Jennifer Benkau
Mit Illustrationen von Cathy Ionescu
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1. Auflage 2018
© 2018 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagfertigstellung: Suse Kopp
Umschlagillustration und Umschlaggestaltung: Cathy Ionescu
CK · Herstellung: AJ
Satz: dtp im Haus
Reproduktion: Lorenz & Zeller, Inning a.A.
ISBN 978-3-641-20816-5
V001
www.cbj-verlag.de
Inhalt
Alles eine Frage der Übung
Die Pause des Schreckens
Augen zu und zaubern
Tanzen ist ein bisschen wie Zaubern
Ein Wunder zum Mitnehmen, bitte!
Keine Ausreden mehr
Mit vereinten Kräften wundert es sich wunderbarer
Zwei Schritte vor – drei Schritte zurück
Total talentvoll
Zwei wunderbare Nachtgespenster
Der große Tag
Traumtänzer
Ein Blick ins Goldwolkenland
Kapitel 1
Alles eine Frage der Übung
Ein helles Wiehern weckte Lenja. Dabei hatte sie gerade so schön geträumt. Von der Kirmes. Sie war auf der Schiffschaukel gewesen, ganz oben, am höchsten Punkt, wo der Bauch kribbelt. Gleich ging es wieder runter … Da war sie aufgewacht.
Lenja seufzte enttäuscht und tastete in der Dunkelheit nach dem Wecker auf dem Nachttisch. Die Zahlen leuchteten hellgrün. Halb sieben. Sie hätte noch eine halbe Stunde schlafen können. Warum hatte Möpp sie so früh geweckt? Normalerweise schlief ihr kleines Einhorn gern gemütlich aus.
Sie hüpfte aus dem Bett, tappte auf nackten Füßen zum Fenster und zog die Rollos hoch, damit das Morgenlicht in ihr Zimmer dringen konnte. Nanu, Möpp schlief ja noch. Er lag auf dem Kissen zusammengerollt wie ein Hundewelpe und schnarchte vor sich hin. Ob er im Traum gewiehert hatte?
Lenja lächelte. Bei jedem seiner Atemzüge zitterten Möpps Flügelspitzen und sein dichter Mähnenschopf wippte auf und ab. Manchmal konnte sie immer noch kaum glauben, dass sie nun ein Einhorn hatte. Bis vor wenigen Wochen hatte sie nicht einmal gewusst, dass es Einhörner gab.
Doch dann war Möpp in ihr Leben geflattert: klein und plüschig wie eine Hummel, pummelig wie ein Pony und mit einem spitzen Horn auf der Stirn. Und da Möpp für alle Menschen außer Lenja unsichtbar war, gab es keinen Zweifel: Möpp gehörte zu ihr.
Plötzlich zuckte Möpp zusammen, schnaubte im Schlaf und wieherte. Mit einem Satz sprang er auf, schüttelte seine Mähne und sah sich erstaunt um. „Lenja! Du glaubst es nicht! Beim Duft des Pferdeapfels – es hat geklappt!“
„Es hat geklappt?“, fragte Lenja freudig. „Wirklich?"
„Ganz wirklich!“
„Das ist ja toll. Verrätst du mir auch, was geklappt hat?“
Möpp schnaubte, als wunderte er sich über ihre Ahnungslosigkeit. „Ich habe gezaubert! Was denn sonst, du ahnungsloses Ohnefell-Mädchen.“ Doch dann legte er grüblerisch den Kopf schief und wackelte mit den Ohren. „Oh. Ich habe gar nicht gezaubert, oder? Nicht in echt, meine ich.“
„Du hast geträumt“, sagte Lenja. Sie setzte sich auf die Bettkante und kraulte ihm mit dem Zeigefinger die Mähne. Das mochte er besonders, hoffentlich tröstete es ihn.
„Und ich hatte mich so gefreut!“, seufzte Möpp und ließ den Kopf hängen.
„Sei nicht traurig, mein Hummelhörnchen. Irgendwann klappt es schon. Irgendwann kannst du richtig zaubern. Und dann kannst du das Tor zur Silbergrassteppe öffnen und deine Herde wiedersehen. Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass du im Traum schon wieder zaubern kannst.“
„Meinst du?“
„Ja, bestimmt. Mama sagt immer, was man sich erträumen kann …“
„… das kann man auch schaffen!“, vervollständigte Möpp den Satz und versuchte, die Stimme von Lenjas Mutter zu imitieren. Allerdings klang er dabei eher wie ein Papagei mit Halsweh. Aber er sah nicht mehr so enttäuscht aus. Und das war die Hauptsache.
„Richtig.“ Lenja nickte entschlossen. „Man muss nur fleißig üben. Von nichts kommt nichts.“
„Gut, dass du das sagst“, erwiderte Möpp und scharrte mit dem Vorderhuf. „Ist heute nicht der Tag der Klassenarbeit in Deutsch? Das gruseligste Diktat des Jahres mit den schwierigsten Wörtern aller Zeiten? Das Diktat des Schreckens? Hast du geübt, Lenja Ohnefell?“
Lenja spürte, wie ihre Wangen warm kribbelten. Sie hatte am Vorabend im Bett noch üben wollen – ehrlich. Aber dann war der neue Comic doch so spannend gewesen, dass sie darin gelesen hatte, bis ihr die Augen zufielen.
„Du hast nicht geübt.“ Möpp deutete ihr Schweigen ganz richtig. „Ich muss dir also mal wieder alles vorsagen!“
Lenja ließ sich aufs Bett fallen und zog sich das Kissen über den Kopf. „Bloß nicht“, murmelte sie.
Möpp hatte in der Schule meist ganz gute Ideen. Aber mit richtigen Antworten hatten sie selten etwas zu tun.
„Warst du eigentlich auf der Einhorn-Schule?“, fragte Lenja. Sie stand auf und suchte ihre Kleider zusammen.
„Natürlich. Ich war in allen Fächern der Beste!“, erklärte Möpp stolz.
„Wahnsinn!“
„Nicht wahr? Allerdings war ich damit natürlich nicht der einzige. Wir waren alle die Besten.“
Lenja staunte. „Wie könnt ihr alle die Besten gewesen sein? Es gibt immer nur einen Besten.“
Möpp schnaubte. Sie kannte dieses Schnauben inzwischen. Es bedeutete: Du verstehst aber auch wirklich gar nichts, Lenja Ohnefell.
„Du verstehst aber auch wirklich gar nichts, Lenja Ohnefell“, sagte er.
Hab ich’s doch gewusst!, dachte Lenja und grinste.
„Natürlich können auch zwei die Besten sein. Oder drei. Zehn. Hundert! ALLE!“
„Und wie?“, fragte Lenja ratlos.
„Na, ganz einfach. Jeder ist einzigartig. Und auf seine ganz eigene Art ist jeder immer der Beste!“