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Dantes Göttliche Komödie ist eine der dichterischen Grosstaten, welche die Weltliteratur aufzuweisen hat. Vor 600 Jahren entstanden, übt das gewaltige Werk noch heute seinen berückenden Zauber auf den andächtigen Leser aus, ob nun die Schauer des Jenseits, das zunächst den Stoff des Gedichtes bildet, den religiös Empfindenden rütteln, ob die unvergleichliche Gestaltungskraft des Künstlers die Bewunderung des Geniessenden weckt, oder ob die blendende Fülle theologisch-politisch-historischen Wissens und die farben- und figurenreiche Schilderung der damaligen Verhältnisse Italiens und der das Land zerrüttenden Kämpfe den Wissenden in Staunen versetzen.
Zweifellos enthält die Göttliche Komödie zahlreiche Stellen, deren stofflicher und poetischer Reiz ohne weiteres seiner Wirkung gewiss ist. Aber wenn schon unmittelbar nach dem Tode des Dichters die Kommentierung des Werkes begann und öffentliche Erklärer angestellt wurden, so leuchtet es ein, dass eine Ausgabe ohne begleitende
Anmerkungen eine halbe Arbeit wäre.
Die vorliegende Wiedergabe der Göttlichen Komödie ist ein Abdruck der Übersetzung, die der berühmte Danteforscher, Professor Dr. Karl Witte, der Begründer und langjährige Vorsitzende der deutschen Dante-Gesellschaft, herausgegeben hat. Im Jahre 1875 in dritter, vielfach umgearbeiteter Auflage erschienen, ist sie das Werk eines wohl 50jährigen Forschens und Versenkens in die grossartige Dichtung. Die hier wiedergegebenen Erläuterungen des gelehrten Übersetzers ermöglichen das Verständnis der durch ihre Knappheit und Kürze oft dunklen sowie an Beziehungen und Anspielungen unendlich reichen Sprache des Dichters und der zahllosen persönlichen und sachlichen Anführungen. Die vorliegende Ausgabe besitzt daher ihren bleibenden Wert nicht nur für den lediglich den Genuss in der Dichtung suchenden Leser, sondern auch für den Studierenden und den Nichtfachgelehrten, der das im wesentlichen von der immer weiterstrebenden Forschung Anerkannte hier findet, mögen auch über die Deutung und Bedeutung einzelner Namen, Stellen und Absichten des Dichtwerkes andere Ansichten als die unseres Übersetzers und Erklären vorgetragen werden.
Dante Alighieri ist im Jahre 1265 in Florenz als Spross eines angesehenen, wenn auch wohl nicht adligen Geschlechts geboren. Von seinem Bildungsgang ist uns wenig bekannt. Wiederholt hat er sich an kriegerischen Unternehmungen seiner Vaterstadt beteiligt. Die Parteikämpfe zwischen den Guelfen und den Ghibellinnen, den Päpstlichen und den Kaiserlichen, die ganz Italien zerrissen, zogen auch ihn in ihren Bereich und wurden die Quelle seines Unglücks, eines unruhvollen, unsteten Umherwanderns fern der Heimat. Wir finden Dante als Mitglied des demokratischen Rates der Hundert, von wo aus er in das Kollegium der Prioren gelangte, die, alle zwei Monate wechselnd, die exekutivische Gewalt ausübten.
Von dem benachbarten Pistoja war um jene Zeit ein innerhalb der guelfischen Partei ausgebrochener Hader nach Florenz getragen worden; die feindlichen Gruppen schieden sich in die Weissen (Bianchi) und die Schwarzen (Neri); jene fanden bei der Florentiner Familie der Cerchi, diese bei den Freunden des alteingesessenen Geschlechts der Donati Aufnahme und übertrugen ihre Parteinamen demnächst auf die florentinischen Parteiungen. Die Kämpfe zwischen den beiden Gruppen endeten zunächst mit der Entfernung des Corso Donati und der ihm befreundeten Parteihäupter. Nun aber bewogen die Neri den Papst Bonifaz VIII., den Bruder Philipps des Schönen, Karl von Valois, als „Friedensstifter" nach Florenz zu entsenden. Dieser benutzte seine Sendung zu wüsten Erpressungen und Gewalttätigkeiten. Bald darauf kehrte Corso Donati in die Stadt zurück, die im Amt befindliche Signorie, der gerade Dante angehörte, trat zurück, es folgten zahlreiche Anklagen und Verurteilungen. Auch Dante wurde der Prozess gemacht: Erpressung, Unterschleif, Bestechlichkeit, Agitation gegen den Papst, Karl von Valois, den friedlichen Zustand der Stadt und der guelfischen Partei wurden ihm zur Last gelegt und er zur Zahlung einer grossen Geldsumme, zum Verlust aller seiner Güter und zur Verbannung verurteilt. Im Jahre 1302 wurde er ausserdem noch zum Feuertode verdammt.
Die vertriebenen Bianchi vereinigten sich mit den Ghibellinen und unternahmen bewaffnete Versuche gegen die Stadt. Aber Dante fühlte sich von dem Parteigetriebe abgestossen, er bildete, nach seinem stolzen Wort, seine eigene Partei. Nachdem die Waffen der Verbannten unterlegen waren, ging er im Jahre 1303 nach Oberitalien, wo er am Hofe des Bartolomeo della Scala zu Verona eine Zuflucht fand. Bartolomeo starb im Jahre 1304, sein Nachfolger Alberto scheint dem Dichter weniger günstig gesinnt gewesen zu sein, und wir finden ihn fortan auf der Wanderschaft in Bologna, Padua und Ravenna. Vom Jahre 1306 ab verliert sich seine Spur; es wird angenommen, dass er damals nach Frankreich, bis Paris, gezogen sei.
Der Nachfolger des Papstes Bonifaz VIII., Benedikt XI., hatte inzwischen wiederholt Frieden zwischen den feindlichen Parteien der Stadt Florenz zu stiften versucht, aber immer ohne Erfolg. Im Jahre 1307 war die Hoffnung der Verbannten völlig niedergebrochen; Dante irrte herum, oft von wirklicher Not bedrückt. Seine Irrfahrten führten ihn fast durch alle Länder der italienischen Zunge, unter den Städten, wo er geweilt hat, werden jetzt Padua, Sarzano und Lucca genannt.
Als im September 1310 der 1308 gewählte Kaiser Heinrich mit einem Heer über die Alpen herabstieg, begrüsste Dante ihn als den von Gott gesandten Erlöser. Die langwierigen lombardischen Kämpfe des Kaisers, seine Romfahrt und die Belagerung von Florenz verfolgte er mit leidenschaftlicher Teilnahme, aber der Traum, seine Heimat wiederzusehen, wurde nicht verwirklicht. Im Jahre 1313 starb Kaiser Heinrich. Florenz erneute 1315 das Verbannungsdekret gegen den Verbannten. Eine im folgenden Jahre vom Grafen Guido di Battifolle ihm angebotene Amnestie lehnte er ab, weil die Erlaubnis zur Rückkehr an erniedrigende Bedingungen geknüpft war. Das Ende seines Lebens verbrachte der Dichter in Ravenna, wo er an Guido Novelli, dem Herrn der Stadt und Neffen der berühmten Francesca da Rimini, einen Gönner gefunden hatte. Vorher hatte er kurze Zeit in Verona bei dem Bruder des Bartolomeo della Scala, Cangrande della Scala, verbracht, dem hervorragendsten unter den ghibellinischen Fürsten Italiens, den Kaiser Heinrich zum Reichsvikar von Verona ernannt und auf den Dante die grössten Hoffnungen gesetzt hatte.
In Ravenna vollendete Dante seine Komödie, und hier starb er am 14. September 1321.
Die bitteren Erfahrungen seines Lebens, ein tiefwurzelnder Hass gegen seine Parteigegner und Widersacher, die Empörung über die verrotteten politischen Zustände und den sittlichen Verfall seiner Vaterstadt finden fast in jedem Gesang der Göttlichen Komödie ihren Ausdruck, und gerade diese fortgesetzten Beziehungen auf wirkliches Erleben geben dem Dichtwerk eine ganz ausserordentliche Frische und Lebendigkeit. Aber nicht minder stark wirkte in Dante ein innerliches Erleben, seine Liebe zu dem schönen und reinen Mädchen, dessen verklärtes Abbild die Beatrice seiner Dichtung ist. Als 8jähriges Kind soll er sie bei einer Festlichkeit erblickt haben — dass sie die Nachbarstochter Beatrice Portinari gewesen sei, glaubt die neuere Danteforschung nicht mehr — selbst nur ein Jahr älter als sie, und diese Liebe, die seine Knaben- und Jünglingsjahre beherrschte, erlosch nicht, als das Mädchen die Gattin eines andern wurde, ja nicht einmal, als Dante selbst eine Vernunftehe schloss, welche ihm vier Kinder bescherte. In späteren Jahren ist das Gedenken an seine einzige wahre Liebe vielleicht zeitweilig durch eine oder die andere Frauengestalt verdunkelt, aber niemals völlig verlöscht worden, und in der Göttlichen Komödie ist die Beatrice genannte verklärte Lichtgestalt von solchem Himmelsglanz umflossen, dass wohl niemals Dichterliebe einem Weibe eine ähnliche Huldigung dargebracht hat.
Die Göttliche Komödie schildert zunächst den Zustand der abgeschiedenen Seelen im Jenseits, was im Mittelalter ein beliebtes Thema geistlicher Schauspiele war. Die drei Reiche der jenseitigen Welt, die Hölle, das Fegefeuer und den Himmel, bevölkert Dante mit Gestalten aus dem Altertum und der antiken Mythologie, dem mittelalterlichen Sagenkreise und dem Volksglauben, dem Alten und dem Neuen Testament, der Heiligengeschichte, nicht zum wenigsten aber aus der ihn unmittelbar berührenden Zeitgeschichte. Die Platzanweisung, die er den einzelnen Personen zuteil werden lässt, gibt dem Dichter die Möglichkeit einer alles überragenden Kritik, die nicht nur Freunde und Gegner richtet oder belohnt, sondern auch über politische Anschauungen, wissenschaftliche Probleme, philosophische Streitfragen und die tiefstgründigen theologischen Untersuchungen ein Urteil findet. Dabei fällt dem modernen Leser am meisten einerseits die Leidenschaft des ehrlichen Hasses gegen die Widersacher und anderseits die Lauterkeit der Moral auf, die den Dichter auszeichnen. Vor allem aber steht Dante auf dem Boden der strengsten Katholizität; der Reinheit und Grösse der katholischen Kirche gilt sein frommes Sorgen, und wenn er die der Simonie und anderer Verbrechen schuldigen Kirchenfürsten, seien sie noch so hochgestellt, in der Hölle büssen lässt, so kommt darin sein Kummer über die Vergewaltigung der katholischen Kirche zu ergreifendem Ausdruck.
Die Örtlichkeiten — namentlich Hölle und Fegefeuer, die nach des Dichters Darstellung noch Teile dieser Erde sind — werden mit grösster Deutlichkeit, ja unter Angabe genauer Masse geschildert, so dass manche Herausgeber und Erklärer des Werkes die Stätten der Strafe und der Busse in topographischen Aufnahmen vorzuführen versucht haben. Der Höllentrichter beginnt unter der Erdoberfläche, als deren Mitte Jerusalem gedacht wird, und erstreckt sich in vielfachen Abstufungen, in deren einzelnen Kreisen die verschiedenen Sünden vergolten werden, bis in den Mittelpunkt der Erde, den Satan, der Höllenfürst, innehat. Der Hölle gegenüber, in der Wasserwüste, die dem Mittelalter, für das Amerika noch nicht entdeckt war, auf der westlichen Halbkugel erschien, ragt der Berg der Läuterung empor, auf dessen höchster Spitze das irdische Paradies liegt. Die Reiche des himmlischen Paradieses, zu dem sich die Seele von dem höchsten Kreise des Läuterungsberges emporschwingt, liegen auf den Sternen, alle aber sind sie umschlossen und gekrönt von dem Empyreum, dem Kristallhimmel, in dem der Urgrund aller Dinge und das Sehnsuchtsziel alles Geschaffenen, Gott selbst, thront.
Diese Reiche zu schauen, ward dem Dichter vergönnt, und er berichtet von seiner Fahrt, nicht nur, um Gesehenes zu schildern, sondern um Strafe, Busse und Heiligung für den Christenmenschen wirksam zu machen. Dass ihm die Aufgabe gelingt, ist ein Ausfluss der göttlichen Gnade, die sich ihm infolge der Fürbitte der Beatrice erschliesst. Für das Höllenreich und das Fegefeuer dient ihm als Führer Virgil, der Sänger der Höllenfahrt des Äneas, der dem Mittelalter als der weiseste unter den Dichtern des Altertums galt und dem eine Vorahnung des Christentums zugeschrieben ward. Vor dem irdischen Paradies verabschiedet Virgil sich von dem Dichter, und ein holdes Weib, Matelda geheissen, übernimmt die Führung, die aber im himmlischen Paradiese an Beatrice abgetreten wird. Symbolisch wird diese holde Frau auf die Philosophie, die Weltweisheit gedeutet, der Dante sich eine Zeitlang verschrieben hatte; nur die Religion aber, der Glaube, die Gottesgelehrtheit, die in Beatrice leben, vermag das Werk der Läuterung bis zur Heiligung und zum Anschauen Gottes zu vollenden.
Jedem der drei Reiche sind 33 Gesänge gewidmet; der Einleitung, welche schildert, wie Dante in der Mitte seines Lebens — das Erdenwallen dauert 70 Jahre, er ist also 35 Jahre alt, und man schreibt das Jahr 1300 — in einem dichten Wald vom rechten Wege abgeirrt, drei Untieren, dem Panther, dem Löwen, dem Wolf, d.h. der Wollust, dem Hochmut, der Habgier gegenübersteht und, um ihnen zu entgehen, unter der Führung des Äneas die Fahrt ins Jenseits machen muss, dient 1 Gesang. Das ganze Gedicht umfasst somit 100 Gesänge von annähernd gleicher Länge. Dante wählte für die Darstellung die Terzinen, fünffüssige Jamben, die sich mit dem Reim nach dem Schema a b a b c b c d schmücken. Die Wittesche Übersetzung stellt Treue und Verständlichkeit über die Beibehaltung des kunstreichen Reimbaus. Der Leser wird aber dem genialen Übersetzer die Anerkennung nicht versagen, dass auch der reimlose Jambus, den er gewählt, den „majestätischen Wellenschlag des Danteschen Verses" in unübertroffener Weise wiedergibt.
Dr. F r i e d r i c hR a m h o r s t
Des Allbewegers Herrlichkeit durchdringt
Das ganze Weltall, aber sie erglänzet
An einer Stelle mehr, als an der andren.
Im Himmel, dem von seinem Licht am meisten (4)
Zuteil wird, war ich, und ich schaute Dinge,
Die weder sagen kann noch weiss, wer heimkehrt.
Denn, naht sich unser Geist dem letzten Ziele (7)
Der Sehnsucht, so versinkt in solche Tief' er,
Dass das Gedächtnis ihm nicht folgen kann.
Doch, was an Schätzen aus dem heil'gen Reiche (10)
Aufspeichern ich in der Erinnrung konnte,
Sei nun der Gegenstand von meinem Liede.
O gütiger Apollo, mach' du mich (13)
So zum Geräte für die letzte Arbeit,
Wie du verlangst zur werten Lorbeerspende.
Der eine von den Gipfeln des Parnasses (16)
Genügte mir bisher; nun muss mit beiden
Ich auf den Plan, der noch zurück ist, treten.
So zeuch denn ein in meine Brust und hauche, (19)
So wie du tatest, als den Marsyas
Du aus der Scheide seiner Glieder zogest!
O Himmelskraft, gewährst du dich so weit mir, (22)
Dass des gebenedeiten Reiches Schatten,
Wie ihn mein Haupt bewahrt, ich offenbare,
So siehst du zu dem Baume, der dir lieb ist, (25)
Mich kommen, mit dem Laub mich zu bekränzen,
Des du mich wert machst und der Gegenstand.
So selten wird davon gepflückt, o Vater, (28)
Damit zu krönen Feldherrn oder Dichter
(Zur Schuld und Schande menschlicher Begierden),
Dass des Penëus Laub dem frohen Gotte (31)
Von Delphi, wenn in jemand es Verlangen
Nach sich hervorruft, Lust bereiten sollte.
Aus kleinem Funken lodert grosse Flamme; (34)
Vielleicht, dass einst mit mehr befugter Stimme
Gebeten wird um Cirrhas günst'ge Antwort.
Aus manch verschiedner Mündung steigt die Leuchte (37)
Der Welt den Sterblichen empor; jedoch
Aus keiner bessren Laufs und mit Gestirnen
Von höh'rer Kraft verbunden, nie bereitet (40)
Und siegelt sie so gut das Wachs der Welt,
Als wenn vier Kreisen sie drei Kreuze einet.
Fast hatte Morgen jene Mündung dort (43)
Und Abend hier gemacht, deshalb war jene
Halbkugel völlig hell, die unsre dunkel,
Als ich Beatrix nach der linken Seite (46)
Gewendet sah und in die Sonne schauen;
Kein Adler schaute je so fest hinein.
Und wie ein zweiter aus dem ersten Strahle (49)
Hervorzugehn und aufzusteigen pflegt,
Gleichwie ein Pilger, der sich wieder heimsehnt,
So folgte ihrem Tun, das durch die Augen (52)
Sie mitgeteilt mir hatte, meines nach,
Und über Menschenbrauch blickt' ich zur Sonne.
In Kraft des Ortes, der geschaffen ward (55)
Zum Eigentum der Menschheit, können dort
Die Sinne manches, was sie hier nicht können.
Nicht lang ertrug ich's, aber doch so lange, (58)
Dass ich rings um sie funkeln sah, wie wenn
Das Eisen siedend aus dem Feuer rinnet.
Und plötzlich schien ein zweiter Tag dem Tage (61)
Hinzugefügt, als hätte, der es kann,
Mit einer Sonne mehr geschmückt den Himmel.
Es haftete nur an den ew'gen Rädern (64)
Beatrix' Auge, und als ich die meinen,
Von oben abgekehrt, auf sie nur wandte,
Ward ich in ihrem Anblick innerlich (67)
Dem Glaukus ähnlich, der, als er vom Kraute
Geprobt, Genosse ward der Meeresgötter.
„Die Menschheit überschreiten“ ist durch Worte (70)
Nicht auszudrücken, drum genüge jedem,
Dem Gnad' Erfahrung vorbehält, das Beispiel.
Ob ich nur das war, was du neu geschaffen, (73)
Weisst du, o Liebe, die den Himmel lenket,
Da du mit deinem Lichte mich emporhobst.
Als mich das Kreisen, welches du durch Sehnsucht (76)
Verewigst, durch die Harmonie, die du
Bestimmst und einteilst, zu sich hingewendet,
Schien durch der Sonne Flamme mir vom Himmel (79)
So viel entbrannt zu sein, dass Überschwemmung
Und Regen nie so grossen See gebildet.
So machten mich nach ihrem Grund begierig (82)
Des Tones Neuheit und das grosse Licht,
Dass gleiche Wissbegier ich nie gekannt.
Doch sie, die mich verstand so wie ich selber, (85)
Tat, eh' zum Fragen ich den Mund geöffnet,
Den ihren, um mich zu befriedigen, auf,
Und sie begann: In deinem falschen Wahne (88)
Betörst du selber dich, so dass du nicht siehst,
Was, würfest du ihn ab, du sehen würdest.
Nicht auf der Erde bist du, wie du wähnest; (91)
Nie fuhr ein Blitz, verlassend seine Stätte,
So schnell hinab, als du zu ihr hinauf eilst. —
Wenn mich die kurzen, unter süssem Lächeln (94)
Gesprochnen Worte von dem ersten Zweifel
Befreit, verstrickte nun ein zweiter mich.
Ich sagte: Schon werd' ich von grossem Staunen (97)
Beruhigt; doch, wie diese leichten Körper
Mein Körper überfliegt, bestaun' ich nun. —
Drauf richtet' unter mitleidsvollem Seufzer (100)
Auf mich den Blick sie mit der Mutter Ausdruck,
Die ihres Kindes Fieberwahne zuschaut.
Und sie begann: Geordnet zueinander (103)
Sind alle Dinge; dies Gesetz allein
Macht, dass das All der Welt Gott ähnlich ist.
Es sehn in ihm die hohen Kreaturen (106)
Die Spur der höchsten Kraft, in der das Ziel liegt,
Zu welchem die gedachte Ordnung hinweist.
Es fügen ihr sich alle Wesen ein, (109)
Die ihrem Ursprung, je nach ihrem Lose,
Mehr oder minder fern und nahe sind.
Drum schiffen in des Daseins grossem Meere (112)
Sie nach verschiednen Häfen, und Naturtrieb
Ward jedem zugeteilt, dass er es leite.
Er ist es, der das Feuer mondwärts treibt, (115)
Des Menschenherzens Regung kommt von ihm,
Er ist es, der den Erdball eint und festigt
Und dieses Bogens Pfeile treffen (118)
Nicht nur erkenntnislose Wesen, nein,
Auch die begabt mit Einsicht sind und Liebe.
Es gibt die Vorsehung, die dies geordnet, (121)
Mit ihrem Licht dem Himmel ew'ge Ruhe,
In welchem, der am schnellsten eilt, sich drehet.
Jetzt aber trägt, wie zu beschlossnem Ziele, (124)
Dorthin uns jener Bogensehne Kraft,
Die, was sie losschnellt, lenkt zu frohem Ende.
Wohl ist es wahr, dass, wie des Künstlers Absicht (127)
Die Form oft nicht entsprechen will, indem
Der Stoff, als wär' er taub, nicht Antwort gibt,
So das Geschöpf sich oft von dieser Bahn (130)
Losmacht, da, trotz des Antriebs, es die Macht hat,
Sich auch nach andrer Seite hinzuwenden
(Wie ja zur Erde Feuer aus der Wolke (133)
Man fallen sieht), sobald durch falsche Lüste
Zu Irdischem der erste Drang gelenkt wird.
Nun hast du, schliess' ich recht, nicht grössren Anlass (136)
Zum Staunen, als wenn du von hohem Berge
Zum Tal hernieder fliessen siehst den Bach.
Wärst, frei vom Hemmnis, unten du geblieben, (139)
So wäre das nicht minder zu verwundern,
Als blieb' am Boden haften frisches Feuer. —
Dann wandt' ihr Aug' aufs neue sie gen Himmel. (142)
Die hörbegierig ihr in kleinem Nachen
Bis hieher nachgefolgt seid meinem Schiffe,
Das mit Gesange seine Bahn durchmisst,
Kehrt nun zurück zu eurem Heimatsstrande, (4)
Wagt nicht ins hohe Meer euch; denn ihr wäret,
Verlört ihr meine Spur, gar leicht verloren.
Nie ward das Meer beschifft, das ich befahre, (7)
Mich führt Apoll, Minerva schwellt die Segel
Und die neun Musen zeigen mir die Bären.
Ihr wenigen jedoch, die ihr beizeiten (10)
Den Hals gestreckt nach jenem Engelsbrote,
Das Nahrung hier, nie Sättigung gewährt,
Wohl dürft eu'r Schifflein in die hohe Meerflut (13)
Ihr lenken, haltet ihr nur meine Furche,
Eh' sich das Wasser wieder glättet, ein.
Die Ruhmgekrönten, die nach Kolchis fuhren, (16)
Erstaunten minder, wie zum Pflüger Jason
Geworden war, als ihr erstaunen werdet. —
Uns trug der anerschaffne ew'ge Durst (19)
Nach jenem Reich, das Gottes Stempel trägt,
So schnell fast, als der Fixsternhimmel kreist.
Beatrix sah nach oben, ich auf sie, (22)
Und in der Zeit, in der ein Pfeil ans Ziel kommt
Und fliegt und von der Nuss sich losmacht,
Gelangt' ich dorthin, wo ein wunderbares (25)
Gesicht mein Auge auf sich zog; sie aber,
Der nichts verborgen blieb, was in mir vorging,
Sie wandte sich zu mir so schön als freudig (28)
Und sagte: Richte dankbar nun den Geist
Zu Gott, der uns dem ersten Stern vereint hat. —
Mir war es, als bedeck' uns eine Wolke, (31)
Die licht und dicht war, fest und wie geglättet,
Dass Diamant im Sonnenstrahl sie schien.
Es nahm uns in sich selbst die ew'ge Perle (34)
Nicht anders auf, als wie den Strahl des Lichtes
Das Wasser aufnimmt und in sich geeint bleibt.
War ich nun Körper, und ist's unbegreiflich, (37)
Dass eine Räumlichkeit die andre zuliess,
Wie wenn ein Körper in den andren schlüpfte,
So sollten drum nur heisser wir verlangen, (40)
Die Wesenheit zu schauen, welche zeigt,
Wie Gott sich menschlicher Natur geeinigt.
Was hier wir glauben, das wird dort man schauen, (43)
Nicht als erwiesen, nein als selbstverständlich,
So wie die erste Wahrheit, die wir glauben.
Andächtig, wie ich irgend nur zu sein weiss (46)
(Sagt' ich darauf), o Herrin, dank' ich dem,
Der mich der Welt der Sterblichkeit entrückt hat.
Doch saget mir, was sind die dunklen Zeichen (49)
An diesem Körper, die zu Kainsfabeln
Dort unten auf der Erde Anlass geben? —
Nach kurzem Lächeln sprach sie: Dass die Meinung (52)
Der Menschen da auf falschen Wegen geht,
Wo nicht aufschliessen kann der Sinne Schlüssel,
Darf mit des Staunens Pfeil dich nicht mehr treffen, (55)
Siehst du zu kurz die Flügel der Vernunft
Selbst da, wo ihr den Weg die Sinne weisen.
Doch sage mir, was deine Ansicht ist? — (58)
Und ich: Was uns verschieden scheint hier oben,
Bewirkt, so glaub' ich, Lockerheit und Dichte. —
Und sie zu mir: Gewiss wirst du dein Wähnen (61)
In Irrtum tief versunken sehn, vernimmst du,
Was ich dagegen dir entwickeln werde.
Es hat die achte Sphäre viele Lichter, (64)
Die, als an Art verschieden wie an Grösse,
Erkennen muss, wer auf ihr Aussehn achthat.
Wenn Lockerheit und Dichte das bewirkten, (67)
So wäre eine Kraft in ihnen allen,
Verschieden nur verteilt nach mehr und minder.
Verschiedne Kräfte müssen unterschiedner (70)
Urgründe Früchte sein; die aber wären
Nach deiner Meinung bis auf einen tot.
Und wäre Lockerheit der Grund des Dunkels, (73)
Nach dem du fragst, so wäre ja entweder
Der Mond dort durch und durch so stofflos, oder
In seinem Umfang wechselten die Schichten (76)
Von dicht und locker, so wie fett und mager
In eines Körpers Fleisch verteilt wir sehen.
Das erste würde, wär' es wahr, sich zeigen, (79)
Sooft die Sonne sich verfinstert, da ihr Licht
Durchscheinen müsste, wie durch andres Lockre.
Ist dem nun nicht, so ist nur noch das andre (82)
Zu prüfen; wenn ich dann auch dies vernichte,
Wird deine Meinung sich als falsch ergeben.
Durchdringt das Lockre denn den Mond nicht ganz, (85)
So muss ein Endpunkt sein, an dem das Dichte
Das Licht verhindert, weiter vorzudringen.
Dort aber müsste so der fremde Strahl (88)
Abprallen, wie ein farbig Bild vom Glase,
Das hinten überkleidet ist mit Blei.
Nun sagst du wohl, es zeige sich nur deshalb (91)
Der Strahl dort dunkler als an andren Stellen,
Weil weiter rückwärts er gespiegelt werde;
Von diesem Einwurf kann, willst du sie machen, (94)
Erfahrung dich befreien, die die Quelle
Von allen Bächen eurer Kunst zu sein pflegt.
Drei Spiegel nimm, entferne deren zweie (97)
Gleich weit von dir, und lasse zwischen beiden
Den dritten fernerab dein Auge treffen.
Lass hinter deinem Rücken, bist den Spiegeln (100)
Du zugewandt, ein Licht aufstell'n, das alle
Erhell' und rückgestrahlt von allen werde.
Erreicht nun auch, des Bildes Grösse nach, (103)
Der fernre Spiegel nicht die beiden nähern,
So siehst du doch gleichmässig alle glänzen,
Da so, wie von der Kraft der warmen Strahlen (106)
Der Boden schneebefreit sich wieder blosslegt,
Des Winters Farbe und den Frost verlierend,
Nunmehr dein Geist geworden ist, so will ich (109)
Mit so lebend'gem Lichte dich erleuchten,
Dass du erbeben sollst bei dessen Anblick.
Im Himmel ew'gen Gottesfriedens dreht (112)
Ein Körper sich, in dessen Kraft das Wesen
Von allem dem beruht, was er enthält.
Der nächste Himmel mit den vielen Lichtern (115)
Verteilt dies Wesen in verschiedne Gaben,
Von ihm verschieden und in ihm enthalten.
Die andren Kreis', in gar verschiedner Weise, (118)
Verteilen ihrer Kräfte Unterschied
Je nach dem Zwecke und je nach dem Samen.
So ist der Gang von diesen Weltorganen, (121)
Von Stufe, wie du nun erkennst, zu Stufe;
Von oben nehmen sie und wirken abwärts.
Nun achte wohl auf mich, wie zu der Wahrheit, (124)
Die du begehrst, ich diesen Punkt durchschreite,
Damit allein du einst die Furt nicht fehlest:
Die Kraft der heil'gen Kreis' und die Bewegung (127)
Muss, wie die Kunst des Hammers von dem Schmiede,
Ausgehen von den seligen Bewegern.
Der Himmel, den so viele Lichter schmücken, (130)
Nimmt von dem tiefen Geist, der ihn beweget,
Das Abbild in sich auf und wird sein Stempel.
Wie ihr die Seele sich in eurem Staube (133)
In Gliedern mannigfacher Art und Zweckes
Auflösen sehet zu verschiednen Kräften,
So wird die Güte der Intelligenz, (136)
Indem sie selbst um ihre Einheit kreiset,
Zur Vielfachheit in der Gestirne Wirkung.
Verschiedne Kraft tritt in verschiedner Mischung (139)
Zum Himmelskörper, welchen sie belebt,
An ihn sich, wie an euch das Leben, bindend.
Aus der gemischten Kraft strahlt durch den Körper (142)
Die freudige Natur, von der sie herstammt,
Wie aus lebend'gem Augenstern die Freude.
Das ist es, und nicht Lockerheit und Dichte, (145)
Was einen Stern verschieden macht vom andren:
Ein wesentlich Prinzip, das Hell und Dunkel
Je nach dem Masse seiner Güt' erzeuget. — (148)
Die Sonne, die mein Herz in Lieb' entflammte,
Sie hatte mir das Antlitz schöner Wahrheit
Beweisend uod verwerfend nun enthüllet.
Um zu bekennen, dass ich überzeugt (4)
Und meines Irrtums mir bewusst sei, hob ich,
Soweit zum Reden nötig war, mein Haupt;