Bernd Engel

Abräumer,
Abstauber,
Abenteurer.

Die ersten deutschen Fußballstars

Band II

Inhalt

Vorwort

Gottfried Fuchs / Godfrey E. Fochs

Zehn Tore für die Ewigkeit – Oder wie der DFB auch 40 Jahre später alles vermasselt

Adolf Jäger

Der schweigsame Stratege – Ein Mann ohne Feinde und mit viel Ehr

Willibald Kreß

Der schöne Willibald – Und das Phantom der italienischen Gräfin

Johannes „Hanne“ Sobek

Ein Popstar in den Goldenen Zwanzigern – „Hanne, die Sonne geht auf!“

Hans Kalb

Ein Bulle namens Kalb – Ein gewaltiger Schwenker des Humpens

Ludwig „Lutte“ Goldbrunner

Der Stopperkönig – Der erste Rekordnationalspieler des FC Bayern

Ernst Lehner

Der treue Ernst – Vier Ecken, vier Tore

Albin Kitzinger & Andreas „Ander“ Kupfer

Die Schweinfurter k. u. k.-Dynastie – Zwei Weltklasse-Läufer

Paul Janes

Ein Schweiger mit Fortuna im Bunde – Der Rekordinternationale vom Rhein

Fritz Szepan

Ein Snowball aus Gelsenkirchen – Kein gewissenhafter Textilhändler

Literaturangaben / Bildverzeichnis

Vorwort

Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts: In England, dem Mutterland des Fußballs, jagen zahlreiche Profimannschaften in einem gut organisierten Spielbetrieb dem runden Leder nach. In Deutschland fristet der Sport noch immer ein eher aschenputteliges Nischendasein, was es mühsam macht, einen Dachverband zu gründen, Meisterschaften zu organisieren und eine Nationalelf auf die Beine zu stellen.

Doch nach dem Ersten Weltkrieg ändert sich die Situation rasch und deutlich. Die bis dahin vornehmlich im Bürgertum verankerte Ballsportart erreicht jetzt auch dank diverser Fußball-Schnupperkurse in den Gefechtspausen und dem im November 1918 eingeführten Acht-Stunden-Arbeitstag das Arbeitermilieu. Innerhalb weniger Jahre mutiert der Fußball zu einem gesellschaftlichen Massenphänomen. Vereins- und Auswahlmannschaften ziehen schon bald Zuschauer in vier- und fünfstelliger Zahl in die Stadien, locken sie auf eilig aufgeschüttete Wälle und rasch zusammengezimmerte Holztribünen. Dabei erlebt der Fußballsport keineswegs einen leichten, widerstandslosen Aufstieg. Heuchlerische Schleiertänze um das Thema „Amateurismus“, anhaltende Diffamierungen aus der nationalkonservativen Turnvater-Jahn-Ecke, eine schwere Weltwirtschaftskrise, ein brutales, auf Ausgrenzung und Gleichschaltung setzendes Regime sowie der zerstörerische Zweite Weltkrieg machen es der jungen Sportart nicht leicht, sich gesellschaftlich zu etablieren.

Aber wie so oft, wenn eine starke, faszinierende Idee auftaucht, gibt es die klassischen Pioniere und umsichtigen Kustoden, die mit Optimismus bis hin zur Unvernunft diese Idee aufgreifen, kultivieren und beschützen. Der deutsche Fußball hat solche Wegbereiter mit Konrad Koch, Walther Bensemann, Gustav Manning, Ivo Schricker, Theodor Schöffler, Fritz Unkel, Kurt Landauer u.a. Sie entzünden die Flamme, besorgen Kerzen. Und sie denken auch an die Kerzenständer.

Unter ihrem Schutz erscheinen auch die Virtuosen und Freaks auf der Bildfläche, die es ins Begeisternde, manchmal sogar ins Atemberaubende tragen. Um sie soll es in diesem Buch gehen, die ersten Stars im deutschen Fußball. Die Magier, die Zauberer, die Künstler, die das Spiel verstehen, vorantreiben, seine Reichweite erhöhen. Sie fachen die Flamme weiter an, machen sie noch größer, stärker, faszinierender.

Heute verblassen die Namen dieser Stars allmählich oder laufen Gefahr, nur noch im Statistikteil Erwähnung zu finden, was ihrer Bedeutung und ihren Verdiensten um die Entwicklung des deutschen Fußballs nicht gerecht wird. „Abräumer, Abstauber, Abenteurer.“ möchte dem entgegenwirken und als Lesebuch leicht zugängliche Informationen anbieten.

Welche Stars sollen es denn sein?

Bei der Konzipierung befanden sich zunächst etwa 40 Namen auf der Shortlist – eher eine Longlist. Dann wurde noch einmal aussortiert; wohlwissend, dass mindestens zehn Namen „unstreichbar“ sind. Bei den verbleibenden zehn Leerplätzen hat sich dann zugegebenermaßen ein sanftes Proporz-Denken eingeschlichen: So sind unter den 20 „Auserwählten“ für beide Bände schließlich alle wichtigen Regionen (Nord, West, Ost, Süd, Südwest) Deutschlands gut vertreten.

Überdies werden auch die, wenn man so will, drei Hauptphasen des deutschen Fußballs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nämlich

• 1908 bis 1920 ─ die tastenden Anfänge des Ligafußballs und der Nationalmannschaft,

• 1920 bis 1933 ─ die ersten dominanten Vereine, die ersten großen Zuschauerzahlen, die ersten Erfolge der Nationalmannschaft,

• 1933 bis 1945 ─ Fußball unter dunklen Vorzeichen bis zum bitteren Ende,

hinreichend abgebildet.

Natürlich sind alle ausgewählten Spieler berühmte und bewunderte Fußballer. Aber es gibt doch eine recht heterogene Typologie der Stars, wie beispielsweise in Band II

• den Barocken (Hans Kalb),

• die Boulevard-Stars (Hanne Sobek, Willibald Kreß),

• die Schweigsamen (Adolf Jäger, Paul Janes),

• die Nestbauer (Lutte Goldbrunner, Albin Kitzinger, Ander Kupfer),

• den Treuen (Ernst Lehner),

• den Bedrängten (Gottfried Fuchs),

• den Mann mit zwei Gesichtern (Fritz Szepan).

Auch in dieser Hinsicht bemüht sich das Buch den Fächer zu öffnen.

Das Besondere der ersten Stars

Viele dieser Stars durchlaufen bunte, spannende Lebensläufe, da sie neben dem Fußball noch ein „echtes“ Leben haben – haben mussten, haben konnten. Egal ob Holzhändler, Kneipier, Techniker, Rundfunkreporter oder Zahnarzt.

Alle Stars sind in unterschiedlicher Form geprägt von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, einer hochdramatischen Zeit mit vielen Umbrüchen, vielen Gefahren, vielen Chancen, viel Leid und einigen charakterlichen Prüfungen.

Alle Stars gewähren Einblicke in das Innenleben der ersten Spitzenvereine und in die Anfänge der Nationalelf. Es gibt einen gewissen pars-pro-toto-Effekt.

Viele Stars wirken in ihren Vereinen identitätsstiftend. Eine Identität, die in manchem Verein bis heute so oder leicht verändert fortbesteht.

Viele Stars spielen in Stummfilmen mit, posieren auf Werbeplakaten und Sammelbildern, werden auf Schallplatten besungen und in Büchern gefeiert. Zwar geht es noch nicht um Ferraris, Blattgoldsteaks, Instagram-Accounts, aber auch das Genannte ist damals sehr neu, sehr revolutionär und wird von den üblichen Verdächtigen bisweilen scharf kritisiert. Aus heutiger Sicht wirkt es eher rührend. Rührend unschuldig.

So nähert sich das Buch an

Alle Geschichten sind eingebettete Geschichten, die natürlich den großen Scheinwerferkegel auf den einzelnen Spieler richten, gleichzeitig aber auch den Verein, die Stadt, die Zeit, die Zeitenläufe, das persönliche Umfeld ausleuchten.

Alle Geschichten werden im historischen Präsens erzählt, was sie, so die Hoffnung, einen Tick frischer, unmittelbarer macht.

Alle Geschichten beginnen mit einem Abstract, das wie eine Anmoderation arbeitet, um die Geschichte zu teasen, um erste Andeutungen zu lancieren, um elegant in die Vita des jeweiligen Spielers hineinzukommen.

Alle Geschichten haben einen roten chronologischen Faden, trotz gelegentlicher Lasso-Einstiege und kleinerer Exkurse.

Alle Geschichten balancieren zwischen Lesefreundlichkeit und der Notwendigkeit, wichtige Zahlen, Daten und Ergebnisse zu liefern. Letztere sind oft elementar, müssen genannt werden. Stilistisch sollen sie das Buch aber nicht dominieren.

Alle Geschichten sind frei von wissenschaftlicher Ambition im Sinne einer straff-strukturierten Methodik und detaillierter Quellenangaben zu allem und jedem. Wohlgemerkt, es soll ein Lesebuch sein. Der Ehrgeiz, durch Quellenselektion, Mehrfachverifizierung und Querrecherchen möglichst präzise zu sein und im besten Fall auch neue Erkenntnisse zu gewinnen, bleibt davon unberührt. Detaillierte Literatur- und Bildangaben sind selbstverständlich.

Last, but not least: Die Bild- und Fotobeschaffung ist bei einem historischen Thema und einem low-budget-Rahmen nicht ganz einfach. Doch Bilder mit CC-Lizenz, Digitalisate historischer Zeitungsbestände und einige individuelle Genehmigungen führten am Ende doch zu einer zufriedenstellenden Bildauswahl. Dank gebührt den Vereinen FC Schalke 04 (Herr Pantförder), 1. FC Nürnberg (Herr Siegler) und den Stadtarchiven Schweinfurt (Herr Strobl) und München (Frau Angermair). Besonders genannt werden müssen Gary Perlman aus Westmount / Montreal, der mit großem Einsatz wertvolles Material aus Kanada zum Gottfried-Fuchs-Kapitel beisteuerte. Und Andreas Wittner, Archivar des FC Bayern, der aus älteren Dokumenten der Münchener noch so manche wertvolle Information zu Ludwig Goldbrunner hervorzauberte.