Cover

Heiko Jacobs, Christine Laudenbach,
Sebastian Müller, Philipp Schreiber, Martin Weber

Die genial einfache Vermögensstrategie

So gelingt die finanzielle Unabhängigkeit

Campus Verlag
Frankfurt/New York

Über das Buch

Geldanlage im Lebenszyklus-Modell – Einfach zu Ihrer Vermögensstrategie Die Behavioral-Finance-Forschung ist sich einig: Stundenlange Aktienanalyse, Fragen nach dem optimalen Markteinstieg und tägliche Kontrolle der Portfolio-Performance sind für Sie als Privatanleger völlig unnötig. Viel wichtiger ist, sich den eigenen Anlagehorizont und die persönliche Risikotoleranz bewusst zu machen, um die optimale Anlagestrategie zu finden. Die hier versammelten Expertinnen und Experten – allesamt renommierte Finanzwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit Professuren an verschiedenen deutschen Hochschulen – zeigen leicht verständlich, wie ein finanziell sorgenfreies Leben möglich wird. Neueste Forschungserkenntnisse werden zu einer einfach umsetzbaren Vermögensstrategie für alle Lebenslagen verwoben – egal, ob Sie am Anfang oder Ende Ihres Erwerbslebens stehen.

INHALT

Kapitel 1
Sparen und Anlegen im Lebenszyklus – eine Einleitung

Lebenszyklus-Modell

Die Lebensplanung ist voller Trade-offs

Tour d’horizon

Kapitel 2: Rendite, Risiko, Anlageklassen und Anlagestile

Kapitel 3: Behavioral-Finance-Forschung – Über die Psychologie der (Ent-)Sparer

Kapitel 4: Wissenschaftlich fundiert investieren – Wie geht’s?

Kapitel 5: Umsetzung und Beurteilung konkreter Anlagemöglichkeiten

Kapitel 6: Investieren im Zeitverlauf

Kapitel 7: Die Rentenentscheidung – Wann gehe ich in Rente?

Kapitel 8: Entsparen – Die Wahl zwischen Rente und Einmalzahlung

Kapitel 9: Strategien für kontinuierliches Entsparen

Kapitel 10: Umsetzung der Geldanlage – Eigenständig versus Berater

Offene Worte zum Schluss der Einleitung

Das Autoren-Team

Kapitel 2
Rendite, Risiko, Anlageklassen und Anlagestile

Vermögensaufbau mit Aktien, Anleihen und dem risikolosen Zins

Die Macht des Zinseszinses

Auch Dividenden zählen

Börsenbarometer – vom DAX bis zum Nikkei

Kurs- versus Performanceindizes

Die andere Seite der Medaille: Risiko

»Diversification is the only free lunch in investment«

Konkurrierende Anlagestile

Kapitel 3
Behavioral-Finance-Forschung – Über die Psychologie der (Ent-)Sparer

Zeitpräferenzen

Ungeduld und Zeitinkonsistenz – Planänderungen, wenn morgen heute wird

Rolle von Zeitpräferenzen bei Finanzentscheidungen

Selbsteinschätzung

Tatsächliche versus gefühlte Fähigkeiten

Hin und her – Taschen leer

»Framing«: Der Einfluss der Darstellung auf Entscheidungen

Wie der Entscheidungskontext unser Verhalten beeinflusst

Rendite scheint nicht gleich Rendite

Verlustaversion und Verlustwahrnehmung – 5 Euro sind nicht 5 Euro

Zum sicheren Umgang mit dem Risiko

Spezifische Fehler beim Handeln

Die Aufmerksamkeit ist limitiert – Anleger nutzen das weltweite Angebot nicht

Dispositionseffekt – Verliereraktien bleiben zu lange im Depot

Kapitel 4
Wissenschaftlich fundiert investieren – Wie geht’s?

Die Effizienzmarkthypothese: Von Dartpfeil werfenden Affen und einem Nobelpreis

Kein Käufer ohne Verkäufer

Der Preis ist richtig!

Was sagt die Forschung zur Idee effizienter Märkte?

Lassen sich die Kurse von Wertpapiern vorhersagen?

Verarbeiten Finanzmärkte Informationen schnell und korrekt?

Kann man als Privatanleger oder Fondsmanager den Markt schlagen?

Fazit

Und es gibt sie doch: Zweifel an der Effizienzmarkthypothese

»Aber Fonds X hat den Markt doch zehnmal hintereinander geschlagen …«

»Aber der Chart sieht doch so gut aus …«

… und was ist mit Warren Buffett?

Passiv zu investieren wird immer beliebter, ist das ein Problem?

Wie investiert man am besten passiv?

Maximale Diversifikation – bestmögliche Risikostreuung

Minimale Kosten – möglichst geringe Gebühren und Handelsaktivitäten

Capital Asset Pricing Modell

Investor A ist risikoscheu

Investor B will mehr Rendite

Investor C will noch mehr

Kapitel 5
Umsetzung und Beurteilung konkreter Anlagemöglichkeiten

Wie kann eine sinnvolle Vermögensaufteilung aussehen?

Breite Diversifikation durch Aktien und Anleihen

Eine Daumenregel zur Vermögensaufteilung

Mit der 60-40-Heuristik in der goldenen Mitte

Aufteilung zwischen riskantem und risikofreiem Vermögensanteil

Fast ohne Risiko: Kurzlaufende Staatsanleihen höchster Bonität und Tagesgeldkonten

Das Rendite-Risiko-Verhältnis bleibt gleich

Über welche Produkte sollte die Anlagestrategie umgesetzt werden?

Aktive Fonds kommen Anleger teuer zu stehen

Alternative Ansätze und Anlagemöglichkeiten

BIP-Gewichtung statt Marktkapitalisierung

Absicherung von Währungsrisiken?

Unternehmensanleihen

Rohstoffinvestments

Pro …

… und contra

Immobilieninvestments

Offene Immobilienfonds haben einen Konstruktionsfehler

Geschlossene Immobilienfonds sind riskant

Hedgefonds und Private Equity

»Hedge« bedeutet »absichern« – von wegen

Im Gleichlauf mit Aktien

Smart Beta als Renditeturbo?

Die bekanntesten Smart-Beta-Ansätze

Warum existieren Faktorprämien?

Das Data-Mining-Problem

Warum Smart Beta vermutlich weniger bringt als gedacht

Zusammenfassung

Kapitel 6
Investieren im Zeitverlauf

Mit dem Anlegen starten: Einmalige Anlage oder zeitliche Aufteilung?

Investieren mit Sparplänen

Vor- und Nachteile von Sparplänen

Mythos Cost-Average

Anpassungen der Portfolios im Zeitverlauf

Portfolioanpassungen bei Veränderungen der Lebenssituation

Portfoliorebalancing

Reaktion auf Veränderungen des Marktumfelds

Lassen sich Crashs am Aktienmarkt vorhersagen?

Anlegen im Niedrigzinsumfeld: Lassen sich Zinssatzentwicklungen prognostizieren?

Fazit

Kapitel 7
Die Renteneintrittsentscheidung – Wann gehe ich in Rente?

Generelle Funktionsweise der Rentenversicherung

Lebenserwartung bei Renteneintritt

Auswirkungen des Renteneintrittszeitpunkts auf die Rentenhöhe

Gesetzliche Rentenversicherung

Berechnung der Rentenhöhe

Veränderung der Rentenhöhe bei früherem oder späterem Renteneintritt

Möglichkeiten zur Verringerung des Abschlags bei frühzeitigem Renteneintritt

Betriebliche Altersvorsorge

Private Altersvorsorge

Verhaltenswissenschaftliche Aspekte bei der Renteneintrittsentscheidung

Zeitinkonsistenz – warum die Frührente lockt

Framing – warum die Abschläge schwer wiegen

Kapitel 8
Entsparen – Die Wahl zwischen Rente und Einmalzahlung

Das Entscheidungsproblem in der Praxis

Von der Rente zur einmaligen Kapitalauszahlung

Von der Einmaleinlage zur Rente

Das Langlebigkeitsrisiko

Langlebigkeitsrisiko aus Sicht der Versicherung

Langlebigkeitsrisiko aus Sicht einer Privatperson

Kapital oder Rente? Zu beachtende Faktoren

Rationale Faktoren

Vererbungsmotiv und Absicherung durch die Familie

Zu hohe Preise und adverse Selektion

Gewünschter Konsumpfad und unerwartete Ausgaben

Gesetzliche Rente und andere Einkünfte

Verhaltenswissenschaftliche Faktoren

Framing: Investition oder Versicherung?

Zeitpräferenz

Risikopräferenz, Verlustaversion und Referenzpunkt

Fehleinschätzung der eigenen Lebenserwartung

Zusammenspiel der Faktoren

Fazit

Kapitel 9
Strategien für kontinuierliches Entsparen

Das Leben ist wieder voller Trade-offs

Strategie 1: Sichere Anlage – konstante Entnahme (Konsum)

Strategie 2: Anlage am Kapitalmarkt – konstante Entnahme (Konsum)

Strategie 3: Anlage am Kapitalmarkt – variable Entnahme (Konsum)

Simulationen der Strategien

Simulation der Renditen

Die Annuitätenformel für den Entnahmeplan

Anlageerfolge der Strategien

Strategie 1: Sichere Anlage – konstante Entnahme

Strategie 2: Sichere Anlage – konstante Entnahme

Strategie 3: Sichere Anlage – konstante Entnahme

Welche Strategie passt zu wem?

Kapitel 10
Umsetzung der Geldanlage – Eigenständig versus Berater

Klassische Finanzberatung

Wozu brauchen Menschen Anlageberatung?

Potenzial und Fallstricke der Anlageberatung

Qualitätsmerkmale der Beratung

Auch der Finanzberater ist nicht objektiv

Qualität von Beratung und Kosten der Beratung – ein Interessenkonflikt?

Robo-Advisor – Algorithmen für die Vermögensverwaltung

Hilfe zur Selbsthilfe – Beratungstools

Sparplanrechner – Zinsen und Renditen online ermitteln

»Renten-Cockpit« im Testlauf

Das Risiko im Simulator erfahren

DANKSAGUNG

ANMERKUNGEN

ANHANG

Literaturangaben

Zu Kapitel 1

Zu Kapitel 2

Zu Kapitel 3

Zu Kapitel 4

Zu Kapitel 5

Zu Kapitel 6

Zu Kapitel 7

Zu Kapitel 8

Zu Kapitel 9

Zu Kapitel 10

Berechnungsdetails und Hinweise zu den Tabellen und Abbildungen aus Kapitel 5

Berechnungsdetails und Hinweise zu den Tabellen und Abbildungen aus Kapitel 6

Register

Kapitel 1
Sparen und Anlegen im Lebenszyklus – eine Einleitung

Wir wollen ein gutes Leben: Dazu gehört neben Familie, Freunden und Gesundheit sicherlich auch genug Geld. Dabei ist es ist nicht Geld per se, das uns glücklich macht, vielmehr wird das Geld erst dadurch wertvoll, dass man sich dafür etwas kaufen kann. Selbstverständlich hat auch der Volksmund recht, wenn er sagt, »Geld alleine macht nicht glücklich.« »Mit Geld kann man zwar ein Haus kaufen, aber kein Heim; kann man eine Uhr kaufen, aber nicht die Zeit«, heißt es dazu in China.

Am Ende des Tages brauchen wir Geld, um unsere materiellen Bedürfnisse zu befriedigen und um damit zu konsumieren. Zum alltäglichen Konsum gehören Nahrungsmittel, die Wohnung, das Auto, der Urlaub oder der Stadionbesuch zum Heimspiel des Lieblingsfußballvereins. Unter unser weit gefasstes Konsumverständnis fallen darüber hinaus Dinge wie die Spende an Wohltätigkeitsorganisationen, der Abschluss einer Risikolebensversicherung oder das Vererben des Geldes an die Kinder. Manchmal konsumieren wir auch nicht freiwillig. Krankheiten oder Unfälle erfordern einen Rollator, den altersgerechten Umbau der Wohnung oder einen Platz im Pflegeheim.

Egal ob Sie nun vermögend oder weniger vermögend sind, ob Sie einen ökologischen, nachhaltigen Lebensstil pflegen, in jedem Fall werden Sie versuchen, den Nutzen aus Ihrem Geld und damit Ihren Konsum zu maximieren – und das Ihr ganzes Leben lang. Was Sie konsumieren, hängt von Ihren Präferenzen ab: Der eine kauft beim Biobauern, fährt Fahrrad oder E-Auto und lebt am Ende in einem naturnahen, gemeinschaftlichen Wohnprojekt. Der andere sitzt im Maserati, reist im Luxusliner und landet in einer Seniorenresidenz an der Elbchaussee.

Wie aber stellt man es an, den eigenen Konsum im Leben bestmöglich zu maximieren? Sollen wir besser direkt konsumieren, was wir verdienen, oder besser erst sparen, damit wir später mehr konsumieren können? Und wenn wir sparen, wie sollen wir das Geld anlegen? Wie können wir mit den Unsicherheiten sowohl beim Verdienst als auch bei den Ergebnissen unserer Geldanlagen umgehen? Es geht bei der Geldanlage auch nicht nur darum, ob ich in eine Aktie oder in Gold investiere, sondern es stellt sich zudem die Frage, zu welchem Zeitpunkt im Leben investiert und wann Geld ausgegeben, also wann konsumiert wird. Auch die Risiken einer Geldanlage gilt es im Auge zu haben. Gleiches gilt für die Themen Absicherung von Lebensrisiken, wie Unfalltod oder Berufsunfähigkeit, oder für die Kreditabsicherung beim Hauskauf. Die finanzielle Lebensplanung ist komplex.

Viele denken sich, früher war es einfacher: Wir hatten oft eine relativ sichere Anstellung und ein vorhersehbares Einkommen. Die Rente war sicher, das Wort des früheren Bundesarbeitsministers Norbert Blüm galt. Den Kindern wurde eine Ausbildung geboten, oft konnten sie sich später über ein Erbe freuen. Heute ist vieles komplizierter: Arbeitsplätze sind oft unsicher und die Entwicklung der Einkommenssituation ist nicht mehr so vorhersagbar. Die Renten sind deutlich gekürzt. Wir müssen selbst vorsorgen, um unseren Konsum im Alter sicherzustellen.

Auf der anderen Seite bieten sich heute neue Chancen: Wir haben fundiertes Wissen über Kapitalmärkte, Aktien, Anleihen, Kursverläufe und Börsen. Auch als »normale« Bürger können wir uns an den Ertragsquellen der Kapitalmärkte einfach und kostengünstig beteiligen. Wir haben zudem die Möglichkeit, den Geldfluss so zu steuern, dass er für unsere Risikovorstellung und Lebenssituation vielleicht besser passt als frühere vorgegebene Standardlösungen.

Diese Diskussion zeigt die Idee dieses Buches. Die Themen Sparen und Anlegen stellen uns heute vor große Herausforderungen. Es gibt aber auch deutlich mehr Möglichkeiten, sie individuell, getreu unseren eigenen Präferenzen anzugehen. Wir sollten und müssen uns mit dem Thema auseinandersetzen. Unser Buch liefert die Grundlagen dafür, erklärt Zusammenhänge und zeigt Möglichkeiten für das Sparen fürs Alter und das Entsparen im Alter auf. Es enttarnt auch Binsenweisheiten, die teuer werden können.

Lebenszyklus-Modell

Wir verdienen Geld. Dann sparen und investieren wir es, um es am Ende so auszugeben, dass wir im Leben einen maximalen Nutzen respektive einen maximalen Konsum erreichen. Diese Denkweise, Lebenszyklus-Modell genannt, wurde 1954 von dem späteren Nobelpreisträger Franco Modigliani in Zusammenarbeit mit seinem Schüler Richard Brumberg entwickelt. Abbildung 1.1 zeigt das Lebenszyklus-Modell mit einem immer gleichbleibenden Konsum und bekanntem Todeszeitpunkt. Auf der x-Achse ist das Lebensalter in Jahren und auf der y-Achse sind Vermögen, Einkommen und Konsum in Euro abgetragen. Lassen Sie sich zunächst auf das stark vereinfachende Modell ein. Es bietet Ihnen wichtige Einsichten zum Sparen und Entsparen und kann bei Bedarf fast beliebig verkompliziert werden.

Abbildung 1.1: Lebenszyklus-Modell mit konstantem Konsum

Im Modell haben wir weder bei der Geburt noch zum Todeszeitpunkt ein Vermögen, wir werden arm geboren und sterben auch so. Vereinfachend betrachten wir auch nur den Zeitraum nach dem Eintritt in das aktive Arbeitsleben, im Modell ist das die Zeit ab dem 25. Lebensjahr. Das Modell zeigt eine Funktion für das Einkommen und eine Funktion für das Vermögen. Die Einkommensfunktion wächst bis zur Rente und fällt danach auf die Rentenzahlungen ab, während die Vermögensfunktion ebenfalls bis zum Eintritt der Rente zunimmt und danach bis zum Tod auf null zurückgeht. Ersparnisse ergeben sich, wenn der Konsum – im Modell vereinfachend als konstant über das Leben angenommen – geringer ist als das Einkommen. In der Abbildung sind die jährlichen Ersparnisse dunkelgrau schattiert und das jährliche Entsparen nach Renteneintritt leicht schattiert dargestellt.

Das einfache Lebenszyklus-Modell kann für viele Varianten von Konsum und Sparen erweitert werden. Abbildung 1.2 zeigt das Modell beispielsweise für jemanden, der zu Beginn seines Erwerbslebens mehr konsumiert, als er verdient. Die Person nimmt in diesen Jahren einen Kredit auf, was zu einem negativen Vermögen führt. Außerdem erhöht die Modellperson ihren Konsum das ganze Leben lang gleichmäßig. Vielleicht sieht Ihr persönliches Lebenszyklus-Modell, wenn Sie es zeichnen würden, noch etwas anders aus, vielleicht zeigt es einen besonders hohen Konsum direkt nach dem Eintritt in die Rente, wenn die lang ersehnte Weltreise ansteht oder das Wohnmobil angeschafft wird.

Abbildung 1.2: Lebenszyklus-Modell mit leicht steigendem Konsum

Schon das einfache Modell zeigt wichtige Zusammenhänge auf, wie wir unseren Vermögensaufbau und -abbau im Laufe des Lebens angehen sollten. Im Prinzip wollen wir aus unserem Geld das Beste machen, in die Sprache der Neoklassiker übersetzt: den Konsum im Laufe des Lebens maximieren und ihn dabei, wie auch immer, auf die einzelnen Lebensphasen verteilen. Im Modell ist Sparen gleichbedeutend mit sofortigem Konsumverzicht, was eine Verschiebung des Konsums in die Zukunft zur Folge hat. Durch Sparen können wir die Basis für späteren, über das Einkommen hinausgehenden Konsum legen.

In den Abbildungen 1.1 und 1.2 sehen Sie einen weiteren wichtigen Zeitpunkt des Lebenszyklus-Modells, den Renteneintritt, den wir noch nicht angesprochen haben. In der Zeit des aktiven Erwerbslebens sparen wir für das Alter und vermehren das Vermögen, das wir danach – ab dem Renteneintritt – idealtypischer Weise bis zum Tod wieder verzehren. Damit zeigt das Lebenszykluskonzept im Prinzip ein Lebensfinanzierungsmodell getreu dem Motto »Sparen fürs Alter – Entsparen im Alter«.

An diesem Punkt stellt sich die Frage, wo im Modell das Thema bestmögliche Geldanlage ins Spiel kommt. Ganz einfach! Sparen bedeutet – wie gesagt – aktuellen Konsumverzicht. Wird das gesparte Geld gut angelegt, steht es zu einem späteren Zeitpunkt zuzüglich der erzielten Rendite zur Verfügung. Eine hohe Rendite ermöglicht damit einen höheren Konsum in späteren Perioden und unterstützt das von uns definierte Ziel der Maximierung des Konsums über das Leben.

Das Lebenszyklus-Modell konkret anzuwenden erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin und ein ständiges Abwägen: Wir können in jungen Jahren kräftig konsumieren und ein dickes Auto fahren oder später als Best Ager exklusiv reisen – aber nicht beides. Wir können Zeit und Geld in unsere Berufsausbildung investieren, um damit später ein höheres Einkommen zu erzielen. Wir haben die Möglichkeit, unser Vermögen sicher auf dem Sparbuch anzulegen und es damit – angesichts von Inflation, Gebühren sowie Null- oder gar Negativzinsen – zu verkleinern oder ein gewisses Risiko einzugehen, das Vermögen am Kapitalmarkt zu investieren und es damit voraussichtlich zu vergrößern.

Diese Abwägungen, früher Konsum versus später Konsum, riskante Anlage versus sichere Anlage machen das Lebenszyklus-Modell zwar komplexer, führen aber dazu, dass Menschen ihre Spar- und damit Konsumprofile nach ihren eigenen Präferenzen optimieren können.

Um Ihnen ein Gefühl für die Größen, um die es im Lebenszykluskonzept geht, zu geben, präsentieren wir in Tabelle 1.1 die Werte Nettogesamtvermögen, Konsum und Nettoeinkommen des mittleren deutschen Haushalts für 2017. Die Daten sind Schätzungen, die vom Statistischen Bundesamt 2018 (Konsum und Nettoeinkommen) und 2019 (Nettogesamtvermögen) vorgenommen wurden und nach dem Alter der Haupteinkommensperson des Haushalts sortiert sind.

Alter

Nettogesamt­vermögen

Konsum (monatlich)

Nettoeinkommen (monatlich)

18 bis 24 Jahre

2 500

1 288

1 779

25 bis 34 Jahre

9 000

2 201

2 965

35 bis 44 Jahre

54 500

2 854

3 943

45 bis 54 Jahre

106 400

2 747

3 891

55 bis 64 Jahre

124 300

2 563

3 562

65 bis 69 Jahre

117 800

2 282

2 697

70 bis 79 Jahre

126 700

2 228

2 679

Über 80 Jahre

102 800

2 062

2 653

Tabelle 1.1: Einkommen, Konsum und Vermögen im Lebenszyklus

Glossar: Angegeben sind Median-Werte in Euro. Der Median teilt eine Liste von Werten in zwei Hälften. Sortiert man alle zur Verfügung stehenden Beobachtungen der Größe nach, so entspricht der Median-Wert also genau dem Wert, der sich in der Mitte dieser Liste befindet.

Nettogesamtvermögen = Nettogeldvermögen (Bruttogeldvermögen abzüglich Kreditrestschulden) zuzüglich Verkehrswerte (abzüglich Hypothekenrestschulden).

Konsumausgaben = Ausgaben für Essen, Wohnen, Bekleidung, Gesundheit, Freizeit, Bildung, Kommunikation, Verkehr sowie Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen.

Nettoeinkommen = Haushaltsbruttoeinkommen abzüglich Steuern und Abgaben zuzüglich Arbeitgeberzuschüsse zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung bei freiwilliger oder privater Krankenversicherung.

Die Tabelle zeigt, dass das Gesamtvermögen der Haushalte mit zunehmendem Alter steigt, und zwar interessanterweise auch noch nach dem Eintritt in die Rente, wenn das Einkommen deutlich sinkt. Die meisten Menschen vermeiden also das Entsparen im Alter, geht aus den Zahlen hervor. Ihr Leben lang bleibt das monatliche Einkommen höher als der monatliche Konsum. Am Ende freuen sich darüber wohl vor allem die Erben.

Die gezeigten Daten bilden aber lediglich den Status quo ab, es muss nicht so bleiben: Die Gruppe der 30-Jährigen kann sich in 40 Jahren ganz anders verhalten als die Gruppe der heute 70-Jährigen. Und angesichts deutlich sinkender Renten dürften künftig immer mehr Menschen im Alter entsparen, sei es, weil sie es wollen oder weil sie es müssen.

Das dargestellte Lebenszyklus-Modell hält der Wirklichkeit, die voller Unsicherheiten ist, nicht stand. So klammert es die Unsicherheit über den Todeszeitpunkt aus. Diese Unsicherheit aber müssen wir bei unserer finanziellen Lebensplanung irgendwie in den Griff bekommen. Auch die Entwicklung des persönlichen Arbeitseinkommens ist schwer zu prognostizieren, Arbeitslosigkeit oder Krankheit können zu drastischen Einbußen führen. Bei unserem Vermögen kann ein erhaltenes Erbe positiv zu Buche schlagen. Auch Schenkungen von Vermögensteilen, vielleicht damit der Nachwuchs Steuern spart, sind nicht berücksichtigt. Last but not least ist auch die Rendite einer riskanten Anlage nicht vorherzusagen.

Trotzdem, komplex oder nicht: Damit es Ihnen mit dem Geld nicht wie Donald, sondern doch besser wie Dagobert Duck geht, sollten Sie Ihre finanzielle Lebensplanung in Angriff nehmen. Dieses Buch ist ein wissenschaftlich fundierter Ratgeber für Ihr Projekt.

Die Lebensplanung ist voller Trade-offs

Das Lebenszyklus-Modell hat viele Stellschrauben. In diesem Buch analysieren wir allen voran seine finanziellen Aspekte, wenngleich wir immer im Blick haben, dass es nicht nur um (möglichst viel) Geld, sondern um den Gesamtnutzen aus dem Konsum des Geldes geht. Explizit ausklammern werden wir Fragen, wie sich zum Beispiel durch mehr Sport und gesunde Ernährung der Todeszeitpunkt vielleicht auf später verschieben kann. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir ohne Sterbetafeln für unsere Lebensplanung auskommen sollten.

Im Fokus dieses Buches stehen die optimalen Anlagemöglichkeiten für das Vermögen. Denn wenn wir schon gewillt sind, Geld zu sparen, und damit in einer Periode auf Konsum verzichten, möchten wir dafür wenigstens in späteren Perioden möglichst viel Geld zurückerhalten. Dabei betrifft das Thema optimale Geldanlage mitnichten nur die Ansparphase bis zum Beginn der Rente, sondern den gesamten Lebenszyklus. Es ergibt nämlich keinen Sinn, irgendwann im Leben, beispielsweise mit Eintritt der Rente, aufzuhören, das Vermögen optimal anzulegen.

Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen ist das Thema Risiko der Geldanlage und dabei vor allem die Frage, ob und wie sich das Risiko Ihrer Geldanlage im Laufe Ihres Lebens ändern soll. Am Ende wird sich herauskristallisieren, dass Sie die Frage, wie riskant Sie Ihr Gespartes im Laufe Ihres Lebens anlegen wollen, zwar selbst beantworten müssen, die Wissenschaft Ihnen aber wertvolle Hilfestellung bieten kann. Zum Beispiel kann sie in einem ersten Schritt zeigen, wie Sie das Risiko der Geldanlage objektiv messen können. Da Geld(anlage) und Konsum untrennbar miteinander verknüpft sind, legen wir mit unserer Anlagestrategie letztendlich fest, welche – finanziellen – Risiken wir für unseren Konsum in Kauf nehmen wollen.

Natürlich haben auch Anlageberater das zentrale Problem »Risiko« erkannt. Sie bieten in der Praxis oft einfache Regeln zur Lösung an. Weisheiten wie »Ihr Aktienanteil sollte bei 100 minus Lebensalter liegen« sind – wie viele ähnliche Daumenregeln – zumeist Blödsinn. Wenn Sie Vermögen vererben, spricht auch im hohen Alter nichts gegen eine Anlage ins Risiko. Schließlich geht es irgendwann einmal um den Konsum der Erben. Wenn Sie allerdings mit 80 Jahren in ein Pflegeheim möchten oder müssen, sollten Sie mit 79 Jahren nicht ihr gesamtes Vermögen in Aktien investieren.

Bei der Antwort auf die Frage, wie viel Risiko mit einem Investment eingegangen werden kann, kommt es letztendlich auf die Konsumbedürfnisse an, die durch das gesparte Vermögen befriedigt werden sollen: Die Hausfinanzierung sollte sicher stehen, für die Luxusyacht kann vielleicht besonders riskant angelegt werden.

In diesem Buch zeigen wir auch, dass man beim Sparen fürs Alter und beim Entsparen im Alter manche Entscheidungen richtig oder falsch treffen kann. Wenn wir für eine Anlagealternative hohe Gebühren zahlen, ist das falsch, denn die hohen Gebühren schmälern unser Vermögen mehr als nötig. Bei anderen Entscheidungen hängt die bestmögliche Alternative letztendlich von Ihrer eigenen Präferenz ab. Ein absolutes Richtig oder Falsch gibt es da nicht. So ist für die meisten ein Aktiendepot eine gute Sache, wer aber das Risiko scheut wie der Teufel das Weihwasser, verzichtet am Ende vielleicht doch besser darauf. Auch zu Themen wie diesen werden wir versuchen, Ihnen – basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen – klare Empfehlungen zu geben.

Ob Sie Ihr Geld lieber jetzt ausgeben oder fürs Alter vorsorgen, ist letztendlich Ihre Sache – oder wie die Wissenschaft es ausdrückt: eine Frage Ihrer persönlichen Zeitpräferenz. Und ob Sie Ihr Geld lieber sicher auf dem Sparbuch liegen lassen oder mit einer höheren erwarteten Rendite am Aktienmarkt riskant anlegen, ist letztendlich auch Ihre Sache – oder wie die Wissenschaft es ausdrückt: eine Frage Ihrer persönlichen Risikopräferenz. Wenn es um Präferenzen, also Neigungen geht, heißt es abzuwägen. Es gibt bei der Geldanlage keine Mehrrendite ohne Risiko, und wer in jungen Jahren Maserati fährt, hat weniger Geld für die Seniorenresidenz an der Elbchaussee. Die Lebensplanung ist voller solcher Abwägungen oder Trade-offs, also gegenläufiger Abhängigkeiten, bei denen nur etwas besser wird, wenn das andere schlechter wird.

Exkurs

Die Zukunft ist unsicher – Wahrscheinlichkeiten

Das Lebenszykluskonzept basiert auf drei zentralen Kenngrößen: Vermögen, Einkommen und Konsum. Doch wie können wir den Konsum über unser ganzes Leben maximieren, wenn wir nicht wissen, wie unser Leben genau verlaufen wird? Welchen Beruf übe ich in 20 Jahren aus? Wie hoch wird mein Einkommen in diesem Beruf sein? Wie entwickelt sich das Rentensystem? Wie lange werde ich leben? Welche Renditen werfen meine Investitionen ab? All das sind Fragen, deren Antworten mit Unsicherheit behaftet sind.

Die Wissenschaft hat ein außerordentlich hilfreiches Instrumentarium entwickelt, um mit Unsicherheit umzugehen: das Konzept der Wahrscheinlichkeit. Wir wissen nicht, wann wir sterben, aber ein 67-Jähriger sollte schon wissen, dass es für ihn wahrscheinlicher ist, nach dem 80. Geburtstag zu sterben als vorher. Ein 67-jähriger Raucher stirbt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit vor seinem 75. Geburtstag als ein 67-jähriger Nichtraucher vor seinem 80. Geburtstag.

Sie sehen an den Beispielen, dass Wahrscheinlichkeiten die Unsicherheit abbilden und beschreiben, nicht aber beseitigen können. Ein Raucher lebt zwar im Durchschnitt kürzer als ein Nichtraucher (oder präziser gesagt, seine erwartete Lebensdauer ist geringer), aber trotzdem kennt jeder von uns einen Raucher, der zum Glück richtig alt geworden ist.

Vielen Menschen fällt es schwer, mit Wahrscheinlichkeiten rational umzugehen. Was nützt es uns, dass eine Aktienanlage eine höhere erwartete Rendite erzielt als ein Sparbuch, wenn wir gerade viel Geld in einem Börsencrash verlieren. Das ist sehr ärgerlich, zeigt aber gerade sehr deutlich, dass eine ex ante, gemäß den vorhandenen Wahrscheinlichkeiten optimal getroffene Entscheidung durchaus ex post, nach Auflösung der Unsicherheit, zu einem schlechten Ergebnis führen kann. Der Zufall war gegen uns, aber wir hatten die richtige Entscheidung gefällt. Wer das nicht nachvollziehen kann, der möge sich beim Thema Geldanlage an Wahrsager, Hexen oder Kaffeesatzleser wenden.

Heute oder morgen – Zeitpräferenz

Weshalb rauchen manche Menschen und andere nicht? Und warum fällt es manchen schwer, zu sparen, anderen hingegen leicht? Auch wenn diese Entscheidungen auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sind, so werden sie alle von einer Eigenschaft des Menschen beeinflusst: der sogenannten Zeitpräferenz.

Unsere Zeitpräferenz bestimmt, wie wir heutigen und zukünftigen Konsum (genauer Nutzen aus Konsum) miteinander vergleichen und gegeneinander abwägen. Obwohl es sich sehr theoretisch anhört, hat das Konzept große praktische Relevanz. Allgemein haben Menschen eine Präferenz dafür, positive Dinge lieber früher als später zu erhalten, sei es der erste Kuss, das neue Auto oder das neue Sofa.

Je nachdem, wie stark wir aktuellen Konsum gegenüber dem künftigen Konsum bevorzugen, sind wir mehr oder weniger ungeduldig. Weniger ungeduldige Menschen sind eher bereit, länger auf einen Konsum zu warten, was sich positiv auf ihre Sparbereitschaft auswirkt. Ungeduldigen Menschen fällt das Sparen schwerer. Sie rauchen auch mehr, weil für sie der unmittelbare Genuss des Rauchens tendenziell wichtiger ist als das Krankheitsrisiko in der Zukunft.

Zeitpräferenz und Zins am Kapitalmarkt sind verwandt, aber nicht identisch. Der Zins gibt an, wie viel dem Markt ein Euro heute zu einem zukünftigen Zeitpunkt wert ist. Die Zeitpräferenz ist eine individuelle Präferenz und kann sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Sie ist zum Beispiel ausschlaggebend dafür, ob ein Mensch, wenn der jährliche Zinssatz bei 5 Prozent liegt, lieber jetzt 1 000 Euro nimmt oder in einem Jahr 1 050 Euro.