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© 2020 Straub, Matthias

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783751975667

Inhalt

  1. Die tarifvertraglichen Rahmenbedingungen
    1. Eingruppierungssystematik
    2. Die Bedeutung der Qualifikationsvoraussetzung im TV-V
  2. Die Eingruppierungslogik der Anlage 1 zum TV-V
    1. Das Baukastenprinzip und die Heraushebungsmerkmale
    2. Die Notwendigkeit einer Funktions- und Stellenbeschreibung
  3. Die Abhängigkeit von der persönlichen Entwicklung eines Mitarbeiters zu seiner Entgeltentwicklung
  4. Die betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Tarifrechts
  5. Die leistungsorientierten Entgeltmöglichkeiten des TV-V
  6. Die paritätisch besetzte Kommission als Exekutive und als Korrektiv
  7. Die (Neu-) Bewertung aller Stellen im Unternehmen
  8. Die Einpassung der Stellenwertigkeiten in das Kompetenzmodell „Jobfamilie“
  9. Anlagen: Beispiele aus der betrieblichen Praxis und sonstige Dokumente

Einführung / Idee zum Buch

Der Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe (TV-V) ist ein Spartentarifvertrag der Energieversorgungsbranche. In Deutschland gibt es neben den großen Energieversorgern wie Vattenfal, E.O.N oder EnBW auch sehr viele Kommunale Energieversorger, oft auch Stadtwerke genannt. Aufgrund der Mitgliedschaft in einem Kommunalen Arbeitgeberverband sind die meisten dieser Stadtwerke automatisch Pflichtanwender des Tarifvertrages für Versorgungsbetriebe und müssen diesen Tarifvertrag als Arbeitgeber anwenden. Selbst Stadtwerke, die nicht im Arbeitgeberverband organisiert sind, nutzen oftmals gewillkürt die Möglichkeit, den Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe anzuwenden, was arbeitsrechtlich möglich ist.

In Summe kann man davon ausgehen, dass von den ca. 900 Kommunalen Stadtwerken 80% den TV-V anwenden. Ein sehr wichtiger Regelungsinhalt des TV-V ist die Entgeltsystematik und die Eingruppierungslogik für die Arbeitnehmer. Im Gegensatz zu vielen anderen Tarifverträgen hat der TV-V jedoch keine umfangreiche und gut ausformulierte Entgeltordnung, sondern beschreibt eher in einer Art Baukastenprinzip die Rahmenbedingungen, teilweise bestückt mit Beispielen aus der Praxis.

Die Notwendigkeit einer Stellenbewertung ergibt sich aus deren Definition (Quelle gradar.com):

Der Begriff Stellenbewertung beschreibt ein standardisiertes Verfahren, das auf der Basis von Stellenanforderungen Positionen innerhalb eines Unternehmens bewertet. Als Synonyme sind Funktionsbewertung sowie Positionsbewertung üblich.

Dieses Buch beschreibt praxisorientiert die Möglichkeiten, die der TV-V bietet und wie man insbesondere die Regelungen für den jeweiligen Bedarf im Betrieb umsetzen kann. Es beschreibt zusätzlich eine gute Möglichkeit, dies für eine Vielzahl von Stellen in einem überschaubaren Zeitrahmen zu tun.

Bevor man sich dem Thema Stellenbewertung zuwendet, sollte man wissen, dass es dafür mehrere Möglichkeiten der Vorgehensweisen gibt. Jede davon hat Vorteile, aber auch Nachteile. Ich stelle nachfolgend die zwei bekanntesten Umsetzungsmodelle vor und gehe jeweils auf die Besonderheiten bzw. auf die Vor- und Nachteile ein:

Umsetzungsmodell Analytisches Punktwertverfahren Umsetzungsmodell Summarisches Tarifkatalogverfahren
  • Tarifbegründung muss hier erst gefunden werden
  • Durchgängige Kriterien
  • Aufwendig in der Umsetzung
  • Bedarf starker externer Unterstützung
  • Rollen und Funktionen sind besser berücksichtigt
  • Steuerung des Projektes sollte mit starker externer Hilfe erfolgen (Kosten)
  • Know-How wird eingekauft
  • Stark am TV-V orientiert
  • Vergleichbarkeit manchmal schwierig
  • Rechtliches Wissen aus TV-V notwendig
  • Kann bei gutem Tarifwissen und Abstimmung selbst erledigt werden
  • Hierarchie und Aufgaben stehen im Vordergrund
  • Steuerung kann intern erfolgen
  • Know-How wird im Haus entwickelt

Wir haben in unserem Unternehmen eine Mischung aus beiden Modellen „erfunden“, was uns zu Beginn gar nicht so klar war, aber heute aufgrund der guten Ergebnisse und der gewonnenen Erkenntnisse im Unternehmen feststeht. Die Mischung bestand darin, zwar summarisch vorzugehen, aber mit unseren neuen Stellenbeschreibungen dennoch eine Basis zu schaffen, die sehr viel tiefer blicken lassen konnte. Denn selbstverständlich haben wir Rollen, tariflich nicht definierte Einflussfaktoren und auch Spezialkompetenzen bei der Bewertung einfließen lassen. Darüber hinaus ist die seither explizit eingerichtete Paritätische Kommission (PAKO) heute in der Lage, schnell, strukturiert und tariflich komplett nachvollziehbar Stellen zu bewerten, da unser eigenes Vorgehen die Eigenschaften der beiden Modelle vereint.

Natürlich ist unser Modell nicht automatisch für jedes EVU geeignet, jedoch stecken in dem Modell einige Erfolgsfaktoren, die zum Gelingen vorhanden sein müssen, nämlich:

Sollte einer der Faktoren fehlen, wird unser Modell nicht gelingen können, dann sollte man sich externen Rat holen, der aber oftmals nicht günstig ist. Trotzdem sollten die Kosten nicht gescheut werden, will man eine einheitliche und anerkannte Systematik bei den Stellenwerten haben.

Zum Autor:

Matthias Straub, Jahrgang 1964, schlug zunächst nach seiner Mittleren Reife eine Beamtenlaufbahn in der Kommunalverwaltung ein. Bereits kurz nach der Staatsprüfung kam er in den Bereich des Personalmanagements, dem er bis heute treu blieb.

Das Beamtenrecht ließ ihm keine Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung offen, weshalb er nach 12 Jahren den Ausstieg aus dem sicheren Hafen wagte und bei einem Kommunalen Energieversorger als Sachbearbeiter in der Personalverwaltung anheuerte. Nach Abschluss eines berufsbegleitenden Betriebswirtschaftsstudiums übernahm er nach und nach Projektarbeiten im Personalbereich, führte einige Jahre eine Arbeitsgruppe in der Personalabteilung und ist nun seit vielen Jahren als Personalleiter des Unternehmens mit 700 Mitarbeitern gesamtverantwortlich für das Personalmanagement und dessen Strategie.

Seit 2012 ist er außerdem in Personalunion Geschäftsführer einer zum Konzern gehörenden Gesellschaft mit mehr als 80 Mitarbeitern. Als Mitglied im Arbeitgeberverband, als beisitzender Richter am Sozialgericht und Arbeitsgericht und als aktiver Netzwerker ist er immer auf der Suche nach Lösungen für den Personalbereich.

Er hat den TV-V im Unternehmen eingeführt und danach alle Stellen im Unternehmen neu bewertet. In Kenntnis und mit Zustimmung der Geschäftsführung und des Betriebsrates beschreibt er die Tarifumsetzung im Konzern Stadtwerke Heidelberg und stellt sogar in den Anlagen zu diesem Buch sehr viele Unterlagen zur Verfügung, deren Inhalte für die Umsetzung teilweise als Blaupause verwendet werden könnten.

Dieses Buch ist die 2. Veröffentlichung des Autors, der im Jahr 2018 bereits das Fachbuch „Personalmanagement auf einen Nenner gebracht“ herausbrachte, ebenfalls erschienen bei Book on Demand (BoD).

1. Die tarifvertraglichen Rahmenbedingungen

Im TV-V befindet sich im § 5 Abs. 1 der wichtigste Regelungsinhalt zu den Eingruppierungen eines Arbeitnehmers. Der genaue Wortlaut:

§ 5 Eingruppierung

(1) 1 Der Arbeitnehmer ist entsprechend seiner mindestens zur Hälfte regelmäßig auszuübenden Tätigkeit in einer Entgeltgruppe nach Anlage 1 eingruppiert. 2Soweit in Anlage 1 ausdrücklich ein von Satz 1 abweichendes Maß bestimmt ist, gilt dieses. 3Erreicht keine der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeiten das in Satz 1 oder 2 geforderte Maß, werden höherwertige Tätigkeiten zu der jeweils nächstniedrigeren Tätigkeit hinzugerechnet.

Der sehr kurz gehaltene Absatz 1 beinhaltet lediglich drei wichtige Hinweise, die dann auf alle Anwendungsfälle der Eingruppierung anzuwenden sind:

1A. Die Entgeltsystematik des TV-V

Der Tarifvertrag baut in 15 Entgeltgruppen die 15 Wertigkeiten in aufsteigender Reigenfolge auf. Dabei ist die Entgeltgruppe 1 mit einem sogenannten Ausschließlichkeitskatalog definiert, also ausschließlich nur für die einfachsten Tätigkeiten gedacht. Hierzu zählen z.B. Reinigungsarbeiten. Mit der „Niedrig“-Entgeltgruppe 1 soll verhindert werden, dass das Unternehmen diese einfachsten Tätigkeiten auslagert. Aus diesem Grund beinhaltet diese Entgeltgruppe auch keine Stufensprünge. Das Entgelt steigt also nicht im Laufe der Zugehörigkeit in den Stufen. Diese Stufensystematik gilt erst ab der Entgeltgruppe 2.

Mit jeder höheren Entgeltgruppe steigert sich entweder die Komplexität, das notwendige Fachwissen oder die Verantwortung der zu erfüllenden Tätigkeiten. Der Tariftext nutzt dabei Oberbegriffe und teilt die Entgeltgruppen dabei noch in Unterpunkte ein, wobei es für die Entgeltgruppe 1 bis 3 nur jeweils einen Oberbegriff gibt. Bereits ab der Entgeltgruppe 4 sieht der Tarifvertrag zwei Punkte mit Oberbegriffen vor. In den Entgeltgruppen 5 bis 9 und in Entgeltgruppe 11 gibt es jeweils drei Unterpunkte von Oberbegriffen. Damit wird die Logik des Baukastenprinzips abgebildet (Details dazu in Punkt 2). In der Entgeltgruppe 10 und in den Entgeltgruppen 12 bis 15 sind es dann wieder nur zwei Unterpunkte mit Oberbegriffen. Daneben sind in den Entgeltgruppen 3 bis 11 Beispielkataloge von Tätigkeiten mit der jeweiligen Bewertung genannt, die bei Treffgenauigkeit automatisch den Oberbegriff als angenommen bestätigen.