Impressum

Aljonna und Klaus Möckel

Der Hexer aus dem Kupferwald

Band 7 der Nikolai-Bachnow-Bücher

ISBN 978-3-86394-128-4 (E-Book)

 

Die Druckausgabe erschien unter dem Pseudonym „Nikolai Bachnow“ 2002 bei LeiV Buchhandels- und Verlagsanstalt GmbH.

Illustrationen: Hans-Eberhard Ernst

 

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Vorwort

Als Alexander Wolkow Mitte des vorigen Jahrhunderts seine Bücher über das Zauberland jenseits der Weltumspannenden Berge veröffentlichte, in denen er sich am berühmten "Zauberer von Oz" des Amerikaners Lyman Frank Baum orientierte, konnte er nicht ahnen, welchen Erfolg er damit haben würde. Nicht nur in der damaligen Sowjetunion fanden die Geschichten vom Mädchen Elli, dem Weisen Scheuch, dem Tapferen Löwen und dem Eisernen Holzfäller zahlreiche Leser, sie wurden auch in viele Sprachen übersetzt. In der DDR wuchsen Generationen von Kindern mit den sympathischen Helden auf, und die Wolkow-Bücher überlebten schließlich sogar die Wende. 1992 wurde der "Zauberer der Smaragdenstadt" im LeiV Verlag Leipzig neu herausgebracht und stand, genau wie einige weitere Bücher der Märchenreihe, in den Bestsellerlisten für Kinderliteratur lange an vorderster Stelle.

Es ist nicht erstaunlich, dass sich in Russland und anderswo bald Autoren fanden, die an diesen Erfolg anknüpfen wollten. Nach einigen Experimenten mit russischen Schriftstellern, die, den neuen Zeiten Rechnung tragend, die Wolkowschen Gestalten zum Teil auf ferne Atolle und ins Weltall schickten, kam der Verlag auf die Idee, wieder die ursprüngliche Wirkungsstätte in den Mittelpunkt zu rücken. Klaus und Aljonna Möckel, die sich als Schriftsteller bzw. Übersetzerin in der DDR einen Namen gemacht hatten, übernahmen unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow (Nikolai als russische Version von Klaus; Bachnow nach dem Mädchennamen Bach der Übersetzerin), die Aufgabe, weitere Geschichten für die sympathischen Helden zu erfinden.

Natürlich sollten die Leser – Kinder und Erwachsene, die diese Bücher früher verschlungen und inzwischen selbst Kinder hatten - den Bezug zum bisherigen Geschehen herstellen bzw. den Übergang nachvollziehen können. Neue Gestalten waren schon in den letzten Wolkow-Bänden aufgetaucht, Söhne und Nichten der ursprünglichen Heldin Elli bestanden gefahrvolle Abenteuer, und in drei Bänden des Nachfolge-Autors Kusnezow wirkten weitere Helden mit. Doch das ursprüngliche Zauberland rückte dadurch in den Hintergrund, war kaum noch fassbar, das Geschehen oft verwirrend und zu abstrakt dargestellt.

Um diese Situation, die von vielen Lesern als unglücklich empfunden wurde, zu beenden und gleichzeitig die wichtigsten Verbindungen fortzuführen, konzentrierten sich Aljonna und Klaus Möckel erneut auf die Grundzüge der Zauberland-Serie. Sie hielten, zumindest in den ersten Bänden, an einigen der neueren Figuren wie dem Kapitän Charlie oder Chris Tall, Ellis Sohn, fest, stellten aber die vertrauten Gestalten wieder mehr ins Zentrum. Mit der Zeit formte sich ein neues Ensemble, in dem neben dem Scheuch, dem Löwen und dem Holzfäller besonders Goodwins Enkelin Jessica und die Puppe Prinzessin Betty, die der Scheuch zur Frau genommen hatte, herausragten, zu dem aber auch witzige Gestalten wie der Hobbyzauberer Pet Riva, die starke Spinne Minni oder der schlaue Mäuserich Larry Katzenschreck gehörten.

1996 kam es zur Veröffentlichung des ersten Bachnow/Möckel-Bandes "In den Fängen des Seemonsters", in dem sich die Bewohner des Zauberlandes mit einer Verschmutzung im Muschelmeer, dem Reich der Fee Belldora, auseinandersetzen müssen. "Manches hat sich im Zauberland verändert", schrieb seinerzeit die Kritikerin Karolin Kullmann im Internet, "aber dennoch hat man von der ersten Seite an das Gefühl, wieder im wundervollen Märchenreich zu sein ... Mit dem Autor Nikolai Bachnow, der von nun an das Schreiben neuer Geschichten übernimmt, hat die Reihe viel dazu gewonnen." Und die Rezensentin, die auch zu den späteren Büchern Kritiken verfasste, sprach am Ende die Hoffnung aus, "dass auch die Nachfolger mithalten können".

Von dem Autorenpaar entstanden in den Jahren 1996 bis 2003 acht Bände, die nun auch digital vorliegen. Aljonna und Klaus Möckel hatten sich vorgenommen, gut verständlich, spannend, mit Fantasie und Humor zu erzählen, so wie es für Kinder (und Erwachsene) sein sollte. Der Leser mag nun selbst urteilen, ob sich die Hoffnung der Kritikerin erfüllt hat.

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Erster Teil: Die schwarzen Kaktusmänner

Ein beleidigter Zauberer

Ein Sirren lag in der Luft, ein Klang, als würden sanfte Hände über tausend Gitarrensaiten streichen. Es kam vom Wind, der mit den Zweigen des Kupferwaldes spielte. Mittagszeit. Die Goldschwanzaffen dösten in den Baumwipfeln; ab und zu huschte ein Aluminiumfink zum nächsten Strauch.

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Am Ende des Waldes, dort wo Dornenhecken und Stachelgestrüpp eine karge Ebene ankündigten, stand eine Hütte. Sie war stabil gebaut, aber ganz von Grünspan überzogen, denn ihre Wände bestanden aus Stämmen der Kupfereiche. Betrat man die Hütte, so schien sie nicht viel Raum zu bieten, doch der erste Eindruck täuschte. Eine geschickt in den Boden eingelassene Tür führte über eine Treppe nicht nur in einen Keller, sondern auch zu weiteren Wohnräumen. Sie waren mit Teppichen ausgelegt, möbliert und durch Leuchtsteine erhellt, wie es sie nur im Zauberland gab.

Hier war das Reich des Hexers Kaligmo, eines mürrischen Mannes von unbeschreiblicher Hässlichkeit. Mit seiner schiefen Nase im eckigen Gesicht, mit abstehenden Ohren und einer Warze auf der Stirn, mit kurzen Beinen und langen dünnen Armen hätte er ohne weiteres einen nächtlichen Gruselgeist spielen können. Sein abschreckendes Äußeres war auch der Grund, weshalb er in dieser Einöde lebte.

Doch Kaligmo hielt sich für einen bedeutenden Zauberer und Erfinder. Ganz unbegründet war das auch nicht, konnte er doch Wasser in Most verwandeln und Tiere zu Stein erstarren lassen. Außerdem experimentierte er mit Kräutern, Mineralien, Säften. Er rührte und mischte die verschiedensten Substanzen zu einem Gebräu oder Teig, mit dem er jegliches Leben nach seinen Wünschen verändern oder gar vernichten wollte.

In diesen Tagen war Kaligmo besonders schlecht gelaunt – er musste sich irgendwie Luft verschaffen. Mit der Absicht, seine Wut an dem erstbesten Wesen auszulassen, das ihm über den Weg lief, verließ er seine Hütte. Die friedliche Landschaft draußen beruhigte ihn ein wenig und er begnügte sich zunächst damit, rechts und links blaue Blitze in die Büsche zu schleudern, so dass die Vögel kreischend aufflatterten. Als jedoch ein alter Wolf mit metallisch glänzendem Fell unglücklicherweise aus dem Gesträuch sprang, schrie der Hexer:

"Bleib stehn, sonst verwandle ich dich in einen Hackstock!"

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Der Wolf wusste, wie gefährlich Kaligmo war, und verharrte reglos am Fleck. Seine raue Stimme dämpfend, bat er:

"Lass mich gehen, ich hab dir nichts getan. Wenn du willst, fange ich dir einen fetten Hasen zum Abendbrot."

Das besänftigte den Zauberer etwas.

"Heute und morgen einen Hasen", befahl er, "übermorgen zwei Wachteln! Aber hüte dich, mich zu betrügen, wie es die Leute in dieser widerwärtigen Smaragdenstadt getan haben."

"Man hat dich betrogen?", fragte der Wolf. Er merkte, dass es am besten für ihn war, das Gespräch in Gang zu halten.

"Betrogen ist gar kein Ausdruck. Dieser Scheuch und seine Bande sind nichts als Scharlatane, denen man das Handwerk legen muss. Was verstehen die schon von Zauberei. Erst schreiben sie einen Wettbewerb aus, bei dem man seine Kunst zeigen soll, dann urteilen sie nach ihrem lächerlichen Geschmack. Warum habe ich mich bloß herabgelassen, teilzunehmen?"

Der Wolf wusste nicht, was er erwidern sollte, begriff aber, dass Kaligmo einen Zuhörer brauchte. Dem Hexer war offenbar ein Unrecht geschehen oder er bildete sich das wenigstens ein. Jedenfalls musste er sich die Sache wohl von der Seele reden, zumal er sonst stets allein in seiner Hütte hockte.

"Dabei habe ich ein so wunderbares Kunstwerk geschaffen", erklärte Kaligmo.

"Entschuldige, ich habe noch nicht genau verstanden, worum es bei dem Wettbewerb ging", sagte der Vierbeiner.

"Worum es ging? Wir sollten eine Festtafel nach unseren Vorstellungen gestalten. Mit unseren Wunderkräften natürlich. Alle Hexen und Feen des Zauberlandes waren versammelt, darunter so mancher Nichtskönner. Ich habe meine ganze Kunst entfaltet. Aber dann, bei der Preisverleihung ..."

"Sie haben dich übergangen", wagte der Wolf den Satz zu vollenden.

"O nein! Das haben sie sich nun doch nicht getraut. Aber der Scheuch, der sich weise nennt und den obersten Richter spielte, hat mir nur den dritten Preis zuerkannt, den dritten!" Angesichts dieser Kränkung traten Kaligmo Tränen in die Augen.

Der Wolf konnte den Schmerz nicht ganz nachempfinden. Er dachte, dass ein dritter Preis bei einem solch großen Wettbewerb durchaus eine Anerkennung sei. Aber er hütete sich, das kundzutun.

"Was hattest du denn gezaubert, Großer Kaligmo?", fragte er unterwürfig und trat ganz vorsichtig einen Schritt zurück.

Der Hexer war zu sehr mit seiner Rede beschäftigt, um die Fluchtabsicht zu bemerken. Zudem fühlte er sich geschmeichelt.

"Die wunderbarsten Gerichte aus den Höhlen meiner Kindheit. Blutegelsuppe und Mäuseschwanztorte. Drei fette Ratten in einer Ziegenhaut gebacken und mit Eulenfedern garniert. Das Ganze in einem Kranz grauer Sumpffrüchte. Über Kreuz angeordnete gehäutete Schlangen an beiden Enden der Tafel. Die besten Stücke mit Dornen gespickt. Genial, sage ich dir!"

Der Wolf war erstaunt, dass es für solch eine Festtafel einen Preis gegeben hatte, doch er hielt sich erneut zurück.

"Du bist beeindruckt, stimmt's?", rief der Hexer. "Wenn du dagegen die Nichtigkeiten der anderen gesehen hättest! Den zweiten Preis bekam ein Weib mit Fischschwanz, das die ganze Zeit in einem mit Wasser gefüllten Glasbecken zubrachte. Sie nannte sich Belldora, die Seekönigin vom Muschelmeer, und hatte tatsächlich nichts zu bieten als Muscheln, Schnecken, Algen und irgendwelche bunten Korallen. Lächerlich."

"Und den ersten Preis", erkundigte sich, mäßig interessiert, der Wolf, "wer bekam den?"

"Eine Fee Stella aus dem Rosa Land. Der Scheuch scheint eine Vorliebe für solche Zauberweiber zu haben. Dabei hatte die Fee nichts vorzuweisen als wabbligen Pudding, gespickten Rehbraten, Spargel und ähnliches Gemüse. Das einzige, was auffiel, waren rosa Blumenranken. Überall auf dem Tisch ließ sie Rosen mit menschlichen Gesichtern erblühen – widerlich!"

Ärgerlich schleuderte der Hexer aufs Geratewohl einen Blitz ins Gebüsch, so dass eine Rauchwolke entstand. Als sie sich verzog, war der Wolf verschwunden.

"Das verdammte Vieh hat sich aus dem Staub gemacht", knurrte Kaligmo und ließ weitere Blitze aufzucken. Doch damit erzeugte er nur Rauch und Schwefel. Was an Tieren in der Nähe gewesen war, hatte sich längst in Sicherheit gebracht.

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Der sprechende Strauch

Nachdem der Hexer dem Wolf ein ohnmächtiges "Na warte, dich krieg ich schon" hinterhergerufen hatte, kehrte er murrend in seine Hütte zurück. Eins hatte er allerdings begriffen - er würde seine Ruhe erst wiederfinden, wenn er sich Genugtuung verschafft hatte. Für die Schmach in der Smaragdenstadt! Er wusste nur noch nicht, wie er das anstellen sollte.

Vier Tage und Nächte brachte Kaligmo mit Nachdenken zu. Besser gesagt, war es ein dumpfes Grübeln, unterbrochen von kurzem unruhigen Schlaf und wenigen kargen Mahlzeiten. Endlich glaubte er eine Lösung gefunden zu haben.

"Der Zauberstrauch mit seinen sprechenden Blättern muss mir die Lösung verraten", murmelte er.

Dieser Strauch, der gleich hinter seiner Hütte wuchs, hatte scheinbar nichts Besonderes an sich. Genau wie die Bäume des Kupferwaldes waren seine Äste und Blätter aus rötlichem Metall, das in der Sonne glänzte. Genau wie die Früchte hier waren seine Beeren hart und nur von den Aluminiumvögeln zu genießen. Aber der Strauch war uralt und warf nie ein Blatt ab. Von ihm bezog Kaligmo seine Kraft, er musste nur ab und zu etwas Blut opfern. Dafür bekam er wiederum Antwort auf seine Fragen.

Freilich, betrügen ließ sich der Busch nicht. Der Hexer musste schon sein eigenes Blut spenden, nicht etwa das eines Huhns oder einer Kröte. Hier aber lag das Problem für Kaligmo. Er war wehleidig, fürchtete sich vor der kleinsten Verletzung und zögerte deshalb jedes Mal lange, den Strauch zu befragen.

Doch sein Rachedurst war stärker und so griff er schließlich nach einem großen Küchenmesser. Eine Weile überlegte er, ob er sich in den Zeh, in den Finger oder vielleicht in den Arm schneiden sollte.

"Ach was, ich nehme den Daumen", sagte er missmutig, stellte ein Glas vor sich auf den Tisch und näherte die Hand mit Todesverachtung der Messerschneide. Als die Klinge endlich ins Fleisch drang, stieß er einen entsetzlichen Schrei aus. Aber er hatte es geschafft, einige Blutstropfen perlten in das Glas, der Strauch würde antworten müssen.

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Der Hexer klebte ein Pflaster auf die Wunde, nahm das Glas und verließ die Hütte. Er hatte sich nicht gerade viel Blut abgezapft und als der Busch damit betröpfelt war, verging einige Zeit, bevor die Blätter zu wispern begannen. Es war das Zeichen, dass sie ihr Wissen preisgeben würden.

Kaligmo berichtete, worum es ihm ging.

"Ich brauche ein besonderes Rezept, um in der Smaragdenstadt den Scheuch zu bestrafen, den sie weise nennen", verlangte er.

"Ich weiß, wie man Gold zu Eisen macht", begann ein Blatt.

"Gold zu Eisen? Ich glaube, der Scheuch legt keinen Wert auf Reichtümer. Das nützt mir nichts."

"Ich kann dir sagen, wie man ihn in einen silbernen Uhu verwandelt und seine Frau in eine Messingeule", gab ein zweites Blatt kund. "Die beiden müssten aber in den Kupferwald kommen."

"Es ist mir zu kompliziert, ihn hierher zu locken", erklärte der Hexer unzufrieden. "Er wird auch keine Lust haben, gerade mich zu besuchen. Ratet mir etwas anderes."

Es wurde still. Dann wisperte ein Blatt tief im Innern des Strauchs:

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"Du könntest ihm die schwarzen Kaktusmänner schicken. Ich verrate dir, wie man sie ruft."

Kaligmo hatte noch nie von solchen Männern gehört.

"Wer soll das sein? Was können sie ausrichten?"

Das Blut im Busch war fast verdunstet. Das Blatt sprach so leise, dass sich der Hexer weit hinabbeugen musste, um etwas zu verstehen. Als er die Antwort gehört hatte, klatschte er in die Hände.

"Das ist gut. Das wird sie lehren, mich zu verhöhnen!"

"Du solltest den Stachelkugeln aber dein Blut beimischen", flüsterte das Blatt.

"Mein Blut? Kommt nicht in Frage! Es reicht mir schon, dass ich euch damit bedienen muss."

"Dann ... nimm ... Schlangenblut. Aber Vor... sicht ..."

"Vorsicht in welcher Beziehung", rief Kaligmo. "Ich versteh dich nicht." Er schlug wütend mit der Faust in den Strauch.

Doch der hatte keine Kraft mehr, Antwort zu geben. Die Blätter schwiegen. Um weiteres zu erfahren, hätte der Hexer erneut seinen Daumen anzapfen müssen. Davor aber graute ihm.

"Ach was, ich werd schon aufpassen", sagte er laut. "Wie war das? Eine Paste aus Lehm, Kupferbaumharz und schwarzen Kaktusstacheln. Bei abnehmendem Mond zur Kugel geformt. Etwas Schlangenblut hinein. Gut, das alles lässt sich machen."

Noch am gleichen Tag ging Kaligmo ans Werk. Lehm und Harz ließen sich leicht auftreiben, schwarze Kakteen, denen er die Stacheln abschneiden konnte, fand er in der Ebene. Schwieriger war es schon, eine Schlange zu fangen. Aber auch das schaffte er letztlich, indem er Drahtnetze mit Fleischködern auslegte.

Als Kaligmo alles beisammen hatte, rührte er einen dicken Brei an und formte bei abnehmendem Mond, vorsichtig, damit er sich nicht an den Stacheln verletzte, mehrere kinderkopfgroße Kugeln. Er trug sie hinaus auf die Lichtung, legte sie im Halbkreis ins Gras, holte seinen Zauberstab und rief:

"Kantus, Kaktus, Höllenglut,
zeig dich, schwarze Dornenbrut!"

Mit der Stockspitze wies er nacheinander auf jede der Kugeln und stampfte dabei mit dem Fuß auf.

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Einige Sekunden lang geschah nichts, dann aber ertönte ein Zischen und Knacken, Flammen züngelten im Gras auf und die Kugeln begannen zu wachsen. Sie bewegten sich hin und her, bekamen Auswüchse, reckten sich eiförmig empor. Das erste Ei reichte dem Hexer bereits bis zum Kinn, das zweite hatte Brusthöhe, das dritte ragte über den Gürtel hinaus. Plötzlich gab es einen Knall, die erste Kugel war geplatzt und heraus sprang ein rabenschwarzer Kerl, stachlig wie ein Kaktus. Er schaute sich verdutzt um und fragte:

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"Bist du mein Herr?"

"Der bin ich und ich verlange unbedingten Gehorsam", erwiderte Kaligmo.

Der Mann, einen Kopf größer als der Hexer selbst - im Ei hatte er sich zusammenducken müssen -, wollte etwas sagen, aber ein zweiter Knall ertönte. Dann ein dritter, vierter und so weiter. Endlich standen acht Kaktusmänner vor Kaligmo.

"Wie's aussieht, sind wir jetzt vollzählig", sagte der Hexer, "das erspart mir getrennte Erklärungen. Ihr wisst, dass ihr von mir erschaffen seid und mir gehorchen müsst!"

Die schwarzen Kerle nickten.

"Dann wollen wir nicht länger zögern. Zeigt, was ihr könnt!"

Die Männer bückten sich und begannen mit ihren Stachelhänden den Boden aufzureißen. Jeder brach einige Dornen von seinem Körper, die aber sofort nachwuchsen. Die Dornen wurden in der Erde verbuddelt, dann traten die Kerle einen Schritt zurück.

Der Hexer wartete gespannt auf das, was nun geschehen würde, und er musste sich nicht lange in Geduld fassen. Schon nach wenigen Minuten schossen schwarze Triebe aus der Erde. Sehr schnell wuchsen sie zu Stachelhecken und großen Kakteen heran.

Kaligmos Augen leuchteten auf.

"Gut, ihr habt die Probe bestanden, das genügt für heute. Ruht euch nun aus, sammelt Kräfte. Morgen werde ich euch neue Anweisungen geben."

Er ließ die Kaktusmänner stehen und kehrte in seine Hütte zurück. Zum ersten Mal seit langer Zeit war er wieder heiter gestimmt. Er wusste, er würde seine Rachepläne verwirklichen.

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Schlimme Überraschungen

Betty Strubbelhaar, die Frau des Weisen Scheuch, liebte Blumen über alles. Das war auch kein Wunder, denn im Zauberland, wo meist die Sonne schien, gediehen sie in besonderer Pracht. Vor allem wenn man sie hegte und pflegte, wie es die Puppe tat. In ihrem Garten hinter dem Palast hatte sie herrliche Beete und Rabatten angelegt, sie tauschte sich auch gern mit dem Hofgärtner über neue Rosen- und Geranienzüchtungen aus.

An diesem Morgen war sie früh aufgestanden, denn sie hatte einen Margeritenbusch gepflanzt und wollte sehen, wie ihm die Nacht bekommen war. Doch kaum aus der Tür getreten, blieb sie erschrocken stehen. Mitten in einem Lilienbeet, das an einen kleinen Teich grenzte, wuchs ein großer schwarzer Kaktus.

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Betty hatte nichts gegen Kakteen, neben dem Zaun hatte sie vor einiger Zeit selbst einen Steingarten mit solchen Gewächsen angelegt, aber das hier war erstaunlich. Sie hätte schwören können, dass diese knollige Pflanze gestern noch nicht da gewesen war.

Den Kaktus musste jemand nachts eingepflanzt haben, denn um ihn herum waren die Lilien niedergetrampelt. Da will uns einer einen Streich spielen, dachte die Prinzessin. Sie fand das überhaupt nicht lustig.

Sie ging weiter – plötzlich war der saubere Kiesweg von einem Dornengesträuch versperrt, das links und rechts in die Hyazinthenrabatten wucherte. Das kann nicht wahr sein, ich träume, sagte sich die Prinzessin verärgert und stampfte mit dem Fuß auf. Sie wollte um den Strauch herumgehen und musste erkennen, dass sich auch an anderen Stellen solch stachliges Unkraut ausbreitete. Bei den Tulpen, den Nelken oder einfach auf gut geschorenem Rasen. Betty war sprachlos.

Ein Vogel flog vorbei, es handelte sich um eine gute Bekannte, Tütü, die Amsel.

"Es waren große schwarze Männer", rief sie. "Ich hab sie beobachtet."

"Fremde Männer, wann?", fragte die Puppe.

"Heute morgen, heute morgen", flötete Tütü.

"Das ist unmöglich. Die Sträucher und Kakteen können in der kurzen Zeit nicht so gewachsen sein!", widersprach Betty.

"Stimmt aber doch. Schwarze, stachlige Männer. Zauberer", beharrte die Amsel.

Betty war verblüfft. Beim kürzlichen Zauberwettbewerb hatte sich alles in der Smaragdenstadt versammelt, was auch nur ein bisschen von Hexerei verstand. Schwarze stachlige Männer waren nicht dabei gewesen.

Sie lief in den Park, der sich an ihren Garten anschloss, und musste dabei mehrfach Dornenhecken oder Kakteen umgehen. Der Hofgärtner, der gerade erst aus dem Bett gesprungen war, kam ihr aufgeregt entgegen.

"Hast du das gesehen, Prinzessin?", rief er. "Überall dorniges Unkraut, was für eine Gemeinheit!"

"Im Park sollen Zauberer am Werk gewesen sein. Wir müssen sie daran hindern, noch mehr Unheil anzurichten."

Sie eilten weiter, der Gärtner griff sich einen Rechen, der an einem Apfelbaum lehnte. Sie rannten am Springbrunnen vorbei, bogen um einen Milchbeerenbusch und blieben verdutzt stehen. Zwischen zwei Erlen hockte ein Kerl im Gras, der einem Baumstumpf mit Dornen glich. Mit den Händen wühlte er im Boden und während die beiden Ankömmlinge noch nach Luft rangen, schoss aus der Erde vor ihm ein hässlicher grüner Strunk.

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"Wer bist du und was treibst du da?", fragte Betty empört.

"Hecken, Kakteen." Ohne aufzublicken, grub der Kerl weiter.

"Was soll das, hör sofort auf damit!" Der Gärtner ging mit dem Rechen auf den Mann los.

Ein Geräusch ließ Betty herumfahren. Wie aus dem Erdboden geschnellt, standen zwei Stachelkerle hinter ihnen, hockten sich hin und begannen gleichfalls zu graben. Allerdings waren sie nicht schwarz, sondern dunkelblau.

Inzwischen wuchs der Strunk vorn blitzschnell in die Höhe. Der Stachelmann aber griff nach dem Rechen des Gärtners, riss ihn an sich und zerbrach ihn mühelos in mehrere Stücke.