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Shermans Bootswerft, Borth, Oktober 2014
Der Wind hatte aufgefrischt, die Wellen wurden größer, türmten sich und bildeten weiße Schaumkronen. Wie wütende Pferde treiben sie auf den Strand zu, dachte Luke und suchte mit dem Fernglas nach einer kleinen Gestalt in roter Jacke. Endlich entdeckte er seinen achtjährigen Sohn, der im schlickigen Watt herumstrolchte und mit einem Stock an den alten Baumstümpfen herumstocherte. Das untergegangene Königreich … Luke schüttelte grinsend den Kopf. Für derlei Geschichten hatte er nicht viel übrig. Als ehemaliger Navy-Offizier konnte er sich Aberglauben nicht leisten. Er glaubte an das, was er sah, und für seinen Geschmack hatte er wahrlich genug gesehen. Wozu Menschen fähig waren, wusste er nur zu gut. Noch heute plagten ihn Albträume, die er mit niemandem teilen konnte.
Luke wollte Max gerade zurufen, nicht noch weiter hinauszulaufen, da blieb sein Sohn stehen, drehte sich um und winkte in seine Richtung. Luke hob den Arm. Der Junge hatte die braunen Haare und dunklen, verträumten Augen seiner verstorbenen Frau. Vor drei Jahren war Sophie bei einem Autounfall gestorben und hatte durch ihren viel zu frühen Tod sein Leben auf den Kopf gestellt. Der Schmerz und die Trauer waren eine Sache, aber das Leben musste weitergehen, und Max brauchte ihn. Bei seinen Kameraden war er auf wenig Verständnis gestoßen, als er den Dienst quittiert und sich nach Borth zurückgezogen hatte. In dieses gottverlassene walisische Kaff am Ende der Welt. Das waren Zacharys Worte gewesen, nicht seine.
Zac Malory war noch immer sein bester Freund, auch wenn sie einander selten sahen. Sie hatten Dinge zusammen erlebt, die einen auf ewig verbanden. Der Wind wehte Luke eine blonde Strähne über die Augen. Er setzte das Fernglas ab und zog eine Mütze aus der Jackentasche. Auf dem dunkelblauen Wollstoff prangte in orangefarbener Schrift Sherman’s Boatyard. Er war Luke Sherman, und die Bootswerft in Borth gehörte ihm.
Wenn man zwanzig Jahre beim SBS, dem Special Boat Service der Royal Marines, gedient hatte und ehrenvoll ausschied, war die Abfindung großzügig. Luke hob das Fernglas wieder an die Augen. Max stand jetzt neben einer Frau, die aufs Meer hinauszeigte und dann die Baumstümpfe fotografierte. Lange, dunkle Haare schauten unter einer Wollmütze hervor. Luke richtete sein Fernglas auf ihr Gesicht. Etwas irritierte ihn. Vielleicht war er zu lange im Dienst gewesen, um Menschen überhaupt noch unvoreingenommen begegnen zu können. Aber wenn das eine Touristin war, dann sollte ihn der Teufel holen.
Sie hob das Kinn, und er schaute ihr plötzlich direkt in die Augen. Neugierige, forsche bernsteinfarbene Augen, die ihn unmöglich gesehen haben konnten. Sie wandte sich Max zu, sagte etwas und ging davon. Das Vibrieren seines Telefons in der Hosentasche riss ihn aus seinen Beobachtungen.
»Sherman«, sagte Luke und verließ die Düne, von der aus er die Bucht überblickt hatte.
»Mr Sherman, schön, dass ich Sie gleich erreiche. Peters, wir haben ein Boot in Aberdovey liegen, und es muss unbedingt noch überholt werden …«
Während Luke sich das Anliegen des Kunden anhörte, folgte er dem Holzsteg durch die Dünen bis zu einem kleinen Parkplatz, auf dem er seinen Geländewagen abgestellt hatte. Neben ihm stand der Wagen eines Rangers vom Nationalpark. In dieser Jahreszeit hatten die Ranger weniger Sorgen mit wild Campenden in den Dünen als mit ortsunkundigen Strandwanderern, die sich nicht um die Gezeiten kümmerten, von Nebel und Flut überrascht wurden und eingesammelt werden mussten.
»Okay, Mr Peters, wenn Sie das selbst machen können, bringen Sie das Boot in unsere Werkstatt. Morgen Vormittag passt es.« Luke beendete das Gespräch und öffnete seinen Wagen, als Ranger Steven mit einem Sack Plastikmüll aus den Dünen kam.
»Hallo, Luke, alles klar?« Steven, Ende zwanzig, kleiner und drahtiger als der eher muskulöse Luke, schwenkte den Sack. »Hoffe, das war’s langsam für diese Saison.«
»Aye, mir reicht es auch, bin froh, wenn die Caravanparks dichtmachen.« Luke stammte aus Yorkshire, und seine Sprache war noch immer dialektgefärbt.
»Im Prinzip nichts dagegen, wir leben alle vom Tourismus, aber müssen die so viel Müll hinterlassen? Wie laufen die Geschäfte?«
»Habe gerade einen neuen Winterauftrag reinbekommen. Ein Mr Peters von drüben.« Er nickte Richtung Norden. Der Dovey mündete hier ins Meer, und auf der anderen Seite der Flussmündung lag Aberdovey, ein hübsches, verschlafenes Feriendorf.
Steve warf den Sack auf die Ladefläche seines Pick-ups und nickte. »Yup, Peters, dem gehört ein Hotel, das er nicht selbst betreibt, seine Exfrau, glaube ich. Kommt aus Manchester.«
»Ah, danke. Ist immer besser, man weiß, mit wem man es zu tun hat.«
»Oh, dem kannst du eine saftige Rechnung schicken, da tut’s nicht weh … Habe deinen Jungen unten gesehen. Soll ich ihn nachher mitnehmen?«
Eine heftige Böe fegte durch die Dünen, und dunkle Wolken ballten sich über dem Meer zusammen. »Ja, danke dir. Ich weiß auch nicht, was ich mit ihm machen soll. Ist ein lieber Junge, aber seit Sophies Tod kapselt er sich ab. Und am Meer fühlt er sich wohl. Es tut ihm gut, und er weiß, dass er nicht zu weit hinauslaufen darf.« Hilflos hob Luke die Schultern. Er machte sich immer Sorgen um seinen Sohn, aber er konnte ihn schließlich nicht einsperren, und Max war ein helles Kerlchen.
»Das dauert eben, und ich sehe ihn ja auch mit den anderen Kindern. Gib ihm Zeit, dann kommt er wieder zu sich.« Steven klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Dir fehlt eine Frau, Luke, damit wieder Leben in euren verschrobenen Männerhaushalt kommt.«
Luke verzog das Gesicht. »Hast du nicht eben gesagt, das dauert?«
»Aber nicht zu lange, sonst verlernst du’s am Ende noch.«
»Ich vergesse immer, dass du frisch verheiratet bist, Steven. Es sei dir verziehen.« Er zog die Autotür auf und schwang sich hinein. »Bis nachher. Und danke!«
»Jederzeit!« Steven griff nach einem leeren Müllsack und stapfte durch den weichen Dünensand davon.
Luke verließ Ynyslas, den nördlichen Strandabschnitt von Borth, über einen Feldweg und bog auf die kaum breitere Straße, die direkt an den Dünen entlang nach Borth führte. Nach einem Kilometer wurden die Dünen niedriger, und die ersten Fairways des Golfplatzes schmiegten sich in die raue Küstenlandschaft. Gegenüber, auf der Landseite der Straße, stand ein einzelnes weißes Cottage und trotzte windschief den Elementen. Dort lebte die alte Gwen Morris seit Jahren allein. Im Sommer saß die alte Dame meist auf der Veranda und schaute auf das Meer hinaus.
Heute stand eine silberne Limousine vor dem Haus, und Luke hoffte für die alte Dame, dass ihre Familie sie besuchte. Nun folgten in knappen Abständen einzelne mehr oder weniger gepflegte Ferienhäuser, meist Bungalows. Als er ein Schild mit der Aufschrift »Camping« passierte, bog er links ab. Seine Bootswerkstatt befand sich an einem Ausläufer des Dovey am Moor. Der Wagen ruckelte über Schlaglöcher, teilweise war die Fahrbahn an den Rändern abgebrochen, und die Räder sanken im weichen Boden ein. Hohes Schilfgras säumte die von zahlreichen kleinen Flussarmen zerfurchte Landschaft. Die Grünflächen dazwischen waren saftig, aber zu feucht, um als Bauland verkauft zu werden.
Luke fuhr langsam über die einspurige Brücke, welche die Ufer des Lery miteinander verband. »Sherman’s Boatyard« stand in orangefarbenen Lettern auf einem Holzschild an der Bootshalle. Vor zwei Jahren hatte er den heruntergewirtschafteten Betrieb gekauft und kämpfte noch immer gegen den schlechten Ruf seines Vorgängers an. Doch seine Sorgfalt bei der Auswahl von Mitarbeitern zahlte sich aus. Die Aufträge häuften sich, und das Unternehmen schrieb schwarze Zahlen.
Er hielt vor dem geöffneten Hallentor, legte die Mütze auf den Beifahrersitz und sprang aus dem Wagen. Auf dem Hof lagen sechs Boote, die winterfest gemacht werden sollten, weitere fünf waren bereits fertig und mussten von den Besitzern abgeholt werden. Auf einem Gelände, das Luke erst kürzlich dazugekauft hatte, standen mehr als ein Dutzend Motorboote und Segelyachten im Winterquartier.
Aus der Halle tönte ohrenbetäubend laute Musik zum rhythmischen Sound einer Schleifmaschine.
»Liam!«, brüllte Luke und stellte sich so, dass der junge Mann in T-Shirt und Weste ihn sehen konnte.
Liam, der dabei war, einen Schiffsrumpf von altem Lack zu befreien, stellte die Maschine ab, nahm den Mundschutz vom Gesicht und wischte sich mit einem Handschuh den Schweiß von der Stirn, wobei er den Rand der Wollmütze nach oben schob. »Boss, bin fast fertig!«
Luke drehte die kleine Stereoanlage leiser, die vor dem Büro auf einem Holzstapel stand. »Wie hältst du diesen Lärm nur aus!«
Lachend machte Liam eine Luftgitarrenbewegung mit der Schleifmaschine. »Das ist kein Lärm, das ist Pantheon, bester Metal Sound!«
»Wenn’s dir gefällt. Van Morrison ist mehr nach meinem Geschmack.«
»Softi«, grinste Liam, schien sich zu erinnern, wen er vor sich hatte, und sagte: »Sorry, Boss.«
»Und hör auf, mich Boss zu nennen.« Luke ging um den aufgebockten Rumpf des kleinen Segelschiffs herum und fuhr mit den Fingerspitzen über die Oberfläche. »Da musst du noch mal drüber. Das muss alles runter.«
»Okay, Boss, äh, Luke.« Liam war nicht der Schnellste, aber gutmütig und hörte zumindest zu, wenn man ihm etwas erklärte. Er kam aus dem nahen Aberystwyth und verdiente sich mit verschiedenen Jobs sein Auskommen.
Mehr als eine Vollzeitkraft konnte Luke sich noch nicht leisten, und die Stelle hatte er dem gelernten Bootsbauer Tyler French gegeben. Der kostete ihn zwar mehr, kannte aber alle Tricks und Kniffe seines Metiers aus jahrelanger Erfahrung auf verschiedenen Werften. Zuletzt hatte er für einen britischen Unternehmer auf einer Werft in Thailand gearbeitet. Das Heimweh hatte den fünfzigjährigen Tyler nach Wales getrieben, und Luke hoffte, dass den geschätzten Mitarbeiter nicht allzu bald wieder das Fernweh packte.
»Wo ist Ty?«
»An der Stingray, die vorgestern reingekommen ist.« Liam zog seine Maske übers Kinn. »Kann ich heute früher gehen? Ich will mit Gareth zu einem Konzert in Carmarthen.«
»Wenn das hier fertig wird, ja. Und vergiss nicht, wer saufen kann, kann auch arbeiten«, ermahnte er Liam, denn die Vergangenheit hatte gezeigt, dass er nach ausgiebigen Touren mit Gareth in der Werkstatt tagelang unbrauchbar war.
Liam verdrehte genervt die Augen, zog sich die Maske übers Gesicht und stellte die Schleifmaschine an. Luke verließ die Halle, denn das Motorboot war in einem kleineren Gebäude aufgestellt worden. Kaum trat er nach draußen, wurde er von einer Windböe erfasst, die ihm den aufgewirbelten Sand in die Augen trieb. Das würde einen heftigen Sturm geben, dachte Luke und nahm sich vor, später alle Boote samt Planen zu überprüfen, die draußen festgemacht waren. Er war froh, dass Steven sich um Max kümmerte, sonst hätte er jetzt losfahren müssen.
In der kleineren Werkstatt war es bis auf gelegentliches Klopfen und leises Fluchen still. »Ty?«
»Verhenkertes … ah, Luke, gut, dass du kommst. Sieh dir das hier an.« Eine graue Strubbelmähne tauchte hinter dem Bootsrumpf auf. Tylers eisblaue Augen begrüßten Luke, doch in Gedanken war der Bootsbauer ganz bei seinem Problem. Er hielt einen kleinen Gummihammer und klopfte einen Bereich neben dem Kiel ab. »Hörst du das?«
»Aye, ein Riss, würde ich sagen.« Luke war zwar kein gelernter Bootsbauer, doch er hatte sein Hobby zum Beruf gemacht und durch sein Leben im Dienst der Royal Navy viel gelernt.
»Der Eigner hat von zehn Litern pro Stunde gesprochen, die das Boot zieht. Ich habe den Rumpf überprüft. Den Bereich um den Riss herum könnte ich mit der Rotex anschäften, austrocknen lassen, Epoxidharz und 420er Glasfasergelege, und es wäre wieder so gut wie neu.« Tyler hob den Kopf und legte die flache Hand gegen das Motorboot. Er war einen Kopf kleiner als Luke, doch drahtig und kraftvoll. »Das ist die günstige Variante.«
Luke überlegte kurz. »Mach das. Der Eigner ist ein netter Typ und empfiehlt uns sicher an seine Freunde.«
Ein Wagen fuhr auf den Hof, und Luke nickte Tyler noch einmal bestätigend zu, bevor er die Werkstatt verließ. Beide Gebäude waren von Grund auf renoviert und mit viel Holz regional typisch verkleidet worden. Zunehmend sahen sich auch Touristen gern auf dem Gelände um, und Luke überlegte, ob er im Sommer eine Kitesurfschule am Strand eröffnen sollte.
Als er seinen Schwiegervater aus dem Auto steigen sah, wurde sein Herz schwer. Rhodri Perkins war einer der Gründe gewesen, warum Luke nach Borth gezogen war. Der frühe Tod seiner Tochter hatte Rhodri mehr zugesetzt, als er jemals zugeben würde. Rhodri führte das Lighthouse, einen gut gehenden Pub in Borth, und war in zweiter Ehe mit der um einige Jahre jüngeren Leah verheiratet. Leah hatte eine Tochter mit in die Ehe gebracht, die neunzehnjährige Lucy, deren lockerer Lebenswandel ihn die eigene Tochter noch schmerzlicher vermissen ließ.
Die beiden Männer nahmen einander kurz in den Arm. »Rhodri, was führt dich her?«
»Ich habe eine Überraschung für Max. Wo ist der kleine Racker?« Suchend schaute sich Max’ Großvater um.
»Am Strand. Steven bringt ihn gleich vorbei. Willst du warten und einen Kaffee mit mir trinken?« Luke hatte ein Cottage am Rande des Moors gemietet, von dem aus er auch zu Fuß zur Werft gehen konnte. Doch jetzt steuerte er mit Rhodri auf das Büro in der Werkshalle zu, in dem neben Schreibtisch und Sitzecke für Kunden auch eine Teeküche untergebracht war.
»Gern. Warte, ich nehm’s schon mal aus dem Wagen.« Rhodri öffnete die Heckklappe seines Kombis und hob ein kleines Mountainbike heraus.
»Ich wusste gar nicht, dass Max Geburtstag hat«, meinte Luke und schüttelte den Kopf. »Du verwöhnst ihn.«
Rhodri lächelte, wobei sich die scharfen Linien um Mund und Augen vertieften. Um seine Augen lagen dunkle Schatten, aber das brachte das Nachtleben mit sich. Seinen rasierten Schädel versteckte er meist unter einer verwaschenen Baseballcap. Über einem dicken Wollpullover trug er eine Weste zu ausgebeulten Jeans. Er war fast sechzig Jahre alt, und man sah ihm jedes einzelne Jahr an.
»Kannst du mir das verdenken? Max ist ein Sonnenschein, was ich von Lucy leider nicht behaupten kann.« Er stellte das Fahrrad vor dem Eingang ab.
Gemeinsam betraten sie die Halle, wo Liam eifrig die Schleifmaschine betätigte. Nachdem Luke die Bürotür hinter ihnen geschlossen hatte, wurde es ruhiger. Er hatte die Tür und das schmale Fenster zur Halle isoliert, um relativ ungestört arbeiten und telefonieren zu können.
»Ist sie schwanger, oder hat sie das Praktikum geschmissen?«, fragte er und stellte die Espressomaschine an.
Rhodri ließ sich in einen der abgewetzten Ledersessel fallen, nahm die Cap vom Kopf und rieb sich den Schädel. »Ich weiß gar nicht, ob eine Schwangerschaft das Ärgste wäre, sie ist gefeuert worden – aus einem Praktikum!«
Der Espresso zischte unter dem ratternden Geräusch der Maschine in zwei Tassen. Luke konnte auf vieles verzichten, aber nicht auf seinen Espresso. Er gab in beide Tassen einen Löffel Zucker und reichte Rhodri eine. »Was kann man denn schon falsch machen, wenn man ein Praktikum bei einem Immobilienmakler macht? Hat sie den Kunden Tee über die Hose gegossen?«
»Wenn sie überhaupt aufgetaucht ist, kam sie zu spät, und dann war sie auch noch patzig zu einem wichtigen Kunden. Ich bin am Ende meiner Weisheit. Meine Kontakte sind aufgebraucht. Soll sie zusehen, wie sie klarkommt«, meinte Rhodri bitter.
»Tja, sie ist neunzehn und muss selbst wissen, was sie tut. So hart das klingt, aber was willst du machen? Außerdem ist sie nicht deine leibliche Tochter und hat dich nie akzeptiert. Das macht es nicht gerade einfacher …«
Luke leerte seine Tasse in einem Zug und horchte nach draußen, wo ein Wagen vorfuhr.
»Nein, das macht es nicht, und Gott weiß, dass ich mir Mühe gegeben habe. Aber nun soll es so sein. War das eben ein Auto?« Rhodris Miene erhellte sich. Er stand auf und stellte seine Tasse auf den Tisch.
Und sie hörten bereits Max’ helle Stimme. »Dad? Ich bin wieder da, und rate mal, wen ich getroffen habe?«
Wie eine frische Brise stürmte ein dunkelhaariger Junge durch die Halle auf sie zu, ließ sich von Luke umarmen und von seinem Großvater die Haare zerzausen. Ranger Steven folgte ihm mit einem breiten Grinsen.
»Hallo zusammen!« Er hob schnuppernd die Nase. »Kaffee!«
»Geh rein und mach dir einen«, lud Luke seinen Freund ein, bevor er sich seinem Sohn zuwandte. »Okay, wen hast du getroffen?«
Doch Max war bereits von seinem Großvater in Beschlag genommen, der ihn an der Hand nach draußen zu seinem neuen Fahrrad führte. Das Geschenk wurde mit Freudenschreien begrüßt, und Luke ließ die beiden allein.
»Mach mir bitte auch noch einen, Steven«, sagte er.
»Wir haben hohen Besuch. Ich glaube, das wollte Max dir erzählen. Zucker?«, fragte Steven.
Luke nickte. »Hohen Besuch? Naturschutzamt?«
»Besser oder schlechter, wie man’s nimmt. Eine Archäologin aus Oxford, vom Centre für Maritime Archaeology.«
»Die wollen sicher mal wieder nach dem versunkenen Wald sehen. Na dann … Cheers!« Luke hob seine Tasse. Seit er nicht mehr bei der Navy war, trug er die Haare länger, doch seiner Haltung merkte man den Militärdienst noch immer an. So was steckte in den Knochen. Eine gerade Nase und das markante Kinn prägten sein eher längliches Gesicht, dessen schön geschwungener Mund gern, aber zu selten lachte.
Steven legte den Kopf schief. »Die Lady meint es ernst. Eine Frau Doktor mit Ambitionen, wenn du mich fragst. Und hübsch. Das hat sogar Max festgestellt.« Der Ranger grinste.
»Der Junge kommt nicht nach mir«, lachte Luke und dachte an den Blick in grüne Augen, die nicht wussten, dass sie beobachtet wurden.
»Ich habe nur kurz mit ihr gesprochen. Sie war ganz aufgeregt, weil der Sturm mehr von den Baumstämmen freigelegt hat als jemals zuvor. Eventuell holt sie Verstärkung und will alles kartieren und untersuchen.«
»Hoffentlich ohne Presserummel …«, murrte Luke.
»Darauf legt sie sicher keinen Wert, kann ihr nur schaden, wenn lauter Idioten im Watt herumtrampeln, herumstochern und womöglich sogar nach Schätzen buddeln, wo es keine gibt.«
Luke fuhr sich durch die Haare. »Lassen wir uns überraschen.«