Senkrechtstarter
Manche Landschaften gehören anderen Geschöpfen. Die Île aux Oiseaux verblieb aus einer längst vergangenen Zeit, als das heutige Bassin d’Arcachon noch der Mündungstrichter eines Flusses war. An- und abschwellende Wasserstände machen es dem Menschen kaum möglich, dort Fuß zu fassen. Das Regiment führen les oiseaux, die Vögel. Aus ihrer Perspektive hoch oben fällt der Blick über Furchen und Trichter bis hinüber zu den beiden berühmten Pfahlbauten. Hier finden ihre Besitzer garantierte Abgeschiedenheit vom turbulenten Leben.
© Look, München: Onoky Photononstop
Überflieger
Bordeaux & Atlantikküste — Von der Gironde abwärts wartet ein sonniges Paradies. Eben mal drüberfliegen, über Bordeaux, Weinfelder, Strände und Berge.
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Querfeldein
Brandung — wo in aller Welt türmen sich Wellen so, dass selbst Stubenhocker surfen möchten? Dazu gibt es Wein, Kiefern, Berge und eine der schönsten Städte Europas, Bordeaux.
All diese Irrlichter
Die Pinien sind Kiefern. Der Clairet ist kein Rosé. Französische Basken gehören nicht der ETA an. Fußball war in Aquitaine nie so beliebt wie Rugby. Der Jakobsweg beginnt Tausende Kilometer vor St-Jean-Pied-de-Port. Europas mächtigste Düne ist nicht Teil von Arcachon. Stierkampf gibt es auch unblutig. Die deux mers des großen Weingebiets sind keine Meere. Schokoladentafeln mit Chili sind keine Posse der Neuzeit und macarons keine Makrönchen. Auch sonst steckt in jedem Vorurteil der Hang zur Odyssee.
© Look, München: Katharina Jaeger
Auf geht’s in Wanderstiefeln
El Camino sagt man in Spanien und meint den einzigen Weg, der zählt, und zwar den zu Jakobus in Compostela. Jakobswege ziehen sich auch durch Aquitaine, doch der wahre Abenteuerpfad verläuft quer dazu: der Pyrenäenweg GR 10 vom Atlantik zum Mittelmeer.
Frankreichs Sandkasten
Die Römer versanken im Sand, die Pilger auch. Befestigung der Dünen durch Bodendecker, Drainage durch Tiefenbohrungen und Aufforstung waren ein Jahrhundertwerk, dem eine neue Natur zu verdanken ist.
Wenn die Kraniche ziehen, wird es lebhaft in Le Teich am Bassin d’Arcachon. Mitunter scheint sich der Himmel über den blauen Binnenseen vor lauter Vögeln zu verfärben. Dass ausgerechnet Europas höchste Düne als Symbol lebensfeindlicher Dürre nur wenige Kilometer entfernt ist, gehört zu den Kontrasten, die fast logisch dann auch einen immensen Kiefernwald einschließen.
Bordeaux und die Freiheit zu strahlen
Sie ist eine Principessa. Ihr Leben begann vor den Römern. Über ihr Flussufer rollten Millionen von Weinfässern, vorbei an noblen Fassaden aus Frankreichs goldenen Zeiten. Statt Wolkenkratzern erheben sich nur Kirchtürme über die alten Dächer. Und doch ist die betagte Metropole quirlig-jung.
© Look, München: age fotostock
Nur über meine Speiche
Ein traumhaft ausgebautes Wegenetz verläuft durch duftenden Kieferwald, ob am Meer entlang oder ins Hinterland. Während Zikaden die Tour kakofon begleiten, werden die Gedanken frei wie in Trance. Wer es sportlicher mag, strampelt über Pyrenäenpässe.
Ein Leben hoch zu Stock
Einst war das Sumpflandso schwer passier-bar, dass die Schäferin den Landes aufStelzen über ihre Herde wachten. Inzwischen sind sie wieder auf dem Boden der Tatsachen, aber den Stelzenlauf gibt es nochals Wettkampf.
© Manfred Görgens, Wuppertal
Kein Payback auf Parker-Punkte
Für das Internet ist Bordeaux selten Bordeaux, häufiger Bordeaux, nämlich der Wein. Nur, dass es den einen Bordeaux gar nicht gibt, vielmehr unzählige davon, in allen weinüblichen Farbschattierungen, von discounterbillig bis schweineteuer, von Hochgenuss bis Kopfschmerzgarantie. Wer sich da nicht zurechtfindet, ist kein Versager, sollte aber lernbereit sein. Zumal die (meisten) Winzer lehrbereit sind. Gleich zur Einschulung wäre zu beachten: Von Bordeaux links raus gelangen Sie ins überwiegend hochpreisige Weinbaugebiet Médoc, rechts raus in die vielfach auch preiswerteren Lagen zwischen Dordogne und Garonne.
Médoc-Wein, Pyrenäenkäse, Austern aus Arcachon – Leben wie Gott in Frankreich!
© Look, München: age fotostock
© laif, Köln: robertharding/Tim Graham
Der Abend wird entspannt mit einem Pastis eingeläutet.
Inhalt
Senkrechtstarter
Überflieger
Querfeldein
Vor Ort
Bordeaux
Links der Garonne
Tour Wie aus einem Guss
Tour Lust auf Genuss?
Rechts der Garonne
Lieblingsort Pont d’Aquitaine
Zugabe Schaurige Reste im Schlick
Zwischen Garonne und Dordogne
Pessac-Léognan
La Brède
Podensac
Cérons, Illats und Barsac
Sauternes
Villandraut und Umgebung
Bazas
Langon
St-Macaire
Ste-Croix-du-Mont, Loupiac
Cadillac
Tour Zuflucht bei Adèle
Créon, La Sauve-Majeure
Tour Von Dorf zu Dorf im Weinbaugebiet
Castillon-la-Bataille
Tour Alles im Fluss und meist gemütlich
Montcaret und Umgebung
St-Émilion
Libourne und Umgebung
Lieblingsort Guinguette de la Vieille Tour in Fronsac
Zugabe Schmutzwasser?
Die Médoc-Weinstraße
Ins südliche Médoc
Blanquefort, Macau, Arsac, Labarde
Margaux
Moulis und Listrac-Médoc
Blaye und Umgebung
Corniche Girondine
Cussac, St-Julien-Beychevelle
Pauillac
Lieblingsort Château Pichon-Longueville-Baron
Tour Letzter Wein vor dem Atlantik
St-Estèphe
Der Norden des Médoc
Tour Ein Leuchtturm für den König
Le Verdon-sur-Mer
Zugabe Gar nicht schön
Côte d’Argent
Soulac-sur-Mer
Grayan-et-l’Hôpital
Tour Sand satt an der Piste
Montalivet-les-Bains, Vendays
Hourtin-Plage
Am Lac d’Hourtin-Carcans
Tour Naturgenuss mal drei
Carcans-Plage
Lacanau-Océan
Lac de Lacanau
Le Porge-Océan und Umgebung
Zwischen Lège und Cap Ferret
Lieblingsort Chapelle de la Villa Algérienne L’Herbe
Andernos-les-Bains
Réserve Ornithologique du Teich
Gujan-Mestras und La Teste
Arcachon
Pyla-sur-Mer, Dune du Pilat
Biscarrosse-Plage
Lac Nord
Biscarrosse-Bourg, Lac Sud
Mimizan
Contis-Plage – Étang de Léon
Vieux-Boucau und Umgebung
Hossegor
Capbreton
Zugabe Danke, Düne!
In den Landes
Belin-Béliet und Hostens
Tour Paddeln unterm Blätterdach
Belhade und Moustey
Pissos
Écomusée Marquèze
Lieblingsort Kraniche bei Arjuzanx
Solférino
Dax und St-Paul-lès-Dax
Zugabe Voilà – Madeleine
Côte Basque
Bayonne
Lieblingsort Barre de l’Adour
Biarritz
St-Jean-de-Luz
Tour Der Musiker und der Sterngucker
Corniche Basque
Tour Pyrenäen der Länge nach
Zugabe Wie man sich mit Stil verzockt
Baskisches Hinterland
Hasparren und Umgebung
Peyrehorade und Umgebung
St-Palais
Mauléon-Licharre
Tour Ein Stück Jakobsweg
Ausflug nach L’Hôpital St-Blaise
Tardets-Sorholus
Ste-Engrâce und Larrau
Gorges de Kakouetta
Grotte de la Verna
Larrau und Umgebung
Lieblingsort Puerto de Larrau
St-Jean-Pied-de-Port
St-Étienne-de-Baïgorry
Tour Auf zu den Schweinekeulen
Bidarray und Itxassou
Cambo-les-Bains
Espelette
Tour Mit der Spürnase zum Erfolg
Aïnhoa
Sare
Tour Grenzgänge
St-Pée-sur-Nivelle
Zugabe Der Himmel weint …
Das Kleingedruckte
Reiseinfos von A bis Z
Sprachführer
Kulinarisches Lexikon
Das Magazin
Schnellstes Spiel der Welt
Urlaub unplugged
Jakob unterwegs
Delikates Bassin
Vinotherapie im Bordelais
Das zählt
Gelb setzt auf Rot
Der Rote, der das Herz erwärmt
Des Kaisers neue Flausen
Verdienst des Langweilers
Reise durch Zeit & Raum
Schwer literarisch
Die Männer mit der Mütze
Den Vogel abgeschossen
Cabane und Liebe
Autor & Impressum
Offene Fragen
Karte
Vor Ort
© Mauritius Images, Mittenwald: hemis.fr/Bertrand Gardel
Ein heißer Tag in Bordeaux – Abkühlung finden manche auf dem Miroir d’Eau an der Place de la Bourse.
Eintauchen & erleben
Nach Bordeaux ist alles anders, selbst der Begriff von Schönheit.
Bordeaux
Majesté — frühmorgens, gern bei Nebel, schaut man vom rechten Garonne-Ufer hinüber zur Altstadt und sieht ihre klassizistische Häuserzeile im Licht der aufgehenden Sonne glühen. Als würde sie immer wieder neu erstehen.
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Porte de la Grosse Cloche
Wie eine Glocke der Freiheit hängt die Grosse Cloche im mittelalterlichen Stadttor und lässt sich nachts von blauem Licht bescheinen. Früher läutete sie den Beginn der Weinlese ein.
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Wie aus einem Guss
5000 klassizistische Häuser unter Denkmalschutz sind UNESCO-Welterbe. Den harten Kern der klassizistischen Prunkstücke bilden das Grand Théâtre und die Place de la Bourse.
© Manfred Görgens, Wuppertal
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Miroir d’Eau
Nichts spiegelt die Kulisse der Stadt schöner als der Miroir d’Eau, ein flacher Brunnen, der mit wechselnden Wasserspielen begeistert. Besonders beeindruckt der wässerne Spiegel, wenn es dunkel wird.
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Jardin Public
Grüne Ruhe mitten im Häusermeer. Die ersten Pflanzen im Jardin Public waren Exoten aus den französischen Kolonialgebieten. Heute ist die Anlage ein englischer Landschaftspark mit Museum und Café.
© Manfred Görgens, Wuppertal
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Lust auf Genuss?
Sie lieben Käse, Schokolade und Wein? Dann sollten Sie im Triangle d’Or nicht nur auf die edlen Mode-, Schmuck- und Designläden achten. Hier finden sich auch traditionsreiche Läden für die Befriedigung des leiblichen Wohls.
© Manfred Görgens, Wuppertal
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Cathédrale St-André
Eleonore von Aquitanien, Mutter von Richard Löwenherz, ging hier ihre Ehe ein. Aber nicht die mit Richards Vater. Vom freistehenden Turm fällt der Blick auf architektonische Pracht.
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La Flèche
Kein Turm in Südwest-Frankreich ist höher als der 114 m hohe Campanile der Basilique St-Michel.
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Bacalan
Das alte Viertel der Hafenarbeiter wandelt sich. Hier entwickelt die alternative Szene immer neue, erstaunliche Ideen.
© Manfred Görgens, Wuppertal
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La Cité du Vin
Das mächtige Museum des Weinbaus ist ein glänzendes Architekturstück am Flussufer.
Bordöo: Falls Sie sächseln, buchen Sie Ihr Reiseziel vielleicht nicht selbst. 2012 landete eine Dame, die nach Porto wollte, in Bordeaux.
© laif, Köln: robertharding/Tim Graham
Wenn Paris die Stadt der Liebe ist, dann ist Bordeaux die Stadt des Lebens.
Juwel am Flussufer
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Paris hat Bordeaux entdeckt. Wiederentdeckt, denn es gab schon im 18./19. Jh. den bewundernden Blick zum Atlantik mit seiner Prachtmetropole am bord d’eau, dem Ufer der Garonne. »Sans doute«, befand Stendhal 1838, »zweifellos die schönste Stadt Frankreichs.«
Heute zählt Bordeaux ca. 250 000 Einwohner (engerer Ballungsraum ca. 774 000 Einw.), ist Verwaltungssitz des Département Gironde und der Region Nouvelle-Aquitaine. Bordeaux’ Hafen rückte im Zeichen der modernen Schifffahrt weiter Richtung Meer. Zaghaft kehrt das Leben auf die Garonne zurück, es verkehren Ausflugsboote, fahren Windjammer ein, legen Kreuzfahrtschiffe an. Auch die Bemühungen um die Randbezirke tragen Früchte: Das alte Hafenbecken im Norden und das rechte Garonne-Ufer wandeln ihr Gesicht. Bordeaux ist Boomtown. 38 % der Franzosen möchten inzwischen am liebsten dort leben.
Das ursprünglich keltische Bordeaux hat als römische Provinzhauptstadt und Weinmetropole Burdigala eine frühe und im Mittelalter eine zweite Blüte erlebt. Der Hundertjährige Krieg führte jedoch zum Verlust der Autonomie. Kardinal Richelieu schuf schließlich das Amt der Intendanten, die die Regionalpolitik im Sinne des Königs steuerten. Sie waren es, die im 18. Jh. das mittelalterliche Bordeaux abreißen ließen, um die klassizistische und oft bewunderte neue Stadt zu errichten.
Doch es kam der Niedergang. Man sprach von Ganovenvierteln, beklagte den Verfall der Fassaden und die abstoßende Patina von Ruß und Abgasen. In den 1960er-Jahren wurde der Stadtkern mit rund 5000 klassizistischen Häusern unter Denkmalschutz gestellt. Bis zum Eintrag in die Liste des UNESCO-Welterbes 2007 bedurfte es aber noch eines gewaltigen Kraftakts, der mit Hilfe von EU-Geldern ab der Jahrtausendwende gelang.
O
Orientierung
Faltplan: >>> Karte 4
Info: www.bordeaux-tourisme.com
Anreise: s. >>>>
Stadtverkehr: s. >>>>
Auto: Mit Stadtumgehungen, einem perfekten Tram- und Busnetz sowie einem automatisierten Fahrradverleih ist es Bordeaux gelungen, Autos weitgehend aus der Stadt zu verdrängen. Wer per Pkw anreist, lässt ihn im Hotel. Kurzbesucher parken günstig am rechten Garonne-Ufer. Über den Pont de Pierre ist es nur ein kurzer Weg in die City.