Pflanzen durch den verglasten Arkadengang hinauf, der sich, von der Gasse ausgehend, seitlich der Hauswand erstreckte und oben im Garten mündete.

„Was weiß ich?“, er zuckte gleichgültig mit den Achseln, „Der Garten ist doch Deine Aufgabe!“

„Ja, aber…“, verärgert blieb sie stehen und sah ihm direkt in die Augen, „Es soll doch unser Garten werden! Magst Du da nicht auch ein bißchen mitreden?“

„Nein, danke!“, er winkte ab, „Ich habe genug mit dem Rest des Hauses zu tun, beziehungsweise mit den Häusern, denn es sind fünf Gebäude, wie Du ja selbst sehen kannst! Ich werde jetzt erst einmal alle Dächer genau überprüfen und auf die Böden hinaufsteigen. Tob’ Du Dich derweil ruhig hier im Garten aus!“

Schweigend stellte Caroline die Töpfe mit den Pflanzen auf der Terrasse hinter dem Haus ab. Es ärgerte sie, daß Georg in einem derartigen Ton mit ihr sprach, aber das war ja schließlich nichts Neues, das kannte sie schon von ihm, und zwar ganz von Anfang an, auch vor der Eheschließung schon. Letztendlich hatte sie ja gewußt, worauf sie sich da eingelassen hat. Georg war nun mal ein Vollbluttechniker durch und durch. Alles, was ihn zu interessieren schien, war die Funktionalität der Dinge, nicht so sehr deren Ästhetik. Zunehmend litt sie darunter.

„Was würdest Du dazu sagen, wenn wir sie gleich hier, an den Rand der Terrasse, setzen?“, versuchte sie es erneut.

„Ach, Caro! Setz’ sie doch wohin Du willst! Ich hab’ jetzt wichtigeres zu tun!“

Mit verkniffenem Mund schob Caroline die Töpfe von links nach rechts. Aber sie war mit allen potentiellen Standortmöglichkeiten nicht wirklich zufrieden.

„Ich weiß nicht so recht…“, so schnell gab sie nicht auf, „Die werden groß, hat man mir gesagt, so an die zwei Meter hoch, oder sogar mehr… Wenn wir im Sommer hier auf der Terrasse sitzen, würden sie uns den Blick nach hinten, in den Garten, versperren, findest Du nicht auch?“

„Also gut“, Georg warf entnervt die Leiter in die an die Terrasse angrenzende Wiese, „Du gibst einfach nicht auf.“

„Es ist doch immerhin unser Haus!? Unser neues Haus!? Ich hatte noch nie eines! Das alles ist völlig neu für mich!“, ihre Stimme klang plötzlich etwas weinerlich, „Kannst Du nicht ein ganz klein wenig mehr auf mich eingehen, bitte? Ich finde, wir sollten alles gemeinsam planen, auch den Garten.“

„Jaja, ist schon gut!“, er tätschelte vage ihren Unterarm, „Also mal sehen… Kamille, sagst Du?“

„Nein, diese Kamelien hier!“

„Hier steht, daß sie keine pralle Sonne vertragen. Aber auch keinen Vollschatten. Und auch keinen allzu starken Wind oder Frost…“, mit zugekniffenen Augen versuchte er die winzige Schrift auf seinem Display zu entziffern, „Also meiner Meinung nach, sind das richtige Mimöschen! Eigentlich so richtig blöd, ausgerechnet diese Pflanzen für unseren Garten ausgewählt zu haben! Im Winter werden sie Dir eingehen, das sind mediterrane Pflanzen, die kann man doch nicht einfach hier in Österreich aussetzen! Du wirst sie in Kübel pflanzen müssen – und dann haben wir den Salat! Jeden Herbst werden wir diese Dinger dann in den Arkadengang schleppen müssen – und im Frühjahr wieder raus! Das ist doch nix! Das ist doch wohl nur zusätzliche, unnötige Arbeit!“

„Aber ich liebe Kamelien!“, entgegnete Caroline kleinlaut.

„Wenn sie weder Frost noch Hitze vertragen, dann setz’ sie nicht hier in die pralle Sonne – schließlich ist diese Rückseite des Hauses genau nach Süden ausgerichtet! Setz’ sie doch besser…“, er sah sich lustlos um, „da nach hinten! Nach rechts, am besten.“

„Ja, aber dort sehen wir sie doch gar nicht!?“

„Jetzt reicht’s mir aber mit Dir! Du hast mich nach meiner Meinung gefragt – und ich habe Dir meine Meinung gesagt. Was willst Du mehr?“

Schweigend und mit hängenden Mundwinkeln schleppte Caroline also die Töpfe in den hinteren Teil des Gartens, über dem sich die mächtigen Äste der Robinie ausbreiteten und Schatten spendeten. Schaudernd betrachtete sie den Baum, der über und über mit crèmeweißen Blütendolden hing, welche einen betörenden Duft verströmten. Überall um sie herum schwirrten die Bienen. Eine wahrlich idyllische Atmosphäre. Wäre da nur nicht… Mit ängstlichem Blick sah sie den Stamm hinauf. Da! Dieser dicke Ast da vorn, der war es bestimmt! Dachte sie. Oder eher der da? Schon stellte sie sich auf ihre Zehenspitzen, um diese in Frage kommenden Äste genauer unter die Lupe zu nehmen. Vielleicht gab es da ja noch die eine oder andere Abschürfung? Wenn der arme Mensch, der sich hier das Leben genommen hat, ein Seil verwendet hat – und das hatte er ja schließlich müssen, wenn er sich stranguliert hat – dann müßte es da vielleicht noch die eine oder andere Abriebstelle geben… Doch sie entdeckte nichts, so genau und gewissenhaft sie auch nachschaute. Später, da würde sie sich die Leiter nehmen, nachdem Georg mit seiner Arbeit fertig war, und ein wenig hinaufkraxeln. Von oben würde sie es sicher besser sehen können. Aber es muß dieser Ast hier vorn gewesen sein. Oder der da rechts. Eine andere Möglichkeit gab es nicht, schlußfolgerte sie, denn die anderen in Frage kommenden Äste lagen viel zu weit oben.

Lustlos stellte sie die Töpfe an der Mauer, rechts von der Robinie, ab. Hier gefielen sie ihr auch nicht. Das war viel zu weit hinten, viel zu weit weg vom Haupthaus. Außerdem wollte sie hier keinen Garten anlegen. Das würde doch viel zu sehr nach einem Friedhof aussehen, dachte sie. Die Blumen sollten schließlich alle in Hausnähe wachsen, hier hinten sollte vielmehr nur Nutzwiese sein – und vielleicht noch ein zweiter Komposthaufen – da, rechts, stand ja schon einer.

Überhaupt gefiel ihr diese ganze Ecke hier nicht. Das Grundstück lief hier trapezförmig zu und mündete in einem wahrhaft toten Eck, wie sie fand. Georg hatte ihr nach der Vertragsunterzeichnung erklärt, daß dieser Grund einmal aus vier separaten Grundstücken bestanden hatte. Beziehungsweise aus je zweien. Und dazwischen hatte sich einst, man konnte es sich kaum mehr vorstellen, eine Straße befunden! Seit der Barockzeit, oder noch früher, bis in die Sechziger oder Siebziger Jahre hinein. Eine richtige Gasse, durch welche sogar Pferdefuhrwerke durchgepaßt hatten, hatte einer der Nachbarn unlängst zu Georg gesagt. Also muß diese Gasse, nicht weit hinter der Terrasse, die gleich ans Haupthaus anschloß, im rechten Winkel das heutige Grundstück durchschnitten haben. Caroline, die sich das nun näher ansehen wollte, fand schon bald darauf in der östlichen Begrenzungsmauer zwei alte Eisenspangen, die wohl einst einen Zaun gehalten hatten. Auch war dieser Mauerpfosten ganz besonders dick. Das restliche Stück der Mauer, welches zum Kaminhaus und dem dahinterliegenden Gästehaus führte, war neuer, der Verputz war hier rauh – und auch die Schindeln, welche diese Mauer bekrönten, waren andere als jene auf dem vorderen Teil. Georg hatte ihr auch gesagt, daß gleich neben dem Herrenhaus, ebenfalls giebelständig zur Gasse hin, sozusagen parallel zu ihrem Haus, ein weiteres Haus aus der frühen Barockzeit gestanden hatte, oder sogar noch älter. Dieses hatten die Vorvorbesitzer in den Siebziger oder Achtziger Jahren jedoch abreißen lassen und dadurch eine Art Vorgarten geschaffen, der jedoch nicht vor dem Haus lag, sondern rechts daneben. Dessen Hintergebäude war jedoch erhalten geblieben und diente heute als Werkstatt, wobei auf dem dunklen Eichenbalken über dem Sturz die Jahreszahl „1723“ eingeritzt worden war. Diese beiden Grundstücke waren also einst zusammengelegt worden, wobei das rechte nun eine Freifläche bildete. Gleich hinter diesen beiden Liegenschaften durchschnitt also einst die Gasse den heutigen Grund. Und der linke Teil davon, also jener, der sich gleich ans Haupthaus anschloß, mit Kaminhaus und Gästehaus darauf, war einst angeblich auch ein eigenes Grundstück gewesen, genauso wie der Grund rechts davon, auf welchem sich die Robinie befand und dahinter noch ein weiteres Gebäude, nämlich ein einstiges Preßhaus, welches die Vorvorbesitzer in den Siebziger Jahren zu einer Sauna umfunktioniert hatten und welches ebenfalls über eine Erdkellerröhre verfügte, aber diese hatten sie sich beide bis dato noch nicht angeschaut, denn ein großes, schweres Möbel versperrte die Bodenluke, eine große und schwere Holzklappe, die man anheben mußte, um dann, vermutlich über steinerne Stufen, hinunterzukommen. Dieses Anwesen barg also noch viele Geheimnisse, die es im Laufe der Zeit zu entdecken und zu lüften galt, dachte Caroline. Auch was die Böden anbelangte, auf denen Georg nun gerade herumturnte, die hatte sie selbst nämlich auch noch nicht gesehen. Viel zu schmutzig waren sie. Vermutlich. Und voller Spinnweben. So dachte sie. Und Spinnen waren ja nun nicht gerade ihr Ding.

Und wie sie so dastand und nachdachte, kam plötzlich Wind auf. Der strahlend blaue Himmel zog mit einem Mal von Westen her zu und es wurde kalt. Jetzt, im April, waren die Tage zwar schon ungewöhnlich warm, ja, geradezu heiß, aber die Nächte waren immer noch bitterkalt. Die Erde war ausgekühlt, zumal es heuer, noch spät, im März, wochenlang strengen Frost gegeben hatte. In Wien waren sogar die Alte und die Neue Donau komplett zugefroren, Menschen waren auf ihr schlittschuhgelaufen, das hatte sie aus der U1 heraus mit eigenen Augen sehen können…

Wie anders der Garten und das Haus doch plötzlich wirkten, mit diesen hohen, grauen, sich auftürmenden Wolken, dachte sie. Alle Farben – plötzlich weg! Das Gras immer noch bräunlich und tot, dazwischen ein paar müde Schneeglöckchen, sonst nichts. Und wie sie so dastand und in trüben Gedanken versank, berührte sie plötzlich etwas im Nacken. Erschrocken wirbelte sie herum, denn es hatte sich ganz nach einer menschlichen Hand angefühlt. Georg würde es doch wohl nicht wagen, ihr, ausgerechnet hier, an diesem Ort, an diesem verwunschenen Ort, wie sie meinte, einen Streich zu spielen!? Aber nein, da war niemand. Irritiert betrachtete sie den mächtigen Baum, der sich allmählich im aufkommenden Wind hin und her zu schaukeln begann. Augenblicklich rieselten tausende weiße Blütenblätter aus ihm heraus, über ihr Antlitz und bis hinunter, zu ihren Füßen, auf das braune und matschige Gras. Es war wie Schnee. Dachte sie. Malerisch und unheimlich zugleich. Jetzt erst sah sie, was sie da soeben berührt hatte. Es war der tief herabhängende Zweig eines jener beiden Äste, die in ihren Augen für die Strangulation des Vorbesitzers verantwortlich waren. Und wieder holte der Zweig aus! Nur knapp verfehlte er ihr Gesicht, denn sie war ihm in allerletzter Sekunde ausgewichen. Schaudernd und am ganzen Körper zitternd ging sie ins Haus zurück.

IV

Während der Nacht wuchs sich der starke Westwind zu einem regelrechten Sturm aus. Es war Carolines und Georgs erste Nacht in diesem Haus, das ja nun das ihre war, und Caroline war einigermaßen nervös, denn sie war abergläubisch und bildete sich ein, daß jene Dinge, die man während der ersten Nacht im neuen Heim träumte, wahr werden mögen. Also wollte sie sich Mühe geben, nichts Unangenehmes oder gar Schreckliches zu träumen, aber auf diese Dinge hat man selbst ja bekanntlich kaum bis gar keinen Einfluß.

Sie lag hellwach da. Während Georg neben ihr lauthals schnarchte. Der konnte schließlich überall schlafen. Egal ob daheim. Im Bett. Oder irgendwo auf einem Parkplatz. Im Auto. Oder anderswo. Caroline beneidete ihn darum. Denn ihr selbst war diese Gnade nicht vergönnt. Sie brauchte immer Stunden, bevor sie einschlafen konnte – und manchmal, da gelang es ihr mitunter gar nicht. Und so war es auch heute. Selbst ohne den Sturm hätte sie wohl nicht einzuschlafen vermocht. Schließlich schläft man ja nicht alle Tage zum ersten Mal in seinem neuen Haus.

Wie finster es hier doch war! In Wien, da schien von allen Seiten stets das Licht in die Wohnung hinein, da gab es diese absolute Dunkelheit gar nicht. Doch hier, auf dem Lande, unweit der tschechischen Grenze, wo es außer dem Grenzwald gar nichts gab, da war es stockfinster. Sie konnte nicht einmal ihre eigene Hand vor Augen sehen – und diesen Umstand empfand sie als geradezu bedrohlich. Als äußerst bedrohlich sogar, denn sie kannte dieses Haus ja noch gar nicht, zudem war es alt, sehr alt, zumindest verglichen mit den Häusern in Wien, wo die meisten ja aus der Jahrhundertwende stammten, also bei weitem nicht so alt waren wie dieses hier. Es war hier fast wie in einem Schloß, oder in einer alten Burg, nur en miniature