überarbeitet und herausgegeben von
Stephan Wilhelm Kuhnert
2017
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ISBN: 9783744825313
Stephan Wilhelm Kuhnert
Ernst-Mey-Str. 17
04229 Leipzig
Es pflegen meist die, so sich bei einem Fürsten um Gunst bewerben, mit solchen Dingen ihm zu nahen, die ihnen selbst am teuersten sind, oder an denen sie sehen, daß er das meiste Wohlgefallen findet. Daher man ihnen denn öfters Pferde, Waffen, Gold, edle Steine und ähnlichen Schmuck überreichen sieht, der ihrer Hoheit würdig sei. Indem nun ich auch irgend ein Zeugnis meiner Ergebenheit Eurer Erlaucht zu widmen mich gedrungen fühle, finde ich unter meinem Besitze nichts, was mir lieber und schätzbarer wäre, als die Erkenntnis der Handlungen wichtiger Menschen, wie ich dieselbe durch eine lange Erfahrung der neuen, und stete Betrachtung der alten Zeit mir erworben habe: welche ich lange mit großem Fleiße bedacht und erwogen, und jetzt zusammen in einen kleinen Band gebracht, Eurer Erlaucht überantworte. Und obschon ich dieses Werk für unwert einen solcher Person erkenne, vertraue ich doch zur Genüge darauf, es werde Denselben, nach Ihrer Milde, willkommen sein, in dem Betracht, daß Ihnen von mir kein größeres Geschenk zukommen kann, als die Gelegenheit, alles was ich in so viel Jahren und unter so vieler eignen Gefahr und Beschwer erkannt und beherzigt habe, in kürzester Zeit überblicken zu können. Ich habe dieses Werk nicht geschmückt mit einer Fülle weitläufiger Reden, hochtrabender und prächtiger Worte, noch sonst mit einem anderen Prunk auswendiger Verzierungen, womit so manche ihre Sachen zu schreiben und zu schminken pflegen; weil ich gewollt, daß es entweder durch gar nichts sich empfehlen soll, oder die Wahrheit der Sachen allein und die Würde des Vorwurfs es angenehm mache. Auch möge es nicht für Anmaßung gelten, wenn sich ein untergeordneter Mann von niedrigstem Stande dazu aufwirft, der Fürsten Regierungen durchzugehen und ihnen Regeln geben zu wollen. Denn, wie die, welche die Landschaft zeichnen, sich niedrig in die Ebene stellen, um die Natur der Berge und Höhen gewahr zu werden, hingegen den Standpunkt auf Bergen in der Höhe nehmen, wenn sie die Ebenen betrachten wollen, so muß man auch, um die Natur der Völker wohl zu erkennen, Fürst sein; und ein Gemeiner muß man sein, um die der Fürsten wohl zu erkennen. Nehme Erlaucht demnach dies kleine Geschenk in dem Sinne an, in welchem ich es denselben biete. Wenn Sie es fleißig bedenken und lesen, wird Ihnen mein eifrigster Wunsch darin sichtbar, daß Sie die Größe erreichen mögen, die Ihnen sowohl das Glück verheißt, als Ihre übrigen Eigenschaften. Und wenn die Blicke Erlaucht vom Gipfel Ihrer Hoheit bisweilen nach diesen niederen Orten sich wenden, werden Sie finden, wie unverschuldet ich eine große und dauernde Unbilligkeit des Geschicks ertrage.
Alle Staaten, alle Gewalten, die über die Menschen Herrschaft geübt oder noch üben, waren und sind entweder Republiken oder Fürstentümer. Die Fürstentümer sind entweder erbliche, in denen ihres Herren Geschlecht seit langen Zeiten Fürst gewesen, oder sind neue. Die neuen sind entweder durchaus neu, wie Mailand unter Francesco Sforza, oder sie werden als Glieder dem Erbstaat des Fürsten, der sie erwirbt, verbunden; so wie dem König von Spanien das Neapolitanische Königreich. Die so erworbenen Herrschaften sind entweder schon daran gewöhnt, unter einem Fürsten zu leben, oder in Freiheit hergekommen; und man erwirbt sie entweder mit fremder, oder mit eigener Waffengewalt, entweder durch Glück, oder durch Tugend.
Ich will die Betrachtung der Republiken bei Seite lassen, weil ich davon schon anderswo ausführlicher gehandelt habe. Ich wende mich einzig zum Fürstentum, und will, mit Wiederanknüpfung der obigen Fäden, zu zeigen suchen, wie man gedachte Fürstentümer verwalten und behaupten kann. Also sage ich: daß in den erblichen, an den Stamm ihres Fürsten gewöhnten Staaten weit weniger Schwierigkeiten sie zu behaupten sind, als in den neuen: weil schon genug ist, daß man nicht seiner Vorgänger Ordnung überschreite, und dann Schritt mit den Umständen halte. Dergestalt wird sich ein solcher Fürst, wenn er nur mäßiges Geschick hat, immer in seinem Staate behaupten, wenn nicht eine außerordentliche und übergewaltige Macht ihn darum bringt; und, wär er auch schon darum gebracht, wird er ihn durch das geringste Unglück des Okkupanten wieder erlangen. Wir haben in Italien das Beispiel am Herzog von Ferrara, welcher den Einfällen der Venezianer und denen Papst Julius X. aus keinem anderen Grunde widerstand, als weil er alter Landesherr war. Denn es hat der natürliche Fürst geringeren Anlass und weniger nötig, den Untertanen Anstoß zu geben; daher er mehr geliebt sein muß: und wenn er durch ungewöhnliche Laster sich nicht verhasst macht, so ist es der Vernunft gemäß, daß von Natur ihm die Seinen geneigt sind: und im Altertum und der Dauer der Herrschaft erlischt das Gedächtnis der Neuerungen, sowie die Gründe zu denselben. Weil immer Eine Veränderung zum Anbau der nächstfolgenden gleichsam von selbst die Verzahnung nachlässt.
Aber beim neuen Fürstentum treten die Schwierigkeiten ein. Und erstens, wenn es nicht gänzlich neu ist, sondern nur wie ein Glied, und das Ganze gewissermaßen gemischt zu nennen, entspringt die Wandelbarkeit desselben zuvörderst aus einer natürlichen Schwierigkeit, die alle neue Regierungen teilen. Wiefern die Menschen, in Meinung sich zu verbessern, gern ihre Herren wechseln mögen, und diese Meinung sie bewegt, gegen den Herrscher die Waffen zu kehren; worin sie sich aber gleichwohl täuschen, weil ihnen darauf die Erfahrung lehrt, daß sie sich nur verschlimmert haben. Was wieder die Folge einer anderen gemeinen Natur-Notwendigkeit ist, nach welcher man niemals umhin kann, Die, über welche man neuer Fürst wird, zu kränken, sowohl durch bewaffnetes Kriegsvolk als durch unzählige andere Unbill, die einer neuen Erwerbung anhängt. So findest du nun als deine Feinde alle Die vor, die du gekränkt hast durch Okkupierung jenes Staates, und kannst dir auch Die nicht zu Freunden erhalten, die dich hineinbefördert haben, weil du sie nicht befriedigen kannst in der Art, wie sie sich vorgestellt, und weil du keine starken Arzneien gegen dieselben brauchen kannst, indem du ihnen verpflichtet bist: denn immer, sei einer auch noch so stark durch Truppenzahl und Heeresmacht, muß er zum Einschritt in eine Provinz die Gunst der Provinzialen haben. Aus diesen Gründen okkupierte der König von Frankreich Ludwig XII. Mailand schnell, und verlor es auch schnell; und das erste Mal es ihm abzunehmen, waren die eigenen Streitmittel der Lodovico hinreichend; weil jene Völker, die ihm die Tore geöffnet hatten, als sie in ihrer Vorstellung, und um dies künftige Wohlergehen, so sie gehofft, sich betrogen sahen, des neuen Gebieters Überlast nicht zu ertragen im Stande waren. Nun ist es allerdings gegründet, daß, wenn man nachher die empörten Länder von neuem erwirbt, sie schwieriger wieder eingebüßt werden, wiefern der Fürst, die Gelegenheit der Empörung sich zunutze machend, weit weniger bedenklich ist über die Mittel, sich sicher zu stellen durch Aufspürung der Verdächtigen, Bestrafung derer, die schuldig sind, Verstärkung aller schwachen Punkte. So daß, wenn es das erste Mal, um Mailand Frankreich zu entreißen, nur eines Herzogs Ludwig bedurfte, der auf der Grenze Lärm erhob, es ihm zum zweiten Mal zu entreißen, die ganze Welt ihm zu Leibe gehen mußte, und seine Heere aufgerieben und aus Italien verjagt sein müssten: was sich aus obigen Gründen ergab. Und dennoch wurde es ihm abgenommen, das erste wie das andre Mal. Die Gründe des ersten im allgemeinen wurden erwogen; es bleiben nun noch die für das andre zu bedenken, sowie die Mittel anzugeben, welche er hatte, und welche einer in seiner Lage haben kann, sich besser als der König von Frankreich bei dem Erworbenen zu behaupten. So sag’ ich denn also: daß diese erworbenen Staaten, die der Erwerber mit seinem alten Staate vereinigt, entweder mit diesem von einer Provinz und einer Sprache sind, oder nicht sind. Wenn sie es sind, so ist es gar leicht, sie zu behaupten, besonders im Fall sie nicht an freies Leben gewöhnt sind: und um sie sicher zu besitzen ist schon genug, wenn man den Stamm des Fürsten, der sie regierte, vertilgt hat; da, wenn man ihnen im Übrigen die alten Bedingungen aufrecht hält, und keine Sittenverschiedenheit ist, die Menschen ruhig weiter leben, wie man es in Burgund, Bretagne, Gascogne und der Normandie sah, welche so lange bei Frankreich geblieben. Denn wenn auch die Sprache in etwas abweicht, so sind doch ihre Sitten ähnlich; so daß sie sich leicht einander schicken: und wer sie erwirbt und behaupten will, muß zweierlei vor Augen haben: erstens ihres alten Fürsten Geschlecht zu vertilgen, und zweitens, nichts in ihren Gesetzen und Steuern zu ändern: so wird er in kürzester Zeit Ein Leib mit ihrem alten Staate werden. Hingegen, wenn man Staaten erwirbt in einer Provinz, die an Sprache, Sitten und Ordnungen ungleichartig ist, da finden sich die Schwierigkeiten, und da bedarf es großen Glückes und großen Fleißes, sie zu behaupten. Und eines der besten und wirksamsten Mittel würde es sein, wenn die Person des Erwerbers selbst hinging, und dort wohnte. Dies würde einen solchen Besitz weit sicherer und dauerhafter machen: wie es der Türke in Griechenland hielt, der mit allen Anstalten, die er traf, um dieses Staates gewiß zu bleiben, wenn er nicht selbst dort Wohnung nahm, unmöglich ihn behaupten konnte. Denn wenn man da ist, sieht man die Unordnungen keimen, und kann dabei schleunig helfen; ist man nicht da, so hört man davon, nachdem sie schon erwachsen sind, und weiter keine Hilfe frommt. Zudem, so ist die Provinz gesichert vor der Beraubung deiner Beamten. Die Untertanen schaffen sich Recht, da ihnen der Wohnort des Fürsten nahe ist, wodurch sie, wenn sie gut sein wollen, mehr Grund erhalten, ihn zu lieben, und, wenn sie das nicht wollen, mehr Ursache bekommen, ihn zu fürchten. Auch hegt vor einem solchen Staate mehr Scheu, wer ihn von außen etwa zu überfallen gesonnen wär; so daß der Fürst, wenn er drin wohnt, ihn mit äußerster Schwierigkeit einbüßen wird. – Das zweite bessere Mittel ist, Kolonien in ein paar Orte zu legen, welche gleichsam als Fußeisen dienen für jenen Staat: denn entweder muß man dieses tun, oder viel Pferd- und Fußvolk drin halten. Zu den Kolonien braucht der Fürst nichts herzugeben; und ohne Kosten, oder doch wenig, schickt er sie hin und unterhält sie, und kränkt allein die, denen er Felder und Häuser nimmt, um sie den neuen Bewohnern zu geben, welche von jenem Staate nur ein sehr geringer Bestandteil sind. Es können aber die er kränkt, weil sie versprengt und arm geworden, ihm niemals schaden; und alle die Anderen bleiben teils ungekränkt zurück, und ruhen mithin umso leichter, teils furchtsam, einen Fehler zu machen, damit es ihnen nicht so ergehe wie denen, welche man beraubt hat. Schließlich sind diese Kolonien, die ihm nichts kosten, treuer; sie kränken die Landeskinder weniger, und die gekränkten, weil arm und versprengt, können nicht schaden, wie vorgedacht. Denn es ist wohl zu merken: daß man die Menschen entweder zu liebkosen oder aufzureiben hat: weil sie sich wegen leichter Kränkung rächen, wegen der schweren aber nicht rächen können: drum muß die Kränkung, die man dem Menschen erweist, von der Art sein, daß sie die Rache nicht fürchten darf. Hält er aber, statt Kolonien, ein stehendes Heer darin, so gibt er ungleich mehr aus, weil auf die Bewachung des Staates alle Revenuen desselben zu verwenden sind, wodurch der Erwerb ihm zum Verlust wird, und er die Kränkung um Vieles vermehrt; denn er schadet nun diesem ganzen Staate, in dem er die Truppen quartierweis herumlegt; dies Ungemach drückt einen Jeden, ein Jeder wird sein Feind, und bleiben die Feinde, die ihm schaden können, gepeinigt in ihren Häusern zurück. Auf alle Weise ist also diese Bewachung unnütz, wie die durch Kolonien nützlich. Ferner muß, wer (wie oben gedacht) eine ungleichartige Landschaft einnimmt, sich zum Oberhaupt und Verteidiger der kleineren Nachbarfürsten machen, und dahin streben, die Mächtigeren zu schwächen, und es abzuwenden, daß unter keinerlei Bedingung ein Fremder in die Provinz gerate, der um nichts schwächer als Er selbst ist: und es wird jeder Zeit geschehen, daß ein solcher von den Unzufriedenen des Landes entweder aus großem Ehrgeiz, oder aus Furcht hineingebracht wird. So wie man ehemals gesehen, daß die Ätolier die Römer in Griechenland einforderten; und so in alle Länder, die sie gewannen, wurden sie durch Landeskinder eingebracht. Es ist der Lauf der Dinge der, daß gleich, so wie ein mächtiger Fremder in eine Landschaft nur den Fuß setzt, ihm alle minder Mächtige darin zufallen, hierzu angetrieben durch eine Missgunst gegen einen, der über sie bisher geherrscht hat; so daß er, in Absicht auf diese Kleinen, nicht die geringste Mühe hat, sie zu gewinnen, weil sie sämtlich die Macht, die er darin erworben, begierig zu verstärken sind. Bloß darauf wird er bedacht sein müssen, daß sie nicht allzu viele Gewalt und Ansehen erlangen; so wird er leicht durch seine Macht und ihre Gunst die Mächtigen darnieder halten, damit er selbst in allen Stücken des Landes oberster Schiedsherr bleibe. Wer diesen Teil nicht wohl versteht, wird das Erworbene bald verlieren, und hat, so lang er es behauptet, Not und Verdruss ohne Ende darin. Die Römer beachteten wohl diese Punkte in den Provinzen, die sie bezwangen, und sendeten Kolonien hin, hielten die weniger Mächtigen aufrecht, ohne ihre Gewalt zu verstärken, erniedrigten die Mächtigen, und ließen bedeutende Fremde darin zu keinerlei Kredit gelangen. Die bloße Provinz Griechenland soll mir statt anderer Beispiele dienen. Es wurden von ihnen die Ahaier und die Ätolier aufrecht erhalten, das Makedonische Reich erniedrigt, Antiochus daraus vertrieben, und anfängtaufschiebtIhrer Tugend und KlugheitLudwigKarlendadiesenichtdiesebeide