Gutenberg-Verlag, Hamburg 1927
Nach der zweiten Originalausgabe bearbeitet von Dr. Adolf Meyer, Bibliotheksrat und Privatdozent
24 Bände mit 36 mehrfarbigen Bildern und etwa 300 einfarbigen Bildern
Schwäne. Gänse. Enten. Säger
Die erste Ordnung der Schwimmvögel (Natatores) bilden die Zahn-, Sieb- oder Hautschnäbler ( Lamellirostres). Bei ihnen sind die verschiedenen Begabungen der schwimmenden Vögel einhellig entwickelt; ihre Bewegungsfähigkeit ist die mannigfaltigste, ihre Stimme die wohllautendste; ihre Sinne sind gleichmäßig, ihre geistigen Fähigkeiten unter den Verwandten am höchsten ausgebildet.
Wer eine Ente betrachtet, sieht das Urbild eines Zahnschnäblers vor sich. Als wichtigstes Kennzeichen erscheint uns der Schnabel, das Sieb der Zahnschnäbler, das sie befähigt, ihre Nahrung in einer ihnen eigentümlichen Weise zu erbeuten. Dieser Schnabel ist selten länger als der Kopf, gewöhnlich gerade, breit, auf der oberen Seite flach gewölbt, vorn in einen breiten Nagel übergehend, seitlich mit blätterartigen Hornzähnen besetzt, die in die der unteren Kinnlade eingreifen, mit Ausnahme der harten Ränder von einer weichen Haut überkleidet, in der sich Zweige vom fünften Nervenpaare verteilen, und dementsprechend in hohem Grade tastfähig. Er wird durch die große, fleischige, feinfühlende Zunge, die nur an ihren Rändern verhornt und hier sich franst und zähnelt, noch bedeutend vervollkommnet und zu einem vortrefflichen Seiher ausgebildet, der ermöglicht, auch den kleinsten Nahrungsbissen von umgebenden ungenießbaren Stoffen abzuscheiden. Der Leib ist kräftig, aber etwas langgestreckt, der Hals mittel- oder sehr lang und schlank, der Kopf verhältnismäßig groß, hoch und schmal, der Fuß mittelhoch oder selbst niedrig, vier-, ausnahmsweise auch nur dreizehig, vorn schwimmhäutig, die Flügel mittellang, jedoch ziemlich spitzig, der Schwanz gerade abgeschnitten oder zugerundet, auch wohl keilförmig zugespitzt, das Gefieder stets sehr reich, dicht und glatt anliegend, auch durch eine reiche Bedaunung sehr ausgezeichnet, seine Färbung eigentlich keine prachtvolle, aber doch meist höchst ansprechende, nach Geschlecht und Alter oft, obschon nicht immer verschiedene.
Zahnschnäbler finden sich, mit alleiniger Ausnahme des Festlandes am Südpole, in allen Erdteilen; sie bewohnen aber die warmen und die gemäßigten Zonen der Erde in ungleich größerer Menge als die kalten. Diejenigen, die hier leben, treten allwinterlich eine Wanderung an, die einzelne bis in die gemäßigte Zone, andere bis in die Äquatorländer führt, jene, die in wärmeren Gegenden wohnen, streichen wenigstens. Zur Brutzeit suchen viele, die sich außerdem im Meere aufhalten, süße Gewässer auf; andere ziehen sich bis zum Ausschlüpfen der Jungen in den Wald oder in Einöden zurück.
Die Begabungen der Mitglieder unserer Ordnung sind zwar verschiedenartig, aber doch sehr übereinstimmend entwickelt. Es gibt unter ihnen einige, die wegen ihrer weit hinten am Leibe eingelenkten Beine nur langsam und watschelnd gehen, aber keinen einzigen, der, wie gewisse Taucher, zum Kriechen verdammt wurde; andererseits gehören viele Zahnschnäbler zu den flinken Gängern, bewegen sich auch ohne ersichtliche Anstrengung stundenlang gehend; einige sind selbst im Gezweige der Bäume noch heimisch. Das Schwimmen üben alle mit ebensoviel Geschick als Ausdauer, kaum ein einziger mit Unlust oder nur im Notfalle; die meisten tauchen auch mehr oder weniger leicht in größere oder geringere Tiefen hinab; einzelne stehen den vollendetsten Schwimmkünstlern kaum nach. Alle Arten, die tauchen, tun dies nur von der Oberfläche des Wassers aus; sie sind Sprung-, nicht aber Stoßtaucher. Fast alle erheben sich nicht ohne einen beträchtlichen Aufwand von Kraft vom Wasser oder festen Boden und werfen sich hart nach unten hernieder, so daß einzelne es gar nicht wagen dürfen, sich auf den Erdboden niederzulassen, vielmehr stets auf das nachgiebige Wasser stürzen müssen; wenn sie aber erst einmal eine gewisse Höhe erreicht haben, fliegen sie rasch dahin und durchmessen weite Strecken in einem Zuge, obwohl sie ihre Flügel unablässig bewegen müssen. Unter den Sinnen ist neben dem des Gesichts und Gehörs auch der Tastsinn sehr ausgebildet, wie schon die äußere Untersuchung des weichhäutigen Schnabels erkennen läßt. Wer die Gans, eine alte Redensart gedankenlos nachsprechend, ein dummes Geschöpf nennt, hat sie nie beobachtet; jeder Jäger, der versuchte, Wildgänse zu überlisten, wird anderer Ansicht sein. Schwäne, Gänse, Enten und Säger gehören zu den vorsichtigsten aller Vögel und fügen sich rasch in veränderte Umstände, eignen sich deshalb auch in besonderem Grade zu Haustieren. In ihrem Wesen spricht sich im allgemeinen eine gewisse Gutmütigkeit und Verträglichkeit, auch Hang zur Geselligkeit aus; doch lieben die meisten Zahnschnäbler nur den Umgang mit ihresgleichen. Rühmenswert ist der Mut, mit dem die Weibchen bei Gefahr für ihre Kinder einstehen, wie sie denn überhaupt nicht zu den furchtsamen Vögeln gezählt werden dürfen.
Tierische und pflanzliche Stoffe bilden die Nahrung der Zahnschnäbler. Wirkliche Raubtiere, also solche, die pflanzliche Stoffe gänzlich verschmähen, sind nur wenige von ihnen, ausschließliche Pflanzenfresser ebenso wenige. Die Säger enthalten sich ungezwungen aller pflanzlichen Nahrung und nehmen solche nur zufällig mit auf; die Gänse fressen in ihrer Jugend sehr gern verschiedenes Kleingetier, verschmähen dieses aber im späteren Alter; sie werden, d.+h. rupfen und schneiden mit ihrem hartzahnigen Schnabel Pflanzenteile ab, entschälen oder zerstückeln solche, graben aus und nehmen auf; die Tauchenten lesen hauptsächlich vom Grunde des Wassers ab, fressen aber fast nur Tiere; alle übrigen gewinnen die Hauptmasse ihrer Mahlzeiten schnatternd, indem sie ihren Seihschnabel in flüssigen Schlamm oder zwischen schwimmende Pflanzenteile einführen und abwechselnd öffnen und schließen, zunächst alle festeren Bestandteile von den flüssigen abseihen und nunmehr mit Hilfe der Zunge das Genießbare von dem Ungenießbaren scheiden.
Bei den Zahnschnäblern fällt die Sorge der Bebrütung und der Erziehung der Jungen der Mutter anheim, und der nach der Paarung seinem Vergnügen lebende Vater vergißt auch leicht der letzteren; andere hingegen widmen sich gemeinschaftlich, wenn auch nicht dem Brutgeschäfte, so doch der Pflege ihrer Kinder und versehen, während das Weibchen brütet, das Amt des Wächters. Das Nest wird bald auf festeren Stellen des Sumpfes, bald auf trockenem Boden, bald in Baum-, Erd- und Felshöhlen angelegt, aus verschiedenartigen Stoffen, gewöhnlich kunstlos und roh, zusammengeschichtet, innen aber sehr regelmäßig mit den Daunen der Mutter ausgekleidet. Die Eier sind rundlich oder länglichrund, glattschalig und stets einfarbig; die Jungen kommen in einem dichten Daunenkleide aus dem Ei, entlaufen, nachdem sie abgetrocknet, dem Neste, wachsen rasch und vertauschen ihr Jugendkleid meist noch im ersten Jahre ihres Alters mit dem der Eltern oder erhalten das letztere doch im zweiten, höchstens dritten Jahre ihres Lebens. Viele tragen zwei verschiedene Kleider im Laufe des Jahres.
Eine Unzahl von Feinden stellt den Zahnschnäblern nach. Der Mensch verfolgt alle Arten, die einen des schmackhaften Wildbrets, die andern der brauchbaren Federn halber, raubt ihnen die Eier und plündert die Nester nach Daunen aus. Sehr wenige hat er sich zu Haustieren gewonnen und gezähmt, obgleich gerade diese Ordnung in dieser Hinsicht vielversprechend ist.
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Die Zahnschnäbler bilden nur eine einzige, über den ganzen Erdball verbreitete Familie, die der Entvögel ( Anatidae). In ihr wird man, auch wenn man absieht von dem Ruhme, den Dichtung und Sage den Schwänen verliehen, diesen stolzen und majestätischen Vögeln die erste Stelle unter allen Verwandten zugestehen müssen und den Rang einer Unterfamilie ( Cygninae) zusprechen dürfen.
Mit Ausnahme der Äquatorländer bewohnen die Schwäne alle Zonen der Erde, am häufigsten die gemäßigten und kalten der Nordhälfte. Das Verbreitungsgebiet jeder Art ist ein sehr ausgedehntes, und die regelmäßigen Reisen der Schwäne erstrecken sich auf weite Entfernungen. Alle Arten wandern, nicht aber unter allen Umständen; denn einzelne verweilen nicht selten während des Winters im Lande oder streichen hier wenigstens nur innerhalb eines kleinen Gebietes auf und nieder. Süßwasserseen und wasserreiche Sümpfe bilden ihre Wohnsitze, Gewässer aller Art ihren Aufenthalt. Ihr Nest legen sie regelmäßig im Binnenlands an; nach der Brutzeit dagegen halten sie sich im Meer auf. Sie sind nur bei Tage tätig und benutzen die Nacht nicht einmal zu ihrer Wanderung. Von einigen Arten vernimmt man selten einen Laut, in der Regel einen trompetenähnlichen Ton, der dem des Kranichs einigermaßen ähnelt, gewöhnlich aber nur ein starkes Zischen oder ein dumpfes Gemurmel; andere Arten hingegen besitzen eine starke und kräftige, auch einigermaßen abwechselnde Stimme, die, wenn sie von fern vernommen wird, wohllautend in das Ohr klingt. Nur die Schwäne einer und derselben Art bilden größere Gesellschaften, die dann unter sich keinen andern Vogel dulden und auch den Verwandten sich nicht anschließen; selbst der verirrte Schwan treibt sich lieber einsam umher, als daß er sich mit andern Schwimmvögeln vereinigt. Um die Braut streiten die Männer heftig. Dagegen hängen die Gatten eines Paares einander mit treuer Liebe an, und eine einmal geschlossene Ehe gilt für das ganze Leben. Ebenso zärtlich zeigen sich die Eltern ihrer Brut gegenüber; denn wenn auch das Männchen sich nicht am Ausbrüten der Eier selbst beteiligt, so behält es doch das Weibchen fortwährend unter treuer Obhut und bleibt beständig in seiner Nähe, jeder Gefahr gewärtig, oder begibt sich zu ihm auf das Nest. Bei Erbauung des Nestes, die das Weibchen besorgt, hilft es wenigstens durch Zuführung der Niststoffe, die es im Schnabel herbeischleppt oder von fern her haufenweise herbeiflößt. Das Nest selbst ist ein sehr großer, kunstloser Bau, der aus allerlei Wasserpflanzen gegründet und mit trockenem Schilfe und dergleichen vollendet und ausgekleidet wird. Wo kleine, sichere Inselchen sich finden, benutzt das Weibchen diese zur Anlage des Nestes; außerdem schleppt es Pflanzen herbei, bis es einen Haufen gebildet hat, der schwimmend beide Gatten tragen kann. Sechs bis acht starkschalige Eier von schmutzig weißer oder schmutzig blaßgrüner Färbung bilden das Gelege; aus ihnen schlüpfen nach fünf- bis sechswöchiger Bebrütung die Jungen, höchst zierliche, in ein dichtes Daunenkleid gehüllte Küchlein, die, nachdem sie ungefähr einen Tag lang noch im Nest durchwärmt und abgetrocknet wurden, auf das Wasser geführt, zum Aufsuchen der Nahrung angeleitet, oft von der Mutter auf den Rücken, nachts unter die Flügel genommen, bei Gefahr mutig beschützt und überhaupt mit wärmster Zärtlichkeit behandelt werden, bis sie vollständig ausgefiedert sind und aller Pflege und Leitung entbehren können. Nunmehr trennen sie sich von den Eltern für das ganze Leben; denn wenn sie im nächsten Jahre wieder auf dem Brutplatze erscheinen sollten, steht ihnen von seiten der Alten diese Behandlung bevor, wie allen andern, die es wagen sollten, das von einem Paare gewählte Gebiet zu betreten.
Pflanzenstoffe, die im Wasser oder im Sumpf wachsen, Wurzeln, Blätter und Sämereien derselben, Kerbtiere und deren Larven, Würmer, Muscheln, kleine Lurche und Fische bilden die Nahrung der Schwäne. Diese erwerben sie sich durch Gründeln, indem sie den langen Hals in die Tiefe des Wassers hinabsenken, hier Pflanzen sich pflücken oder den Schlamm durchschnattern und alles Genießbare abseihen. In tieferen Wässern können sie nur da, wo kleinere Tiere in unendlicher Menge die oberen Schichten bevölkern, zeitweilig sich erhalten. Gefangene gewöhnen sich an die verschiedensten Nahrungsmittel, ziehen aber auch jetzt Pflanzenstoffe den tierischen entschieden vor.
Die Seeadler und die großen Edeladler vergreifen sich zuweilen an alten, öfter an jungen Schwänen; im übrigen haben die stolzen und wehrfähigen Vögel vom Raubzeuge wenig zu leiden. Der Mensch verfolgt sie des Wildbrets und der Federn, insbesondere der Daunen wegen. Jung eingefangene Schwäne lassen sich bei einigermaßen sorgfältiger Behandlung leicht groß ziehen und werden dann ebenso zahm wie diejenigen, die in der Gefangenschaft gezüchtet wurden. Einzelne gewinnen warme Anhänglichkeit an ihren Pfleger; ihre Liebkosungen pflegen jedoch so stürmischer Art zu sein, daß man sich immerhin vorsehen muß, wenn man sich näher mit ihnen beschäftigen will.
Der zahme Schwan unserer Weiher ist der Höckerschwan ( Cygnus olor), der noch heutigentags im Norden unseresVaterlandes oder in Nordeuropa überhaupt und in Ostsibirien als wilder Vogel lebt. Wenn man den lang gestreckten Leib, den langen, schlanken Hals und den kopflangen, rot gefärbten, durch einen schwarzen Höcker ausgezeichneten Schnabel als Hauptmerkmale festhält, wird man ihn mit keiner andern Art verwechseln können.
Sein Gefieder ist reinweiß, das der Jungen grau oder weiß. Das Auge ist braun, der Schnabel rot, die Zügel und der Höcker schwarz, der Fuß bräunlich oder reinschwarz. Die Länge beträgt einhundertachtzig, die Breite zweihundertsechzig, die Fittichlänge siebzig, die Schwanzlänge achtzehn Zentimeter. Das Weibchen ist etwas kleiner.
Von dem Höckerschwan unterscheidet sich der Singschwan ( Cygnus musicus) durch gedrungene Gestalt, etwas kürzeren und dickeren Hals und den höckerlosen, obwohl am Grunde ebenfalls aufgetriebenen, hier gelben, an der Spitze schwarzen Schnabel.
Die dritte Schwanenart, die in Europa und Nordasien lebt, der Zwergschwan ( Cygnus minor), unterscheidet sich hauptsächlich durch die geringe Größe, den dünnen Hals, den an der Wurzel sehr hohen Schnabel und den aus achtzehn Steuerfedern gebildeten Schwanz vom Singschwan.
Nach vorstehenden Mitteilungen darf ich mich auf eine Lebensschilderung des Singschwanes beschränken. Er ist im Norden Europas nicht selten und findet sich ebenso in ganz Nord- und Mittelasien bis zur Beringsstraße. Aus seinen Wanderungen berührt er allwinterlich Nordafrika, und zwar Ägypten ebensowohl wie den Nordwesten dieses Erdteils, also die Seen von Marokko, Algerien und Tunis. In Spanien kommt er selten, jedoch mindestens ebenso häufig vor wie seine Verwandten. Nach Osten hin tritt er in größerer Anzahl auf; so findet er sich im mittleren Rußland auf allen geeigneten Seen in namhafter und während des Winters um die Mündungen der südrussischen Ströme oder an den salzigen Seen Südeuropas oder Mittelsibiriens in erheblicher Menge. Von Island aus wandern wenige der dort brütenden Schwäne weg, weil die Meeresbuchten durch den Golfstrom und auch manche Binnengewässer durch die vielen heißen Quellen eisfrei erhalten werden; aus Rußland hingegen verschwinden alle, noch ehe die Eisdecke an ihrem Nahrungserwerb sie hindert. Die von hier stammenden erscheinen sodann auf der Ost- und Nordsee oder dem Schwarzen Meere oder reisen flugweise noch weiter nach Südwesten hinab. An der Ostseeküste treffen sie schon im Oktober ein; das mittlere Deutschland durchreisen sie im November und Dezember auf dem Hinzuge und im Februar oder März auf dem Rückzüge.
An Anmut und Zierlichkeit steht der Singschwan seinem erstbeschriebenen Verwandten entschieden nach. Er legt seinen Hals selten in so gefällige Windungen wie letzterer, sondern streckt ihn steiler und mehr gerade empor, gewährt jedoch schwimmend immerhin ein sehr schönes Bild. Dagegen unterscheidet er sich sehr zu seinem Vorteil durch die lauttönende und verhältnismäßig wohlklingende Stimme, die man übrigens von fernher vernehmen muß, wenn man sie, wie die Isländer, mit Posaunentönen und Geigenlauten vergleichen will. Naumann übersetzt den gewöhnlichen Schrei sehr richtig durch die Silben »Killklii« oder den sanften Laut durch »Ang«. Diese beiden Töne haben in der Nähe wenig Angenehmes, klingen vielmehr rauh und etwas gellend ins Ohr; es mag aber sein, daß sie wohlklingender werden, wenn man sie von fernher vernimmt und sich eine größere Gesellschaft von Singschwänen gleichzeitig hören läßt. »Seine Stimme«, sagt Pallas, »hat einen lieblichen Klang, wie den von Silberglocken; er singt auch im Fluge und wird weithin gehört, und das, was man vom Gesange des sterbenden erzählt hat, ist keine Fabel; denn die letzten Atemzüge des tödlich verwundeten Singschwanes bringen seinen Gesang hervor.« »Den Namen muscius«, meint Faber, »verdient er zu behalten. Wenn er nämlich in kleinen Scharen hoch in der Luft einherzieht, so läßt er seine wohlklingende, melancholische Stimme wie fernher tönende Posaunen vernehmen.« Ausführlicher spricht sich Schilling aus. »Der Singschwan entzückt den Beobachter nicht bloß durch seine schöne Gestalt, das aufmerksame, kluge Wesen, das sich bei ihm im Vergleich mit dem stummen Schwan sehr vorteilhaft in seiner Kopfbewegung und Haltung ausdrückt, sondern auch durch die lauten, verschiedenen, reinen Töne seiner Stimme, die er bei jeder Veranlassung als Lockton, Warnungsruf und, wenn er in Scharen vereinigt ist, wie es scheint, im Wettstreit und zu seiner eigenen Unterhaltung fortwährend hören läßt. Wenn bei starkem Frostwetter die Gewässer der See außerhalb der Strömungen nach allen Seiten mit Eis bedeckt und die Lieblingsstellen des Singschwanes, die Untiefen, ihm dadurch verschlossen sind, diese stattlichen Vögel zu Hunderten in dem noch offenen Wasser der Strömung versammelt liegen und gleichsam durch ihr melancholisches Geschrei ihr Mißgeschick beklagen, daß sie aus der Tiefe das nötige Futter nicht zu erlangen vermögen, dann habe ich die langen Winterabende und ganze Nächte hindurch diese vielstimmigen Klagetöne in stundenweiter Ferne vielmals vernommen. Bald möchte man das singende Rufen mit Glockenlauten, bald mit Tönen von Blaswerkzeugen vergleichen; allein sie sind beiden nicht gleich, sondern übertreffen sie in mancher Hinsicht, eben weil sie von lebenden Wesen herrühren und unsern Sinnen näher verwandt sind als die Klänge des toten Metalls. Dieser eigentümliche Gesang verwirklicht in Wahrheit die für Dichtung gehaltene Sage vom Schwanengesang, und er ist oftmals auch in der Tat der Grabgesang dieser schönen Tiere; denn da diese in dem tiefen Wasser ihre Nahrung nicht zu ergründen vermögen, so werden sie vom Hunger derart ermattet, daß sie zum Weiterziehen nach milderen Gegenden die Kraft nicht mehr besitzen und dann oft, auf dem Eise angefroren und verhungert, dem Tode nahe oder bereits tot gefunden werden. Aber bis an ihr Ende lassen sie ihre klagenden und doch hellen Laute hören.« Nach diesen Angaben läßt sich die Sage vom Schwanengesang auf ihr rechtes Maß zurückführen. Sie wurzelt auf tatsächlich vorhandenem Grunde, ist aber durch die Dichtung zum Märchen umgestaltet worden. Eigentliche Lieder hat auch der sterbende Schwan nicht mehr; aber sein letztes Aufröcheln ist klangvoll wie jeder Ton, den er von sich gibt.
Unter seinen Verwandten ist der Singschwan vielleicht der heftigste und zanksüchtigste; wenigstens habe ich beobachtet, daß diejenigen, die ich mit Höckerschwänen auf einem Weiher zusammenbrachte, letztere regelmäßig vertrieben, d. h. nach länger währenden Kämpfen in die Flucht schlugen. Den Nachstellungen des Jägers weiß er sich mit vielem Geschick zu entziehen; seine Jagd ist demgemäß unter allen Umständen sehr schwierig. Jung aufgezogene werden sehr zahm. Ein Männchen, das ich pflegte, lernte mich bald von allen übrigen Menschen unterscheiden, antwortete mir, wenn ich es anrief, und kam zu mir heran, wenn ich dies wünschte, gleichviel, ob es sich in der Nähe befand oder erst den ziemlich breiten Weiher durchschwimmen mußte. Gleichwohl durfte ich es nicht wagen, das uns trennende Gitter zu überschreiten; denn dann wurde ich regelmäßig mit so lebhaften Flügelschlägen begrüßt, daß ich eher eine Bestrafung als eine Liebkosung empfing. Hielt ich mich im Innern des Geheges in angemessener Entfernung von meinem Pflegling, so folgte mir dieser überall wie ein Hund auf dem Fuße nach. Seines Gesanges wegen hält man ihn in Rußland und achtet dagegen den Höckerschwan wenig.
In den Sümpfen Finnlands, des nördlichen Rußland und des mittleren Sibirien, auch wohl Nordamerikas und Islands, nistet der Singschwan in ziemlicher Anzahl. In Deutschland nistet zuweilen auch wohl ein Pärchen, immer aber als Ausnahme. Jedes Paar grenzt sich, wenn es nicht einen kleineren See für sich allein haben kann, ein bestimmtes Gebiet ab, gestattet keinem andern, dasselbe zu betreten, und kämpft mit jedem, der dies wagen sollte, bis auf das äußerste. Das große, bald auf Inselchen feststehende, bald schwimmende Nest wird namentlich von Binsen und andern Wasserpflanzen, also auch von Rohr, Schilf und dergleichen, gebaut und seine Mulde leicht mit Daunen ausgefüttert. Ende April oder Anfang Mai legt die Schwanin ihre fünf bis sieben, etwa einhundertfünfzehn Millimeter langen, fünfundsiebzig Millimeter dicken, gelblichweißen, grünlichen oder bräunlichgelben Eier; in den ersten Tagen des Juli begegnet man den ausgeschlüpften Jungen. Das zärtliche Männchen sitzt, laut Faber, oft neben dem brütenden Weibchen auf dem breiten Neste, ohne jedoch die Eier zu Wärmen. Mitte Oktober sieht man die Eltern mit den erwachsenen Jungen schwimmen.
Alle nördlichen Völkerschaften stellen den Schwänen eifrig nach. Eine schlimme Zeit tritt für diese ein, wenn sie sich in voller Mauser befinden und den größten Teil ihrer Schwungfedern verloren haben. Dann schlägt man sie vom Boot aus mit Stöcken tot. Alte und Junge sind um diese Zeit sehr fett, und namentlich die letzteren geben einen vortrefflichen Braten.
Unter den ausländischen Arten der Unterfamilie steht der Schwarzhalsschwan ( Cygnus nigricollis)an Schönheit obenan. Sein Gefieder ist weiß; der Kopf, mit Ausnahme eines weißen Brauenstreifens, und der Hals bis zur Mitte hinab sind schwarz. Das Auge ist braun, der Schnabel bleigrau, an der Spitze gelb, der Höcker und die nackte Zügelstelle blutrot, der Fuß blaßrot. Die Länge beträgt etwa einhundert, die Fittichlänge vierzig, die Schwanzlänge zwanzig Zentimeter.
Der Verbreitungskreis beschränkt sich auf die Südspitze von Amerika, vom Süden Perus an bis zu den Falklandsinseln, und von hier aus der Ostküste entlang bis nach Santos in Brasilien. Der Aufenthalt wechselt je nach der Jahreszeit. In seinem Wesen und seinen Gewohnheiten unterscheidet er sich, soviel wir bis jetzt wissen, wenig von den nordischen Verwandten; seine Haltung ist jedoch eine minder zierliche als die des Höckerschwanes; er trägt den Hals im Schwimmen und im Gehen mehr gerade und erinnert dadurch einigermaßen an die Gänse.
Eine dem Höckerschwan an Schönheit der Gestalt und Anmut der Bewegungen nicht nachstehende Art ist der Trauerschwan oder Schwarzschwan ( Cygnus atratus). Die Färbung des Kleingefieders, ein fast einfarbiges Bräunlichschwarz, das nur an den Rändern der Federn in Schwarzgrau übergeht und auf der Unterseite etwas lichter wird, sticht von dem blendenden Weiß aller Handschwingen und des größten Teils der Armschwingen Prachtvoll ab. In der Größe steht der Vogel hinter dem Höckerschwan etwas zurück.
Der Schwarzschwan wird gegenwärtig noch in allen Seen und Flüssen Südaustraliens und Tasmaniens gefunden. In den weniger besuchten Gegenden des Innern kommt er noch jetzt in erstaunlicher Menge vor, ist dort auch noch so wenig scheu, daß man ohne Mühe so viele erlegen kann, wie man will. In seinem Wesen und Betragen hat der Trauerschwan mit dem stummen Verwandten viele Ähnlichkeit, doch ist er lauter, d.+h. schreilustiger; zumal gegen die Paarungszeit hin läßt er seine sonderbare Stimme oft vernehmen. Letztere erinnert einigermaßen an dumpfe Trompetentöne. Für unsere Weiher eignet sich der Trauerschwan ebensogut wie irgendein anderes Mitglied seiner Familie. Die Strenge unseres Winters ficht ihn wenig an, und seine Anforderungen an die Nahrung sind gering. Alljährlich pflanzt er sich in der Gefangenschaft fort.
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Die Gänse ( Anserinae), eine über die ganze Erde verbreitete Unterfamilie, unterscheiden sich von den Schwänen durch gedrungenen Leib, kurzen Hals, kürzeren Schnabel und höhere, mehr in der Mitte des Leibes eingelenkte Beine. Jeder Erdteil besitzt ihm eigentümliche Gänsearten. Sie leben weniger als die übrigen Zahnschnäbler im Wasser, bringen vielmehr einen Teil ihres Lebens auf dem Festlande und selbst auf Bäumen zu. Sie gehen vortrefflich, schwimmen zwar minder gut und rasch als die Enten und die Schwäne, aber doch immerhin noch gewandt und schnell genug, tauchen in der Jugend oder bei Gefahr in beträchtliche Tiefen hinab und fliegen leicht und schön, weite Strecken in einem Zuge durchmessend, regelmäßig in Keilordnung, unter sausendem Geräusch. Im Gehen tragen sie den Leib vorn etwas erhoben, den Hals aufgerichtet, gerade oder sanft gebogen, setzen einen Fuß in rascher Folge vor den andern, ohne dabei zu watscheln, und können nötigenfalls so schnell laufen, daß ein Mensch sie kaum einholen kann. Im Schwimmen senken sie den Vorderteil des Leibes tief in das Wasser, während der Schwanz hoch über demselben zu stehen kommt; beim Gründeln kippen sie sich vornüber und versenken den Vorderleib bis zur Oberbrust; beim Tauchen stürzen sie sich mit einem Stoß in die Tiefe. Mehrere Arten stoßen brummende, andere gackernde, einzelne endlich sehr klangvolle und auf weithin hörbare Töne aus; im Zorn zischen die meisten.
Weshalb man die Gänse als dumm verschrien hat, ist schwer zu sagen, da jede Beobachtung das Gegenteil lehrt. Alle Arten gehören zu den vorsichtigen und wachsamen Vögeln. Sie mißtrauen jedem Menschen, unterscheiden den Jäger sicher vom Landmann oder Hirten, kennen überhaupt alle ihnen gefährlichen Leute genau und treffen verschiedene Vorsichtsmaßregeln zu ihrer Sicherheit. Gefangen genommen, fügen sie sich bald in die veränderten Verhältnisse und werden bereits nach kurzer Zeit sehr zahm. Eine gewisse Zanklust läßt sich bei einigen nicht in Abrede stellen; die Mehrzahl aber ist höchst gesellig. Während der Paarungszeit geht es ohne Kampf zwischen den Männchen nicht ab; wenn aber jeder einzelne sich ein Weibchen erworben, tritt Frieden ein, und die verschiedenen Paare brüten nebeneinander, ohne sich gegenseitig zu behelligen. Das Männchen beweist seinem Weibchen gegenüber unwandelbare Treue, hilft zwar nicht brüten, dient aber später den Jungen zum Führer und der ganzen Familie als Wächter. Die meisten Arten versammeln sich im Frühling ihrer betreffenden Heimat an sicheren, selten betretenen Orten, in ausgedehnten, pflanzenreichen Sümpfen z.+B., und erbauen hier einzeln auf kleinen Inseln oder Schilfkufen große, kunstlose Nester aus Pflanzenstoffen verschiedener Art, die innen mit Daunen ausgekleidet werden; einzelne wählen Bäume, und zwar Höhlungen ebensowohl wie Astgabeln, zur Anlage der Nester, benutzen in letzterem Falle auch einen Raubvogel- oder ähnlichen Horst und richten ihn in der ihnen passend erscheinenden Weise her. Das Gelege enthält sechs bis zwölf eigestaltige, starkschalige, mehr oder weniger glanzlose, einfarbige Eier. Nach etwa vierwöchiger Bebrütung entschlüpfen die in ein weiches, schönes, grauliches Daunenkleid gehüllten Jungen und springen, wenn sie auf Bäumen geboren wurden, von oben herab auf den Boden. Sie laufen vom ersten Tage ihres Lebens an rasch und gewandt, wissen sich ebenso im Wasser zu benehmen und beginnen nun, unter Führung der Alten ihre Nahrung zu suchen. Ihr Wachstum fördert so rasch, daß sie bereits nach ungefähr zwei Monaten, wenn auch nicht die volle Schönheit und Größe der Alten erreicht haben, so doch ihnen ähneln und selbständig geworden sind; demungeachtet verweilen sie noch lange in Gesellschaft ihrer Eltern und bilden mit diesen eine enggeschlossene Familie.
Alle Gänse sind vorzugsweise Pflanzenfresser. Sie weiden mit Hilfe ihres harten, scharfschneidigen Schnabels Gräser und Getreidearten, Kohl und andere Kräuter vom Boden ab, schälen junge Bäumchen, pflücken sich Blätter, Beerentrauben, Schoten oder Ähren, enthülsen die letzteren rasch und geschickt, um zum Kern zu gelangen, gründeln in seichten Gewässern ebenfalls nach Pflanzenstoffen und verschmähen keinen Teil einer ihnen zusagenden Pflanze. Einzelne Arten nehmen auch Kerbtiere, Muscheln und kleine Wirbeltiere zu sich. Da, wo sie massenhaft auftreten, können jene Schaden anrichten, nutzen aber auch wieder durch vortreffliches Wildbret und reiches Federkleid. Allen Arten wird eifrig nachgestellt, insbesondere während der Mauserzeit, die auch viele von ihnen einige Wochen lang flugunfähig macht.
Wenn man bedenkt, daß die meisten Gänsearten sich selbst dann noch zähmen lassen und zur Fortpflanzung schreiten, wenn man sie alt einfing, muß es uns wundernehmen, daß bisher nur wenige Arten zu Haustieren gemacht wurden, und daß von diesen nur zwei Arten weitere Verbreitung gefunden haben. Gerade auf diese Vögel sollte man sein Augenmerk richten; denn jede einzelne Gansart belohnt die auf sie verwendete Mühe reichlich.
Die Grau- oder Wildgans ( Anser cinereus), der wir unsere Hausgans verdanken, ist auf dem Rücken bräunlichgrau, auf der Unterseite gelblichgrau, infolge einzelner schwarzer Federn spärlich und unregelmäßig gefleckt; die kleinen Flügeldeckfedern sind rein aschgrau, die Bürzel-, Bauch- und Unterschwanzdeckfedern weiß gefärbt, alle übrigen der Oberseite fahlgrau, die der Brust- und Bauchseiten vor dem hell fahlgrauen Spitzensaume dunkel fahlgrau, die Schwingen und Steuerfedern schwarzgrau, weiß geschaftet, letztere auch weiß an der Spitze. Das Auge ist lichtbraun, der Schnabel an der Wurzel blaß fleischrot, am Spitzennagel wachsgelb, der Fuß blaß fleischrot. Die Länge beträgt achtundneunzig, die Breite einhundertsiebzig, die Fittichlänge siebenundvierzig, die Schwanzlänge sechzehn Zentimeter.
Die Graugans ist die einzige von den bei uns vorkommenden Arten, die in Deutschland brütet; denn sie gehört mehr den gemäßigten Strichen als dem hohen Norden an. In Lappland habe ich sie allerdings noch unter dem siebzigsten, am unteren Ob noch unter dem neunundsechzigsten Grade nördlicher Breite, hier wie dort aber wahrscheinlich an der nördlichen Grenze ihres Verbreitungsgebietes bemerkt. Von Norwegen an erstreckt sich letzteres in östlicher Richtung durch ganz Europa und Asien bis zum äußersten Osten dieses Erdteils; nach Süden hin bildet ungefähr der fünfundvierzigste Grad die Grenze des Brutkreises. Gelegentlich ihres Zuges besucht sie alle Länder Südeuropas und ebenso Nordchina und Nordindien, streicht auch zuweilen bis in die Mitte des letzteren Landes und anderseits vielleicht bis nach Nordwestafrika hinab; doch ist sie in den südlicheren Teilen ihres Zuggebietes allerorten seltener als die verwandten Arten, obwohl diese während des Sommers den höheren Norden bewohnen. In Deutschland erscheint sie zu Ende des Februar oder Anfang März, also schon vor der eigentlichen Schneeschmelze, in Familien oder kleinen Gesellschaften, verkündet durch fröhliches Schreien ihre Ankunft, läßt sich am Brutort nieder und beweist hier durch ihr Betragen, daß sie bereits heimisch ist, wenn sie ankommt. Sobald Ende Juli die Mauser vollendet ist, denkt sie an die Abreise, zieht aber, anfänglich wenigstens, sehr gemächlich ihres Weges dahin, gleichsam nur, um der nach ihr erscheinenden Saatgans Platz zu machen. Auf der Reise selbst vereinigt sie sich selten zu zahlreicheren Scharen; in den meisten Fällen halten sich nur die Eltern mit ihren erwachsenen Kindern zusammen.
In früheren Jahren brüteten die Graugänse an allen größeren stehenden Gewässern unseres Vaterlandes; gegenwärtig trifft man noch einzelne Paare in den ausgedehnten Brüchen Nord- und Ostdeutschlands, die meisten wohl in Holstein, Pommern und Ostpreußen an. Sümpfe, die hier und da mit ausgedehnten Wasserflächen abwechseln oder solche umschließen, einen moorigen Boden haben und schwer zugängliche, mit Gras, Rohr und Gesträuch bewachsene Inseln umgeben, werden bevorzugt. Aus jenen Inseln versammeln sich bei ihrer Ankunft die Paare, um auszuruhen, und auf ihnen findet man später die Nester.
Die Nachkommen der Graugans, unsere Hausgänse, haben wenig von dem Wesen und den Eigentümlichkeiten ihrer Stammeltern verloren; letztere tragen sich aber, wie alle wilden Tiere, stolzer, bewegen sich rascher und machen so einen etwas verschiedenen Eindruck aus den Beobachter. Sie gehen sehr rasch und zierlich, viel leichter und behender als die Hausgans, schwimmen gut, tauchen bei großer Gefahr in gewisse Tiefen, benehmen sich jedoch auf dem Wasser minder gewandt als auf dem Lande. Der Flug ist recht gut, zwar nicht so leicht und schön wie der verwandter Arten, aber doch ausdauernd und immerhin rasch genug. Beim Aufstehen verursacht der heftige Flügelschlag ein polterndes Getöse, beim Niederlassen vernimmt man ein ähnliches Geräusch, zu dem sich das Rauschen des Wassers gesellt, wenn die Gans auf dessen Spiegel sich niederläßt. Wenn ein Paar kürzere Entfernungen durchmessen will, erhebt es sich selten in bedeutendere Höhen, wie es sonst regelmäßig geschieht; das Weibchen pflegt dann dem Männchen vorauszufliegen, während letzteres bei der Wanderung ebensogut wie jenes die Spitze der Keilordnung einnimmt. Die Lockstimme ist ein lautes »Gahkahkakgak«, das oft rasch nacheinander wiederholt wird und, wenn sich die Geschlechter gegenseitig antworten, in »Gihkgack« übergeht; die Unterhaltungslaute klingen wie »Tattattattattat«, die Ausrufe hoher Freude wie »Täng«; im Schreck hört man das langgezogene »Kähkahkak, kahkak, kakakakahkak«; im Zorne zischen beide: alles genau ebenso, wie wir es von der Hausgans zu hören gewohnt sind. Vorsichtig und mißtrauisch zeigt sie sich stets; nur am Brutplatze hält sie bei Ankunft eines Menschen länger aus als sonst, und die Liebe zur Brut läßt sie selbst augenscheinliche Gefahren vergessen; in der Regel aber unterscheidet sie den Schützen doch sehr wohl von dem Hirten oder Bauern, oder den gefährlichen Mann von dem ungefährlichen Weibe. Eigentlich gesellig kann man sie nicht nennen. So wenig nun die Graugans mit fremdem Geflügel sich befaßt, so treu halten die Familien zusammen. Bis zum Frühjahr trennen diese sich nicht, wandern zuweilen noch auf dem Rückzuge zusammen und vereinzelnen sich erst, wenn die Alten von neuem zur Brut schreiten. Sogleich nach der Ankunft im Frühjahr wählen sich die verbundenen Paare passende Stellen zur Anlage ihres Nestes oder beginnen die zweijährigen Jungen ihre Werbungen um die Gattin, während die noch nicht fortpflanzungsfähigen gesellschaftlich sich an andern Stellen des Sumpfes umhertreiben. Ein Paar brütet in nicht allzugroßer Entfernung von dem andern, behält aber doch ein gewisses Gebiet inne und duldet keine Überschreitung desselben. Der Gansert umgeht die Gans in stolzer Haltung, schreit, nickt mit dem Kopfe, folgt ihr überall auf dem Fuße nach, scheint eifersüchtig ihre Schritte zu bewachen, bekämpft mutig jedes unbeweibte Männchen, das eine Tändelei mit der rechtmäßigen Gattin versucht, und ist sorgsam für die Sicherheit derselben bedacht. Zwei Gegner packen sich mit den Schnäbeln an den Hälsen und schlagen mit den Flügeln so heftig aufeinander los, daß man den Schall auf weithin vernimmt. Nachdem die Paarung wiederholt vollzogen worden, beschäftigt sich die Gans, für deren Sicherung der sie auf Schritt und Tritt begleitende, nicht aber auch ihr helfende Gansert Sorge trägt, eifrig mit dem Herbeitragen verschiedener Neststoffe. Zuerst werden die zunächstliegenden zusammengelesen, später zum oberen Ausbau andere sorgsam gewählt und oft von fernher zugetragen. Dicke Stengel, Halme, Blätter von Schilf, Rohr, Binsen usw. bilden den unordentlich und locker geschichteten Unterbau, feinere Stoffe und eine dicke Daunenlage die Auskleidung der Mulde. Ältere Weibchen legen sieben bis vierzehn, jüngere fünf bis sechs etwa neun Zentimeter lange, sechs Zentimeter dicke, denen der Hausgans gleichende, glattschalige, glanzlose, etwas grobkörnige Eier von grünlichweißer oder trübgelblicher Färbung. In den Nestern älterer Paare findet man bereits Anfang März das erste Ei und um die Mitte des Monats, spätestens zu Ende desselben, die Mutter brütend. Sowie sie sich dazu anschickt, rupft sie sich alle Daunen aus, bekleidet mit ihnen den inneren Rand des Nestes und bedeckt auch, sooft sie sich entfernt, sorgsam die Eier. Am achtundzwanzigsten Tage der Bebrütung entschlüpfen die Jungen, werden noch etwa einen Tag lang im Nest festgehalten, dann auf das Wasser geführt und zum Futtersuchen angeleitet. Teichlinsen, Wassergräser und dergleichen bilden ihre erste Nahrung; später werden Wiesen und Felder besucht. Abends kehren alt und jung noch zum Nest zurück; nach ungefähr zwei Wochen wird dieses für die inzwischen heranwachsenden Jungen zu klein, und letztere nehmen nun hier oder da, dicht neben der Mutter hingekauert, ihre Schlafstelle ein. Die Wachsamkeit des Ganserts steigert sich, nachdem die Jungen ausgeschlüpft sind. Die Mutter geht oder schwimmt der Familie voran, die zusammengedrängten Jungen folgen, der Vater deckt gewissermaßen den Rückzug. Bei Gefahr gibt er zuerst das Zeichen zur Flucht. Je mehr die Jungen herangewachsen, um so weniger ängstlich besorgt um sie zeigt sich der Familienvater. Sobald die Mauser beginnt, die bei ihm stets ein bis zwei Wochen früher als bei seiner Gattin eintritt, entzieht er sich der Familie und verbirgt sich später, wenn er nicht fliegen kann, im Schilf. Wenn auch die Familienmutter in diese Verlegenheit kommt, sind die Jungen bereits flugbar und fähig, den Führer entbehren zu können.
Jung eingefangene Graugänse werden bald zahm; selbst alte, die in die Gewalt des Menschen geraten, gewöhnen sich an den Verlust ihrer Freiheit und erkennen in dem Menschen einen ihnen wohlwollenden Pfleger. Doch verleugnen auch solche, die man durch Hausgänse erbrüten und erziehen ließ, ihr Wesen nie. Sobald sie sich erwachsen fühlen, regt sich in ihnen das Gefühl der Freiheit; sie beginnen zu fliegen und ziehen, wenn man sie nicht gewaltsam zurückhält, im Herbst mit andern Wildgänsen nach Süden. Zuweilen geschieht es, daß einzelne zurückkommen, das Gehöft, in dem sie groß wurden, wieder aufsuchen; sie aber gehören doch zu den Ausnahmen. Von vier im Hause erbrüteten und erwachsenen Wildgänsen, die Boje beobachtete, entzogen sich nach und nach drei der Obhut ihrer Pfleger, eine kehrte im nächsten Frühling und in der Folge dreizehn Jahre lang im Frühjahr zu dem Gut zurück, auf dem man sie aufgezogen hatte, bis sie endlich ausblieb, also wohl ihren Tod gefunden haben mußte.
Alte Graugänse fallen den größeren Adlern und Edelfalken nicht selten, Füchsen und Wölfen zuweilen zur Beute. Vor dem Menschen nehmen sie sich stets sehr in acht, und ihre Jagd erfordert deshalb einen ausgelernten Jäger. Stellt man sich unter ihren Flugstraßen, die sie regelmäßig einhalten, verdeckt an, im Röhricht z.+B., so erlegt man sie leicht. Das Wildbret der alten Wildgänse ist hart und zähe, das der jungen dagegen außerordentlich schmackhaft, ehrbare Jagd also in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Die Federn werden hochgeschätzt und wohl mit Recht für besser gehalten als die der Hausgans; namentlich die Daunen gelten als vorzüglich.
Drei naheverwandte Wildgänse, die Saat-, Acker- und Rotfußgans, sind vielfach verkannt, miteinander verwechselt oder verschmolzen worden, unterscheiden sich jedoch im Leben so bestimmt, daß ihre Artselbständigkeit nicht bezweifelt werden kann.
Bei der Saatgans ( Anser segetum) sind Kopf und Hals erdbraun, Stirnrand und seitliche Schnabelwurzelgegend durch drei getrennte, schmal halbmondförmige weiße Streifen geziert, Mantel, Schultern und kleine Oberflügeldeckfedern tiefbraun, durch schmale, hell fahlbräunliche Federsäume streifig gezeichnet, Unterrücken und Bürzel einfarbig schwarzgraubraun, Kropf, Brust und Seiten, mehr und mehr nach unten dunkelnd, tief- oder schwarzbraun und silberweiß geschuppt, die obersten Tragfedern innen breit weiß gesäumt, Bauch und Schwanzdecken weiß. Das Auge ist duukelnußbraun, der Schnabel schwarz, hinter dem Nagel, einen beide Laden umfassenden breiten Ring bildend, hellgelbrot, der Fuß orangefarben. Die Länge beträgt durchschnittlich sechsundachtzig, die Breite einhundertachtzig, die Fittichlänge achtundvierzig, die Schwanzlänge vierzehn Zentimeter.
Die Ackergans ( Anser arvensis) unterscheidet sich von der Saatgans, der sie in allen Kleidern ähnelt, durch bedeutendere Größe, jedoch zierlichere Gestalt, den verhältnismäßig längeren und gestreckteren, an der Wurzel sehr hohen und breiten, an der Spitze abgeflachten und orangeroten Schnabel.
Die Rotfußgans endlich ( Anser obscurus) unterscheidet sich von der ihr ähnlichen Saatgans durch ihre merklich geringere Größe, den auffallend kurzen, plumpen und dicken Schnabel, dessen Ringband kaum größere Ausdehnung als bei der Saatgans und blaß rosenrote Färbung hat, die kleinen, ebenfalls rosenrot gefärbten Füße, die kurzen Fittiche und das sehr dunkle, auf dem Oberkopf schwarzbraune, am Halse rötlichbraune, aus der Oberseite wie an den Weichen matt schwarzgraue, hellgrau umrandete Gefieder.
Keine von diesen drei Gänsen nistet in Deutschland, ihr Brutgebiet ist vielmehr im hohen Norden der Alten Welt zu suchen. Für die Saatgans sind Island, Lappland und von hier ab die Tundren Europas und Asiens bekannte Brutgebiete; die Ackergans nistet, nach Nordvis Befund, ebenfalls in Lappland; von der Rotfußgans wissen wir, daß sie im Sommer auf Spitzbergen lebt. Auf dem Zuge durchwandern Saat- und Ackergans unser Vaterland in jedem Herbst und Frühling, wogegen die Rotfußgans hier bei weitem seltener, dafür aber in Norwegen, Großbritannien, Holland, Belgien und Frankreich regelmäßig beobachtet und wohl auch alljährlich erbeutet wird. Die Saatgans erscheint bei uns zulande in unzählbaren Scharen bereits Mitte September, verweilt hier, wenn die Witterung es gestattet, während des ganzen Winters, zieht bei Schneefall und eintretender Kälte weiter, bis auf die drei südlichen Halbinseln Europas, selbst bis Nordwestafrika, kehrt jedoch, sobald sie irgend kann, wieder nach nördlicheren Ländern zurück, bleibt meist bis Mitte, auch wohl bis Anfang Mai unterwegs oder in Deutschland und bricht nunmehr erst nach ihren Brutplätzen auf. Die Ackergans erscheint stets um einen Monat später, etwa Ende Oktober, verläßt uns im Winter seltener als jene und tritt schon um einen Monat früher den Heimweg an. Die Rotfußgans kommt und geht mit ihr, nicht mit jener, zieht ebenfalls ohne Not nicht weit nach Süden und überwintert in Großbritannien wie in Holland regelmäßig. Jede Art hält sich während ihrer Reise gesondert, schließt sich vielleicht einer Verwandten an, mischt sich aber nicht unter deren Flüge.