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In den Büsching’schen wöchentlichen Nachrichten vom 13. Sept. lese ich heute den 30sten eben dess. die Anzeige der Berlinischen Monatsschrift von diesem Monat, worin des Herrn Mendelssohn Beantwortung eben derselben Frage angeführt wird. Mir ist sie noch nicht zu Händen gekommen; sonst würde sie die gegenwärtige zurückgehalten haben, die jetzt nur zum Versuche da stehen mag, wiefern der Zufall Einstimmigkeit der Gedanken zuwege bringen könne.
Jacobi, Briefe über die Lehre des Spinoza. Breslau 1785. – Jacobi wider Mendelssohns Beschuldigung betreffend die Briefe über die Lehre des Spinoza. Leipzig 1786. – Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie, kritisch untersucht von einem Freiwilligen. Ebendas.
Sich im Denken überhaupt orientieren, heißt also: sich bei der Unzulänglichkeit der objektiven Prinzipien der Vernunft im Fürwahrhalten nach einem subjektiven Prinzip derselben bestimmen.
Da die Vernunft zur Möglichkeit aller Dinge Realität als gegeben vorauszusetzen bedarf und die Verschiedenheit der Dinge durch ihnen anhängende Negationen nur als Schranken betrachtet: so sieht sie sich genötigt, eine einzige Möglichkeit, nämlich die des uneingeschränkten Wesens, als ursprünglich zum Grunde zu legen, alle anderen aber als abgeleitet zu betrachten. Da auch die durchgängige Möglichkeit eines jeden Dinges durchaus im Ganzen aller Existenz angetroffen werden muss, wenigstens der Grundsatz der durchgängigen Bestimmung die Unterscheidung des Möglichen vom Wirklichen unserer Vernunft nur auf solche Art möglich macht: so finden wir einen subjektiven Grund der Notwendigkeit, d. i. ein Bedürfnis unserer Vernunft selbst, aller Möglichkeit das Dasein eines allerrealsten (höchsten) Wesens zum Grunde zu legen. So entspringt nun der Cartesianische Beweis vom Dasein Gottes [der sogenannte ontologische Gottesbeweis, der vom Begriff bzw. der Begriffsbedeutung auf die Existenz Gottes schließt], indem subjektive Gründe etwas für den Gebrauch der Vernunft (der im Grunde immer nur ein Erfahrungsgebrauch bleibt) voraus zu setzen für objektiv – mithin Bedürfnis für Einsicht – gehalten werden. So ist es mit diesem, so ist es mit allen Beweisen des würdigen Mendelssohn in seinen Morgenstunden bewandt. Sie leisten nichts zum Behuf einer Demonstration. Darum sind sie aber keinesweges unnütz. Denn nicht zu erwähnen, welchen schönen Anlass diese überaus scharfsinnigen Entwickelungen der subjektiven Bedingungen des Gebrauchs unserer Vernunft zu der vollständigen Erkenntnis dieses unsers Vermögens geben, als zu welchem Behuf sie bleibende Beispiele sind: so ist das Fürwahrhalten aus subjektiven Gründen des Gebrauchs der Vernunft, wenn uns objektive mangeln und wir dennoch zu urteilen genötigt sind, immer noch von großer Wichtigkeit; nur müssen wir das, was nur abgenötigte Voraussetzung ist, nicht für freie Einsicht ausgeben, um dem Gegner, mit dem wir uns aufs Dogmatisieren eingelassen haben, nicht ohne Not Schwächen darzubieten, deren er sich zu unserem Nachteil bedienen kann. Mendelssohn dachte wohl nicht daran, dass das Dogmatisieren mit der reinen Vernunft im Felde des Übersinnlichen der gerade Weg zur philosophischen Schwärmerei sei, und dass nur Kritik eben desselben Vernunftvermögens diesem Übel gründlich abhelfen könne. Zwar kann die Disziplin der scholastischen Methode (der Wolffischen [gemeint ist der berühmte Logiker Christian Wolff, 1679–1754] z. B., die er darum auch anriet), da alle Begriffe durch Definitionen bestimmt und alle Schritte durch Grundsätze gerechtfertigt werden müssen, diesen Unfug wirklich eine Zeit lang hemmen, aber keinesweges gänzlich abhalten. Denn mit welchem Rechte will man der Vernunft, der es einmal in jenem Felde seinem eigenen Geständnisse nach so wohl gelungen ist, verwehren, in eben demselben noch weiter zu gehen? und wo ist dann die Grenze, wo sie stehen bleiben muss?
Die Vernunft fühlt nicht; sie sieht ihren Mangel ein und wirkt durch den Erkenntnistrieb das Gefühl des Bedürfnisses. Es ist hiemit, wie mit dem moralischen Gefühl bewandt, welches kein moralisches Gesetz verursacht, denn dieses entspringt gänzlich aus der Vernunft; sondern durch moralische Gesetze, mithin durch die Vernunft verursacht oder gewirkt wird, indem der rege und doch freie Wille bestimmter Gründe bedarf.
Zur Festigkeit des Glaubens gehört das Bewusstsein seiner Unveränderlichkeit. Nun kann ich völlig gewiss sein, dass mir niemand den Satz: Es ist ein Gott, werde widerlegen können; denn wo will er diese Einsicht hernehmen? Also ist es mit dem Vernunftglauben nicht so, wie mit dem historischen bewandt, bei dem es immer noch möglich ist, dass Beweise zum Gegenteil aufgefunden würden, und wo man sich immer noch vorbehalten muss, seine Meinung zu ändern, wenn sich unsere Kenntnis der Sachen erweitern sollte.
Es ist kaum zu begreifen, wie gedachte Gelehrte in der Kritik der reinen Vernunft [Kants eigenes, berühmtes Werk] Vorschub zum Spinozism [Spinozismus: Lehre der Philosophie des Niederländers Baruch de Spinoza (1632–1677)] finden konnten. Die Kritik beschneidet dem Dogmatism [Dogmatismus: Lehre der Auslegung der christlichen Glaubenslehre] gänzlich die Flügel in Ansehung der Erkenntnis übersinnlicher Gegenstände, und der Spinozism ist hierin so dogmatisch, dass er sogar mit dem Mathematiker in Ansehung der Strenge des Beweises wetteifert. Die Kritik beweiset: dass die Tafel der reinen Verstandesbegriffe alle Materialien des reinen Denkens enthalten müsse; der Spinozism spricht von Gedanken, die doch selbst denken, und also von einem Accidens [von lat. ›Akzidens‹, das sich Verändernde, Zufällige, nicht Wesentliche], das doch zugleich für sich als Subjekt existiert: ein Begriff, der sich im menschlichen Verstande gar nicht findet und sich auch in ihn nicht bringen lässt. Die Kritik zeigt: es reiche noch lange nicht zur Behauptung der Möglichkeit eines selbst gedachten Wesens zu, dass in seinem Begriffe nichts Widersprechendes sei (wiewohl es alsdann nötigenfalls allerdings erlaubt bleibt, diese Möglichkeit anzunehmen); der Spinozism gibt aber vor, die Unmöglichkeit eines Wesens einzusehen, dessen Idee aus lauter reinen Verstandesbegriffen besteht, wovon man nur alle Bedingungen der Sinnlichkeit abgesondert hat, worin also niemals ein Widerspruch angetroffen werden kann, und vermag doch diese über alle Grenzen gehende Anmaßung durch gar nichts zu unterstützen. Eben um dieser willen führt der Spinozism gerade zur Schwärmerei. Dagegen gibt es kein einziges sicheres Mittel alle Schwärmerei mit der Wurzel auszurotten, als jene Grenzbestimmung des reinen Vernunftvermögens. – Eben so findet ein anderer Gelehrter in der Kritik d. r. Vernunft eine Skepsis, obgleich die Kritik eben darauf hinausgeht, etwas Gewisses und Bestimmtes in Ansehung des Umfanges unserer Erkenntnis a priori fest zu setzen. Imgleichen eine Dialektik in den kritischen Untersuchungen, welche doch darauf angelegt sind, die unvermeidliche Dialektik, womit die allerwärts dogmatisch geführte reine Vernunft sich selbst verfängt und verwickelt, aufzulösen und auf immer zu vertilgen. Die Neuplatoniker, die sich Eklektiker nannten, weil sie ihre eigenen Grillen [hier: seltsame Gedanken] allenthalben in älteren Autoren zu finden wussten, wenn sie solche vorher hineingetragen hatten, verfuhren gerade eben so; es geschieht also in so fern nichts Neues unter der Sonne.
Selbstdenken heißt den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst (d. i. in seiner eigenen Vernunft) suchen; und die Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung. Dazu gehört nun eben so viel nicht, als sich diejenigen einbilden, welche die Aufklärung in Kenntnisse setzen: da sie vielmehr ein negativer Grundsatz im Gebrauche seines Erkenntnisvermögens ist, und öfter der, so an Kenntnissen überaus reich ist, im Gebrauche derselben am wenigsten aufgeklärt ist. Sich seiner eigenen Vernunft bedienen, will nichts weiter sagen, als bei allem dem, was man annehmen soll, sich selbst fragen: ob man es wohl tunlich [angemessen] finde, den Grund, warum man etwas annimmt, oder auch die Regel, die aus dem, was man annimmt, folgt, zum allgemeinen Grundsatze seines Vernunftgebrauchs zu machen. Diese Probe kann ein jeder mit sich selbst anstellen; und er wird Aberglauben und Schwärmerei bei dieser Prüfung alsbald verschwinden sehen, wenn er gleich bei weitem die Kenntnisse nicht hat, beide aus objektiven Gründen zu widerlegen. Denn er bedient sich bloß der Maxime der Selbsterhaltung der Vernunft. Aufklärung in einzelnen Subjekten durch Erziehung zu gründen, ist also gar leicht; man muss nur früh anfangen, die jungen Köpfe zu dieser Reflexion zu gewöhnen. Ein Zeitalter aber aufzuklären, ist sehr langwierig; denn es finden sich viel äußere Hindernisse, welche jene Erziehungsart teils verbieten, teils erschweren.
Obgleich der eigentümliche Begriff einer Weisheit nur die Eigenschaft eines Willens vorstellt, zum höchsten Gut als dem Endzweck aller Dinge zusammen zu stimmen; hingegen Kunst nur das Vermögen im Gebrauch der tauglichsten Mittel zu beliebigen Zwecken: so wird doch Kunst, wenn sie sich als eine solche beweiset, welche Ideen adäquat ist, deren Möglichkeit alle Einsicht der menschlichen Vernunft übersteigt (z. B. wenn Mittel und Zwecke wie in organischen Körpern einander wechselseitig hervorbringen), als eine göttliche Kunst nicht unrecht auch mit dem Namen der Weisheit belegt werden können; doch, um die Begriffe nicht zu verwechseln, mit dem Namen einer Kunstweisheit des Welturhebers zum Unterschiede von der moralischen Weisheit desselben. Die Teleologie (auch durch sie die Physikotheologie) gibt reichliche Beweise der erstern in der Erfahrung. Aber von ihr gilt kein Schluss auf die moralische Weisheit des Welturhebers, weil Naturgesetz und Sittengesetz ganz ungleichartige Prinzipien erfordern, und der Beweis der letztern Weisheit gänzlich a priori geführt, also schlechterdings nicht auf Erfahrung von dem, was in der Welt vorgeht, gegründet werden muss. Da nun der Begriff von Gott, der für die Religion tauglich sein soll (denn zum Behuf der Naturerklärung, mithin in spekulativer Absicht brauchen wir ihn nicht), ein Begriff von ihm als einem moralischen Wesen sein muss; da dieser Begriff, so wenig als er auf Erfahrung gegründet, eben so wenig aus bloß transzendentalen Begriffen eines schlechthin notwendigen Wesens, der gar für uns überschwenglich ist, herausgebracht werden kann: so leuchtet genugsam ein, dass der Beweis des Daseins eines solchen Wesens kein andrer als ein moralischer sein könne.
Diese drei Eigenschaften zusammen, deren eine sich keineswegs auf die andre, wie etwa die Gerechtigkeit auf Güte, und so das Ganze auf eine kleinere Zahl zurückführen lässt, machen den moralischen Begriff von Gott aus. Es lässt sich auch die Ordnung derselben nicht verändern (wie etwa die Gütigkeit zur obersten Bedingung der Weltschöpfung machen, der die Heiligkeit der Gesetzgebung untergeordnet sei), ohne der Religion Abbruch zu tun, welcher eben dieser moralische Begriff zum Grunde liegt. Unsre eigene reine (und zwar praktische) Vernunft bestimmt diese Rangordnung, indem, wenn sogar die Gesetzgebung sich nach der Güte bequemt, es keine Würde derselben und keinen festen Begriff von Pflichten mehr gibt. Der Mensch wünscht zwar zuerst glücklich zu sein; sieht aber doch ein und bescheidet sich (obzwar ungern), dass die Würdigkeit glücklich zu sein, d. i. die Übereinstimmung des Gebrauchs seiner Freiheit mit dem heiligen Gesetze, in dem Ratschluss des Urhebers die Bedingung seiner Gütigkeit sein und also notwendig vorhergehen müsse. Denn der Wunsch, welcher den subjektiven Zweck (der Selbstliebe) zum Grunde hat, kann nicht den objektiven Zweck (der Weisheit), den das Gesetz vorschreibt, bestimmen, welches dem Willen unbedingt die Regel gibt. – Auch ist die Strafe in der Ausübung der Gerechtigkeit keineswegs als bloßes Mittel, sondern als Zweck in der gesetzgebenden Weisheit gegründet: die Übertretung wird mit Übeln verbunden, nicht damit ein anderes Gute herauskomme, sondern weil diese Verbindung an sich selbst, d. i. moralisch notwendig und gut ist. Die Gerechtigkeit setzt zwar Güte des Gesetzgebers voraus (denn wenn sein Willen nicht auf das Wohl seiner Untertanen ginge, so würde dieser sie auch nicht verpflichten können ihm zu gehorchen); aber sie ist nicht Güte, sondern als Gerechtigkeit von dieser wesentlich unterschieden, obgleich im allgemeinen Begriffe der Weisheit enthalten. Daher geht auch die Klage über den Mangel einer Gerechtigkeit, die sich im Lose, welches den Menschen hier in der Welt zu Teil wird, zeige, nicht darauf, dass es den Guten hier nicht wohl, sondern dass es den Bösen nicht übel geht (obzwar, wenn das erstere zu dem letztern hinzu kommt, der Kontrast diesen Anstoß noch vergrößert). Denn in einer göttlichen Regierung kann auch der beste Mensch seinen Wunsch zum Wohlergehen nicht auf die göttliche Gerechtigkeit, sondern muss ihn jederzeit auf seine Güte gründen: weil der, welcher bloß seine Schuldigkeit tut, keinen Rechtsanspruch auf das Wohltun Gottes haben kann.
Es ist merkwürdig, dass unter allen Schwierigkeiten, den Lauf der Weltbegebenheiten mit der Göttlichkeit ihres Urhebers zu vereinigen, keine sich dem Gemüt so heftig aufdringt, als die von dem Anschein einer darin mangelnden Gerechtigkeit. Trägt es sich zu (ob es zwar selten geschieht), dass ein ungerechter, vornehmlich Gewalt habender Bösewicht nicht ungestraft aus der Welt entwischt: so frohlockt der mit dem Himmel gleichsam versöhnte, sonst parteilose Zuschauer. Keine Zweckmäßigkeit der Natur wird ihn durch Bewunderung derselben so in Affekt setzen und die Hand Gottes gleichsam daran vernehmen lassen. Warum? Sie ist hier moralisch und einzig von der Art, die man in der Welt einigermaßen wahrzunehmen hoffen kann.
Hiob XXIII, 13.
Hiob XIII, 7 bis 11; 16.
Das Erpressungsmittel der Wahrhaftigkeit in äußern Aussagen, der Eid (tortura spiritualis [verschiedene Formen des Sprechhandelns als Fortsetzung der Folter mit anderen Mitteln]), wird vor einem menschlichen Gerichtshofe nicht bloß für erlaubt, sondern auch für unentbehrlich gehalten: ein trauriger Beweis von der geringen Achtung der Menschen für die Wahrheit selbst im Tempel der öffentlichen Gerechtigkeit, wo die bloße Idee von ihr schon für sich die größte Achtung einflößen sollte! Aber die Menschen lügen auch Überzeugung, die sie wenigstens nicht von der Art oder in dem Grade haben, als sie vorgeben, selbst in ihrem innern Bekenntnisse; und da diese Unredlichkeit (weil sie nach und nach in wirkliche Überredung ausschlägt) auch äußere schädliche Folgen haben kann, so kann jenes Erpressungsmittel der Wahrhaftigkeit, der Eid (aber freilich nur ein innerer, d. i. der Versuch, ob das Fürwahrhalten auch die Probe einer innern eidlichen gibt, dass es einen solchen Weltrichter gebe,