Soja-Steak
an
Vollmondwasser
Das Handbuch der überschätzten Lebensmittel
Lappan
Was ist noch mal der Unterschied zwischen Chiasamen und Chai-Latte? Kann man Granatäpfel pulen, ohne danach die Küche zu renovieren? Und ist Drachenfrucht im Grunde nicht einfach Kiwi im Fummel? Markus Barths lustvolle Abrechnung mit gehyptem Trendfood und überschätzten Klassikern ist Balsamico für die Seele!
„Was ich noch mehr mag als ein saftiges Steak sind Menschen, die der Gesellschaft und dem Mainstream den Spiegel vorhalten. Markus Barth hat dies mit diesem Buch in einer Art und Weise geschafft, die bei mir zweierlei hervorrief: Lachen, ganz klar. Und die Erkenntnis, dass wir Konsumenten mit so viel Blödsinn versorgt werden, dass es für alle Menschen zum Satt-werden reicht. Als Genießer rate ich deshalb: Erst lesen, dann essen. Und zwar das Richtige.“ (Reiner Calmund)
„Voller Wahrheit, immer angenehm kompakt und vor allem sehr, sehr lustig – ich kann ehrlich sagen: Markus Barth ist eines meiner Vorbilder.“ (Torsten Sträter)
Für Angela
(Die besete von de besete)
„Angela, kann man die Rinde vom Manchego eigentlich mitessen?“
„Natürlich! Aber warum willst du? Sind wir im Krieg, oder was?“
Vorwort
Teil 1 Gesund! Vegan! Geschmacksneutral! Trendfood
Chia-Samen
Bärlauch
Tofu
Goji-Beeren
Veganer Käse
Wasser
Vitaminwasser
Karottengrün
Tempeh
Zartbitterschokolade
Vollkorncroissants
Low-Carb-Brot
Grünkohl
Ingwer
Cupcakes
Matcha Tee
Teil 2 Besonders schlechte Ideen der Lebensmittelindustrie
Vegetarische Wurst
Pfannkuchenteig aus der Flasche
Schokopudding
Reiswaffeln
Maiswaffeln
Schokoreiswaffeln
Surimi
Maggi Fix
Fettarme Chips
Salatdressing
Pflanzencreme
Tee
Marsriegel
Teil 3 Auch Mutter Natur hat mal ’nen schlechten Tag
Schwarzwurzeln
Eisbergsalat
Passionsfrucht
Bananenchips
Birnen
Physalis
Braune Champignons
Drachenfrucht
Koriander
Granatapfel
Babyspinat
Rote Bete
Petersilie
Staudensellerie
Teil 4 Leck mich am Arsch, sind wir kultiviert!
Crema di Balsamico
Artischocken
Amarettini
Himalayasalz
Grissini
Sushi
Rucola
Mozzarella
Spargel
Lorbeer
Austern
Crème Brulée
Anhang
Die ersten Leserstimmen
Ich sag’s mal vorsichtig: Beim Thema Ernährung sind in den letzten Jahren ein paar Dinge ein ganz klein wenig aus dem Ruder gelaufen. Gesunde Menschen haben plötzlich panische Angst vor Gluten, trinken nur noch Matcha Latte mit Mandelmilch und streichen sich Rote-Bete-Mus auf die staubige Reiswaffel. Jede Woche wird eine neue Superfood-Sau durchs Dorf getrieben, und selbst einigermaßen solide belichtete Wissenschaftler versichern abwechselnd, dass Butter – je nach Wochentag und Mondphase – entweder wahnsinnig gesund, wahnsinnig ungesund oder irgendwas dazwischen ist. Dann wälzen wir wieder Ernährungsratgeber, raspeln uns mit einem Spiralschneider ein paar traurige Zucchini-Spaghetti auf den Teller oder kämpfen uns durch den arte Themenabend „Grünkohl“. Und während die Berliner Polizei militante Foodies von der Stürmung eines veganen Imbisses abhalten muss, bewerfen in Tiflis aufgebrachte Fleischfans die Besucher eines vegetarischen Cafés mit Mett.
So. Und in dieser Ernährungs-Gesamt-Situation, in der sich viele Besser-Esser benehmen wie Gremlins, die nach Mitternacht gefüttert, mit Wasser bespritzt und mit Starkstrom gekitzelt wurden, will ich also ein Buch über Lebensmittel schreiben. Haha, dufte Idee!
Dabei bin ich gar kein Arzt. Ich bin auch kein Ernährungswissenschaftler und kein Fitness-Guru. Ja verdammt, ich habe noch nicht mal die „eat smarter!“ abonniert. Und ich kann auch keine der üblichen Ernährungs-Erweckungsgeschichten bieten. (Sie kennen das aus allen möglichen Diät-Büchern, da erzählt der Autor meistens, wie er von seinen liebenden, aber leider völlig verantwortungslosen Eltern mit Fischstäbchen und Kinderriegeln großgezogen wurde, bis er dann mit 14 am rechten Rippenbogen die erste Fettzelle entdeckte, verständlicherweise eine entsetzliche Panik schob und schließlich diese total einfache, alltagstaugliche und zugleich effektive Kombi-Diät aus Löschpapier und Gletscherwasser für sich entdeckte. So in der Art.)
Aber hier mein Totschlagargument: Ich esse gern. Und oft. Ich mache das auch schon recht lange, eigentlich mein ganzes Leben lang. Meistens ohne fremde Hilfe und bisher auch ohne größere Probleme (Dass ich mal voller Begeisterung einen ganzen Abend lang türkische Kürbiskerne gemampft habe, bis mir ein Freund erklärte, dass man die Schale eigentlich abmacht, vergessen wir einfach mal). Und für mich ist das die beste, wenn nicht sogar die einzige Legitimation, um ein Buch übers Essen zu schreiben. Hier also mein Angebot: Machen wir doch mal was total Verrücktes, pfeifen auf all die Ernährungswissenschaftler und Fitness-Gurus und verlassen uns kurz auf den, der immer noch am besten weiß, was uns schmeckt und was nicht: unseren Bauch.
Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich mich damit auf verdammt dünnes Speiseeis begebe. Aber was soll’s. Mein nächstes Buch schreibe ich dann eben wieder über ein weniger emotions- und konfliktgeladenes Thema.
Religion oder so.
Köln, im Mai 2016, Markus Barth
Chia-Samen! Du „Powerkorn der Mayas“, du schwarzkrümelndes Reformhaus-Gold, du hochgehypete Hipster-Hirse, du Silberstreif am Konsumhimmel all jener, denen Quinoa schon zu mainstreamig ist: Ich ziehe meinen Hut vor dir! Die flitzeflinke Geschwindigkeit, mit der du ganze Biomarktregale annektiert und dich in elitäre Ernährungspläne gewanzt hast, die kann einem glatt den Spinatsmoothie aus der Hand wirbeln! Das Ganze ist umso erstaunlicher, als deine Verkaufsargumente, Chia, na ich sag’s mal vorsichtig, ein bisschen dünn sind: „Guten Tag, liebe Besserverdiener, mein Name ist Chia-Samen, ich bin unfassbar teuer und schmecke nach nichts. Bitte rühren Sie mich ab jetzt täglich in Ihren lactosefreien Joghurt!“ – „Juhuu! Na klar! Das machen wir!“
Vor ein paar Jahren kannte dich noch keine Sau, und jetzt bist du überall: im Brot, im Quark, im Knabberkeks. Chia, Respekt! Du bist der Elyas M’Barek unter den Lebensmitteln!
Verzeihung, „Lebensmittel“ darf man dich ja gar nicht nennen. Ein „Superfood“ bist du, mit Superkräften. Schnallst dir jede Nacht Korn für Korn ein kleines Superhelden-Cape um, bildest dann mit deinen Superfood-Kumpels, den Acai-Beeren, den Spirulina-Algen und der Acerola-Kirsche, quasi die Reformhaus-Avengers und rettest die Menschheit vor der drohenden Folsäure-Unterversorgung. Denn gesund, das bist du tatsächlich, Chia. Enthältst Thiamin und Kalium und Riboflavin, und wenn man dich noch ein bisschen genauer untersuchen würde, fände man bestimmt auch noch Spuren von Kryptonit und mehrfach ungesättigtem Feenstaub. Und wie jeder Superheld bist du ein Meister der Verwandlung: Wenn man dich in Wasser einweicht, bildest du eine Gelschicht um deine kleinen schwarzen Mausdreck-Körner. Das schmeckt dann zwar immer noch nach nichts, aber immerhin nach nichts mit Glibber. Respekt, Chia! Und ich dachte bisher immer, Green Lantern sei der unnützeste Superheld der Welt.
Die volle Kraft deiner Nährstoffe entwickelt sich laut Internet sogar erst „nach einer Einweichzeit von mehreren Stunden“. Ja, genau so schaust du aus, Chia-Samen! Für dich stehe ich nachts um drei auf und weiche dich ein, damit ich morgens ’ne Einlage fürs kernige Buchweizenmüsli habe. Am Arsch! Vielleicht bist du aber auch eher was für Leute, die abends schon wissen, was sie am nächsten Nachmittag gerne essen würden. Leute, die sich nach dem Rosamunde-Pilcher-Film denken: „Ich könnte mir vorstellen, dass ich in sechzehneinhalb Stunden so ein leichtes Hüngerchen auf Dinkelschrot mit Chia-Samen bekomme. Am besten, ich setz das schon mal an!“ Das sind vermutlich dieselben, die vor dem Schlafengehen schon den Frühstückstisch decken, in deren Kalender steht, wann die Bettwäsche gewechselt wird, und die beim Aufziehen der Sommerreifen schon den Termin für die Winterreifen ausmachen! Ein Streber-Korn, das bist du, Chia!
Aber weiter im Internet: „Chia-Samen lassen sich problemlos vier bis fünf Jahre einlagern, ohne ihren Geschmack einzubüßen“. „Geschmack?“ Haha! Da musste selbst ein bisschen kichern, oder, Chia? Styropor-Kügelchen lassen sich nämlich auch vier bis fünf, ach was sag ich, vierzig bis fünfzig Jahre einlagern, ohne ihren Geschmack einzubüßen!
Und dann steht da noch: „Wann probieren auch Sie die Kraftsamen der Maya?“ Uh, „Kraftsamen“? Na, jetzt wird’s aber eklig! Das klingt nicht nach Trendfood, das klingt nach Bullenzucht! Wer will denn bitte Maya-Kraftsamen schlucken? Am Ende wächst da in meinem Körper ein kleiner Maya heran, baut mir eine Sonnenpyramide auf die Milz und bricht dann irgendwann so alienmäßig durch die Bauchdecke. Na, schönen Dank!
Überhaupt: die Mayas, die Mayas! Kann mir irgendjemand mal erklären, wo dieser Maya-Hype gerade herkommt? Wenn die Kultur der Mayas so schlau und überlegen und fortschrittlich war, könnte man doch schon mal fragen, warum Yucatán heutzutage nicht von stolzen Maya-Königen mit imposantem Kopfschmuck beherrscht wird, sondern von besoffenen Amis mit Bierdosenhut!
Wenn man deine Propaganda-Seiten übrigens mal verlässt, wird’s ganz schnell ganz schön traurig, Chia. Weißt du nämlich, wer fast genau dieselben Wirkstoffe enthält wie du? Genau, deine Superhelden-Nemesis: der Leinsamen. Haha! Leinsamen! Das ungeilste Korn der Welt! Leinsamen, das klingt doch direkt nach alten Damen mit Verdauungsproblemen und Lavendelkissen im Kleiderschrank. Chia-Samen dagegen klingt natürlich nach Friedrichshainer Popup-Cafés, in denen ganzkörpertätowierte Fleshtunnelträgerinnen liebevoll Sojamilchschaum vom Getreidecappuccino streichen.
Gut, dafür kostet ein Kilo Leinsamen auch nur ungefähr drei Euro. Ein Kilo von dir, Chia, du Körner-Kaviar, dagegen stolze 10 Euro. Aber das muss man verstehen, da kommt halt noch die Doofen-Steuer oben drauf.
Deine ganze Niedertracht begreift man übrigens erst, wenn man wirklich mal ein Müsli mit dir, Chia-Samen, isst. Dann hängst du dich nämlich zwischen alle Zähne wie frisches Schweinemett und bleibst da eisern hocken, sodass man den ganzen Tag mit der Zunge herumpiddeln und zwischen Lippen und Zahnreihen einen Unterdruck erzeugen muss, in der Hoffnung, dass der ganze Schlotz mal wieder rausgeht, aber so richtig schafft man’s dann trotzdem nicht, und jeder, der einem begegnet, denkt sich: „Du lieber Himmel, dran denken: dem Barth schenken wir zum nächsten Geburtstag mal ’ne schöne Oral B.“
Ja, Chia, sagen wir’s doch mal, wie es ist: Im Grunde bist du nichts anderes als überteuertes Maya-Mett!
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