Wir sind vielen und vielem sehr dankbar für die Unterstützung bei der Schaffung dieses Buches – den Stand-Up Paddlern beim Café Leinpfad, den Pfannkuchen im Winterhuder Kaffeehaus, den Spezialisten Peter Langner und Shilen Pattani, unserer Lektorin Sophia Rosenthal und vielen aus unserem Familien- und Freundeskreis, ohne deren Geduld und Unterstützung dieses Buch es nicht an das Licht der Welt geschafft hätte.

© 2020 Christiane Buck, Frank Endrikat

Umschlag, Illustration: Christiane Buck, Frank Endrikat

Lektorat, Korrektorat, Graphik: Sophia Rosenthal

ISBN

Paperback 9783753484501

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Books on Demand GmbH, Norderstedt

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung
  2. Vorbereitungsphase: Die Crew zusammenstellen
  3. Designphase: Die Flugtauglichkeit sicherstellen
  4. Implementierungsphase: Alle an Bord holen
  5. Akzeptanzphase: Beschleunigung vor dem Abheben
  6. Go-Live-Phase: Sicher Landen
  7. Business as usual: Den Autopiloten einstellen
  8. Globaler Rollout: Nach der Reise ist vor der Reise
    • 8.1 Internationale Begleitung
    • 8.2 Kommunikation
    • 8.3 Abstecher: Gamification
  9. Blick zurück
  10. Quellenangaben

1 Einführung

1.1 Vorgeschichte

Es ist Sommer. Wir sitzen draußen, in einem Café direkt an der Hamburger Alster. Die Sonne glitzert auf der Wasseroberfläche. Wir sind zwei ehemalige Kollegen, die länger nichts voneinander gehört haben. Nur wenige Meter neben uns macht eine kleine Gruppe ihre ersten Erfahrungen mit Stand Up Paddling.

Die Atmosphäre aus konzentriertem Üben und vorsichtigem Ausprobieren schwappt zu uns herüber. Wir haben uns viel zu erzählen. Wie ist es bei dem Anderen weitergegangen? Bald sind wir auf dem Laufenden. Und dann spielen wir mit unseren Erlebnissen aus gemeinsamen Projektzeiten ein fröhliches Ping-Pong. Weißt du noch als...? Und wie geht es denn eigentlich...?

Dann plötzlich neben uns ein lautes „Platsch”- eine Übende ist dicht neben uns von ihrem SUP-Board gerutscht. Wir sehen noch den überraschten Schreck auf ihrem Gesicht, bevor sie im Wasser eintaucht. Die Schwimmweste hält ihren Kopf über Wasser. Lachend und erleichtert – „nichts passiert, war nicht schlimm”, hievt sie sich wieder auf das Board. In ihrem Gesicht können wir jetzt wie in einem Buch lesen: „Okay, ganz so einfach ist es doch nicht.”

Unser Austausch über die Vergangenheit hat sich inzwischen zu einem kreativen Brainstorming der Gegenwart entwickelt. Die Idee entsteht, gemeinsam ein Buch zu schreiben. Ein Buch für die Praxis, das unsere individuellen Expertisen sinnvoll zu etwas Neuem zusammenbringt. Die Bausteine Projekt, Transformation, Change und Agilität sind schnell kombiniert. Mehr Agilität im Change von Transformationsprojekten wird unsere Botschaft. Ohne wissenschaftlichen Anspruch, das Machen liegt uns mehr.

Die Stand Up Paddler sind noch am Üben, aber die Atmosphäre hat sich verändert. Trotz der ersten Rückschläge sind alle sichtlich entspannter und der Spaß gewinnt die Oberhand. Eigentlich eine schöne Metapher für unser Thema (okay, zugegeben, das wird uns erst später klar): Aus der Kombination von Paddeln und Surfen entsteht eine neue, eigene Sportart, die (fast) jeder ausprobieren kann. Obwohl es leicht aussieht, kommt man ums Üben nicht herum - vor allem wenn man ein bestimmtes Spaßlevel erreichen möchte.

Wir haben die Kapitel dieses Buches an die üblichen Phasen eines Transformationsprojektes angelehnt. Wir geben dir Anregungen, welche Aktivitäten in welcher Phase Sinn machen könnten. Es ist kein Best-Practise Buch, denn jedes Projekt ist anders und braucht seine ganz individuelle Change-Begleitung. Auch eine Best-Practise-Schablone ist da nicht die Lösung.

Unsere Anregungen sind an Stellen, an denen es uns sinnvoll erscheint, mit kurzen Abstechern in die Theorie unterfüttert. Und wir erzählen dir die Geschichte eines Change-Makers aus einer anderen Welt. Er begleitet uns bis zum Ende des Buches. Von Phase zu Phase schauen wir uns an, was er erlebt.

Immer wieder begegnen wirst du auch unseren vier Schlüsselpersonen, die ihre Kommentare nicht für sich behalten können. Klingt das nach kreativem Spaß und fröhlichem Chaos? Das Erste hoffentlich ja, das Zweite absolut nicht. Wir hoffen, du kommst gerne mit auf unsere Projektreise.

Bevor es los geht noch ein Satz zur gendergerechten Sprache. Wir haben uns auch hier für eine Mischung entschieden: Wenn immer möglich, verwenden wir genderneutrale Bezeichnungen. Aber eine Ausnahme haben wir uns erlaubt: Häufig verwendete Anglizismen, wie z.B. Stakeholder oder Keyuser, lassen wir aus Gründen der Lesefreundlichkeit in der männlichen Form. Wir hoffen auf dein Verständnis.

1.2 Das richtige Leben

In unserem Buch nehmen wir dich mit auf eine Reise durch das fiktive Transformationsprojekt BOLDMOVE. In den unterschiedlichen Projektphasen erklären wir dir unseren Ansatz der agilen Change-Begleitung. Kennzeichnend für ein Transformationsprojekt ist, dass die Auswirkungen alle Bereiche eines Unternehmens beeinflussen.

Dazu braucht man viele Beteiligte für einen längeren Zeitraum. Die Komlexität eines solchen Vorhabens wird oft unterschätzt. Dabei gilt: Je mehr Komplexität, desto mehr Unsicherheit. Mit anderen Worten: Es ist am Anfang niemandem klar (kann auch nicht), was auf dem Weg alles passieren wird. Die Einflüsse einer unbeständigen Umwelt tun ihr Übriges.

An dieser Stelle können wir auch die aktuelle Pandemie nicht ausblenden. Unsere Realität hat sich verändert. An vielen Stellen hat die sogenannte Corona-Krise schon vorhandene Schwachstellen aufgedeckt und den Veränderungsdruck erhöht. Durch die Notwendigkeit, an vielen Stellen (fast) nur noch virtuell zusammenarbeiten zu können, ist wohl auch das traditionellste Unternehmen im digitalen Zeitalter angekommen.

Wir sehen in der Corona-Krise aber auch die Chance für einen Schub in Richtung agiles Denken und Handeln. Bei allen negativen Auswirkungen auf unser Leben, kann die aktuelle Situation nicht ein Entwicklungsfeld für Agilität sein? Die Situation in der wir uns befinden ist komplex. Es gibt keine bekannten Lösungswege.

Jeder Plan ist hinfällig geworden, alles muss neu gedacht werden. Wir müssen Verantwortung für uns und unsere Mitmenschen übernehmen, damit wir alle gesund bleiben. Unser Mut ist gefordert, Anderes auszuprobieren, um wirtschaftlich zurechtzukommen. Unsere Lernbereitschaft ist gefordert, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Mehr Respekt untereinander wird benötigt. Hier hat sich anscheinend auch schon etwas getan. Die Wertekommission [1] führt seit vielen Jahren eine Befragung unter Führungskräften zu Werten durch. Dieses Jahr gab es einen sprunghaften Anstieg bei dem Wert „Respekt“. Die Kommission führt das auf die veränderte Arbeitsweise während Corona zurück.

Respekt bedeutet, dass die Wertschätzung im Unternehmen eine größere Rolle spielt. Damit scheint während der Corona-Pandemie die Bedeutung der gegenseitigen Anerkennung sowie der Achtung gegenüber anderen gestiegen zu sein. Setzen wir also öfter mal die Zuversichtsbrille auf. Die ist auch für den Blick auf Agilität wichtig.

1.3 Agile Change-Begleitung

Noch kurz vorab: Hast du es schon bemerkt? Wir tun uns schwer mit dem Wort „Management“ wenn es um Veränderungsbegleitung geht. Bisher haben wir nicht erlebt, dass angestrebte Veränderungen sich wirklich planen, steuern oder mit festen zeitlichen Vorgaben organisieren ließen.

Wir haben initiiert, förderliche Rahmenbedingungen geschaffen, in sinnvolle Abschnitte aufgeteilt, Impulse gegeben und interveniert. Der „Output“ aber war oft anders als erwartet. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir lieber von Change-Begleitung sprechen.

Wie kommen wir denn nun auf agile Change-Begleitung?

Unter agiler Change-Begleitung verstehen wir eine, von agiler Einstellung beeinflusste und mit agilen Methoden angereicherte, Veränderungsbegleitung. Klassische Ansätze mit ihrem Verständnis, dass vor allem das Top-Management für das Unternehmen die besten Entscheidungen trifft, funktionieren nicht mehr [2].

Die Integration von agilen Methoden, verbunden mit der kontinuierlichen Entwicklung eines agilen Mindsets aller Beteiligten, ist unser Verständnis von agiler Veränderungsbegleitung.

Aber eins nach dem anderen – warum ein agiles Mindset?

Unzählige Male haben wir es wohl alle gehört und gelesen: Unsere Arbeits- und Berufswelt verändert sich derzeit so dynamisch wie nie zuvor. Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, ist lebenslanges Lernen alternativlos. Dafür braucht es Agilität.

Ohne die Beweglichkeit im Denken, Fühlen und Handeln und die Bereitschaft, eingetretene Pfade zu verlassen und sich auf neue Wege zu begeben, werden wir es schwer haben. Wer agil ist, ist beweglich, wendig und rege. Lebendig eben - das auch im Kopf. Genau da liegt der Hase im Pfeffer.

Agilität im Kopf setzt eine bestimmte innere Einstellung voraus. Diese innere Haltung und Denkweise wird als agiles Mindset bezeichnet. Damit ist das Umsetzen bestimmter Prinzipien verbunden: Offenheit für Veränderungen, kontinuierliches Lernen und Sich-Neu-Ausrichten, Ausprobieren von Neuem, Fehler und Feedback als Lernchance sehen, Respekt, Vertrauen, Teamerfolg und den Kunden in den Fokus zu stellen [3].

Respekt und Vertrauen? Veränderungsbereitschaft? – so neu hört sich das jetzt nicht an. Zuhören, Aufeinandereingehen und Selbstreflexion waren schon immer Garanten für gute Zusammenarbeit und gemeinsame Erfolge.

Die Einstellung, Fehler nicht zu verteufeln, sondern als wertvolle Quelle für die eigene Weiterentwicklung zu sehen, hört sich schon ungewohnter an. Experimente zu wagen und das Risiko des Scheiterns bewusst in Kauf zu nehmen, dürfte für viele eine größere Herausforderung sein.

Wir sprechen lieber von Ausprobierkultur, was weniger Skepsis hervorruft, als der Begriff Fehlerkultur.

Für das agile Arbeiten brauchen wir also ein agiles Mindset. Aber woher nehmen?

Eine Veränderung des Denkens kann nicht einfach so eingefordert oder angeordnet werden. Innere Haltung und Einstellung ist eine sehr persönliche Sache. Die individuelle Mindset-Ausprägung beruht auf den Erfahrungen, die ein Mensch bisher gemacht hat, inneren Überzeugungen und fest verankerten Glaubenssätzen aus der persönlichen Entwicklungsgeschichte.

Eine Veränderung der eigenen Denklogik ist nicht von heute auf morgen möglich, sondern kann nur in kleinen Schritten erfolgen [4]. Es ist ein fortlaufender Prozess, der individuell ganz unterschiedlich lange dauern kann.

Das Lebensalter spielt bei der Veränderungsfähigkeit übrigens keine Rolle, schon eher der bisher erreichte Reifegrad der Veränderungsfähigkeit.

Und welche agilen Methoden denn?

Tja, gute Frage. „Doing agile” ist in der Praxis zwar schneller umzusetzen als „Being agile”, aber es gibt eine riesige Auswahl agiler Methoden. Welche Methode für welche Projektkonstellation sinnvoll ist, musst du wahrscheinlich in den meisten Fällen selbst herausfinden.

Die gute Nachricht ist, dass kreative, agile Methoden oft viel Spaß bringen und selbst in einem bisher wenig agilen Umfeld zum Einsatz kommen können. Das Projekt ist damit natürlich noch nicht agil – aber eine agile Methode kann die Lösungsfindung für eine Problemstellung erleichtern.

Unsere Erfahrung ist, dass alle Generationen sich mit agilen Methoden wohlfühlen. Sie kommen dem menschlichen Bedürfnis nach Sinn und Mitbestimmung entgegen und das gilt ohne Alterslimit.

1.4 Every-Bodies-Darling?

Du darfst also im Change eines Projektes mitarbeiten? Glückwünsch!

Es erwartet dich eine spannende und herausfordernde Aufgabe, eine Reise mit zahlreichen, ganz unterschiedlichen Erfahrungen. Mach dich auf einiges gefasst - aber vor allem freu dich, es wird mit Sicherheit nie langweilig.

Einige Gedanken noch zur Rolle und Einstellung von Change-Makern. Sie analysieren und initiieren, sie vermitteln und ermöglichen, sie fördern und unterstützen, sie ermutigen und geben Impulse, sie coachen und kennen sich mit Methoden aus, sie lösen Konflikte und vieles mehr.

Du siehst, es sind verschiedene Ebenen der Veränderung, auf denen du aktiv sein wirst.

Abbildung 1: Die vier Veränderungs- und Aktionsebenen

Die einzelnen Mitarbeitenden im Projekt oder Unternehmen sind unterschiedlich von Veränderungen betroffen. Einige mehr, andere weniger. Im Projektkontext ist es eher schwierig, für alle Beteiligten ein individuelles Entwicklungsprogramm “Getting agile” aufzustellen.

Das bedeutet aber nicht Entwicklungsstopp. Du kannst trotzdem viel anstoßen. Mit vielen kleinen Babyschritten [5]. Eine gute Voraussetzung für die Entwicklung eines agilen Mindsets ist, die neue Art des Arbeitens mit Erfolgserlebnissen und positiven Erfahrungen zu verknüpfen.

Allein schon die veränderte Situation plötzlich in einem Projektumfeld zu arbeiten, ist eine gute Voraussetzung.

Die Führungskräfte des Unternehmens werden mit Veränderungen umgehen müssen. Wir unterscheiden das Top-Management und das operative Management, mit denen du zu tun haben wirst. Eine wichtige Aufgabe für dich: Die Rolle der Konfrontierenden.

Du brauchst den Mut, die wunden Punkte im Veränderungsprozess anzusprechen, Fehlentwicklungen zu identifizieren und ans Licht zu bringen, Kurskorrekturen einzufordern und manchmal unpopuläre oder unbequeme Maßnahmen umzusetzen.

Auch dem Top-Management wirst du manchmal klares Feedback geben müssen. Ein „Every-Bodies-Darling“-Job sieht anders aus.

Die Teams im Projekt und die Teams im Business werden deine Unterstützung erfordern. Ein Team ist mehr als eine Gruppe von Individuen und muss daher als Einheit begleitet und entwickelt werden, damit die Energie in die gewünschte Richtung geht.

Last but not least die organisationale Ebene: Der Aufbau der Organisation und der Ablauf der Geschäftsprozesse können sich beträchtlich verändern.

Deine Aktivitäten auf dieser Ebene beziehen sich auf das Sichtbar- und Verstehbarmachen der Veränderungen. Es gilt die Hürden aus dem Weg zu räumen, damit die Übernahme neuer Aufgaben und Abläufe möglichst reibungslos läuft.

Was uns in Langzeitprojekten immer wieder geholfen hat motiviert zu bleiben, ist die Fähigkeit, Unsicherheiten und Widersprüche auszuhalten. Hört sich leichter an, als es ist.

Damit leben zu müssen, dass Entscheidungen nicht getroffen werden oder manchmal sogar dem gesunden Menschenverstand widersprechen, ist uns nicht nur einmal begegnet.

Bereite dich mental gut vor und sorge dafür, dass dein Rucksack mit „Frustrations- und Unsicherheitstoleranz“ immer gut gefüllt ist. Regelmäßige Supervision und professionelle Begleitung für dich selbst, ist aus unserer Sicht unentbehrlich.

1.5 Mojito mixen statt Pläne fixen

Aus unserer Praxis kommt die Erkenntnis, dass gute Resultate tendenziell weniger durch sorgfältiges Planen, sondern in erster Linie durch mutiges Ausprobieren entstehen. Wir haben es mit Menschen und ihrem Verhalten zu tun. Menschliches Verhalten ist komplex und nicht vorhersehbar.

Wir sind überzeugt, dass erfolgreiche Veränderungsbegleitung auch ohne detaillierte Pläne auskommt. Uns ist bewusst, dass gerade das für ein Transformationsprojekt im betriebswirtschafltichen Umfeld eine mutige Behauptung ist. Im klassischen Projektvorgehen ist oft detailliertes Planen gefordert und findet akribisch statt.

Aber je detaillierter das Vorgehen für die Zukunft festgelegt wird, desto mehr wiegen sich alle Beteiligten in trügerischer Planungssicherheit (So ein grüner Statusbericht hat doch etwas sehr Beruhigendes!) und desto weniger flexibel und angemessen wird oft auf ungeplante Situationen und Abweichungen ragiert.