Cover

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Über den Autor
Hinter dem Namen Erin Hunter verbergen sich gleich mehrere Autorinnen: Während Victoria Holmes meistens die Ideen für die Geschichten hat und das gesamte Geschehen im Auge behält, bringen Cherith Baldry, Kate Cary und Tui Sutherland die Abenteuer der Katzen-Clans zu Papier. Ebenfalls aus der Feder dieses erfolgreichen Autorinnenteams stammt die BärenFantasyreihe SEEKERS.
Impressum
Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(ISBN 978-3-407-81150-9)
www.beltz.de
© 2013 Beltz & Gelberg
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2009 Working Partners Limited
Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel
Warriors, Super Edition, Bluestar’s Prophecy bei
HarperCollins Children’s Books, New York
Aus dem Englischen von Klaus Weimann
Lektorat: Susanne Härtel
Umschlaggestaltung/Artwork: Johannes Wiebel, punchdesign, München
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-74410-4
Besonderen Dank an Kate Cary
WARRIOR CATS
In die Wildnis (Band 1)
Feuer und Eis (Band 2)
Geheimnis des Waldes (Band 3)
Vor dem Sturm (Band 4)
Gefährliche Spuren (Band 5)
Stunde der Finsternis (Band 6)
WARRIOR CATS
Die neue Prophezeiung
Mitternacht (Band 1)
Mondschein (Band 2)
Morgenröte (Band 3)
Sternenglanz (Band 4)
Dämmerung (Band 5)
Sonnenuntergang (Band 6)
WARRIOR CATS
Die Macht der drei
Der geheime Blick (Band 1)
Fluss der Finsternis (Band 2)
Verbannt (Band 3)
Zeit der Dunkelheit (Band 4)
Lange Schatten (Band 5)
WARRIOR CATS
Special Adventure
Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans

Blausterns Prophezeiung
WARRIOR CATS
Die Welt der Clans
Das Gesetz der Krieger
Alle Abenteuer auch als Printausgaben und Hörbücher bei Beltz & Gelberg
www.warriorcats.de

DIE HIERARCHIE DER KATZEN

DONNERCLAN  
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Anführer
KIEFERNSTERN – rotbrauner Kater mit grünen Augen
Zweiter
Anführer
ABENDSONNE – leuchtend feuerfarbener Kater mit gelben Augen
Heiler
GÄNSEFEDER – gefleckter, grauer Kater mit hellblauen Augen; Mentor von FEDERBART
Krieger
(Kater und Kätzinnen ohne Junge)
 
KIESELPELZ – grauer Kater
 
STURMSCHWEIF – blaugrauer Kater mit blauen Augen
 
VIPERNZAHN – braun gefleckter und gestreifter Kater
 
BERNSTEINFLECK – hellgrau gescheckter Kater mit bernsteinfarbenen Augen
 
SPATZENPELZ – großer, dunkelbraun gestreifter Kater mit gelben Augen
 
KLEINOHR – grauer Kater mit sehr kleinen Ohren und bernsteinfarbenen Augen; Mentor von WEISSPFOTE
 
DROSSELPELZ – sandgrauer Kater mit weißem Brustfleck und hellgrünen Augen
 
ROTBRUST – kleine, resolute, braune Kätzin mit rotbraunem Brustfleck
 
WUSCHELPELZ – schwarzer Kater mit ständig gesträubtem Fell und gelben Augen
 
WINDFLUG – grau gestreifter Kater mit hellgrünen Augen; Mentor von TUPFENPFOTE
 
FLECKENSCHWEIF – hell gestreifte Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen (später Mutter von Löwenjunges und Goldjunges)
Schüler
(über sechs Monde alt, in der Ausbildung zum Krieger oder Heiler)
 
FEDERBART – silberner Kater mit bernsteinfarbenen Augen, langen Schnurrhaaren
 
TUPFENPFOTE – schildpattfarbene Kätzin mit schön geflecktem Fell
 
WEISSPFOTE – hellgraue Kätzin, auf einem Auge blind
Königinnen
(Kätzinnen, die Junge erwarten oder aufziehen)
 
FRISCHBRISE – weiße, gefleckte Kätzin mit gelben Augen; Mutter von Leopardenjunges und Flickenjunges
 
MONDBLÜTE – silbergraue Kätzin mit dunklen Streifen an den Flanken; Mutter von Blaujunges und Schneejunges
 
MOHNRÖTE – langhaarige, dunkelrote Kätzin mit buschigem Schwanz; Mutter von Rosenjunges, Heckenjunges und Stacheljunges
Älteste
(ehemalige Krieger und Königinnen, jetzt im Ruhestand)
 
GRASBART – orangefarbener Kater mit weißen Flecken
 
NUSCHELFUSS – brauner Kater mit bernsteinfarbenen Augen
 
LERCHENLIED – schildpattfarbene Kätzin mit hellgrünen Augen
SCHATTENCLAN  
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Anführer
ZEDERNSTERN – dunkelgrauer Kater mit weißem Bauch
Zweiter
Anführer
STEINZAHN – grau gestreifter Kater mit langen Zähnen
Heilerin
SALBEIBART – weiße Kätzin mit langen Schnurrhaaren
Krieger
FETZENPELZ – großer, dunkelbraun gestreifter Kater
WINDCLAN  
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Anführerin
HEIDESTERN – hellgraue Tigerkätzin mit rosa schimmerndem Fell und blauen Augen
Zweiter
Anführer
SCHILFFEDER – hellbraun gestreifter Kater
Heiler
HABICHTHERZ – gefleckter, dunkelbrauner Kater mit gelben Augen
Krieger
RIESENSCHWEIF – schwarz-weißer Kater mit langem Schwanz
Ältester
WEISSBEERE – kleiner, reinweißer Kater
FLUSSCLAN  
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Anführer
JUBELSTERN – grauer Kater mit dichtem Fell
Zweiter
Anführer
MUSCHELHERZ – grau gefleckter Kater
Heilerin
BROMBEERBLÜTE – hübsche, weiße Kätzin mit schwarzen Tupfen und blauen Augen
Krieger
WELLENKRALLE – schwarz-silbern gestreifter Kater
 
BAUMPELZ – brauner Kater
 
EULENPELZ – braun-weißer Kater
 
OTTERSPRUNG – weiß-goldene Kätzin
 
EICHENHERZ – rotbrauner Kater
Schüler
SCHIEFPFOTE – kräftiger, grau gestreifter Kater mit schiefem Maul
Königin
LILIENHALM – hellgraue Kätzin
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PROLOG
Blaustern blieb oben auf dem Abhang plötzlich stehen. Hundegestank traf auf ihre Kehle. Die Farnwedel schwankten, dunkle Gestalten schwärmten durch die Schlucht. Feuerherz’ orangefarbenes Fell leuchtete wie eine Flamme durch das Grün. Er hielt einen großen Abstand zwischen sich und der Meute, aber jetzt sprintete der Leithund los und näherte sich immer mehr dem Zweiten Anführer des DonnerClans.
Nein! Nicht ihn! Den darfst du nicht zu Beute machen!
Blaustern stürzte den Abhang hinab. Keuchend und mit brennenden Muskeln lief sie zwischen den Bäumen hindurch und ihre Pfoten glitten immer wieder auf dem laubbedeckten Waldboden aus. Sie schoss durch einen Farnbusch, rannte ohne etwas zu sehen weiter, als die Wedel gegen ihr Gesicht peitschten. Die Schlucht war nahe. Sie konnte den Fluss zwischen den steilen, grauen Felswänden donnern hören. Würde Feuerherz es schaffen, die Hundemeute über die Kante zu locken? Und wenn ihn der Leithund vorher schnappte?
Sie brach aus dem Farn heraus und blieb auf einer Lichtung am Rand der Klippe stehen. Blätter segelten unter ihren rutschenden Pfoten in den Abgrund.
O SternenClan, nein!
Feuerherz, der Zweite Anführer des DonnerClans, hing zwischen den glänzenden Zähnen eines riesigen Hundes. Der Kater wehrte sich fauchend vor Wut. Der Hund schüttelte ihn und seine Augen leuchteten triumphierend, aber seine ungeschickten Pfoten schlitterten gefährlich nahe an den Rand der Schlucht.
»Ich lasse nicht zu, dass du meinen Clan zerstörst!«, brüllte Blaustern. Sie warf sich gegen Feuerherz’ Gegner und krachte mit dem Kopf in seine Flanke.
Überrascht ließ der Hund Feuerherz fallen und wirbelte herum. Blaustern kauerte sich nieder und fuhr die Krallen aus. Das Blut dröhnte ihr in den Ohren, aber sie spürte keine Angst. Mondelang hatte sie sich nicht so lebendig gefühlt. Sie schlug in Richtung der Hundeschnauze, doch die Krallen fuhren durch leere Luft. Der Hund glitt von ihr weg! Die Erde unter seinen Hinterbeinen gab nach. Ein Schauer von Steinbrocken regnete die steile Wand der Schlucht hinab, als die Pfoten des Hundes strampelnd nach Halt suchten. Doch seine stumpfen Krallen rutschten nur über den mit Laub bedeckten Waldboden und unbarmherzig wurden seine Hinterbeine über den Klippenrand gezogen.
Die Meute donnerte näher.
»Blaustern!«, schrie Feuerherz.
Aber Blaustern wandte die Augen nicht von dem Leithund ab, war in seinem panischen Blick gefangen, während hinter ihr die Hunde bereits durch den Farn zu brechen begannen.
Die Meute hatte sie fast erreicht.
Blaustern grub die Krallen in die weiche Erde und plötzlich füllte sich die Luft mit saurem Angstgeruch. Die heranstürzenden Hunde hatten die Schlucht erblickt, und ihr Wutgeheul wandelte sich in ängstliches Winseln, als sie immer dichter an die Felskante heranrutschten. Blaustern wich nicht aus, als ein entsetztes Jaulen durch die Schlucht hallte. Sie kniff die Augen zusammen, die immer noch auf den Leithund gerichtet waren. »Ihr hättet den DonnerClan niemals bedrohen dürfen!«, fauchte sie.
Blitzschnell streckte der Hund den Kopf vor und packte ihr Bein mit den Zähnen. Sie spürte, wie der Boden unter ihr wegrutschte und der Hund sie mit sich über die Kante zog. Der tosende Wind blähte ihr im Fall das Fell auf, unten strudelte und schäumte der Fluss. Sie strampelte verzweifelt in der kalten, feuchten Luft und konnte sich erst einen Augenblick, bevor sie aufs Wasser aufschlug, von dem Hund frei machen.
Der eisige Fluss nahm ihr den Atem. Blindlings kämpfte sie gegen die Strömung an, ruderte nach oben an die Luft, das Herz voller Panik. Gänsefeders Prophezeiung blitzte auf in ihrem Kopf: Wasser wird dich vernichten.
Ihr dichtes Fell war schwer von Wasser und zog sie hinab. Überall war sie von stürzendem Flusswasser umgeben, und sie wusste nicht mehr, wo oben war. Ihre Lungen kreischten nach Luft, Entsetzen packte sie. Sie würde ertrinken, hier in den schäumenden Wassern der Schlucht.
Nicht aufgeben! Klar und vertraut klang ein Miauen durch das tosende Gewässer.
Eichenherz?
Der Vater ihrer Jungen murmelte ihr ins Ohr: Stell dir vor, du läufst durch den Wald. Lass deine Pfoten die Arbeit machen. Recke dein Kinn hoch. Lass das Wasser dich nach oben tragen.
Seine Stimme schien sie emporzutragen und dämpfte ihre Panik. Ihre Pfoten wühlten stetig durch das Wasser, ihr vor Schmerz verkrampftes Herz beruhigte sich, sie hob das Kinn, bis schließlich der Wind ihr ins Gesicht peitschte. Hustend und würgend schnappte sie nach Luft.
So ist’s gut, flüsterte ihr Eichenherz ins Ohr.
Seine Stimme klang so sanft, so verheißungsvoll. Vielleicht sollte sie sich einfach vom Fluss davontragen lassen in sein weiches Fell.
Blaustern, schwimm! Zum Ufer!, miaute Eichenherz nun scharf. Unsere Jungen warten.
Unsere Jungen! Wie ein Blitzschlag traf sie der Gedanke an die beiden.
Du darfst sie nicht zurücklassen, ohne ihnen Auf Wiedersehen zu sagen.
Frische Energie durchströmte sie und sie begann wieder zu kämpfen. Eine dunkle Gestalt prallte gegen sie, stieß sie wieder unter Wasser, aber sie arbeitete sich erneut an die Oberfläche, spuckte, als Wasser ihr Maul füllte und in ihre Kehle rann. Der strampelnde Körper eines Hundes taumelte an ihr vorbei und wurde flussabwärts getrieben.
Wenn nicht einmal ein Hund diese Strömung bezwingen kann, wie soll ich es dann können?
Baumwipfel verschwammen über ihr, als der strudelnde Fluss sie weiterriss.
Du kannst das!, drängte Eichenherz. Blaustern strampelte, stieß gegen das Wasser, aber ihre erschöpften Beine fühlten sich an wie aufgeweichte Blätter, nutzlos und schwach.
Plötzlich packten Zähne ihr Nackenfell. Würde Eichenherz sie in Sicherheit ziehen? Blaustern blinzelte sich das Wasser aus den Augen und konnte einen kurzen Blick auf orangefarbenes Fell werfen.
Feuerherz!
Der Zweite Anführer des DonnerClans hatte sie gepackt.
»Halte den Kopf hoch!«, knurrte er mit zusammengepressten Kiefern.
Blaustern versuchte ihm zu helfen, aber ihr Fell war schwer, und ihre Pfoten waren zu müde, um gegen das Gewicht des Wassers ankämpfen zu können. Feuerherz’ Zähne zerrten an ihrem Nackenfell, während das Wasser sie nach unten zog.
Dann strich ein zweiter Körper an ihrem vorbei.
Einer der Hunde?
Weitere Zähne bissen in ihr Nackenfell, Pfoten packten ihre Flanken und schoben sie hoch.
Sie fühlte die kräftigen, sanften Bewegungen von Katzen um sich herum. Trug sie der SternenClan in seine Jagdgründe?
Kaum mehr bei Bewusstsein, ließ sie sich durch das Wasser ziehen, bis Kiesel gegen ihre Flanke scheuerten und sie festen Grund unter sich spürte. Pfoten und Zähne hievten sie auf das sandige Ufer und legten sie auf weiches Gras. Ihre Brust fühlte sich an, als wäre sie voller Steine, jeder Atemzug war ein Kampf. Ihre Augen brannten, sie konnte nichts sehen.
»Blaustern!«
Sie erkannte das Miauen von Nebelfuß. Was ist mit Steinfell? Ist er auch hier?
»Wir sind beide hier.« Eine kräftige Pfote drückte gegen ihre Flanke.
Eichenherz hatte recht gehabt. Ihre Jungen hatten auf sie gewartet.
Blaustern öffnete mühsam die Augen. Sie konnte vage Steinfells Gestalt erkennen. Seine breiten Schultern hoben sich dunkel vor dem grünen Hintergrund der Bäume ab. Er ähnelt so sehr seinem Vater! Nebelfuß stand neben ihm, das nasse Fell klebte an ihr.
Blaustern spürte einen Atemhauch an ihrer Wange.
»Feuerherz! Sie lebt!«, rief ihre Tochter.
Feuerherz neigte sich zu ihr hinab. »Blaustern, ich bin’s, Feuerherz. Du hast es geschafft. Du bist in Sicherheit.«
Nur ganz leise konnte Blaustern ihn hören. Sie blickte auf ihre Jungen. »Ihr habt mich gerettet«, murmelte sie.
»Schsch! Nicht sprechen!«, drängte Nebelfuß.
Aber es ist doch noch so viel zu sagen! Blaustern streckte die Schnauze vor. »Ich will euch etwas sagen … Ich möchte euch bitten, mir zu verzeihen, dass ich euch weggeschickt habe.« Sie hustete, und Wasser sprudelte auf ihre Lippen, aber sie zwang sich, weiterzureden. »Eichenherz hat mir versprochen, Grauteich würde euch eine gute Mutter sein.«
»Das war sie«, miaute Steinfell kurz.
Blaustern zuckte zusammen. »Ich verdanke Grauteich so viel.« Sie wünschte, sie hätte mehr Atem, um alles zu erklären. »Eichenherz auch, der euch ein guter Mentor war.« Warum hatte sie keine Möglichkeit gefunden, ihnen das früher zu sagen? »Ich habe euch aufwachsen sehen und weiß, wie viel ihr dem Clan, der euch adoptiert hat, geben werdet. Wenn meine Entscheidung anders ausgefallen wäre, hättet ihr eure ganze Kraft dem DonnerClan geschenkt.« Ein Schauder lief durch ihren Körper und sie rang nach Luft. »Verzeiht mir.«
Sie starrte ihre Jungen an; die Zeit schien stillzustehen, als sie sah, wie Nebelfuß und Steinfell einen unsicheren Blick tauschten. Verzeiht mir.
»Sie hat für ihre Entscheidung viel erleiden müssen«, mischte sich Feuerherz ein. »Bitte verzeiht ihr.«
Sei still! Ihre Verzeihung würde nichts bedeuten, wenn sie dazu gedrängt werden mussten.
Nebelfuß senkte den Kopf, um ihrer Mutter die Wange zu lecken. »Wir vergeben dir, Blaustern.«
»Wir vergeben dir«, wiederholte Steinfell.
Blaustern schloss die Augen, als ihre beiden Jungen ihr vollgesogenes Fell zu lecken begannen. Es war das erste Mal, dass sie sich mit ihnen die Zungen gab, seit jenem schneereichen Tag, an dem sie die beiden Eichenherz überlassen hatte.
Sie musste sich jetzt nicht mehr an ihr letztes Leben klammern. Feuerherz würde eine neue Flamme entzünden und sie an ihrer Stelle durch den Wald lodern lassen. Der DonnerClan war in Sicherheit. Sie schloss die Augen und überließ sich der schwindelnden Finsternis.
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1. KAPITEL
»Warum hat sie ihre Augen immer noch nicht geöffnet?«
»Schsch, Frischbrise. Sie ist erst einen Tag alt. Sie macht sie dann auf, wenn sie so weit ist.«
Blaujunges fühlte die raue Zunge ihrer Mutter an ihrer Flanke und kuschelte sich enger an Mondblütes milchwarmen Bauch.
»Schneejunges hat ihre Augen heute Morgen geöffnet«, sagte Frischbrise. »Und meine beiden haben ihre fast vom Augenblick ihrer Geburt an offen gehabt.« Die Kätzin bewegte mit dem Schwanz ihr Nestmaterial. »Leopardenjunges und Flickenjunges sind geborene Krieger.«
Eine dritte Königin schnurrte sanft. »Oh, Frischbrise, wir wissen alle, dass kein Junges es mit deinen beiden aufnehmen kann«, neckte Mohnröte liebevoll.
Eine kleine Pfote stupste Blaujunges in die Seite.
Schneejunges!
Blaujunges maunzte ärgerlich und kuschelte sich enger an Mondblüte.
»Komm schon, Blaujunges!«, flüsterte ihr Schneejunges ins Ohr. »Es gibt so viel zu sehen, und ich möchte endlich nach draußen, aber Mondblüte lässt mich nicht, bevor du nicht so weit bist.«
»Sie wird zu ihrer eigenen Zeit die Augen aufmachen«, schnurrte Mondblüte.
Ja. Zu meiner eigenen Zeit.
Blaujunges wachte auf und merkte, dass auf ihr das Gewicht ihrer Schwester lag. Neben ihnen hob und senkte sich gleichmäßig Mondblütes Bauch. Frischbrise schnarchte und Mohnröte keuchte ein wenig beim Atmen.
Blaujunges hörte draußen Leopardenjunges und Flickenjunges plappern.
»Du bist die Maus und ich bin der Krieger!«, befahl Flickenjunges.
»Ich bin letztes Mal die Maus gewesen!«, widersprach Leopardenjunges.
»Bist du nicht!«
»Bin ich doch!«
Es kam zu einer Rangelei mit unnachgiebigem Quieken.
»Passt auf, wo ihr hinrollt!«, ertönte das ärgerliche Miauen eines Katers, das die beiden für einen Augenblick zum Schweigen brachte.
»Gut, du bist der Krieger«, stimmte Flickenjunges zu. »Aber ich wette, du kannst mich nicht fangen.«
Krieger!
Blaujunges wand sich unter ihrer Schwester hervor. Eine sanfte Brise bewegte die Brombeerwände und zog durch die Ritzen – der gleiche frische Waldduft der Blattfrische, den ihr Vater bei seinem Besuch an sich gehabt hatte. Er vertrieb den muffigen Geruch von Moos, Milch und schlafwarmem Fell.
In freudiger Erregung zuckten Blaujunges’ Krallen. Ich werde eine Kriegerin sein!
Zum ersten Mal machte sie die Augen auf, blinzelte angesichts der Lichtbahnen, die durch die Brombeerdecke fielen. Die Kinderstube war riesig! Im Dunkeln hatte sich der Bau klein und gemütlich angefühlt, aber jetzt konnte sie sehen, wie sich die Brombeerranken hoch über ihr wölbten, kleine Flecken vom Blau des Himmels darüber.
Mohnröte lag außen am Rand des Baus, eine dunkelrot gestreifte Kätzin mit langem, buschigem Schwanz. Blaujunges erkannte sie, weil sie anders roch als Frischbrise und Mondblüte. Sie verströmte keinen Milchgeruch, sie hatte noch keine Jungen.
Frischbrise im Nest neben ihr war kaum zu erkennen. Sie hatte sich zu einer festen Kugel zusammengerollt und die Nase unter den Schwanz gesteckt. Auf dem Farn, der ihr als Nest diente, war nur ihr geflecktes, weißes Fell zu sehen.
Der vertrauteste Duft von allen kam von hinten. Blaujunges wandte sich um und betrachtete ihre Mutter. Sonnenflecken tüpfelten Mondblütes silbergraues Fell und die dunklen Streifen, die ihre Flanke entlangliefen. Ihr getigertes Gesicht war schmal und ihre Ohren verjüngten sich zu sanften Spitzen. Sehe ich aus wie sie? Blaujunges schaute über die Schulter auf ihr eigenes Fell. Es war flauschig, nicht glatt wie das von Mondblüte, und vollständig grau, ohne Streifen. Noch jedenfalls.
Schneejunges, die auf dem Rücken ausgestreckt lag, war vollkommen weiß, abgesehen von ihren grauen Ohrenspitzen.
»Schneejunges!«, hauchte Blaujunges.
»Was ist?« Schneejunges blinzelte und öffnete die Augen. Sie waren blau.
Sind meine auch blau?
»Du hast deine Augen aufgemacht!« Schneejunges sprang hellwach auf die Pfoten. »Jetzt können wir raus aus der Kinderstube!«
Blaujunges entdeckte ein Loch in der Brombeerwand, gerade groß genug, dass zwei Junge sich hindurchzwängen konnten. »Flickenjunges und Leopardenjunges sind schon draußen. Wir wollen sie überraschen!«
Mohnröte hob den Kopf. »Geht nicht weit weg«, murmelte sie schläfrig und steckte die Nase wieder unter den Schwanz.
»Wo sind die Jungen von Mohnröte?«, flüsterte Blaujunges.
»Sie kommen erst in zwei Monden«, antwortete Schneejunges.
Kommen? Blaujunges legte den Kopf auf eine Seite. Woher?
Schneejunges ging schon auf die Öffnung zu und krabbelte unbeholfen über Mondblüte hinweg. Blaujunges stolperte hinter ihr her. Noch unsicher auf ihren kurzen Beinen, rutschte sie den Rücken ihrer Mutter hinab und landete im weichen Moos.
Das Nest raschelte, und Blaujunges spürte, wie eine weiche Pfote ihren Schwanz auf den Boden drückte. »Und wohin willst du?«
Blaujunges drehte sich um und blinzelte ihre Mutter an. »Nach draußen.«
Mondblütes Augen leuchteten und ein lautes Schnurren stieg in ihrer Kehle auf. »Du hast die Augen aufgemacht.« Sie klang erleichtert.
»Ich habe entschieden, dass es Zeit ist«, antwortete Blaujunges stolz.
»Siehst du, Frischbrise.« Mondblüte drehte sich um und weckte die weiß gefleckte Königin mit ihrem zufriedenen Miauen. »Ich hab doch gesagt, sie würde es zu ihrer eigenen Zeit tun.«
Frischbrise setzte sich auf und leckte sich eine Pfote. »Natürlich. Ich hatte nur an meine eigenen Jungen gedacht – die haben früher die Augen aufgemacht.« Sie wischte sich mit der Pfote über die Schnauze und glättete das Fell auf ihrer Nase.
Mondblüte wandte sich wieder ihren Jungen zu. »Ihr geht jetzt also hinaus und schaut euch die Welt an?«
»Warum nicht?«, miaute Blaujunges. »Leopardenjunges und Flickenjunges sind schon draußen.«
»Leopardenjunges und Flickenjunges sind fünf Monde alt«, erklärte ihr Mondblüte. »Sie sind viel größer als du, deshalb dürfen sie draußen spielen.«
Blaujunges riss die Augen weit auf. »Ist es denn gefährlich?«
Mondblüte schüttelte den Kopf. »Nicht im Lager.«
»Dann können wir also raus!«
Mondblüte seufzte, dann beugte sie sich vor und glättete Blaujunges’ Fell mit der Zunge. »Also gut, du musst ja irgendwann die Kinderstube verlassen.« Sie betrachtete Schneejunges aufmerksam. »Leg die Schnurrhaare glatt.« Stolz leuchtete in den bernsteinfarbenen Augen der Königin. »Ich will, dass ihr perfekt ausseht, wenn ihr den Clan trefft.«
Schneejunges strich eine angeleckte Pfote über ihre Schnurrhaare.
Blaujunges blickte zu ihrer Mutter auf. »Kommst du mit uns?«
»Möchtest du das?«
Blaujunges schüttelte den Kopf. »Wir wollen Flickenjunges und Leopardenjunges überraschen.«
»Eure erste Beute.« Mondblütes Schnurrhaare zuckten. »Dann mal los mit euch! Und kommt keiner Katze unter die Pfoten!«
Blaujunges rannte an ihrer Schwester vorbei durch die Öffnung.
»Und bleibt zusammen!«, rief Mondblüte ihnen noch nach.
Die Brombeerranken zupften an Blaujunges’ Fell, als sie sich aus der Kinderstube zwängte. Grelles Sonnenlicht stach ihr in die Augen, als sie im Freien auf die Erde purzelte. Sie blinzelte, bis sie allmählich etwas sehen konnte, und dann öffnete sich vor ihr das Lager wie ein Traum. Eine weite, sandige Lichtung dehnte sich zu einem Felsen aus, der einen so langen Schatten warf, dass er fast die Spitzen ihrer Pfoten berührte. Unter dem Felsen saßen zwei Krieger und teilten sich Beute neben einem Nesselbusch. Hinter ihnen lag ein umgestürzter Baum, dessen verschlungene Äste auf dem Boden aussahen wie ein Haufen magerer, haarloser Beine. Ein paar Schwanzlängen von der Kinderstube entfernt breitete niedriges Gebüsch seine Zweige über den Boden. Farne drängten sich in eine Ecke auf der anderen Seite der Kinderstube, und hinter ihnen erhob sich eine Barriere aus Ginsterbüschen, so hoch, dass Blaujunges den Hals recken musste, um den oberen Rand sehen zu können.
Wie aufregend! Das war ihr Territorium! Ihre Pfoten kribbelten. Würde sie sich jemals darin zurechtfinden?
Von Flickenjunges oder Leopardenjunges gab es keine Spur.
»Wo sind sie denn?«, rief sie Schneejunges zu.
Ihre Schwester blickte im Lager umher. »Ich weiß nicht«, murmelte sie zerstreut. »Schau dir diese Beute an!« Sie starrte auf einen Haufen Vögel und Mäuse am Rand der Lichtung. Obendrauf lag ein dickes, flauschiges Eichhörnchen.
»Der Frischbeutehaufen!« Mit zuckender Nase sprang Blaujunges darauf zu. Sie hatte die Königinnen in der Kinderstube von Beute reden hören und Eichhörnchen im Fell ihrer Mutter gerochen. Wie würde das schmecken? Sie stieß die Nase in den Haufen und versuchte, die Krallen in ein kleines Tier mit kurzem, braunem Fell und einem langen, dünnen Schwanz zu graben.
»Pass auf!«
Schneejunges’ Warnung kam zu spät. Blaujunges Pfoten gaben nach, als das dicke Eichhörnchen vom Haufen herunterrollte und sie umwarf. Uff!
Die beiden Krieger neben dem Nesselbusch schnurrten belustigt. »Ich habe noch nie gesehen, dass Frischbeute eine Katze angegriffen hat!«, miaute einer von ihnen.
»Vorsicht!«, warnte der andere Krieger. »Nicht dass du in dem Fell erstickst!«
Blaujunges wurde heiß vor Verlegenheit. Sie krabbelte unter dem Eichhörnchen hervor und starrte die Krieger böse an. »Es ist nur auf mich draufgefallen!« Sie wollte sich hier nicht einführen als das Junge, das von einem toten Eichhörnchen angesprungen wurde.
»He, ihr beiden!« Blaujunges erkannte Flickenjunges an seinem Geruch nach Kinderstube, als er hinter dem Bau hervortrottete. »Weiß eure Mutter, dass ihr draußen seid?«
»Natürlich!« Blaujunges wirbelte herum und erblickte zum ersten Mal ihren Baugenossen.
Oh. Sie hatte nicht erwartet, dass Flickenjunges so groß sein würde. Sein schwarz-weißes Fell war glatt wie das eines Kriegers, und sie musste den Kopf nach hinten legen, damit sie zu ihm hochschauen konnte.
Leopardenjunges hüpfte hinter ihrem Bruder her und schlug spielerisch nach seinem Schwanz. Ihr schwarzer Pelz glänzte im Sonnenschein. Sie blieb stehen und betrachtete erfreut Blaujunges. »Du hast die Augen aufgemacht!«
Blaujunges leckte sich die Brust und versuchte, ihr flauschiges Fell glatt zu streichen. Sie wünschte, es wäre so wie das der beiden.
»Wir können euch herumführen und alles zeigen«, miaute Leopardenjunges aufgeregt.
Schneejunges sprang um das ältere Junge herum. »Ja, bitte!«
Blaujunges schnippte verärgert mit dem Schwanz. Sie wollte nicht, dass man ihr das eigene Territorium zeigte, sie wollte es allein erkunden! Aber Leopardenjunges tappte schon auf den breiten Farnbusch in der Nähe der Ginsterbarriere zu. »Das ist der Schülerbau«, rief sie über die Schulter. »In einem Mond werden wir da schlafen.«
Schneejunges rannte hinter ihr her.
»Kommst du mit?« Flickenjunges stupste Blaujunges an.
Die schaute zurück zur Kinderstube. »Wirst du dann dein altes Nest nicht vermissen?« Plötzlich verspürte sie einen Anflug von Angst. Sie schlief gerne ganz dicht bei Mondblüte.
»Ich kann es kaum erwarten, bis ich in meinen neuen Bau umziehen darf«, jaulte Flickenjunges und raste auf den Schülerbau zu. »Es wird toll sein, wenn Frischbrise uns nicht dauernd sagt, wir sollen still sein und einschlafen.«
Blaujunges eilte hinter ihm her, als plötzlich die Farnwedel zitterten und ein schildpattfarbenes Gesicht zwischen den grünen Stängeln erschien.
»Wenn du erst mal mit deinem Training anfängst«, gähnte die verschlafen wirkende Schülerin, »wirst du froh sein, wenn du ein wenig Schlaf bekommst.«
»Hallo, Tupfenpfote!« Flickenjunges blieb vor dem Bau stehen, während sich die schildpattfarbene Kätzin ausgiebig streckte.
Blaujunges starrte Tupfenpfotes dichtes, glänzendes Fell an. Ihre Schultermuskeln bewegten sich, als sie aus dem Farn sprang und neben Flickenjunges landete. Plötzlich wirkte Blaujunges’ Genosse aus der Kinderstube nicht mehr ganz so groß.
»Wir führen Blaujunges und Schneejunges im Lager herum«, verkündete Leopardenjunges. »Es ist ihr erster Ausgang.«
»Vergesst nicht, ihnen auch den Schmutzplatz zu zeigen«, scherzte Tupfenpfote. »Weißpfote hat sich erst heute Morgen beklagt, dass sie dauernd die Kinderstube säubern soll. Die ist seit Monden voller Junge und mehr sind noch unterwegs.«
Blaujunges reckte das Kinn. »Schneejunges und ich können jetzt unser Nest selbst sauber halten.«
Tupfenpfotes Schnurrhaare zuckten. »Ich sag’s Weißpfote, wenn sie von der Jagd zurückkommt. Ich bin sicher, sie wird entzückt sein, das zu hören.«
Macht sie sich lustig über uns? Blaujunges kniff die Augen zusammen.
»Ich kann es kaum erwarten, bis ich auf die Jagd gehen darf!« Flickenjunges ließ sich ins Jagdkauern fallen und sein Schwanz wedelte aufgeregt.
Schnell wie der Wind nagelte ihn die Schülerin mit einer Pfote fest. »Vergiss nicht, den Schwanz still zu halten, sonst hört die Beute die aufgewirbelten Blätter.«
Flickenjunges zog seinen Schwanz unter der Pfote heraus und legte ihn flach auf den Boden.
Schneejunges unterdrückte ein Schnurren. »Er steht jetzt ab wie ein Stock«, flüsterte sie Blaujunges ins Ohr.
Die sagte nichts, sah nur aufmerksam zu und beobachtete genau, wie Flickenjunges die Brust auf den Boden presste, die Krallen ausfuhr und die Hinterpfoten direkt unter den Körper steckte. Ich werde die beste Jägerin sein, die der DonnerClan jemals gesehen hat.
»Nicht schlecht«, lobte Tupfenpfote Flickenjunges, dann wandte sie sich an Leopardenjunges. »Lass mal dein Jagdkauern sehen.« Leopardenjunges ließ sich sofort fallen und drückte den Bauch auf den Boden.
Blaujunges hätte es am liebsten auch versucht, aber nicht, bevor sie es allein geübt hatte. »Komm, lassen wir sie damit allein«, flüsterte sie Schneejunges zu.
Die starrte sie überrascht an. »Weggehen, ohne sie?«
»Wir gehen allein auf Erkundung.« Blaujunges sah eine Gelegenheit, sich unbemerkt davonzustehlen.
»Aber es macht doch Spaß, mit den …«
Blaujunges hörte nicht mehr zu und machte sich davon. Sie blickte über die Schulter und entdeckte neben der Kinderstube einen niedrigen, breiten Busch. Flickenjunges und Leopardenjunges würden sie dort nicht finden. Sie wirbelte herum, preschte zu dem Busch und tauchte unter einen Zweig. Als sie zu Atem gekommen war, nahm sie an den Blättern jede Menge verschiedener Gerüche wahr. Wie viele Katzen gab es im DonnerClan? Passten sie wirklich alle hier ins Lager?
Die Zweige bewegten sich und Schneejunges kam in ihr Versteck geplatzt.
»Ich dachte, du würdest nicht kommen!«, quiekte Blaujunges erstaunt.
»Mondblüte hat gesagt, wir sollen zusammenbleiben«, erinnerte sie Schneejunges.
Gemeinsam lugten sie hinaus und sahen, dass Leopardenjunges, Flickenjunges und Tupfenpfote ihr Verschwinden bemerkt hatten. Die drei Katzen blickten überrascht hinüber zur Kinderstube.
Tupfenpfote zuckte mit den Schultern. »Sie müssen zurück in ihr Nest gegangen sein.«
»Macht nichts.« Flickenjunges stolzierte um Tupfenpfote herum. »Jetzt kannst du uns zur Sandkuhle mitnehmen, wie du versprochen hast.«
Sandkuhle? Was ist das? Blaujunges wünschte plötzlich, sie wäre bei den anderen geblieben.
»Das habe ich euch nie versprochen!«, protestierte Tupfenpfote.
»Wir bekommen Schwierigkeiten, wenn wir erwischt werden«, warnte Leopardenjunges. »Wir sollen das Lager nicht verlassen, bevor wir Schüler sind, das weißt du doch.«
»Dann lassen wir uns einfach nicht erwischen«, miaute Flickenjunges.
Tupfenpfote schaute sich unentschlossen auf der Lichtung um. »Ich nehme euch bis zum Rand der Schlucht mit«, bot sie an. »Aber weiter nicht.«
Eifersucht brannte in Blaujunges’ Fell, als sie sah, wie Tupfenpfote Leopardenjunges und Flickenjunges zur Ginsterbarriere führte und sie unten durch einen Spalt verschwanden.
Vielleicht können wir ihnen folgen und sehen, wohin sie gehen …
Plötzlich stupste eine Schnauze sie am Hinterteil und sie purzelte aus ihrem Versteck heraus, ihre Schwester hinter ihr her. Unter den Blättern lugte ein graues Gesicht zu ihnen heraus.
»Was macht ihr hier? Das ist der Kriegerbau!«
»Tut mir l…leid!« Schneejunges zog sich schnell zurück.
Blaujunges richtete den Blick auf den Krieger. »Woher sollen wir das denn wissen?«, protestierte sie. Haben Krieger etwa einen besonderen Geruch oder so was?
Der gestreifte Kater verengte die Augen. »Seid ihr die Jungen von Mondblüte?«
Schneejunges’ Fell richtete sich auf und sie schaute auf ihre Pfoten hinunter.
Blaujunges hob das Kinn. Sie hatte keine Angst vor dem mürrischen Krieger. »Ja. Ich bin Blaujunges. Und das ist meine Schwester Schneejunges.«
Der Gestreifte glitt unter dem Busch hervor und richtete sich auf. Er war sogar noch größer als Tupfenpfote. Blaujunges machte einen Schritt zurück.
»Ich bin Kieselpelz«, miaute der graue Kater. »Sucht ihr Sturmschweif?«
Schneejunges blickte eifrig hoch. »Ist er hier?«
»Er ist auf der Jagd.«
»Wir haben ihn eigentlich nicht gesucht«, erklärte Blaujunges dem Krieger, obwohl sie ihren Vater gern gesehen hätte, nachdem sich jetzt ihre Augen geöffnet hatten. »Wir haben uns nur vor Flickenjunges und Leopardenjunges versteckt.«
»Also Verstecken gespielt.« Kieselpelz seufzte.
»Nein«, stellte Blaujunges richtig. »Sie haben versucht, uns im Lager herumzuführen, aber wir wollten es allein erkunden.«
Kieselpelz peitschte mit dem Schwanz. »Ein guter Krieger lernt von seinen Clan-Gefährten.«
»W…wir haben gedacht, dass es allein mehr Spaß macht«, platzte Schneejunges heraus.
Das Fell des Kriegers sträubte sich. »Es ist kein Spaß, wenn man bei einer wohlverdienten Ruhepause von einem Rudel Jungen geweckt wird.«
»Das tut uns leid«, entschuldigte sich Schneejunges. »Das haben wir nicht gewusst.«
»Das passiert, wenn man Junge allein rumlaufen lässt«, knurrte Kieselpelz und wandte den Blick zum Frischbeutehaufen. »Aber da ich nun einmal wach bin, kann ich genauso gut was essen.« Mit einem Schwanzschnippen machte sich der Krieger auf über die Lichtung und ließ die beiden Jungen allein.
Schneejunges wandte sich zu Blaujunges um. »Musstest du ausgerechnet den Kriegerbau als Versteck wählen?«
»Wie sollte ich das denn wissen?«, blaffte Blaujunges zurück.
»Wir hätten es aber gewusst, wenn wir bei Flickenjunges geblieben wären!«
Blaujunges schnippte mit den Ohren. Jetzt hatten sie erfahren, wo der Bau der Schüler und der Bau der Krieger waren. Sie hatten doch das Lager erkunden wollen, oder etwa nicht?
Sie schaute über die Lichtung und wartete, bis ihr Blick nicht mehr verschwommen war. So weit hatte sie noch nicht zu sehen versucht. Als der Felsen auf der anderen Seite der Lichtung scharf wurde, bemerkte sie unten an seinem Fuß eine Stelle mit festgetrampelter Erde. Pfotenspuren führten hinein in die Schatten und verschwanden an der Seite unter einem Flechtenvorhang. Wohin führten sie wohl?
Blaujunges vergaß, dass sie sich über Schneejunges geärgert hatte, und miaute: »Komm mit!« Sie rannte hinüber zu dem Flechtenvorhang und stupste mit den Pfoten dagegen. Die Flechten gaben nach und ihre Pfoten stießen durch den Vorhang ins Leere.
»Da ist ein Spalt!« Aufgeregt schob sich Blaujunges hindurch und befand sich in einer kleinen Höhle. Der Boden und die Wände waren glatt, und obwohl keine Katze da war, befand sich auf einer Seite ein Nest aus Moos. »Es ist ein Bau«, zischte sie durch die Flechten Schneejunges zu.
»Es ist der Bau von Kiefernstern«, antwortete eine Stimme, die nicht ihrer Schwester gehörte.
Blaujunges erstarrte für einen Augenblick. Dann schob sie sich vorsichtig rückwärts aus der Höhle hinaus. Hatte sie sich schon wieder in Schwierigkeiten gebracht?
Ein silberner Kater mit leuchtenden bernsteinfarbenen Augen saß neben Schneejunges.
»Hallo, Blaujunges.«
Blaujunges neigte den Kopf zur Seite. »Woher kennst du meinen Namen?«, fragte sie.
»Ich war bei deiner Geburt dabei«, erklärte der Kater. »Ich bin Federbart, der Schüler des Heilers.« Er nickte zu Kiefernsterns Bau hinüber. »Dort hinein darfst du nur gehen, wenn du eingeladen worden bist.« Sein Miauen klang sanft, aber ernst.
»Ich wusste nicht, dass da sein Bau ist. Ich habe mich nur gefragt, was hinter den Flechten ist.« Blaujunges schaute hinab auf ihre Pfoten. »Wirst du es Kiefernstern sagen?«
»Ja.«
Blaujunges’ Herz blieb fast stehen.
»Es ist besser, wenn ich es ihm sage. Er wird deinen Duft sowieso riechen«, erklärte Federbart.
Blaujunges blickte ängstlich zu ihm auf. Würde Kiefernstern nun sagen, dass sie keine Kriegerin werden durfte?
»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte sie Federbart. »Er wird sich bestimmt nicht ärgern. Wahrscheinlich freut ihn deine Wissbegier.«
»Kann ich dann auch hinein und mich umsehen?«, miaute Schneejunges.
Federbart schnurrte. »Der Duft von einem Jungen wird wie Wissbegier riechen«, erklärte er ihr. »Der von zwei Jungen nach Neugier.«
Schneejunges ließ den Schwanz sinken.
»Ich bin sicher, dass du eines Tages auch die Gelegenheit bekommst, hineinzuschauen«, versprach Federbart. »Ich könnte euch stattdessen zu den Ältesten bringen. Sie freuen sich, wenn sie neue Junge treffen.«
Wieder würden sie herumgeführt werden! Blaujunges’ Fell prickelte vor Ärger, aber sie erinnerte sich an das, was Kieselpelz gesagt hatte: Eine gute Kriegerin lernt von ihren Clan-Gefährten.
Federbart führte sie zu dem umgestürzten Baum und zwängte sich unter einem hervorstehenden Ast hindurch. Blaujunges tappte hinter ihm her, Schneejunges folgte ihr.
Gras, Farn und Moos sprossen aus den Spalten im Holz und ließen die verrottende Rinde in jugendlicher Blattfrische ergrünen. Blaujunges folgte Federbart, der sich durch ein Labyrinth von Zweigen wand, bis er eine offene Fläche zwischen dem Astgewirr erreichte.
Ein räudiger, brauner Kater lag da mit dem Rücken an den umgestürzten Stamm gelehnt, eine schildpattfarbene Kätzin wusch ihm die Ohren mit der Zunge. Am anderen Ende des Baus verzehrte ein zweiter Kater mit orangefarbenem, weiß geflecktem Fell eine Maus.
Als Federbart eintrat, blickte die Schildpattfarbene auf. »Hast du Mäusegalle gebracht?«, fragte sie hoffnungsvoll. »Nuschelfuß hat wieder eine Zecke.«
»Er will immer noch jeden Tag auf die Jagd gehen«, warf der orangefarbene Kater ein. »Natürlich kriegt er dann Zecken.«
»Der Tag, an dem ich aufhöre zu jagen, ist der Tag, an dem du für mich die Totenwache halten kannst, Grasbart«, miaute Nuschelfuß.
Grasbart nahm noch einen Bissen von der Maus. »Ich werde auch niemals zu jagen aufhören«, murmelte er mit vollem Maul. »Es gibt nicht genügend Schüler, die uns versorgen.«
»Flickenjunges und Leopardenjunges werden bald ihr Training aufnehmen«, erinnerte sie Federbart. »Und wir haben hier noch zwei, die auf dem Weg zum Schüler sind.« Er trat zur Seite und gab den Blick frei auf Blaujunges und Schneejunges.
Grasbart schaute von seiner Maus auf, Nuschelfuß setzte sich hin und spitzte die Ohren.
»Junge!« Die Augen der schildpattfarbenen Kätzin leuchteten und sie eilte vor und leckte feucht über Blaujunges’ Wange. Die duckte sich weg, rieb sich die Backe mit der Pfote ab und unterdrückte ein Schnurren, als Schneejunges die gleiche Begrüßung erfuhr.
»Es ist ihr erster Ausflug aus der Kinderstube, Lerchenlied«, erklärte Federbart. »Ich habe sie dabei erwischt, wie sie versuchten, ein Nest in Kiefersterns Bau zu machen.«
»Wir haben nicht …«, hob Blaujunges an zu protestieren.
»Kümmer dich nicht um Federbart«, unterbrach Lerchenlied sie. »Er neckt alle Katzen. Das ist eines der Vorrechte, wenn man Heiler-Katze ist.«
»Heiler-Schüler«, verbesserte sie Federbart.
»Hm!« Nuschelfuß legte den Schwanz über ihre Pfoten. »Was bedeutet, dass du ständig Gänsefeders Pflichten erfüllst, während dieser faule, alte Dachs so tut, als ob er Kräuter sammelt.«
»Schsch!« Lerchenlied warf ihrem Mitbewohner einen strengen Blick zu. »Gänsefeder tut sein Bestes.«
Nuschelfuß schnaubte verächtlich. »Welches Kraut wollte er heute Morgen angeblich suchen?«, fragte er Federbart.
Der Heiler-Schüler zuckte mit den Ohren. »Beinwell.«
»Nun, ich habe gesehen, wie er sich beim Eulenbaum gesonnt hat. Mit seinem Schnarchen hat er die ganze Beute verjagt.« Er deutete mit einem Schwanzschnippen auf den Happen, den Grasbart gerade verspeiste. »Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, wenigstens das zu finden.«
»Gänsefeder hat mir eine Menge beigebracht«, verteidigte Federbart seinen Mentor. »Und es gibt keine Pflanze im Wald, von der er nicht weiß, wie man sie nutzt.«
»Wenn er sich die Mühe macht, sie zu pflücken«, murmelte Nuschelfuß.
Federbart schaute auf Blaujunges und Schneejunges. »Nehmt das nicht ernst. Gänsefeder und Nuschelfuß sind nie miteinander ausgekommen.«
»Und du solltest nicht solche Sachen sagen, Nuschelfuß«, schimpfte Lerchenlied. »Du weißt, Gänsefeder ist mit ihnen verwandt.«
»Wirklich?« Blaujunges blinzelte die schildpattfarbene Kätzin an.
»Er stammt aus dem gleichen Wurf wie deine Mutter«, erklärte Lerchenlied. Sie schob Blaujunges und Schneejunges mit dem Schwanz weiter vor. »Kommt und erzählt uns alles über euch.«
»Ich heiße Blaujunges und das ist meine Schwester Schneejunges. Unsere Mutter ist Mondblüte und unser Vater Sturmschweif«, piepste Blaujunges. »Und heute sind wir zum ersten Mal aus der Kinderstube raus.«
Grasbart leckte sich die Lippen und verschlang den Rest der Maus. »Willkommen im Clan, meine Kleinen. Ich bin überzeugt, dass ihr in null Komma nichts in Schwierigkeiten stecken werdet. Junge können anscheinend nicht anders.«
Blaujunges spitzte die Ohren. »Sind Leopardenjunges und Flickenjunges auch in Schwierigkeiten geraten?«
Lerchenlied schnurrte. »Ich kenne kein Junges, bei dem das anders wäre.«
Erleichterung wärmte Blaujunges’ Bauch. Sie wollte nicht die Einzige sein, die Fehler machte. So wie der, dass mir ein Eichhörnchen auf den Kopf fällt.
»Kiefernstern sollte die beiden endlich zu Schülern ernennen«, krächzte Nuschelfuß. »Sie haben einfach zu viel Zeit. Jedes Mal, wenn ich zum Frischbeutehaufen gehe, stolpere ich über einen von ihnen, während sie mit irgendeinem blöden Spiel Staub aufwirbeln.«
»Ich frage Frischbrise, ob ich sie morgen mit zum Kräutersammeln in den Wald nehmen kann«, schlug Federbart vor. »Dann sind sie erst mal beschäftigt.«
Blaujunges’ Augen wurden weit. »In den Wald?«
Federbart nickte. »Wir gehen nicht weit weg vom Lager.«
Das musste die Stelle sein, zu der Tupfenpfote Flickenjunges und Leopardenjunges mitgenommen hatte. Blaujunges fragte sich, was da alles noch war hinter der Lichtung und den Bauen.
Neben ihr gähnte Schneejunges.
»Bring sie jetzt lieber zurück zu ihrer Mutter«, riet Lerchenlied. »Schneejunges sieht aus, als ob sie gleich auf den Pfoten einschläft.«
Blaujunges drehte sich zu ihrer Schwester um und sah, dass ihr die Augen zufielen. Mit einem Mal merkte sie, wie weh ihr die Beine taten und wie ihr Magen knurrte. Aber sie wollte noch nicht weg, sie wollte noch mehr erfahren. Wie sah Nuschelfuß’ Zecke aus? Wo war Gänsefeder jetzt?
»Kommt mit.« Federbart drängte sie aus dem Bau.
»Wie können wir denn in der Kinderstube etwas lernen?«, widersprach Blaujunges.
»Du kannst viel mehr lernen, wenn du ausgeruht bist«, miaute Lerchenlied.
»Kommt uns bald wieder besuchen!«, rief Grasbart.
Blaujunges stolperte, als sie die Lichtung überquerten. Obwohl in ihrem Kopf viele Fragen herumwirbelten, waren ihre Pfoten schwer vor Müdigkeit, und sie war erleichtert, als Federbart sie in die Kinderstube schob.
»Was hast du gesehen, meine Kleine?«, fragte Mondblüte, als Blaujunges sich mit Schneejunges neben ihrer Mutter zusammenrollte.
»Alles«, gähnte Blaujunges.
Mondblüte schnurrte. »Doch nicht alles, Liebes.« Blaujunges schloss die Augen, während ihre Mutter leise fortfuhr: »Da ist noch ein ganzer Wald, den du erforschen kannst. Und sogar der ist nur ein Teil des Clan-Territoriums. Es gibt auch noch Land dahinter – das Ahnentor, die Hochfelsen und noch mehr.«
»Und wie groß ist die Welt?«, murmelte Schneejunges verschlafen.
»Nur der SternenClan weiß das«, antwortete Mondblüte.
Blaujunges malte sich aus, wie Bäume und Farn und Ginster sich hinter dem Lager in einen endlosen Himmel erstreckten. »Aber meine Beine sind nicht lang genug, um so weit zu laufen«, protestierte sie. Während ihre Fantasiebilder sich in ihre Träume ergossen, hörte sie noch immer die Stimme ihrer Mutter.
»Sie werden wachsen, meine Süße, bis sie eines Tages kräftig genug sind, um über die ganze Welt zu laufen.«
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2. KAPITEL
Blaujunges beobachtete das einladende Zucken von Schneejunges’ Schwanz und unterdrückte das Verlangen, draufzuspringen und ihre Schwester so festzunageln. Sie wollte ihr Fell nicht staubig machen.
»Und denk daran«, sagte Mondblüte und wusch Blaujunges noch einmal die Ohren, »setz dich gerade hin und sei höflich.«
Blaujunges rollte mit den Augen.
Die drei warteten am Rand der Lichtung.
»Jetzt wird euch Sturmschweif das erste Mal sehen, seit ihr die Augen geöffnet habt.« Mondblütes Ermahnung war überflüssig. Blaujunges’ Bauch hatte sich den ganzen Morgen vor Aufregung wie ein Stein angefühlt. Sie wollte ihrem Vater zeigen, dass sie nicht mehr ein winziges, maunzendes Junges war.
Mondblüte blickte zur Ginsterbarriere. »Er hat versprochen, bei Sonnenhoch von der Jagd zurück zu sein.«
Blaujunges hielt die Pfoten fest auf dem Boden. Es war schwer, still zu sitzen, wo das Lager mit all den neuen Gerüchen und Anblicken doch so verlockend war.
Nuschelfuß und Lerchenlied waren aus dem Bau der Ältesten getreten. Federbart trottete auf sie zu, aus seinem Maul baumelte eine Mooskugel. Blaujunges vermutete, dass darin etwas Stinkendes war, denn Federbart rümpfte die Nase, als trüge er Fuchsdung. Neben dem Brennnesselfleck teilte sich ein großer Kater, dessen Fell so feurig leuchtete wie die Sonne, Frischbeute mit drei Kriegern.
»Ist das Abendsonne?«, fragte Blaujunges.
»Ja.« Mondblüte hatte begonnen, Schneejunges zu putzen. »Und das neben ihm sind Rotbrust, Bernsteinfleck und Wuschelpelz«, miaute sie zwischen dem Lecken. »Oh, und Drosselpelz ist gerade aus dem Kriegerbau gekommen.«
Schneejunges zappelte unter der Zunge ihrer Mutter und beklagte sich bei Blaujunges: »Hat sie dich auch so fest gewaschen?« Aber Blaujunges hörte kaum zu, sie war zu sehr damit beschäftigt, die Krieger zu betrachten. Sie wollte sich genau das braune Fell von Rotbrust einprägen, damit sie sie im Kampf immer von den anderen unterscheiden konnte. Bernsteinfleck würde wegen seines hellgrau gescheckten Fells schwerer herauszufinden sein, überlegte sie. Aber seine Ohren hatten Büschel an den Spitzen – daran würde sie sich erinnern. Wuschelpelz würde überall leicht zu erkennen sein; sein schwarzes Fell war gesträubt wie die Stacheln eines Igels. Drosselpelz war sandgrau wie die Kiesel, mit denen sie und Schneejunges in der Kinderstube spielten. Er hatte hellgrüne Augen und einen weißen Fleck auf der Brust, der wie eine flaumige Wolke aussah. Er war viel kleiner als die anderen.
»Ist Drosselpelz nicht richtig gewachsen?«, fragte Blaujunges ihre Mutter.
Mondblüte schnurrte. »Nein, meine Kleine, er ist nur der jüngste Krieger. Seinen Namen hat er erst vor einem Viertelmond erhalten. Er wird noch wachsen, du wirst schon sehen.«
Die Ginsterbarriere bewegte sich und Blaujunges blickte sich um. War es Sturmschweif? Enttäuscht sah sie, dass Kieselpelz mit einem Vogel im Maul ins Lager trottete. Sie trat von einer Pfote auf die andere und hoffte, er würde sie nicht bemerken. Sie war sich nicht sicher, ob er ihr verziehen hatte, dass sie in den Kriegerbau eingedrungen war.
»Das war ein hinterlistiger Zug!«, jaulte Tupfenpfote auf der anderen Seite der Lichtung. Sie rollte von Weißpfote weg und sprang auf die Pfoten. Die beiden Kätzinnen übten Kampfzüge neben dem Baumstumpf.
Weißpfote schüttelte sich das Fell aus. »Nicht hinterlistig! Nur geschickt!« Sie starrte ihre Gefährtin ärgerlich an, ihr trübes Auge glänzte im Sonnenschein. Blaujunges wusste, dass sie mit dem Auge nicht sehen konnte, aber sie hörte so gut, dass es unmöglich war, sich an sie anzuschleichen. Blaujunges und Schneejunges hatten es mehrmals versucht.
»Ein Glückstreffer!«, entgegnete Tupfenpfote. »Flickenjunges könnte das besser!«
Wo war eigentlich Flickenjunges?
Blaujunges suchte die Lichtung mit den Augen ab. Dort! Leopardenjunges und Flickenjunges kauerten vor dem Kriegerbau und sahen sich an, als planten sie etwas. Was hatten sie vor?
»Ich bin sauber genug!«
Blaujunges’ Aufmerksamkeit flog zu Schneejunges, die sich vor der Zunge ihrer Mutter wegduckte.
Mondblüte ließ von ihr ab. »Du siehst zauberhaft aus.«
Schneejunges knurrte verächtlich und raute mit der Pfote das feuchte Fell an den Ohren auf. Blaujunges streckte die Brust heraus und setzte die Pfoten ordentlich vor sich. Bitte, lass Sturmschweif stolz auf mich sein! Mondblüte hatte ihnen immer wieder gesagt, was für ein großer Krieger ihr Vater war, tapfer und geschickt im Kampf und einer der besten Jäger im DonnerClan. Ich hoffe, ich werde so wie er.
»Warum konnte Sturmschweif uns nicht in der Kinderstube besuchen?«, jammerte Schneejunges. »Vipernzahn besucht Flickenjunges und Leopardenjunges immer in der Kinderstube. Das letzte Mal hat er ihnen eine Maus mitgebracht.«
»Euer Vater ist gleich nach eurer Geburt zu euch gekommen.« Mondblüte griff mit der Pfote Schneejunges’ wedelnden Schwanz und legte ihn ordentlich über die Pfoten. »Er ist ein sehr wichtiger Krieger. Er hat keine Zeit, euch Leckerbissen zu bringen.« Sie machte einen Schritt zurück und begutachtete noch einmal ihre Jungen. »Außerdem seid ihr noch nicht groß genug, um Mäuse zu fressen.«
Blaujunges blickte zur Sonne, die fast genau über ihnen stand, und kniff die Augen zusammen. Sturmschweif würde bald kommen. Sie setzte sich so, dass sie die Ginsterbarriere sehen konnte, denn sie wusste, die Patrouille der Krieger würde durch die Öffnung in der Mitte kommen. Flickenjunges hatte ihr vom Clan-Leben erzählt, von den Jagd- und den Grenzpatrouillen. Er hatte ihr erzählt, dass ein Krieger zunächst für den Clan und erst dann für sich selber jagte.
Blaujunges war entschlossen, immer dafür zu sorgen, dass ihr Clan gut verpflegt sein würde, selbst wenn sie dafür hungern müsste.
Mondblüte erstarrte, ihre Nase zuckte. »Er kommt!«
»Wo?« Schneejunges sprang auf, wirbelte herum und ließ Staub auf Blaujunges’ Fell regnen.
»Setz dich hin!«, befahl Mondblüte.