Der Hund ist das einzige Heimtier, das eine derart enge Beziehung zum Menschen hat, dass er dessen Verhalten auf seine Art deutet, daraus lernt und darauf reagiert – auch wenn wir nicht bewusst etwas mit ihm üben. Hunde sind sehr lernfähig und lernen gern, auch im Alter noch. Manches lernen Vierbeiner schnell, anderes dauert etwas. Das hat auch mit der Persönlichkeit und den Veranlagungen des einzelnen Tieres zu tun.
So kämen manche Vierbeiner im Leben nicht auf die Idee, von der Küchenanrichte Fressbares zu ergattern. Andere wiederum haben diese Nahrungsquelle schon als Junghunde fest im Blick.
Auch an Durchhaltevermögen und Konsequenz ihres Menschen stellen Hunde unterschiedlich hohe Ansprüche. So hat es bei manchen Vierbeinern nicht gleich weitreichende Auswirkungen, wenn man mal nicht ganz so konsequent ist. Nicht wenige aber nutzen jede kleinste Lücke und Schwäche des Zweibeiners aus, um die eigenen Vorstellungen zu verwirklichen.
Doch egal, wie ein Hund veranlagt ist – die Art des Lernens ist bei allen gleich. Deshalb ist ein bestimmtes Maß an Wissen darüber für Erziehung und Ausbildung des Vierbeiners ausgesprochen wichtig. Ganz ohne Theorie geht es also nicht. Aber sie lohnt sich. Denn wenn Sie wissen, wie sich das, was Sie dem Vierbeiner beibringen möchten oder was Sie den Tag über so mit ihm tun, in seinem Gehirn verankert, werden Sie staunen, wie schnell sich Erfolge einstellen. Außerdem treten einige Probleme dann gar nicht erst auf. Auch der Hund profitiert wesentlich davon. Denn er kann so genau erkennen, was Sie von ihm möchten. Das wiederum tut seiner Beziehung zu Ihnen gut.
Zu einem großen Teil lernt der Hund am Erfolg. Das heißt, er macht gern etwas wieder, wovon er einen Vorteil hat. Was sich bewährt, kann er dann durchaus auch in anderen Situationen ausprobieren. Genauso wird er solche Verhaltensweisen eher nicht mehr zeigen, die ihm nichts oder gar Nachteile einbringen.
Die meisten Vierbeiner integrieren sich gut in den Alltag, weil sie sich dem anpassen, was weitgehend immer gleich ist. Wenn Herrchen oder Frauchen beispielsweise vormittags überwiegend am PC arbeitet, wird der Hund sich der Situation nach und nach anpassen und in dieser Zeit zum größten Teil dösen oder schlafen.
Tragen Sie beispielsweise immer dieselbe Jacke, wenn Sie mit dem Vierbeiner spazieren gehen, wird er bald schon erwartungsvoll vor Ihnen stehen, wenn Sie zu dieser Jacke greifen. Hört der Hund immer das gleiche Wort, wenn er etwas Bestimmtes tut, etwa sich setzt, wird er sich nach einigen Tagen auf dieses Wort hin setzen. Diese Aspekte des Lernens sind in der Praxis ab > besonders wichtig.
Wer sich einen jungen Hund als Zweithund zulegt, wird feststellen, dass sich der jüngere vom älteren etwas abschaut. Bekommt der jüngere mit, dass sich ein bestimmtes Verhalten für den Ersthund lohnt, übernimmt er das. Das gilt sowohl für solche Verhaltensweisen, die Sie gut finden, als auch für weniger erfreuliche.
Auch wenn es manchmal so aussieht: Der Vierbeiner möchte Sie nicht ärgern. Egal, ob er an der Leine zerrt, in der Küche klaut oder auf Ruf nicht kommt – er hat lediglich gelernt, dass es sich lohnt. Oder er kann eine Übung wie etwa das Kommen auf Ruf gar nicht zuverlässig beherrschen, weil sie nicht schrittweise aufgebaut und eingeübt wurde.
Betrachten wir im Folgenden einmal verschiedene Beispielsituationen aus dem Alltag und was der Hund dabei lernt. Weil es anschaulicher ist, »spricht« der Hund – etwas vermenschlicht – aus, was in seinem Gehirn wie ankommt. Vielleicht haben Sie dabei das eine oder andere Aha-Erlebnis, denn so manche Verhaltensweisen, die uns stören, lasten wir zu Unrecht dem Vierbeiner an. Da heißt es, erst mal vor der eigenen Tür kehren. Ist Ihnen erst klar geworden, wie der Hund tickt, wird es Ihnen relativ leichtfallen, sein Verhalten entsprechend zu lenken – auch in anderen Zusammenhängen als den aufgeführten Beispielen.
Dieses Prinzip machen wir uns meist dann bewusst oder automatisch zunutze, wenn wir dem Vierbeiner etwas Bestimmtes beibringen möchten:
Situation 1: Ihr Hund bekommt eine exklusive Superbelohnung, wenn er auf Ihren Rückruf sofort kommt.
Das lernt der Hund: Wenn ich gerufen werden, und sofort komme, gibt es eine tolle Belohnung. Dafür lasse ich gern alles liegen und stehen!
Situation 2: Der Hund wird belohnt, wenn er ruhig neben Ihnen sitzen bleibt, während Jogger vorbeilaufen.
Das lernt der Hund: Jogger verfolgen wäre schon verlockend. Doch wenn ich sitzen bleibe, bis sie vorbei sind, fliegt mein ganz besonderer Lieblingsball, den ich nur in besonderen Situationen bekomme. Das muss ich unbedingt ausnutzen!
Situation 3: Nur wenn der Hund ruhig an der offenen Haustür wartet, gibt es die Erlaubnis rauszugehen.
Das lernt der Hund: Wenn ich mich an der Haustür ruhig verhalte, dann geht’s umso schneller raus zum aufregenden Spaziergang!
Doch mindestens genauso oft, wenn nicht sogar häufiger, belohnen wir den Vierbeiner unbewusst für Verhaltensweisen, die wir eigentlich gar nicht wollen oder die uns sogar ziemlich nerven:
Situation 1: Der Hund zerrt erfolgreich an der Leine Richtung Duftmarke oder einfach nur vorwärts.
Das lernt der Hund: Super, wenn ich mich ordentlich ins Zeug lege, komme ich umso schneller ans Ziel. Das mache ich beim nächsten Mal wieder so!
Situation 2: Da der Hund völlig aus dem Häuschen gerät, bellt und springt, wenn Sie sich zum Spaziergang fertig machen, schauen Sie, dass Sie so schnell wie möglich mit ihm aus dem Haus kommen, damit Sie endlich Ihre Ruhe haben.
Das lernt der Hund: Wenn ich total ausflippe, geht’s besonders rasch nach draußen. Das mache ich jetzt jedes Mal genauso!
Situation 3: Der Hund springt an Ihnen oder einer anderen Person hoch und wird beruhigend gestreichelt oder fröhlich begrüßt.
Das lernt der Hund: Super, wenn ich jemanden anspringe, beschäftigt der sich mit mir! Das mache ich wieder!
Situation 4: Der Hund kratzt an der Tür, Sie lassen ihn sofort hinaus oder herein, um die Tür zu schonen.
Das lernt der Hund: Wenn ich an der Tür kratze, geht sie rasch auf. Das mache ich jetzt bei jeder Tür, wenn ich rein oder raus möchte.
Situation 5: Sie sagen zum Beispiel »Sitz«, aber der Hund setzt sich nicht, sondern wartet ab. Sie ziehen einen Happen aus der Tasche, und schon setzt er sich. Das lernt der Hund: Wenn ich Kommandos einfach ignoriere, zieht Frauchen einen Happen aus der Tasche und besticht mich. Da lohnt es sich, nur dann zu gehorchen, wenn sie ein Leckerli aus der Tasche zieht.
Situation 6: Trotz mehrfacher Kommandos tut Ihr Hund so, als wären Sie überhaupt nicht vorhanden. Sie geben entnervt auf.
Das lernt der Hund: Ich muss nur die Ohren lange genug auf Durchzug stellen, und schon lässt Herrchen/Frauchen mich in Ruhe.
Situation 7: Der Vierbeiner buddelt auf der Wiese begeistert nach Mäusen. Sie rufen ihn immer wieder und warten und warten, dass er endlich kommt.
Das lernt der Hund: Ich kann Frauchen/Herrchen gut sehen und hören, kann mir also ruhig Zeit lassen und das Buddeln genießen.
Gelegentlicher Erfolg spornt ebenfalls an. Ob hier seltene Erfolgserlebnisse oder etwas häufigere ausreichen, ist von Hund zu Hund verschieden. Auch dieser Aspekt gilt einerseits für Verhaltensweisen, die wir wollen:
Situation 1: Der fortgeschritten ausgebildete Vierbeiner bekommt nicht mehr für jedes »Sitz« eine Belohnung, aber für besondere Leistungen. Zum Beispiel dann, wenn er unter Ablenkung länger sitzen bleibt.
Das lernt der Hund: Ich weiß zwar nicht genau, wann es eine Belohnung gibt, aber es gibt immer wieder mal etwas Leckeres. Daher lohnt es sich, mich zu setzen, wenn Frauchen/Herrchen das möchte.
Andererseits tappt man aber auch hier leicht in die Falle und fördert unbeabsichtigt unerwünschtes Verhalten:
Situation 1: Der Hund kontrolliert immer wieder die Küchenanrichte und findet dort ab und zu etwas Fressbares, das er dann natürlich »mitgehen« lässt.
Das lernt der Hund: Auch wenn ich nicht jedes Mal etwas ergattere – ab und zu gibt es doch was zu holen. Also schaue ich auf jeden Fall regelmäßig nach.
Situation 2: Sie gehen zwar vorausschauend spazieren, aber gelegentlich passiert es doch, dass Ihr Hund einer Katze hinterherjagt oder eine Spur aufnimmt.
Das lernt der Hund: Jagen gibt mir den ultimativen Kick! Deshalb halte ich stets Nase und Augen offen, denn es gibt immer wieder mal eine Chance, die ich auf keinen Fall verpassen will.
Nur ruhiges Warten an der Tür führt zum Ziel und letztlich hinaus. Das ist im Alltag sehr nützlich.
Tragen die Anstrengungen des Vierbeiners dauerhaft keine Früchte, wird er letztlich auch keine Energie mehr darauf verschwenden. Das können wir uns bei der Erziehung zunutze machen, um ein unerwünschtes Verhalten zu beeinflussen:
Situation 1: Sie sorgen über Monate dafür, dass auf der Küchenanrichte nichts Fressbares mehr in Reichweite des Hundes steht, am besten befindet sich gar nichts Fressbares mehr unbeaufsichtigt dort.
Das lernt der Hund: Jetzt habe ich so oft und lange nachgeschaut, ob es dort etwas gibt. Aber es ist nichts zu holen. Also lohnt es sich nicht mehr nachzuschauen.
Situation 2: Möchte der Hund sich durch die Haustüre quetschen, sobald sie nur einen Spalt offen ist, schließen Sie sie gleich wieder.
Das lernt der Hund: Doof, jedes Mal, wenn ich so flott wie möglich raus möchte, geht die Tür wieder zu. Das ist ja das Gegenteil von dem, was ich möchte. Es bringt also nichts, ich warte jetzt besser mal ab.
Situation 3: Der Hund bettelt am Tisch, Sie beachten ihn bei keiner Mahlzeit – so lange, bis der Tisch abgeräumt ist. Hier heißt es »Vorsicht Falle!«. Lesen Sie dazu auch die Info »Ignorieren – aber richtig« auf >.
Das lernt der Hund: Zu warten, ob was für mich abfällt, ist für die Katz. Es gibt nichts. Da lege ich mich lieber hin und verdöse die Zeit.
Ausbleibende Erfolge können sich aber auch in einer Weise auswirken, die wir gerade nicht wollen:
Situation: Der Hund kommt auf Ruf, obwohl er gerade etwas für ihn Tolles gesehen hat (seinen Erzfeind, ein Kaninchen, eine Katze usw.). Sie belohnen ihn nicht. Das passiert mehrere Male.
Das lernt der Hund: Wenn es sich nicht mehr lohnt, dass ich sogar Highlights links liegen lasse, dann entscheide ich mich in Zukunft lieber für die.
Stellt der Hund im Garten die Ohren auf Durchzug, wenn er gerufen wird, nervt das so manchen Hundehalter.
Einmal rufen und dann Tür zu: Das wirkt oft Wunder – vorausgesetzt, dem Hund ist sein Mensch prinzipiell wichtig.
Erfahrungen dieser Art mögen wir alle nicht so gern, und doch bleiben sie nicht aus. Wenn man daraus aber lernt, lässt sich das unangenehme Gefühl, das durch negative Erlebnisse entsteht, vermeiden, und man ist wieder in der Wohlfühlzone. Beim Hund ist es genauso. Wie bei den bisherigen Beispielen gibt es solche Erfahrungen, die wir uns bei der Erziehung zunutze machen können und solche, die sich ungünstig auswirken. Mit unangenehmen Erfahrungen sind jedoch keine Schmerzen oder körperliche Gewalt gemeint. Heilsam wirken unangenehme Erfahrungen beispielsweise hier:
Situation 1: Der Vierbeiner läuft zu weit voraus. Sie verstecken sich oder kehren ohne Ansage um. Irgendwann fällt es dem Vierbeiner auf.
Das lernt der Hund: Hilfe, wo ist Frauchen/Herrchen? Ein doofes Gefühl, hier so allein! Jetzt muss ich sie/ihn aber schnell finden und in Zukunft im Auge behalten!
Situation 2: Sie rufen den Vierbeiner zu sich, er reagiert nicht gleich. Statt nochmal zu rufen, laufen Sie sofort weg oder verstecken sich.
Das lernt der Hund: Frauchen/Herrchen ist weg! In Zukunft komme ich besser gleich, wenn sie/er ruft.
Situation 3: Der Hund entert immer wieder mal unerlaubt das Sofa, wenn er unbeaufsichtigt ist. Sie verteilen Besenstiele, schwere Bücher und Ähnliches darauf.
Das lernt der Hund: Hier ist es ja total unbequem. Überall drückt was. Ich lege mich nicht mehr auf das Sofa.
Situation 4: Sie rufen den Hund aus dem Garten ins Haus. Er schaut zwar, kommt aber nicht. Sie gehen ins Haus und schließen die Tür.
Das lernt der Hund: Jetzt bin ich ausgeschlossen, das will ich nicht! Nächstes Mal komme ich besser gleich.
Kontraproduktiv sind negative Erfahrungen aber beispielsweise in diesem Zusammenhang:
Situation 1: Ihr Vierbeiner kommt erst auf mehrmaligen Ruf, worüber Sie sich ärgern. Sie gehen drohend auf ihn zu, als er fast bei Ihnen ist, und schimpfen ihn.
Das lernt der Hund: Komme ich, wenn mein Zweibeiner mich ruft, ist dicke Luft! Dann bleib ich lieber weg.
Situation 2: Der Vierbeiner hat etwas Unappetitliches oder Unerlaubtes im Maul. Sie stürzen unter bösem »Pfui« und »Aus« auf ihn zu.
Das lernt der Hund: Oh, das sieht nach viel Ärger aus – nichts wie weg! Meine Beute nehme ich mit!
Wenn ein Hund lernt, dass eine bestimmte Situation oder ein Geräusch keinerlei Auswirkung auf ihn hat, wird er solche Reize nicht mehr beachten. Sie werden für ihn normal. Das ist vielfach wichtig und positiv:
Situation 1: Der junge Hund erschrickt im Garten, als ein Nachbar die Rollläden öffnet oder schließt. Es passiert daraufhin weder etwas Negatives noch etwas Positives, und er hört das Geräusch jeden Tag wieder.
Das lernt der Hund: Das Geräusch kenne ich schon. Es hat nichts mit mir zu tun. Also ignoriere ich es einfach.
Situation 2: Sie lassen Ihren Hund an der Leine grundsätzlich nicht zu Artgenossen. Im Lokal ist am Nebentisch ein Hund, der zu Ihrem will. Er zieht und winselt.
Das lernt der Hund: Da kann ich ganz entspannt bleiben, es gibt an der Leine sowieso nie Kontakt oder gar Spiel.
Doch Gewöhnung kann sich zum Beispiel in der Kommunikation mit dem Vierbeiner auch negativ auswirken. Das passiert unbewusst:
Situation: Sie reden sehr viel mit dem Hund, erklären ihm Dinge oder erzählen ihm Ihre Erlebnisse.
Das lernt der Hund: Dieses dauernde Nebengeräusch sagt mir nichts, also beachte ich es nicht weiter.
Wenn ein bestimmtes Ereignis oder ein Verhalten mit immer demselben Signal kombiniert wird, lernt der Hund die Bedeutung dieses Signals:
Situation 1: Ihr Hund darf jedes Mal Ihren leeren Joghurtbecher ausschlecken. Bei den letzten Löffeln und damit immer kurz bevor der Hund dran ist, entsteht ein Kratzgeräusch am Boden des Joghurtbechers.
Das lernt der Hund: Ah, da ist wieder dieses Geräusch! Nichts wie hin, gleich darf ich den Becher auslecken!
Situation 2: Sie arbeiten vormittags am PC. Immer wenn Sie fertig sind, schalten Sie ihn aus, wobei der PC ein typisches Geräusch macht. Anschließend steht stets ein Spaziergang mit dem Hund auf dem Programm.
Das lernt der Hund: Oh, der PC fährt herunter, gleich geht es raus!
Situation 3: Sie ziehen Ihr Bürooutfit an und machen sich bereit, um gleich ohne Ihren Vierbeiner die Wohnung zu verlassen.
Das lernt der Hund: Das heißt, zu Hause bleiben. Jetzt sind ein paar Stunden Ruhe und Dösen angesagt.
INFO
IGNORIEREN – ABER RICHTIG
Ignorieren beeinflusst nur Verhaltensweisen, für die der Hund Sie oder Ihre Aufmerksamkeit braucht, um ans Ziel zu kommen: etwa Betteln am Tisch, Einfordern der Mahlzeit, an Ihnen hochspringen oder wenn er an der Terrassentür winselt, weil er draußen einen Vogel jagen will.
THEMA AUFMERKSAMKEIT
Bekommt er nun Ihre Aufmerksamkeit – das kann auch nur ein Blickkontakt oder ein Wort sein –, belohnen Sie sein Verhalten. Ignorieren Sie das Verhalten jedoch auf Dauer, wird der Hund es mangels Erfolg lassen. Je nach Typ lässt es der eine eher, der andere probiert es länger.
THEMA AUSDAUER
Wer dabei nicht ausdauernd genug ist,
verstärkt das Problem: Angenommen, der Hund bettelt am Tisch. Sie geben ihm eine Zeit lang
nichts. Dann legt er vielleicht die Pfote auf Ihren Schoß, beginnt zu bellen. Eines Tages
werden Sie weich und geben ihm doch etwas.
Der Hund lernt nun: Wenn ich lange genug
nerve und mich anstrenge, erreiche ich mein Ziel! Sie können mit dem Ignorieren noch mal
beginnen, aber nun wird die Wirkung noch länger auf sich warten lassen – Sie brauchen noch
mehr Ausdauer.
TIPP
VORHER GUT ÜBERLEGEN
Bevor Sie auf ein Verhalten Ihres Hundes reagieren,
sollten Sie kurz überdenken, ob Sie es gut finden oder nicht. So vermeiden Sie,
etwas zu
fördern, das Sie eigentlich gar nicht wollen. Mit der Zeit werden Sie ein gutes Gespür dafür
bekommen und nicht mehr lange überlegen müssen. Besprechen Sie das – auch dem Hund zuliebe –
in der Familie, damit es möglichst
jeder berücksichtigt.
Hat der Vierbeiner etwas gut gemacht, freuen wir uns. Unsere Freude drückt sich auch dadurch aus, dass wir ihn ausgiebig loben. Das ist ausgesprochen wichtig, da der Hund, wie Sie wissen, besonders gern das macht, was ihm etwas bringt. Soll der Vierbeiner bestimmte Dinge können, brauchen Sie Belohnungen in zwei Bereichen: Um eine neue Übung zu lernen, motivieren Sie ihn mit einem leckeren Happen, die gewünschte Position einzunehmen. Hat er eine Übung schließlich gelernt, wird der Hund immer mal wieder belohnt, um seine Motivation zu erhalten. Doch wie und wann belohnen Sie Ihren vierbeinigen Freund richtig?
»Natürlich mit Leckerbissen«, denken Sie jetzt wahrscheinlich. Futter ist tatsächlich eine der besten Belohnungsarten, denn die meisten Hunde fressen gern, und man kann es gezielt im richtigen Moment geben. Doch Happen ist nicht gleich Happen. Folgende Voraussetzungen garantieren den Erfolg:
Lassen Sie uns am Beispiel dieser Übung einen Blick darauf werfen, was beim Hund wie ankommt: Sie möchten dem Vierbeiner »Sitz« beibringen und halten ihm ein leckeres Häppchen über den Kopf, damit er hochschaut und sich so irgendwann letztlich setzt (Übung »Sitz«, >).
Das denkt der Hund, wenn der Happen lecker ist, wenn er Hunger hat und wenn er Leckerbissen nicht grundlos bekommt: Den Happen möchte ich unbedingt! Ich probiere aus, wie ich an ihn rankomme – so lange, bis ich ihn endlich ergattert habe.
Das denkt der Hund, wenn der Happen zu »gewöhnlich« ist: Nicht gerade berauschend dieser Happen, aber ich probier mal kurz, ob ich ihn bekomme. Hat nicht gleich geklappt – dann beschäftige ich mich mal besser mit etwas Interessantem.
Das denkt der Hund, wenn er satt ist: Eigentlich ein leckerer Happen! Aber ich bin satt, das Leckerchen inte- ressiert mich jetzt nicht.
Das denkt der Hund, wenn er auch ohne »Leistung« Leckerchen bekommt: Netter Happen! Aber solche Leckereien bekomme ich ja sowieso zwischendurch immer. Warum soll ich mich da abmühen? Ich beschäftige mich jetzt lieber mit etwas anderem.
Sie können sich sicher gut vorstellen, dass Trainingsversuche mit einer Belohnung, die dem Hund zu wenig oder nichts wert ist, vergebliche Liebesmüh sind – vorausgesetzt, man will über positive Motivation üben und nicht mit Zwang, etwa den Hund zum Sitzen bringen, indem man sein Hinterteil nach unten drückt.
Probieren Sie also aus, was Ihrem Vierbeiner besonders gut schmeckt. Für den einen sind banale Trockenfutterpellets Highlight genug, ein anderer steht auf Käse- oder Fleischstückchen, wieder ein anderer auf Apfelstücke. Die Bandbreite ist groß. Die meisten Hunde haben mehrere Lieblingsleckerchen, unter denen es trotzdem noch besondere Favoriten gibt. Diese Favoriten setzen Sie gezielt ein, wenn ...
Neben Fressbarem gibt es aber noch andere Arten der Belohnung. Im Prinzip kann man als Belohnung alles einsetzen, was dem Hund wichtig (!) ist:
Um dem Vierbeiner dadurch etwas Neues beizubringen, dass er von sich aus eine bestimmte Position einnimmt, zum Beispiel beim Sitz, Platz oder Bei-Fuß-Laufen, brauchen Sie immer gegenständliche Anreize wie Leckerbissen oder ersatzweise Spielzeug.
Nur wenn besonderes Spielzeug dem Hund nicht ständig zur freien Verfügung steht, bleibt es interessant.
Setzen Sie es gezielt ein. So wirkt es als Belohnung und macht auch Sie für Ihren Vierbeiner »attraktiver«.
Für nicht fressbare Belohnungen gilt in Bezug auf das, was sie wertvoll macht, im Prinzip das Gleiche wie für Leckerbissen:
Das bedeutet bei einem spielbegeisterten Vierbeiner, dass das Belohnungsspielzeug nicht herumliegt, sondern weggeräumt ist und nur zum Training herausgeholt wird. Es bedeutet aber auch, dass der Hund grundsätzlich nicht den ganzen Tag mit Spielzeug »bespaßt« wird. Streicheleinheiten wirken dann belohnend, wenn der Vierbeiner Körperkontakt genießt und nicht übermäßig und andauernd einfach so gestreichelt wird. Lob mit der Stimme wirkt nur dann, wenn er nicht den ganzen Tag »vollgesülzt« wird. Wählen Sie also die Art der Belohnung, die einerseits vor allem für Ihren Vierbeiner etwas Tolles ist, andererseits aber von Ihnen und in der Familie gut umgesetzt werden kann. Eine Familienkonferenz, bei der sich alle über die richtige Belohnungsart einig werden, kann hier nützlich sein.
Mindestens so wichtig wie die ideale Art der Belohnung ist der optimale Zeitpunkt. Denn Lob verbindet der Hund stets mit dem, was er zuletzt getan hat. Hier ein paar Beispiele dafür, wie leicht man unbewusst das Falsche belohnt – so kann der Hund das, was man eigentlich wollte, nicht lernen:
Situation 1: Sie üben das Gehen bei Fuß, halten das Leckerchen aber so hoch, dass der Hund springen muss.
Belohnt wird das Hochspringen statt das ruhige Bei-Fuß-Laufen.
Situation 2: Der Hund sitzt. Als Sie ihm das Häppchen geben, steht er auf.
Belohnt wird das Aufstehen statt das ruhige Sitzen.
Situation 3: Sie üben mit dem jungen Hund das Kommen auf Ruf und verlangen dann gleich noch, dass er sich vor Ihnen setzt, was er aufs dritte Mal dann macht.
Belohnt wird das Sitzen statt das Ankommen bei Ihnen.
Situation 4: Sie üben mit dem Welpen das Kommen auf Ruf. Er ist bei Ihnen angekommen. Während Sie in der Tasche nach der Belohnung kramen, schnüffelt der Welpe am Boden herum und buddelt. Jetzt haben Sie den Happen und geben ihn dem Welpen.
Belohnt wird in diesem Fall das Buddeln statt das Ankommen bei Ihnen.
Situation 5: Sie trainieren, dass der Hund an einer bestimmten Stelle liegen bleibt, wenn Sie weggehen. Auf dem Rückweg zu ihm holen Sie den Leckerbissen aus der Tasche, der Hund kommt Ihnen auf dem letzten Meter entgegen und holt sich das Leckerli ab.
Belohnt wird das Aufstehen statt ruhiges Liegenbleiben.
Situation 6: Ihr Vierbeiner spielt an der Leine angeleinten Artgenossen gegenüber den »Macho«. Sie streicheln ihn und reden beruhigend auf ihn ein.
Belohnt wird sein pöbeliges Verhalten statt das ruhige Vorbeigehen.
Deshalb gibt es jetzt noch ein paar Beispiele für den richtigen Zeitpunkt:
Situation 1: Sie lassen den Hund, der schon »Sitz« kann, sitzen und möchten die Übung allmählich ausdehnen. Nun warten Sie eine Zeit lang und geben ihm erst dann und noch im Sitzen den Happen.
Belohnt wird dadurch das Sitzen über einen längeren Zeitraum.
Situation 2: Sie legen den Vierbeiner ins Platz. Zur Belohnung legen Sie ihm den Happen in den Bereich der Vorderpfoten. So frisst der Hund ihn im Liegen.
Belohnt wird das Platz.
Situation 3: Sie rufen den jungen Hund und halten den Happen schon vor sich in der Hand. Der Vierbeiner kommt angeflitzt und frisst gleich seinen Leckerbissen. Belohnt wird das schnelle Kommen.
Rechtzeitiges Anleinen bei verführerischer Ablenkung und Üben in der Nähe ist in doppelter Hinsicht nützlich.
Läuft alles wie gewünscht, ist es einfach. Was aber, wenn etwas nicht klappt? Dann ist guter Rat manchmal teuer. Pauschalrezepte gibt es leider nicht.
Entwickeln Sie mit der Zeit ein Gespür dafür, welche Strategie wann geeignet ist. Grundsätzlich sollte es möglichst wenig direkte Konflikte geben. Manche Probleme erledigen sich mit der Zeit von selbst, in anderen Situationen oder je nach eigener Tagesform kann Management besser sein als andere Formen der Einwirkung. Auch das Ignorieren ist eine Option (Info, >). Es kann aber auch mal notwendig sein, körpersprachlich oder mit der Stimme Grenzen zu setzen. Das gehört zu einer artgerechten Erziehung, hat aber nur Sinn, wenn es wirkt.
Wie deutlich man werden muss, hängt davon ab, wie feinfühlig und führig oder dickfellig und durchsetzungsbereit der Vierbeiner ist. Zu wenig Souveränität bei einer starken Hundepersönlichkeit stärkt den Hund und verstärkt das Problem. Wer für seinen sensiblen Vierbeiner zu beeindruckend auftritt, schüchtert ihn ein und beeinträchtigt sein Vertrauen. Sie müssen Ihren Hund also sehr gut einschätzen können.
Im Folgenden finden Sie einige Beispiele zu unterschiedlichen Strategien in verschiedenen Situationen als Anregung und Denkanstoß.