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Inhaltsverzeichnis

1. Body-Optimierung: »Und morgen fang ich an …«
2. Verschieberitis: »Morgen, morgen, nur nicht heute …«
3. Eine Frage mit Risiko: »Bin ich eigentlich zu dick?«
4. »Und zum Abschied noch mal richtig!«
5. Ab in die Schweinehunde-Schule
6. Kleine Vorsatzkunde: »Sag niemals nie«
1. »Nie wieder«-Schwüre
2. Ratzfatz-Lösungen
3. Ausnahmen-Flatrate
4. Selbstbeschimpfung
5. Die Multiple-Choice-Strategie
6. High-Rennen
7. Dinner Cancelling
8. Hochzeits-Hungern
9. Gleitzeit für die guten Vorsätze
10. »Ich mache es allen recht«
11. Feiertagsfreuden nonstop
7. »Auf die Plätze, fertig – shoppen!«
8. Fitnesstest fürs stille Kämmerlein
9. Heckoptimierung mit flotter Eigenfettspritzung
10. Holzhacken gegen den gemeinen Torten-Magnetismus
11. Die Studiosuche – Wollmilchsau oder Wellnesstempel?
Andreas‘ Schweinehund:
Mikes Kraft-Kaschemme?
Die Big-Mac-Muskelschmiede für Alleinunterhalter?
Der Fitness-Tempel »Style your body«?
Oder doch am besten gleich der Premium-Club mit Platin-Karte?
Die Lady-Fitness-Oase?
Der Treffpunkt der Kuschelfrauen?
12. »Hilfe, ich will doch nicht aussehen wie ein Bodybuilder!«
13. Schluckspecht, Kraftprotz, Gazelle oder Power-Mutti
Kleine Mitglieder-Typologie – die Männer
Der Lemming
Der Faule
Der Lustige
Der Alibisportler
Der Gehetzte
Der Schluckspecht
Der Kraftprotz
Der Macho
Der Dünne
Der Coole
Kleine Mitglieder-Typologie – die Frauen
Die Trendsetterin
Die Besserwisserin
Die Mode-Ikone
Die Unauffällige
Die Verliebte
Die (wortwörtlich) Planlose
Die schöne Gazelle
Die Mutige
Die Gesellige
Die Power-Mutti
14. Problemzonen – verhüllen oder bekämpfen?
15. »Ich kann doch nichts dafür!«
… aber für wen, wenn hinterher keiner guckt, weil keiner da ist?
Machen Sie Schluss mit den Schuldzuweisungen und fangen Sie an mit dem Selbermachen:
1. Heute habe ich zuckerfrei –
2. Ich bin ein Auto –
3. Mit Gurkentruppe vor die Glotze
4. Erfolgsprovision: Zahlen statt zugreifen
5. Der Salat danach
6. Heiße Milch mit Honighauch
7. Nackte Nudeln zum Abschrecken
8. Spielen Sie mal wieder Verstecken
9. Bitterer Ersatz
10. Langsamer Entzug
16. Von Kohldampfschiebern und Schnäppchenjägern
Die Zeitpunkt-Sucher
Die Anleitungs-Sammler
Der Komfortzonen-Kleber
Die Fitness-Fürchter
Der Vergleichskünstler
Der Prophezeier
Der Kalorien-Klugscheißer
Der Wissende
Der Besserwissende
Der Studienfreund
Der Schnäppchenjäger
Die Rekordhalter im Kohldampfschieben
Der Nasch-Demente
17. Kopf oder Bauch? – Gefühle gewinnen im Blitzduell
18. Lauter Hingucker
19. Zweisamkeit mit Nebenwirkungen
20. Am Badezimmer-Altar – Schreien oder nicht schreien?
Alle Waagen- Besitzer plagt die gleiche Frage: »Warum nur zeigt sie heute schon wieder so viel an?«
Sind Sie allein im Badezimmer?
Auf versteckte Zulagen achten
Falsche Aufstellung
Batteriecheck
Erdanziehungskalender kaufen
Richtig aufsteigen
Erst testen, dann wählen
Fehlender Durchblick
21. Ab in den Urlaub
22. Ohren zu – der Berg ruft
23. Von Strebern umzingelt
24. »Eine Seefahrt, die macht hungrig …«
25. Komplett-Upgrade für die Performance
26. Was Frauen wollen …
27. Was darf’s denn sein: Bandwurm oder Bier?
Schlank schlottern
Krank getrunken
Zurück in die Steinzeit
Sich dünn schlafen
Von Luft leben
Wattebausch in Fanta
Die Sprüh-Diät
Schlank ohne Messer
Prost am Abend
Kilokiller Kohl
Die Bandwurmdiät
Schöner Schein dank Schoko
Kalte Fressbremse
Frisch aus dem Froster
28. Fress-Tempel für die Fitness
29. »Abnehmen? – Ja!« … Aber für wen denn nur?
30. Betörende Puffreisplatten und nervende Kekse
Hamstern – nicht frei von Risiken
Dokumentieren mit Abschreck-Faktor
Friss, Sparschwein, friss
31. Wunderbare Wurstpellen
32. Ungern gesehene Gäste: »Disst die Dünnen raus!«
33. Ein Leben für die Wurst – warum Grillen Sport ist
34. Heiße Themen rund um den Teller
35. Der Spiegeltrick
36. Raketenpulver und Roboter
37. Motivation ist alles
38. »Süßer die Schwarten nie schwingen …«
Zuckerbäcker-Sparer-Trick
Heimlich picken am kalten Buffett
Falsche-Fährten-Deko
Kalorienkiller im Wald
Flucht ans Ende der Welt
Teilzeit-Dornröschen
Heimlich sportlich
Schlank dank Mitleidsmasche
Advents-Askese im Alltag
Runter mit den Erwartungen
39. Jäger der verlorenen Schürze
40. Klug oder schön?
41. Bitte mit viel Gedöns
Saisonsieger mit Minimaleinsatz
Diät-Heldin, ohne verzichten zu müssen
Wartezeiten-Überbrückung vor Zeugen
Komische Kräfteverhältnisse
Helden-Verehrung mit Vollpension
Sich frei kaufen für die Fitness
42. Wasser marsch!
43. Wissenswertes rund ums Thema
Wo Wampen sich lohnen
Figurfreundliche Ferien mal anders
Zukunftstrend: Sich gesund kaufen
Berauscht hungrig
Ab durch die Mitte
Brüll dich stark
Kilos wegkauen
Essbare Freunde gegen Einsamkeit
Hungerhaken real
Heiß umwickelt
Die ganz harte Tour
Wussten Sie, dass ...
. . . Männer Frauen in den Ausschnitt gucken müssen?
. . . Kartoffelchips die schlimmsten Übeltäter im Sündenregister sind?
. . . Veränderungen schlank machen können?
. . . Gartenarbeit und Gassi gehen für alle, die das mögen, ausreicht, um gesund in die Jahre zu kommen?
. . . die Infrastruktur der Figur guttut?
. . . die Zahl der Diabeteskranken sich in den letzten 30 Jahren weltweit verdoppelt hat?
. . . Funzellicht beim Dinner dick macht?
. . . Männer beim Fitnesstraining am liebsten hanteln?
. . . Bildungsgrad und Körpergewicht zusammenhängen?
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1. Body-Optimierung: »Und morgen fang ich an …«

Warum wir mit unserem Körper chronisch unzufrieden sind, aber trotzdem nicht in die Hufe kommen, daran etwas zu ändern

 

Ende der achtziger Jahre. Siebte Klasse. Sportunterricht. Wir waren angetreten zur großen Body-Schau. Ich wie immer mittendrin in der jämmerlichen Resttruppe zwischen den Mauerblümchen und Ladenhütern. »Mannschaften wählen!« lautete der Auftrag fürs Aussortieren. Die beiden größten Sportasse der Klasse entschieden abwechselnd, wer einen der begehrten Plätze in der Herde bekommen sollte. Das ging schnell – bis nur noch die auf der Bank saßen, die keiner in seinem Team wollte: die Flaschen, die Flauschigen, die Langsamen. Ich, einen Kopf kleiner als die Sportskanonen und, selbst wohlwollend betrachtet, nur halb so breit, gehörte dazu.

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Offiziell hat mir das natürlich gar nichts ausgemacht: »Was sind das schon für Kerle, die sich nur dank Kraft durchsetzen? Sich mit Schönsein oder Tore-Schießen beliebt machen und beim Lehrer mit Klimmzügen schleimen? Da steht der angehende Mann von Welt doch drüber, oder?« – Ehrlich gesagt: ich leider nicht. Und so beschloss ich, nicht länger der Letzte beim Klassen-Casting zu sein. Ich rannte, sprang, turnte und boxte mich durch sämtliche Sportdisziplinen. Ich probierte es mit Fuß- und Federball, wuchtete sehr zum Befremden meiner Eltern und Geschwister sogar Hanteln im Wohnzimmer und kraulte durch alle Badeseen, die ich erreichen konnte. Ich wetzte durch Felder, Wiesen und Wälder rund um meinen Heimatort Kirchzarten im Schwarzwald und merkte schließlich: Da ging was! Irgendwann war ich nicht mehr der Letzte unter den Luschen, wenig später nicht mal mehr der Vorletzte – und dann war die Schulzeit auch bald vorbei. Aber immerhin: Ein bisschen schicker aus dem Strumpf zu kommen – das tat auch danach noch richtig gut.

Auf dem Weg zum ersehnten Body in Bestform stand mir allerdings ein kleines Problem im Weg: Ich war süchtig – nach Cola und Snickers-Brötchen. Ich kippte die braune Brühe literweise in mich hinein (schmeckte ja – und war cool). Und ich kaufte mir zwei (oder drei) pure Weißbrötchen und bohrte mit dem Daumen Löcher rein, die ich dann mit Snickers stopfte. Wenn ich’s noch weicher wollte und gerade kein Snickers greifbar war, nahm ich es auch mit der Ersatzschmiere Zentis Nusspli auf. Das war so lecker, dass ich einfach kein Ende fand.

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Es dauerte ein bisschen, bis ich kapierte, dass das Gestrampel an der Hantel zwar Problemzonen in Problemzonenrandgebiete verwandeln kann, doch dass der große Wurf ausbleiben musste, solange ich mir das mühsam Abgeturnte wieder anfutterte. Der ewige Kampf zwischen Kopf (»Iss gesund!«) und Bauch (»Her mit der Schokolade!«) hatte begonnen – und sollte sich fortsetzen …

… wie bei den meisten anderen Menschen auch. Ich stellte fest, dass ich mich mit meinen Formerhaltungs- und Optimierungskämpfen in riesengroßer Gesellschaft befand: Kaum jemand ist komplett kummerfrei mit den eigenen Konturen. Und gerade wer in letzter Zeit mal wieder Geburtstag hatte, eine Frau ist oder zur Gattung der modernen Männer gehört, die Wert auf ihr Äußeres legen, der weiß genau, was ich meine – und beschäftigt sich wenigstens hin und wieder mit dem Gedanken, ob er nicht etwas tun sollte, um sich selbst zu verbessern. Wie schön wäre es, das Haltbarkeitsdatum ein wenig zu verlängern und die Pflegekasse erst später zu belasten – was nicht heißt, dass wir uns nicht mögen. Nein, »nicht mögen«, das wäre übertrieben. Schließlich wird das mit dem Schönheitswahn ja überschätzt: Was wirklich zählt, sind natürlich nur die Intelligenz und die erkleckliche Anzahl innerer Werte, die uns unschlagbar machen. Und trotzdem – irgendwas ist ja immer. Hier zieht’s ein wenig, da quetscht sich was. Rund um Bauch, Beine, Po, Kopf, Füße, Arme, Kinn und Hände besteht Optimierungsbedarf. Die gute Nachricht: »Da geht noch was!« – aber selbstverständlich folgt ihr die schlechte auf dem Fuß: Denn das, was da geht, das geht … lebenslänglich!

 

Wussten Sie, dass ganze zwei Prozent aller Frauen sich richtig schön finden? Sie finden das beneidenswert? Dann denken Sie mal scharf nach, schließlich ist dieser Traumzustand nicht von Dauer: Das Glück bleibt flüchtig, Schönheit vergänglich – also heißt es vorsorgen, ausbessern und nacharbeiten, bevor der Traum die Seifenblase macht und zerplatzt.

Ich kenne Leute, die haben sich den Erhalt ihres Traums vom schönen Körper zur Lebensaufgabe gemacht. Isi zum Beispiel, Typ »Beinahe-Miss-Baden-Württemberg«, aber mit Bodenhaftung. Isi war Schönheitskönigin in der neunten Klasse und seitdem auf Erhalt ihres »Adelstitels« bedacht. Inzwischen ist sie erwachsen, steht undefinierbar irgendwo am Anfang der besten vierzig Jahre ihres restlichen Lebens. In manchen Minuten gehört sie zu den zwei Prozent der mit ihrem Aussehen zufriedenen Frauen – glaube ich zumindest, wenn ich mir angucke, wie sie vorm Spiegel steht.

Doch nach der kurzen Freude am eigenen Widerschein befällt sie stets die Furcht, es könne sich etwas verändern – durch Nachlässigkeit, falsche Ernährung, falsche Kleidung, falsche Bewegung, falsche Männer oder versäumte Diäten, Schönheitskuren und Operationen. Moment mal: »Versäumte Operationen«? Gibt es für Isi einen Zwang, zu Skalpell und Botox zu greifen? »Heute geht ja alles«, sagt Isi, »so bin ich den Launen der Natur nicht mehr hilflos ausgeliefert.« In der Tat, vieles ist möglich. Und in Isi weckt jede ungenutzte Möglichkeit die Unzufriedenheit des »Ich hätte, ich könnte, ich sollte«.

Um gegen jeden erdenklichen Selbstzweifel gewappnet zu sein, hegt und pflegt Isi in ihrer Wohnung eine Bibliothek voller Ratgeber zu den Themen »Abnehmen«, »Jungbleiben«, »Fit-Werden«, »Schön-Operieren«, »Schminken«, »Anziehen« und »Glücklich-Sein«.

Ich muss zugeben: Ich gucke da auch ganz gerne mal rein. Den Dauerkampf um die Schönheit fechten nämlich schon lange nicht mehr nur Frauen aus. Knapp 60 Prozent aller Männer wollen jetzt auch gut aussehen – sagen sie zumindest. Für das angeblich stärkere Geschlecht steht allerdings die Nützlichkeit im Vordergrund. Also ein erfüllteres Liebesleben und verbesserte Karriere-Chancen. Ein kerniges »Hauptsache gesund!« reicht nicht mehr.

 

Wenn ich mir die Männer um mich herum so ansehe und mir ihre Lebenspläne anhöre, kann ich nur sagen: Da kommt was auf uns zu. Nehmen wir meinen alten Kumpel Matti als Beispiel, der bisher mollig mit ausgeprägtem Pommes-Kuchen-Endlager im Frontbereich sein Leben gelebt hat. Er will, gibt er an, demnächst was tun, um die Wampe endlich in ein Waschbrett zu verwandeln. Er hofft, dass das die Suche nach der Frau fürs Leben erleichtert.

Markus, Manager und, wie er sich selbst nennt, eines meiner »Langzeitprojekte«, benutzt das Wort »Body-Shaping« neuerdings nicht mehr wie ein Fremdwort – seit er einen gleichnamigen Kurs belegt hat. Sein Ziel: Ein Upgrade der kompletten Performance – mit Schwerpunkt auf der Abwicklung der Bauchsparkasse. Danach soll dann der Abflug nach oben kommen. Mindestens eine Stufe höher in der Hierarchie muss jetzt mal sein.

Mein Nachbar Klaus, Lehrer, Klugscheißer, Besserwisser, googelt neuerdings immer öfter Wörter wie »Glatze«, »Tränensack«, »Hühnerbrust« – damit er mitreden kann, wenn die männliche Nachbarschaft in der frauenfreien Zone am Grill diskret Geheimrezepte austauscht. Schließlich will er nicht seinen Ruf gefährden, wo er doch sonst immer alles weiß.

Nur Hans-Dieter, passives Mitglied im Kegelklub meiner Tante Käthe, gehört noch zu den Exemplaren, die sich nicht nur vom Haaransatz bis zur Fersen-Hornhaut gefallen, sondern ihre Geburtstage verschlafen, Spiegel übersehen und Abnutzungserscheinungen aussitzen, um das Älterwerden zu verpassen.

Doch diese Gattung stirbt wohl langsam aus. Die Welt ist kein Dorf mehr, in dem der Mann sich allenfalls mit dem Ortsvorsitzenden messen muss. Multimedial sind modelmaßgeschneiderte Männerfiguren überall verfügbar. Die Konkurrenz in Hochglanzmagazinen und auf Flachbildschirmen schläft nie. Und wenn sich jetzt auch noch das 3D-Fernsehen etabliert, wird es ganz hart für die Männerwelt. Da werden knackige Figuren für die Frau neben ihm auf dem Sofa greifbar – und setzen Maßstäbe, an denen keiner mehr vorbeikommt, wenn er eine Frau von Format beeindrucken will.

So eine wie Sabine, Powerfrau mit Männergehalt. Die verdient ihr Geld selbst, ist nicht mehr auf die inneren Werte der Herren-Portemonnaies angewiesen und guckt ihnen deshalb lieber auf den Body als in die Brieftasche. Das ist Stress – für die Männer, die Sabines Scanner-Blicken standhalten müssen.

 

Da bleibt keiner mehr resistent gegen ein Verbesserungskonzept aus der Kategorie »Ich könnte doch mal«. Denn spätestens wenn der elegante Sprung ächzenden Klimmzügen am Türrahmen gewichen ist, wenn man sich nur noch mühsam aus dem Tiefergelegten schraubt, folgt ein letztes Aufbäumen gegen das Schicksal. Der bis dahin latent Selbstzufriedene ist nun doch zur Prophylaxe bereit.

Die Sabines von heute können an jeder Ecke unerwartet auftauchen und machen von der Macht ihrer Blicke ungeniert Gebrauch – selbst wenn sie schon gut verheiratet sind. Einfach nur so zum Spaß – so, wie sich das früher nur Männer trauten. Das hat Folgen: Mit dem Wunsch nach perfekten Formen entdeckt das männliche Geschlecht auch das Gemecker am eigenen Körper. Und schon geht der Aktionismus los. Es lässt sich vieles anstellen, um optische Unpässlichkeiten erst einmal wegzuretuschieren: Hüftgold verhüllen, mit orthopädischen Trickschuhen die knorpeligen Beine verlängern, die käsige Haut auf Dynamik bräunen, mit einer Kollektion Baseball-Caps den Haarmangel oben kaschieren, damit die Blicke der Damenwelt (manchmal sogar mit Erfolg) geschickt nach unten gelenkt werden, wo die letzten Föhnfransen unter dem Rand hervorlugen.

Frauen können die Trickkiste der optischen Verschleierung natürlich noch weiter öffnen als wir Männer: Make-up auflegen, Haare färben, Fingernägel neu verkleben, mit hohen Hacken die properen Waden strecken und mit pushender Gummiunterwäsche Problemzönchen in Form quetschen.

Warum auch nicht, solange es funktioniert? Aber sich unters Messer legen, Gift gegen Falten spritzen, Fett an unliebsamen Stellen absaugen oder anderswo aufpolstern – das sind schon härtere Nummern und nicht jedermanns Sache. Ich bin froh, dass es noch etwas dazwischen gibt – die vermeintlich sanften Touren. Ohne Blut, aber mit Schweiß. Ohne große Kosten, aber mit viel gutem Willen. Maßnahmen, die im Prinzip für jeden machbar sind:

 

Einfach mal ein paar Kilo (oder mehr) abnehmen; schlicht und ergreifend weniger Nahrungsschrott essen und sich endlich zum Sporteln aufraffen; mehr raushauen als reinstopfen; Schwitzen statt Sitzen. So kommt man schließlich auch zum Traumbody. Kann doch nicht so schwer sein. Außerdem steckt noch mehr dahinter als reine Eitelkeit: Die Gesundheit lacht, die Krankenkasse belohnt’s, der Schweinehund schrumpft. Das Leben wird länger und schöner.

Also los – auf geht’s zum Totalumbau. Der Wunsch nach Verwandlung ist gar nicht zu bändigen. Während man wohlig warm und satt auf dem Sofa liegt, werden Pläne geschmiedet, die es in sich haben: »Zehn Kilo in zehn Tagen«, versprechen gleich acht Frauenzeitschriften im Supermarktregal, während die Männerblätter noch das ersehnte Sixpack obendrauf anbieten. Die Entscheidung ist nun wirklich nicht mehr schwer, funktioniert aber nicht ohne kleine Diskussionen mit dem Schweinehund. Bei Männern verlaufen die meistens recht schlicht:

 

Mann: »Ich muss mal abnehmen.«

 

Schweinehund: »Klar, ist aber nicht so einfach. Wir haben das im letzten und im vorletzten Jahr doch schon mal probiert.«

 

Mann: »Aber das war die falsche Methode. Ich hatte immer Hunger.«

 

Schweinehund (blättert im Männermagazin): »Mit mehr Muskeln soll’s ohne Kohldampf gehen.«

 

Mann: »Super, dann mache ich mir mehr. Morgen fange ich an.«

 

Während der angehende Diät-Mann noch mutig zu Hause erzählt, was er vorhat, schweigt die Frau lieber. In Sachen Diät ist sie vielfache Wiederholungstäterin. Sie weiß um die Peinlichkeit, wenn es dann doch wieder nichts wird. Trotzdem nimmt sie das neue Blatt mit den zehn Kilo in zehn Tagen mal mit in die Küche. Ihr Schweinehund hoppelt hinterher, sieht ihren sehnsüchtigen Blick und warnt:

 

Schweinehund: »Fang nicht wieder mit so was an. Das klappt sowieso nicht.«

 

Frau: »Aber hier steht, dass es ganz einfach ist.«

 

Schweinehund: »Denk ans letzte Mal.«

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Frau: »Ja, aber da habe ich auch nach zwei Tagen wieder aufgehört. Diesmal nehme ich mir das ganz fest vor. Ich werde eisern hungern.«

 

Schweinehund: »Das hält keiner durch.«

 

Frau: »Weiß ich, aber mit dieser Diät hätte ich in zehn Tagen alle meine Probleme gelöst. Zehn Tage! Was ist das schon im Vergleich zum Rest des Lebens?«

 

Ob Mann oder Frau – wer sein Gewicht Richtung Traumzahl auf der Waage schrumpfen lassen möchte und allen erdenklichen Diätratgebern glaubt, muss offenbar nur wählen zwischen der »Super-Wunder-« und der »Wow-Wahnsinnsdiät«: Frauen mit Essens-Abbau, Männer zusätzlich mit Muskelaufbau.

Wenn Gewichtsreduktion so einfach wäre, wie jede Woche neu versprochen und von den Käufern der Diätblätter heiß ersehnt wird, kann doch etwas nicht stimmen. »Warum habe ich das bloß in den letzten Wochen, Monaten, Jahren und – äh – Jahrzehnten nie geschafft?«, fragen sich Isi und Sabine, während sie in der neuen »Welt für die Frau« Ursula anstarren. »Die 53-jährige vierfache Mutter«, so steht in der Bildunterschrift, »versteckte ihre 130 Kilo früher unter wuchtigen Zelt-Shirts.« Und jetzt hüpft sie mit 60 Kilo Fliegengewicht im geblümten Sommerkleidchen durch die Diät-Seiten. »Wenn die das hinkriegt, schaff ich das ja wohl auch«, sagen sich Isi und Sabine. Logisch: Alles erscheint simpel. Man muss ja nur durchhalten. Nicht denken, nicht kreativ sein, nicht an unlösbaren Aufgaben scheitern – sondern nur das machen, was im Diät-Plan steht. Und zwar einmal richtig. Und danach nie wieder.

Isi hat mir das Prinzip mal erklärt, als ich sie, bewaffnet mit Diätrezepten, im Supermarkt traf: »Dass es beim letzten Mal nicht geklappt hat, lag einfach daran, dass ich am Tag drei der Diät keine Biodatteln fand, das Dattel-Rezept nicht machen konnte und kurzerhand wieder aufgeben musste. Außerdem wussten die Zeitschriftenmacher nicht, dass Oma am Tag zwei Geburtstag hatte und den Rest ihres Lebens beleidigt gewesen wäre, wenn ich ihre Torte verweigert hätte. Die Sache mit dem Heißhunger in der Nacht von Tag eins auf Tag zwei war auch nicht einkalkuliert.«

 

»Schwamm drüber«, meint Isi und blickt optimistisch in die Zukunft: Nur gut, dass Neujahrstage und Urlaube sich jährlich wiederholen. »Beim nächsten Mal wird alles besser.« Hinter solchen Ansagen steckt meist das Zweite Ich, eine komische Stimme, die sich immer einmischt, wenn es um Ausreden geht. Das Zweite Ich hat merkwürdige Argumente – in guten wie in schlechten Zeiten. Beim Vorsätze-Fassen ist es unglaublich vernünftig, macht Versprechungen, zaubert Motivations-Bilder in den Kopf und weiß zu überzeugen. Es will nur unser Bestes – also gesundes Essen, eine gute Figur und Erfolg in jeder Hinsicht.

Am schönsten säuselt es in der Planungsphase:

 

Zweites Ich: »Stell dir mal vor, wie großartig dein Leben wird, wenn du diesmal durchhältst. Du wirst phantastisch aussehen. Alle werden dich bewundern. Jede Klamotte wird passen. Deine Probleme werden sich in nichts auflösen. Das Glück wird dir zufliegen.«

 

Das gefällt dem Ich, davon kann es gar nicht genug kriegen. Die Motivation steigt von Minute zu Minute, die Stimmung ist prima. Ich und Ich sind ein starkes Team – bis der erste leichte Hunger aufkommt.

 

Ich und Ich bestärken sich gegenseitig: »Jetzt bloß nicht schwach werden. Heute bleibt der Kuchen mal beim Bäcker.«

 

Langsam wird Bauchgrummeln hörbar. Die Stimmung wird schlechter. Es ist, als ob ein kühler Wind aufkommt. Das Ich gerät ins Schwanken.

 

Ich: »So ein Kuchen wäre jetzt doch ganz schön.«

 

Das Zweite Ich schwankt mit.

 

Zweites Ich: »Hast nicht ganz unrecht. Aber wir haben heute morgen noch was anderes beschlossen, vergiss das nicht.«

 

Das Ich windet sich noch, gerät aber bald – vom Hunger gebeutelt – in Not:

 

Ich: »Nein, das vergesse ich nicht, aber, Hilfe, mir geht’s richtig schlecht. Ich glaube, das überlebe ich nicht.«

 

Zweites Ich: »›Nicht überleben?‹ Was soll das heißen: ›Nicht überleben‹?«

 

Ich: »Alles. Mein Herz rast, mein Körper zittert, mein Hirn und mein Bauch schreien um die Wette, ich kippe gleich um, wenn jetzt nichts kommt.«

 

Das Zweite Ich erkennt den Ernst der Lage. Es ist ja kein Bösewicht, sondern der Freund und Helfer des Ichs. Es will nur sein Bestes – aber das ist erst in zweiter Linie die Gesundheit, die Figur und der Bodymassindex. In erster Linie geht’s ums Überleben. Und sobald das Ich an diesem zweifelt, wechselt das Zweite Ich automatisch die Strategie:

 

Zweites Ich: »Na los, her mit dem Kuchen! Hau rein! Das muss ja jetzt sein!«

 

Puh, das Ich ist erleichtert. Die bedrohliche Hungersnot konnte im letzten Moment abgewendet werden, alles ist wieder gut. Aber da war doch noch was? Ach ja, das Grundproblem mit dem Abnehmen ist nicht gelöst. Die chronische Unzufriedenheit ist ja auch nicht einfach verschwunden. Sie kommt wieder, sobald man schön satt ist.

 

»Und was jetzt?«, fragt das Ich.

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DIÄTEN FUNKTIONIEREN NICHT!

Wer dir eine Diät verkauft, will nicht, dass du Erfolg hast. Er will dir noch eine Diät verkaufen.

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»Neustart, was sonst?«, sagt das Zweite Ich wieder voller Zuversicht. »Aber diesmal unter besseren Bedingungen. Da müssen einfach die Eckdaten stimmen.«

 

Zweites Ich: »Wir brauchen mehr Zeit, Ruhe, eine andere Umgebung, weniger Stress, mehr Geld, mehr Lust, einen neuen Job, eine größere Wohnung, vielleicht einen besseren Partner, endlich einen eigenen Coach und einen Koch gleich dazu, ein effektiveres Programm. Mal sehen, was die Zeitschriften nächste Woche anbieten.«

 

Solche Gedanken sind übrigens weit verbreitet. Sie sind Symptome, die auf eine klassische Diätkrankheit hin deuten, die von den Betroffenen selten in vollem Ausmaß wahrgenommen wird. Es handelt sich dabei um die chronische Verschieberitis. Die ist ansteckend, hartnäckig und nur schwer zu therapieren.

2. Verschieberitis: »Morgen, morgen, nur nicht heute …«

Die Angst vor dem Start ist eine Plage, die uns immer befällt, wenn nach hinten noch Luft ist – von Alibisuche und Opfergeschichten

 

Der Wunsch nach verbesserten Körperstrukturen stellt sich pünktlich zum Neujahrstag ein. Oder nach Geburtstagsfeiern. Oder nach Schockerlebnissen. Das können Arztbesuche sein. Oder Stippvisiten in fies halogenbestrahlten Umkleidekabinen mit unentrinnbaren Rückspiegeln.

Soll dem Wunsch nach Veränderungen die Umsetzung folgen, tritt gemeinhin die Verschieberitis auf. Die kennen wir alle. Sie zeigt sich umso stärker, je mehr nach hinten noch Luft ist. So hindert sie uns zum Beispiel vom ersten Januar bis zum neunundzwanzigsten Mai an der Steuererklärung. Oder am Kelleraufräumen rund um die Uhr und jahrelang. Klar, da könnte mal was getan werden: wegschmeißen, umschichten, zumindest eine Schneise ins Chaos schlagen. Aber warum denn gerade jetzt? Ob wir’s an diesem Wochenende machen, am ersten Weihnachtstag oder vorm Sommerurlaub, spielt doch nun wirklich keine Rolle, oder?

Unter Selbstverbesserern grassiert die Verschieberitis, wen wundert’s, auch in der Vorbereitungsphase zur nächsten Diät. Also ziemlich oft. Aber diesmal soll es ja gelingen, also rücken wir der Plage mit dem Mikroskop zu Leibe.

 

Was tun wir eigentlich, wenn etwas gelingen soll? Richtig: Wir planen. Und zwar ordentlich, das lernt man ja schließlich in jedem Management-Seminar. »Visionen brauchen Vereinbarungen«, »Keine Spiele ohne Ziele«. Herrlich, wenn uns bei unserem Vorhaben ein Plan zum Ankreuzen oder (leider etwas schwieriger) zum Selbstausfüllen unterstützt: »Ich möchte in den nächsten acht Wochen erreichen, dass ...« Kreuzchen, Kreuzchen, Kreuzchen. Wir brauchen nur ein Startdatum eintragen (»das ist jetzt verbindlich«), den Zettel beim Seminarleiter abgeben und die Kopie mitnehmen – die wir dann an den Badezimmerspiegel heften, damit sie uns immer schön streng anguckt.

»Heute ein Glas Wasser trinken, wenn der Heißhunger kommt«, das könnte da stehen – und auch eingehalten werden, oder? Mein Managerfreund Markus wollte so einen Plan mal durchziehen. Hat er auch geschafft. Zumindest so lange, bis der Hunger kam. Und dann lief er – statt zum Wasserglas doch lieber zur nächsten Schokoladentafel, die er leider, leider nicht rechtzeitig außer Reichweite gebracht hatte. Ein verstohlener Blick nach links, ein Blick nach rechts – guckt auch keiner? Und dann: Runter damit! Postwendend setzte das schlechte Gewissen ein.

Das biss den armen Markus, tat ihm weh und hörte nicht wieder auf, bis ein Engel sich erbarmte. Da war es wieder, das komische Zweite Ich. Wie immer zum Beistand bereit, dozierte es nicht wie ein Oberlehrer, sondern säuselte mit Schmeichelstimme. Seine Worte waren wie Balsam, eine Glücksdroge gegen deprimierende Momente.

 

Zweites Ich: »Ist doch nicht so schlimm. Schäm dich nicht. Du kannst ja auch morgen noch mit deiner Diät anfangen.«

 

So ein Engelchen kann zwar nicht vergeben (was passiert ist, ist passiert), doch es hilft beim Verschieben.

 

Markus fühlte sich gleich wohler. Beruhigende Gedanken kamen auf:

 

»Hmm … bin ich jetzt also doch kein Versager? Mal sehen: Es gibt ja gute Gründe für mein – äh, wie nennen wir das jetzt? Für mein etwas außerplanmäßiges Handeln. Der kleine Fehler mit der Schokolade hätte mir zwar nicht passieren dürfen, aber andererseits: Wieso hat mich eigentlich niemand gewarnt? Woher hätte ich wissen sollen, dass solche Gefahren bestehen? Bin ich unter diesen Umständen denn überhaupt schuldig?«

 

Und schon sind wir mittendrin in der Verschieberitis. Die nächste Phase der Plage ist geprägt von Alibisuche (»Unter anderen Umständen hätte ich ...«) und Opfergeschichten (»Ich kann ja nichts dafür, weil ...«). Hinzu kommt meist auch noch eine Prise Selbstbetrug. Denn Selbstbetrug tut der gequälten Seele gut. Markus ging es nicht anders: Er bildete schnell wieder eine Koalition mit dem Zweiten Ich, in der sich die beiden gegenseitig auf die Schulter klopften.

 

Markus: »Mein Gott, ein rein organisatorischer Fehler! Wem passiert das nicht hin und wieder mal? Perfektionisten, die bei jeder Gelegenheit den Streber raushängen, sind mir ohnehin schon immer auf die Nerven gegangen.«

 

Zweites Ich: »Ja, die sind echt doof. Leute, die immer nur alles nach Plan machen – das ist doch kein Leben.«

 

Markus: »Man muss ja auch nicht alles auf einmal erledigen. Ich möchte später im Leben auch noch Ziele haben. Und so schlecht geht’s mir noch nicht, dass ich mir mein Leben zur Hölle machen müsste.«

 

Zweites Ich: »Schon klar. Aber vergiss nicht: Wenn du die ganze Sache auf einen ungewissen Zeitpunkt verschiebst, passiert garantiert gar nichts. Das haben wir doch im Ziele-Seminar gelernt.«

 

Markus: »Genau! Und deswegen verschiebe ich nicht auf ewig, sondern nur auf morgen. Oder übermorgen. Ich will ja nur nicht zu viel auf einmal erledigen.«

 

Zweites Ich: »Richtig so, übernimm dich nicht. Bleib cool. Wie wäre es mit nächster Woche?«

 

Oder übernächster. Oder wenn die Sonne wieder scheint. Oder wenn die Kinder aus dem Haus sind, dann wird sowieso alles leichter …

Halt! Wer vor der Rente noch was schaffen will, sollte spätestens hier die Kurve kriegen. Es sei denn, er ist ein Verdrängungskünstler wie Markus. Der hat es nämlich im Verein mit seiner inneren Stimme tatsächlich geschafft, sich schon bald nicht mehr schlecht zu fühlen. Er hat – im Gegenteil – den Triumph auf seine Seite gezogen und sich so gut selbst bemogelt, dass er seine Verschieberitis gar nicht bemerkt hat.

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Aber wir sind nicht wie Markus. Wir bleiben mit dem Auge am Mikroskop und holen uns Rat bei Fachleuten, wenn die Plage aus dem Blick zu geraten droht. Unsere Profis diagnostizieren die Verschieberitis nach einem Kriterienkatalog. Danach sind die drei wichtigsten Erkennungsmerkmale der »Prokrastination« (so der Fachausdruck fürs Aufschieben, kommt vom lateinischen »procrastinatio«, »pro« steht für »für« und »cras« für »morgen«): Das Verschieben muss kontraproduktiv, unnötig und verzögernd sein. Dahinter sehen Psychologen eine ganze Latte von Ursachen.

Eine davon ist die innere Grunddisposition. Einfach Loslegen ist nach Ansicht von Experten wesensbedingt nicht immer möglich; manchmal braucht man sogar Medikamente zur »Anhebung des Selbstregulationsniveaus«.

Wie einleuchtend das Zweite Ich auch zu sein scheint, wenn es gegen Medikamente das eigene Wesen ins Feld führt: Dass »was essen, um mit dem Essen aufzuhören« nicht wie eine sinnvolle Strategie klingt, ist einleuchtend, oder? Da sollten wir uns beim Aufraffen zum Schönerwerden schon eher eines Psychotricks bedienen. Die Theorie: Wenn Menschen den Zusammenhang zwischen einer Aufgabe und den Gefühlen, die dazu gehören, unterschätzen, sind sie verschieberitis-gefährdet. Mit anderen Worten: Wer’s nicht hinkriegt, hat nicht kapiert, dass Hunger weh tut und Sport anstrengend ist.

 

Wir schrauben unsere Ansprüche an uns selbst deshalb grundsätzlich von »wow« auf »ganz okay, aber machbar«. Weil wir genau wissen, dass unsre Disziplin sonst flöten geht. Also erst einmal ganz harmlos tun. Die Softdrink-Junkies unter uns legen ein Versprechen gegenüber sich selbst ab: »Ein Tag ohne Cola.« Die Süß-Freunde wagen ein Experiment: »Ich trinke heute mal einen Pott Kaffee ohne Zucker.« Die Gemüse-Feinde erleichtern sich den Umstieg mit Geschmacksverstärkern: »Einmal Karotten mit Ketchup bitte.« Danach fühlen sie sich erfolgreich und machen das Gleiche noch zweimal. Oder dreimal, und dann immer öfter.

Oder sie suchen sich eine Verschieberitis-Selbsthilfegruppe. Das bringt aber – wichtig, wichtig – nur was, wenn man vor jedem Treffen anruft und nachfragt, ob der Termin nicht verschoben wurde.

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3. Eine Frage mit Risiko: »Bin ich eigentlich zu dick?«

Zahlen, Daten, Fakten? Von wegen. Die Selbsteinschätzung in Körperangelegenheiten wird von Gefühlen und vom Geschlecht bestimmt

 

»Ein Plan! Ein Plan! Wir brauchen einen Plan!« Bevor wir uns jedoch an das Abfassen einer Vorsatzliste wagen können, muss natürlich die Frage aller Fragen geklärt werden: »Bin ich eigentlich zu dick?« Hier kennt – solange es nicht um den eigenen Körper geht – sicherlich jeder die abenteuerlichsten Beispiele eigenartiger Ansichten: jene Frauen zum Beispiel, die so aussehen, als ob ihr Skelett nur als Hautständer dient, die aber versuchen am Oberschenkel zu rupfen, um dann zu verkünden: »Meine Beine sind fett wie Kartoffelstampfer. Die kann ich gar nicht vorzeigen.« Oder jene Männer, die sich fröhlich frontal vor den Spiegel stellen, et- was von »Stattlichkeit« murmeln und sich freuen, wenn der Gürtel gerade noch zugeht, um dann Pläne für den nächsten Strandausflug zu schmieden.

Glauben Sie nicht, so etwas gebe es nur in Ihrem Bekanntenkreis. So drohte zum Beispiel fast ein Fünftel aller Kerle über vierzig im Rahmen einer Umfrage, den Allerwertesten in der nächsten Saison im Strand-Slip zu präsentieren. »Strand-Slip«? Das sind diese knallengen Teile mit hohem Beinausschnitt und ziemlich viel nackter Haut zwischen Beinende und Bauchanfang. Diese Stofffetzen bringen, wenn darüber nicht gnädig eine Boxershorts getragen wird, alles ans Tageslicht, was sonst nur hinter wohlweißlich geschlossenen Gardinen mal an die Luft kommt. Da niemand gezwungen ist, in so etwas herumzulaufen, zeigt, wer’s dennoch tut, erstaunliches Selbstbewusstsein: »Seht her, Leute, ich bin nicht zu dick. Ich kann das tragen.« Selbstbewusstsein … – oder stimmt da vielleicht was mit den Augen nicht?

 

Wie dem auch sei: Die Frage aller Fragen wird immer subjektiv beantwortet – und vor allem geschlechtsabhängig. So wurden in England 2000 Dicke im Rahmen einer Studie gefragt, ob sie wohl zu dick seien. Ein Großteil der Männer mit Wanst antwortete ungerührt mit »Nein!«, während die Frauen ihr Übergewicht eingestanden. Für den Hausgebrauch reicht ein Blick in den Spiegel also nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass wohl jeder halbwegs sensible Mann, der seine Liebste noch länger behalten will, sofort widersprechen wird, wenn die ihn direkt fragt, ob er sie »eigentlich zu dick« finde.

»Schatz, bin ich zu dick?« – Kleiner KNIGGE für Kerle

Den Satz »Du bist zu dick« würde ein Mann einer Frau nur dann direkt ins Gesicht sagen, wenn er die Beziehung mit einem Knall beenden wollte. Doch Vorsicht! Bei einem heiklen Thema wie diesem kann die Stimmung auch explodieren, wenn ihm eine indirekte Andeutung rausrutscht. Deshalb aufgepasst bei folgenden Sätzen:

 

Wenn der Mann tatsächlich abnehmen will

Sprengsatz: »Ich mache ab morgen Diät – machste mit?«

 

Wenn er mit ihr im Restaurant sitzt, in dem sie immer nur einen Salat bestellt

Sprengsatz (zum Kellner): »Und für die Dame nur einen Salat.«

 

Wenn sie ein altes Kleid probiert, das früher mal weit war

Sprengsatz: »Neues Kleid? Scharf, wie eng das sitzt.«

 

Wenn sie es genau wissen will: »Schatz, macht diese Hose dick?«

Sprengsatz: »Die Hose kann nichts dafür.«

 

Wenn sie vorm Kleiderschrank steht und klagt: »Ich habe nichts zum Anziehen.«

Sprengsatz: »Dann kauf dir doch mal ein paar Sachen zwei Nummern größer.«

 

Wenn sie sich vor ihm aufbaut und fragt: »Fällt dir an mir nichts auf?«

Sprengsatz: »Nö.«

Harte Fakten dürfen an dieser Stelle ohne Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten einmal gesagt werden: Die Hälfte aller Frauen und zwei Drittel aller Männer gelten heute im medizinischen Sinn als übergewichtig – egal, wie sie sich fühlen. Statistisch gesehen ist die Chance also gering, am Strand keinem übergewichtigen übervierzigjährigen Mann im Slip zu begegnen. Was dem geplagten Fragesteller in Sachen eigene Figur aber auch nicht weiterhilft.

Es sei denn, er macht es wie Hans-Dieter. An dem können wir männliche Selbsteinschätzung prima studieren, wenn er in Platzhirschmanier die öffentliche Sauna betritt, seinen beachtlichen Schnitzelfriedhof durchs Publikum jongliert und dabei beiläufig die Konkurrenz im Schwitzkasten peilt. Sobald mindestens einer der Anwesenden Hans-Dieters Bauchumfang noch toppen kann, verraten seine Gesichtszüge Beruhigung. Er hockt sich neben den dicksten Otto und schwitzt selig bei dem Gedanken: »Im Vergleich zu dem bin ich ja tipptopp in Form.«

Wenn dagegen Isi in die Sauna geht, läuft das etwas anders ab. Die scannt die komplette weibliche Konkurrenz ab, speichert den Umfang der Dünnsten im Gehirn und verzweifelt beim Schwitzen: »Im Vergleich zu der bin ich echt dick.«

Das sind, wie gesagt, subjektive Einschätzungen. Wer keine Angst vor Zahlen hat, kann die Problemfrage auch mit dem altbekannten Bodymassindex (BMI) angehen. Der gilt zwar mittlerweile als überholt, wird aber mangels Alternativen immer wieder bemüht. Und: Die meisten Weisheiten über Gewicht und seine gesundheitlichen Folgen basieren auf seiner Formel.

Als schnelle Kopfrechner werfen wir dafür das Gehirn an, verbrauchen so ein paar Extra-Kalorien und legen los: »Körpergewicht in Kilos geteilt durch Größe in Metern zum Quadrat.« Puh, dann doch lieber zum Taschenrechner laufen, was noch ein paar Extra-Kalorien verbraucht. Nach der Formelfütterung sollte unser Rechenknecht eine zweistellige Zahl auswerfen. Liegt sie zwischen 18,5 und 25 ist alles in Ordnung. Unter 18,5 ist zu wenig, über 25 zu viel.

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Muskelbesitzer dürfen das allerdings nicht zu eng sehen. Sie kommen beim BMI schlecht weg, weil die Formel gemeinerweise nicht zwischen Fett und Muckis unterscheidet. Wüssten wir’s nicht besser, wäre Arnold Schwarzenegger in seinen besten Tagen statt in Kalifornien auf der Adipositas-Station gelandet.

 

Zahlen können also nicht nur nerven, sie führen auch zu Fehldiagnosen. Wer nur einmal seinen Status quo in Gesundheitsfragen ermitteln möchte und wissen will, wie es ums Diabetes-Herzinfarkt-Schlaganfallrisiko steht, braucht nicht mehr als ein Maßband (und einen Taschenrechner). Das Band wird um die Taille gewickelt (ungefähr da, wo der Bauchnabel hockt), und dann kann jeder sein Krankheitsrisiko weitgehend selbst bestimmen: Schönschummler lesen bei eingezogener Bauchdecke ab. Masochisten pusten den Bauch erst einmal auf. Ehrlichkeits-Freunde nehmen einen Mittelwert.

 

Dann passiert das gleiche an der Hüfte (die lässt allerdings weniger Mogelspielraum). Anschließend wird geteilt: Taille durch Hüfte. Auf ein geringes figurbedingtes gesundheitliches Risiko für Frauen weist ein Ergebnis hin, das unter 0,85 liegt, Männer müssen den Bauch weiter einziehen, wenn sie über 1,0 liegen. Die Übung nennt sich »Waist-to-Hip-Ratio«.

Man kann auch die sogenannte »Waist-to-High-Ratio« nehmen. Geht schneller und ist weniger umständlich, denn die Körpergröße steht ja fest. Dabei wird der Taillenumfang durch die Körpergröße geteilt – beides in Zentimetern. Das optimale Ergebnis liegt unter 0,6.

 

Messen, rechnen, mit Zettel, Stift und Taschenrechner herumhantieren – das ist nicht jedermanns Sache. Für diejenigen unter uns, die keine Lust zum Kalkulieren haben, heißt mein Tipp: Probieren Sie es mal mit dem Schwabbeltest. Wer nackten Tatsachen ins Auge blicken kann und auch sonst nicht zimperlich mit der Realität umgeht, schreitet splitterfasernackt vor einen Ganzkörperspiegel, spannt alles an, was sich anspannen lässt, springt einmal kräftig hoch und wirft sofort nach der Landung ein Scharfauge in den Spiegel. Wackelt da noch was? Wenn ja, wo? Bleiben Fettpolster unkontrollierbar in Bewegung (primäre Geschlechtsmerkmale ausgenommen)? Dann wäre – je nach Dauer und Intensität der Nachschwingung – ein klares Nah- oder Fernziel definiert: Alles, was schwabbelt, muss weg.

BODYMASSINDEX hin oder her – wer nicht sicher ist, ob am eigenen Körper irgendwas behandlungsbedürftig ist und kein Risiko scheut, der versucht es mal mit ein paar TESTS:

 

Straßendellen-Hüpf-Check

Sie sitzen am Steuer eines ganz normalen Autos (keins von diesen neumodischen mit adaptiver Fahrwerksregelung, also mit eingebauter Speckgürtelabfederung) und rattern mit Vollgas über eine Straßendelle. Was passiert im Frontbereich?

Sie verstehen die Frage nicht? Dann ist alles in Ordnung.

Sie spüren, wie der Bauch empor hüpft? – Wenn da kein Baby drin mitwippt, heißt es: Abnehm-Alarm.

 

Jammer-Feedback-Test

Sie hocken in einer gemischten Runde aus Freunden und Familienmitgliedern verschiedener Alters- und Umfangsstufen und klagen laut: »Ich muss dringend abnehmen.« Wenn jetzt kein

Schwein sagt »Du doch nicht«, ist es höchste Zeit zum Vorsätzefassen.

 

Gedankenkontrolle

Bevor Sie in Schuhe steigen, die eine Rumpfbeuge in Kombination mit Schleifenbinden und Bauchumwinden verlangen, kommen immer öfter Gedanken wie: »Habe ich keine Schuhe zum Reinschlüpfen?«, »Gibt es eigentlich Modelle mit Klettverschlüssen in Erwachsenengrößen?« Ab jetzt ist klar: Mehr Sport, gesünder essen und die Dickmacher weglassen.

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Beweismittel-Vernichtung

Ein Kuchen ohne Verpackung lässt sich vertilgen, ohne Spuren zu hinterlassen. Da kriegt man gerne mal gar nicht so richtig mit, was wann heruntergeschluckt wurde. Wenn Sie aber die einzelverpackten Varianten nehmen und sich bei der Beweismittelvernichtung erwischen (Kekspapiere im Müll unter den Bananenschalen verstecken), ist das ein untrügliches Zeichen: Das war zu viel.

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Verplapperer-Risiko

 

Drücken Sie sich in einem vollgestopften Bahnabteil mit Kindern auf den letzten freien Platz und warten Sie bis der vierjährige Ludwig-Sebastian auf dem Sessel gegenüber Langeweile hat. Bei gegebenem Anlass wird er seine rot anlaufende Mutti laut fragen: »Warum ist die Tante da so dick?«

 

Unwillkommene Angebote


Nicht mehr unter Gleichgesinnten

Lange Zeit war das Gewicht ein kollektives Klagethema im Klub. Neuerdings verstummen die Kegelschwestern bei den »Ich-bin-ja-so-dick«-Themen, wenn Sie auftauchen. Ein sicheres Zeichen, dass da jemand befürchtet, Ihnen weh zu tun, weil Sie mit Ihrem Umfang der Gruppe der »Ich-bin-eigentlich-nicht-dick-möchte-das-aber-noch-mal-hören«-Quasseltanten entwachsen sind.

 

Bodymasscheck mit Klamottenkoffer

Wer an seinem siebzigsten Geburtstag den Konfirmationsanzug aus dem Koffer im Keller holt und voller Stolz feststellt »Geht noch«, dürfte keine Gewichtsprobleme haben, aber modisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit sein. Viel sinnvoller ist es, die Oldies heimlich rauszuholen, wenn Sie wissen wollen, was die Jahre in welcher Zone verändert haben. Ein bisschen Wurstpelle darf sein. Wenn das Ein-Mann-Zelt von den Pfadfindern heute aber nur noch als T-Shirt geht, dürfte in Sachen Optimierung was passieren.

 

Der Gürtel-rutsch-Test

Einen alten Gürtel wegschmeißen? Nein, die Tatsache, dass der noch passt, ist doch der beste Beweis dafür, dass figürlich alles stimmt, denkt sich so mancher Bauchträger und stellt sogar freudig fest, dass das Teil auch ein Loch enger noch zugeht. Vorsicht: Das kann eine Täuschung sein. Wenn die alte Jeans zwar passt, der Gürtel aber – wegen Bauchzuwachs – von Jahr zu Jahr weiter nach unten rutscht, ist das kein Grund zur Selbstzufriedenheit.

 

 

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