JEROME K. JEROME

Zwei Mann
auf Pilgerfahrt

aus dem Englischen übersetzt
und herausgegeben
von Alexander Pechmann

Inhalt

Vorwort

Montag, der 19.

Donnerstag, der 22.

Freitag, der 23.

Samstag, der 24.

Samstag, der 24. – Fortsetzung

Die Hälfte vom Samstag, dem 24., und ein Stück vom Sonntag, dem 25.

Ende von Samstag, dem 24. und Anfang von Sonntag, dem 25. – Fortsetzung

Der Rest vom Sonntag, dem 25.

Sonntag, der 25. – Fortsetzung

Dienstag, der 27.

Dienstag, der 27. – Fortsetzung

Dienstag, der 27. – Fortsetzung

Freitag, der 30., oder Samstag, ich bin mir nicht sicher

Montag, 9. Juni

Anmerkungen

Nachwort

Editorische Notiz

Vorwort

Vor einigen Monaten sagte ein Freund zu mir: »Warum schreibst du nicht mal ein vernünftiges Buch? Es wäre schön, wenn du die Leute zum Nachdenken bringst.«

»Du glaubst, das wäre möglich?«, fragte ich.

»Versuch’s doch«, erwiderte er.

Also habe ich es versucht. Dies ist ein vernünftiges Buch. Das sollten Sie wissen. Es ist ein Buch, das Ihren Horizont erweitert. In diesem Buch erzähle ich Ihnen alles über Deutschland – zumindest alles, was ich darüber weiß – und die Passionsspiele in Oberammergau. Ich erzähle Ihnen auch von anderen Dingen. Über diese anderen Dinge erzähle ich Ihnen nicht alles, was ich weiß, denn ich möchte Sie nicht in Wissen ersäufen. Ich möchte Sie Schritt für Schritt heranführen. Sobald Sie dieses Buch verinnerlicht haben, können Sie wiederkommen, und ich erzähle Ihnen ein wenig mehr. Ich würde nur meine Absicht vereiteln, sollte ich Ihnen womöglich eine bleibende Abneigung gegen das Lernen vermitteln, indem ich Ihnen schon zu Beginn zu viel Stoff zum Nachdenken gebe. Ich präsentiere das Thema absichtlich in zwangloser und fesselnder Form, um die Aufmerksamkeit der Jungen und Leichtsinnigen zu erregen. Ich möchte verhindern, dass Sie beim Weiterlesen bemerken, dass man Sie belehrt, und deshalb habe ich versucht, so gut wie möglich vor Ihnen zu verbergen, dass dies entweder ein außergewöhnlich kluges oder ein außergewöhnlich nützliches Werk ist. Ich möchte ihnen etwas Gutes tun, ohne dass Sie es merken. Ich möchte Ihnen allen Gutes tun – Ihren Horizont erweitern und Sie, wenn möglich, zum Nachdenken bringen.

Was Sie denken, nachdem Sie das Buch gelesen haben, interessiert mich nicht. Tatsächlich würde ich es nur ungern erfahren. Als Lohn genügt mir das Gefühl, meine Pflicht getan zu haben, sowie ein Anteil am Bruttogewinn.

London, März 1891

Montag, der 19.

Mein Freund B. – Einladung ins Theater – Eine überaus unerfreuliche Regel – Sehnsüchte eines künftigen Reisenden –Wie man das Beste aus seinem Heimatland macht – Freitag, ein Glückstag – Die Pilgerfahrt ist beschlossen

Heute Morgen besuchte mich mein Freund B. und fragte, ob ich am nächsten Montag mit ihm ins Theater gehen wolle.

»Oh, ja! Gewiss, alter Knabe«, erwiderte ich. »Hast du denn Freikarten?«

Er sagte: »Nein, es gibt keine Freikarten. Wir müssen zahlen.«

»Zahlen! Zahlen für einen Theaterbesuch!«, antwortete ich verblüfft. »Ach, Quatsch, du beliebst zu scherzen!«

»Mein Lieber«, gab er zurück, »glaubst du, ich würde vorschlagen zu zahlen, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, reinzukommen? Doch die Leute, die dieses Theater leiten, haben nicht die geringste Ahnung, was ›Freikartenliste‹ bedeutet. Diese unzivilisierten Barbaren! Es hat keinen Zweck, ihnen vorzugaukeln, du seist von der Presse, denn sie wollen die Presse nicht dabeihaben. Sie halten nichts von der Presse. Es ist sinnlos, dem Theaterdirektor zu schreiben, denn es gibt keinen Theaterdirektor. Es wäre Zeitverschwendung, ihnen anzubieten, ihre Theaterprogramme abzudrucken, denn sie haben keine – keine gewöhnlichen. Wenn du rein möchtest, um die Show zu sehen, musst du zahlen. Zahlst du nicht, bleibst du draußen. So lautet ihre brutale Regel.«

»Grundgütiger«, sagte ich, »was für eine überaus unerfreuliche Regel! Und wo ist nun dieses außergewöhnliche Theater? Ich kann mich nicht erinnern, es je besucht zu haben.«

»Ich glaube nicht, dass du je dort warst«, erwiderte er, »es ist in Oberammergau – erste Ausfahrt links nach dem Bahnhof Oberau, fünfzig Meilen von München.«

»Hm! Ziemlich abgelegen für ein Theater«, sagte ich. »Hätte nie gedacht, dass so ein Provinzhaus es sich leisten kann, sich derart wichtigzumachen.«

»Das Haus fasst siebentausend Besucher«, antwortete mein Freund B. »Und jede Aufführung macht sich bezahlt. Die erste Inszenierung ist am nächsten Montag. Kommst du mit?«

Ich überlegte kurz, blickte in meinen Kalender, sah, dass Tante Emma uns von Samstag bis Mittwoch besuchen wollte, berechnete, dass ich sie verpassen und vielleicht jahrelang nicht wiedersehen würde, wenn ich verreiste, und beschloss, es zu tun.

Um die Wahrheit zu sagen, reizte mich die Reise mehr als die Aufführung. Ich träumte seit jeher davon, ein großer Reisender zu sein. Ich brenne darauf, etwas wie das Folgende schreiben zu können:

»Ich rauchte meine duftende Havanna in den sonnigen Straßen des alten Madrid und schmauchte die grobe und nicht sonderlich wohlriechende Friedenspfeife in den zugigen Wigwams des Wilden Westens. Ich nippte meinen Abendkaffee im stillen Zelt, während das angepflockte Kamel draußen das Wüstengras abweidete, und ich schlürfte den feurigen Brandy des Nordens, derweil das Rentier neben mir in der Hütte sein Futter mampfte und das fahle Licht der Mitternachtssonne die Schatten der Kiefern auf den Schnee warf. Ich spürte den Stich glänzender Augen, die mich in den schmalen Gassen von Byzanz aus verschleierten Gesichtern gespenstisch musterten, und ich erwiderte das Lachen (was sich als Fehler erwies) der frechen, anzüglichen Blicke der schwarzäugigen Mädchen von Jedo. Ich wanderte, wo der gute – aber nicht allzu gute – Harun Alraschid bei Einbruch der Nacht verkleidet umherschlich, den treuen Mesrour an seiner Seite. Ich verweilte auf der Brücke, wo Dante die anbetungswürdige Beatrice vorbeischreiten sah. Ich trieb auf den Wassern, die einst Kleopatras Barke trugen. Ich stand, wo Caesar fiel. Ich hörte das sanfte Rascheln der reichverzierten, kostbaren Roben in den Salons von Mayfair und lauschte dem Klappern der Zahnketten an den Ebenholzhälsen der Schönen von Tongatabu. Ich keuchte unter den brennenden Strahlen von Indiens Sonne und fror in den eisigen Stürmen Grönlands. Ich mischte mich unter die wimmelnden Horden des alten Kathai, und tief in den großen Kiefernwäldern der westlichen Welt lag ich, in meine Decke gehüllt, tausend Meilen entfernt von den Gestaden menschlichen Lebens.«

B., dem ich meine Vorliebe für diese Art zu schreiben erläutert hatte, meinte, man könne denselben Effekt erzielen, indem man über Orte schrieb, die direkt vor der Haustür lagen. Er sagte:

»Man könnte so weitermachen, ohne England je verlassen zu haben. Folgendermaßen:

Ich rauchte meinen Four-Penny-Shag in den sandbestreuten Bars der Fleet Street, und ich schmauchte meine Two-Penny-Manilla in den vergoldeten Sälen des Criterion. Ich schlürfte mein schäumendes Bier bei Burton, wo Islingtons namhafter Engel die kleinen Durstigen unter seine schattigen Fittiche nimmt, und ich nippte meinen Ten-Penny-Ordinaire in manch einem knoblauchgeräucherten Salon in Soho. Auf dem Rücken eines seltsam einherschreitenden Esels bin ich über die sandigen Heiden von Hampstead gejagt – oder, genauer, der Eigentümer des Esels oder sein Agent hat mich gejagt –, und mein Kanu scheuchte die schreiende Wildente aus ihren einsamen Schlupfwinkeln inmitten der subtropischen Gefilde von Battersea. Den langen, steilen Abhang von One Tree Hill rollte ich von oben bis unten hinab, derweil lachende Maiden des Orients herumstanden, klatschten und johlten; und in dem altertümlichen Park jenes freundlichen Hofs, wo die blonden Kinder der unglückseligen Stuarts spielten, wanderte ich lang auf manch einem Pfad, mein Arm um die Taille einer von Evas lieblichen Töchtern geschlungen, während ihre Mutter erbost auf der anderen Seite der Hecke tobte und uns doch nie zu nahe kam. Auf der Suche nach der Pension Norfolk Howard folgte ich einer Spur bis zu ihrem wässrigen Tod im fahlen Licht der Laterne. Ich folgte zitternd dem hüpfenden Floh über manche Meile aus Kissen und Decken, am Rand des großen Atlantic. Immerzu im Kreis, bis das Herz – und nicht nur das Herz – leidet und das irre Hirn wirbelt und sich dreht, ritt ich das kleine, aber äußerst harte Pferd, das man für einen Penny auf den Ebenen von Peckham Rye besteigen kann. Und hoch über den Köpfen der leichtsinnigen Scharen von Barnet (obgleich ich bezweifle, dass einer von ihnen nur halb so leichtsinnig war wie ich) schaukelte ich in einer buntbemalten Gondel, von einem Mann mit einem Seil betrieben. Würdevollen Schrittes betrat ich den Boden der Kensington Town Hall (Eintrittskarten eine Guinee pro Person, Erfrischungen inklusive – vorausgesetzt, man dringt durch die Menge bis dahin vor), und auf dem grünen Rasen des Waldes an der Grenze zu Ostanglien, neben der vielbesungenen Stadt Epping, gab ich im Boxring uralte Rituale zum Besten. Ich mischte mich am zweiten Weihnachtsabend unter die wimmelnden Horden von Drury Lane, und während der Aufführung eines hochklassigen Stücks saß ich in einsamer Pracht in der ersten Reihe, dritter Rang, und wünschte, ich hätte meinen Shilling stattdessen in den orientalischen Sälen der Alhambra ausgegeben.«

»Siehst du«, sagte B., »das ist genauso gut wie deins. Und man kann derlei schreiben, ohne länger als ein paar Stunden aus London hinauszufahren.«

»Lassen wir das«, erwiderte ich. »Mir ist klar, dass du meine Gefühle nicht teilst. In deiner Brust pocht nicht das wilde Herz des Reisenden. Du kannst seine Sehnsüchte nicht begreifen. Egal! Was zählt, ist, dass ich dich auf deiner Reise begleiten werde. Ich kaufe heute Nachmittag ein deutsches Wörterbuch und einen Anzug mit Karomuster und ein blaues Staubschutztuch und einen weißen Regenschirm und was der englische Tourist in Deutschland sonst noch braucht. Wann geht’s los?«

»Naja«, sagte er, »die Reise dauert gut zwei Tage. Brechen wir also am Freitag auf.«

»Ist Freitag nicht ein eher unglückverheißender Tag für eine Abreise?«, meinte ich.

»Oh, Grundgütiger!«, erwiderte er recht barsch. »Was für ein Unfug kommt als nächstes? Als würde die Lage in Europa vom Herrgott darauf abgestimmt, ob du und ich donnerstags oder freitags zu einem Ausflug aufbrechen.«

Er sagte, er sei erstaunt, dass ein Mann, der mitunter so vernünftig sein könne wie ich, für solches Altweibergeschwätz auch nur das Geringste übrig habe. Vor Jahren, er sei noch ein dummer Junge gewesen, sei er selbst diesem albernen Aberglauben aufgesessen und wäre nie auf die Idee gekommen, an einem Freitag abzureisen.

Doch einmal habe er es dennoch tun müssen. Damals hieß es, entweder Freitag aufbrechen oder gar nicht, und er habe beschlossen, es zu riskieren.

Er zog los und rechnete mit einer Reihe von Unfällen und Missgeschicken. Das einzige klitzekleine Vergnügen, das er sich von seiner Reise erhoffte, war, lebendig heimzukehren.

Es stellte sich jedoch heraus, dass er noch nie im Leben einen schöneren Urlaub gehabt hatte. Das ganze Unternehmen war ein gewaltiger Erfolg.

Und hinterher hatte er sich vorgenommen, immer nur an Freitagen abzureisen. Was er auch stets getan hat, und jedes Mal hatte er eine schöne Zeit.

Er sagte, er wolle mittlerweile nie, unter keinen Umständen, an einem anderen Tag als Freitag aufbrechen. Dieser Aberglaube über Freitage sei einfach lächerlich.

Also vereinbarten wir, am Freitag loszufahren, und ich treffe ihn abends um Viertel vor acht an der Victoria Station.

Donnerstag, der 22.

Die Gepäcksfrage – Vorschlag des ersten Freundes – Vorschlag des zweiten Freundes – Vorschlag des dritten Freundes – Mrs. Briggs’ Rat – Der Rat unseres Vikars – Der Rat seiner Frau – Ärztlicher Rat – Literarischer Rat – Georges Empfehlung – Hilfe meiner Schwägerin – Young Smiths Rat – Meine eigenen Überlegungen – B.s Überlegung

Heute habe ich mir gründlich den Kopf darüber zerbrochen, was ich an Gepäck mitnehmen soll. Morgens traf ich einen Mann, und er meinte:

»Oh, wenn Sie nach Oberammergau fahren, vergessen Sie bloß nicht jede Menge warme Kleidung einzupacken. Da drüben werden Sie all Ihre Wintersachen brauchen.«

Er sagte, ein Freund von ihm sei vor ein paar Jahren dorthin gefahren, hätte nicht genug warme Sachen mitgenommen, habe sich erkältet, sei heimgefahren und gestorben. Er sagte:

»Hören Sie auf mich und nehmen Sie viele warme Sachen mit.«

Später traf ich einen anderen Mann, und er sagte:

»Wie man hört, wollen Sie verreisen. Sagen Sie mir doch, welchen Teil von Europa besuchen Sie?«

Ich antwortete, einen Teil irgendwo in der Mitte. Er sagte:

»Also, hören Sie auf meinen Rat und besorgen Sie sich einen Kalikoanzug und einen Sonnenschirm. Stören Sie sich nicht daran, wie das Ding aussieht. Sie werden froh sein darüber. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie heiß es um diese Jahreszeit auf dem Kontinent ist. Engländer wollen unbedingt in derselben dicken Kleidung auf dem Kontinent umherreisen, die sie zu Hause tragen. Deshalb bekommen so viele von ihnen einen Sonnenstich und tragen lebenslange Schäden davon.«

Ich ging in den Club und traf dort einen Freund – einen Zeitungskorrespondenten –, der ziemlich viel herumgekommen war und Europa recht gut kennt. Ich erzählte ihm, was meine anderen beiden Freunde gesagt hatten, und fragte ihn, wem ich glauben solle. Er sagte:

»Nun, eigentlich haben beide recht. In diesen Bergregionen oben wechselt das Wetter sehr schnell. Morgens mag es heiß sein wie im Backofen und Sie zerrinnen, aber abends sind Sie vielleicht sehr froh über ein Flanellhemd und einen Pelzmantel.«

»Aber das ist ja genau dasselbe Wetter wie bei uns in England!«, rief ich. »Wenn das alles ist, was diese Ausländer bei sich zu Hause zu bieten haben, welches Recht haben sie dann, herzukommen und über unser Wetter zu schimpfen, so wie sie’s immer tun?«

»Stimmt schon«, erwiderte er, »sie haben kein Recht dazu. Doch man kann sie nicht davon abhalten – sie tun es trotzdem. Nein, folgen Sie meinem Rat und seien Sie auf alles vorbereitet. Nehmen Sie einen leichten Anzug und ein paar dünne Sachen mit, für den Fall, dass es warm wird, und reichlich warme Sachen für den Fall, dass es kalt ist.«

Zu Hause traf ich auf Mrs. Briggs, die gekommen war, um nach dem Baby zu sehen. Sie sagte:

»Oh! Wenn Sie irgendwo in die Nähe von Deutschland reisen, nehmen sie ein Stück Seife mit.«

Sie sagte, Mr. Biggs habe einmal auf die Schnelle eine Geschäftsreise nach Deutschland unternehmen müssen und vergessen, Seife mitzunehmen, und da er nicht gut genug Deutsch gesprochen habe, um dort darum zu bitten, und auch niemanden getroffen habe, den er hätte fragen können, selbst wenn er die Sprache beherrscht hätte, sei er drei Wochen fortgeblieben, ohne sich waschen zu können, und so schmutzig heimgekommen, dass sie ihn nicht erkannt und für den Mann gehalten habe, der den Küchenboiler reparieren sollte.

Mrs. Briggs riet mir zudem, ein paar Handtücher mitzunehmen, denn dort seien die Handtücher zum Abtrocknen viel zu klein.

Nach dem Mittagessen ging ich aus und traf unseren Vikar. Er sagte:

»Nehmen Sie eine Decke mit.«

Er sagte, die deutschen Hoteliers würden nicht nur Bettdecken zur Verfügung stellen, die zu dünn seien, um einen warmzuhalten, sondern das Bettzeug auch nie ordentlich lüften. Er sagte, ein junger Freund von ihm sei einmal durch Deutschland gereist und habe in einem feuchten Bett geschlafen, sich ein Nervenfieber geholt, um dann heimzufahren und zu sterben.

An dieser Stelle kam seine Frau hinzu. (Er hatte vor einem Textilgeschäft auf sie gewartet, als ich ihn traf.) Er erklärte ihr, dass ich nach Deutschland reise, und sie sagte:

»Oh! Nehmen Sie ein Kissen mit. Man bekommt dort keine Kissen – nicht solche wie bei uns –, und es ist einfach fürchterlich, man kann nachts nicht ordentlich schlafen, wenn man kein Kissen mitnimmt.« Sie sagte: »Sie können sich einen kleinen Beutel dafür machen lassen, und es fällt gar nicht auf.«

Ein paar Schritte weiter traf ich unseren Arzt. Er sagte:»Vergessen Sie nicht, eine Flasche Brandy mitzunehmen. Das braucht nicht viel Platz, und wenn Sie nicht an die deutsche Küche gewöhnt sind, wird er Ihnen abends von Nutzen sein.«

Er fügte hinzu, der Brandy, den man in ausländischen Hotels bekomme, sei reines Gift, und es sei wirklich gefährlich, ohne eine Flasche Brandy ins Ausland zu reisen. Er sagte, etwas so Simples wie eine Flasche Brandy im Koffer könne mein Leben retten.

Auf dem Heimweg stieß ich auf einen befreundeten Schriftsteller. Er sagte:

»Im Zug haben Sie reichlich Zeit, alter Knabe. Fahren Sie oft lange Strecken?«

Ich sagte:

»Naja, ich bin mit dem South Eastern Express von London bis ins Herz von Surrey gefahren.«

»Oh! Das ist nur eine Lappalie im Vergleich zu dem, was jetzt vor Ihnen liegt«, antwortete er. »Schauen Sie, es gibt da eine wunderbare Methode, sich die Zeit zu vertreiben. Nehmen Sie ein Schachbrett und Spielfiguren mit. Sie werden mir noch danken für den Tipp!«

George schaute abends vorbei. Er sagte:

»Alter, ich sag dir, was du unbedingt mitnehmen musst – eine Kiste Zigarren und etwas Tabak.«

Er sagte, die deutsche Zigarre – die bessere Sorte deutscher Zigarren – sei eine Marke, welche man hierzulande unter der Bezeichnung »Penny Pickwick – Spring Crop« kenne. Er meinte, dass ich während des kurzen Aufenthalts, den ich plane, nicht die Zeit finden würde, auf den Geschmack zu kommen.

Meine Schwägerin kam später am Abend vorbei (sie ist ein rücksichtsvolles Mädchen) und brachte eine Kiste mit, die etwa so groß war wie eine Teekiste. Sie sagte:

»Also, pack das mal in deinen Koffer, du wirst noch froh sein darüber. Da ist alles drin, um sich eine Tasse Tee zuzubereiten.«

Sie sagte, in Deutschland wisse man nicht, wie man Tee kocht, doch mit diesem Zubehör wäre ich unabhängig.

Sie öffnete die Kiste und erläuterte mir den Inhalt. Es war gewiss eine herrlich vollständige Sammlung. Sie enthielt eine kleine Teedose, ein Milchfläschchen, eine Schachtel Zucker, eine Flasche Methylalkohol, eine Butterschale, eine Keksbüchse. Dazu ein Kocher, ein Kessel, eine Teekanne, zwei Tassen, zwei Untertassen, zwei Teller, zwei Messer und zwei Löffel. Wäre auch noch ein Bett darin gewesen, hätte man auf Hotels ganz verzichten können.

Young Smith, der Sekretär unseres Fotoclubs, klingelte um neun, um mich zu bitten, ein Negativ von der Statue des sterbenden Gladiators in der Münchner Statuensammlung zu machen. Ich sagte, diesen Gefallen würde ich ihm gern tun, ich hätte aber nicht die Absicht, meine Kamera mitzunehmen.

»Sie nehmen keine Kamera mit!«, sagte er. »Sie reisen nach Deutschland – ins Rheinland! Sie fahren durch die malerischste Landschaft, besuchen einige der ältesten und berühmtesten Städte Europas und lassen Ihren Fotoapparat zu Hause! Und Sie wollen Künstler sein!«

Er sagte, nichts im Leben würde ich mehr bedauern, als die Kamera zu Hause gelassen zu haben.

Natürlich ist es richtig, den Rat anderer einzuholen, wenn es um Angelegenheiten geht, über die sie mehr wissen als man selbst. Die Erfahrung der Vorgänger ist es, die den Weg für die Nachfolgenden ebnet. Also sammelte ich nach dem Essen all die Sachen zusammen, die man mir mitzunehmen geraten hatte, legte sie auf dem Bett aus und noch ein paar Dinge dazu, auf die ich ganz allein gekommen war.

Ich nahm reichlich Briefpapier und eine Flasche Tinte sowie ein Wörterbuch und einige andere Nachschlagewerke, für den Fall, dass mir während meiner Reise nach Arbeit zumute war. Ich bin gern jederzeit aufs Arbeiten vorbereitet; man weiß nie, wann man Lust darauf verspürt. Manchmal, auf Reisen, wenn ich vergessen hatte, Papier und Schreibzeug und Tinte mitzunehmen und große Lust verspürte zu arbeiten, hat es mich ziemlich geärgert, dass ich nur deshalb nicht jede Menge erledigen konnte, weil ich Papier, Schreibzeug und Tinte vergessen hatte, und stattdessen gezwungen war, den ganzen Tag mit den Händen in den Taschen herumzulungern.

Deshalb nehme ich jetzt jedes Mal reichlich Papier und Schreibzeug und Tinte mit, ganz gleich, wohin die Reise geht, damit ich mich nicht bremsen muss, wenn ich mich nach Arbeit sehne.

Dass diese Sehnsucht mich so oft plagte, wenn ich kein Papier, kein Schreibzeug und keine Tinte dabei hatte, und mich nun, da ich darauf achte, sie stillen zu können, unter gar keinen Umständen mehr befällt, ist etwas, über das ich mir oft den Kopf zerbrochen habe.

Sollte sie sich aber trotzdem einstellen, bin ich bereit.

Außerdem legte ich ein paar Bände Goethe aufs Bett, denn ich dachte, es wäre so schön, ihn in seinem Heimatland zu lesen. Und ich beschloss, einen Schwamm mitsamt einer kleinen tragbaren Badewanne mitzunehmen, denn nichts ist morgens, gleich nach dem Aufstehen, so erfrischend wie ein kaltes Bad.

B. kam herein, gerade als ich alles aufgestapelt hatte. Er starrte auf das Bett und fragte mich, was ich da mache. Koffer packen, erklärte ich ihm.

»Grundgütiger!«, rief er. »Ich dachte, du ziehst um! Was glaubst du, haben wir vor – kampieren?«

»Nein!«, erwiderte ich. »Aber das sind die Dinge, die man mir geraten hat mitzunehmen. Was nützen anderer Leute Ratschläge, wenn man sie nicht befolgt?«

Er sagte:

»Oh! Nimm so viele Ratschläge an wie du möchtest, die sind zum Verteilen immer ganz nützlich. Aber pack um Himmels willen nicht den ganzen Krempel hier ein. Man hält uns sonst für Zigeuner.«

Ich sagte:

»Jetzt rede bloß keinen Unfug. Die Hälfte des Zeugs auf dem Bett ist lebenswichtig. Wer ohne diese Sachen nach Deutschland reist, kommt heim und stirbt.«

Und ich erzählte ihm, was der Arzt, der Vikar und die anderen mir gesagt hatten, und erklärte ihm, wie mein Leben davon abhing, Brandy und Bettdecken und Sonnenschirme und jede Menge warme Klamotten mitzunehmen.

Aber dieser B. schert sich kein bisschen um Gefahren und Risiken – denen sich andere Leute aussetzen. Er sagte:

»Oh, Mumpitz! Du gehörst nicht zu denen, die sich erkälten und jung sterben. Lass dein Warenlager zu Hause und nimm eine Zahnbürste, einen Kamm, ein Paar Socken und ein Hemd mit. Mehr brauchst du nicht.«

Ich habe mehr als das eingepackt, aber nicht viel mehr. Jedenfalls hat alles in einen kleinen Koffer gepasst. Das Tee-Service hätte ich allzu gern mitgenommen – es wäre so nett gewesen, sich im Zug damit zu beschäftigen –, doch B. wollte nichts davon hören.

Ich hoffe, das Wetter schlägt nicht um.

Freitag, der 23.

Früh aufstehen – Ballast sollte im Frachtraum verstaut werden, ehe man in See sticht – Ärgerliche Einmischung der Vorsehung in Dinge, von denen sie nichts versteht – Eine sozialistische Gesellschaft – B. verkennt mich – Eine uninteressante Anekdote – Wir liegen in Ballast – Ein bescheidener Seemann – Ein verspieltes Boot

Ich bin heute Morgen sehr früh aufgestanden. Ich weiß nicht, warum ich früh aufgestanden bin. Wir fahren erst um acht Uhr abends los. Aber ich bereue es nicht – früh aufzustehen, meine ich. Ist mal was anderes. Ich habe auch alle anderen geweckt, und um sieben haben wir zusammen gefrühstückt.

Ich hatte ein ausgezeichnetes Mittagessen. Einer von diesen Seefahrern sagte mir einmal:

»Also, wenn Sie je eine kurze Überfahrt machen und etwas nervös sind, sorgen Sie für reichlich Ballast. Der Ballast im Frachtraum ist’s, der das Schiff ruhig hält. Die halbleeren Kreuzer sind’s, die ständig am Rollen und Stampfen und Schaukeln sind und die meiste Zeit das Heck in die Luft strecken. Sorgen Sie für Ballast.«

Der Rat kam mir sehr vernünftig vor.

Am Nachmittag kam Tante Emma. Sie sagte, sie sei so froh, mich noch erwischt zu haben. Irgendetwas hatte sie dazu gebracht, ihren Plan zu ändern und freitags statt samstags zu kommen. Sie sagte, es sei die Vorsehung gewesen.

Ich wünschte, die Vorsehung kümmerte sich um ihren eigenen Kram, anstatt sich in meine Angelegenheiten einzumischen: Sie hat keine Ahnung davon.

Tante Emma sagt, sie bleibe, bis ich zurück bin, denn sie möchte mich vor ihrer Abreise gern wiedersehen. Ich sagte ihr, ich sei vielleicht einen Monat lang fort. Sie meinte, das sei egal; sie habe reichlich Zeit und werde auf mich warten.

Die Familie flehte mich an, bald heimzukommen.

Ich hatte ein überaus ordentliches Abendessen – »sorgte für reichlich Ballast«, wie mein seefahrender Freund es ausgedrückt hätte; sagte allen »Auf Wiedersehen!« und küsste Tante Emma; versprach, gut auf mich aufzupassen – ein Versprechen, das ich mit Gottes Hilfe treulich und um jeden Preis halten werde –, rief eine Droschke und fuhr los.

Ich erreichte Victoria eine Weile vor B. Ich sicherte uns zwei Eckplätze in einem Raucherwagen und schritt dann, auf meinen Freund wartend, am Bahnsteig auf und ab.

Wer nichts anderes hat, um sich zu beschäftigen, beginnt nachzudenken. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, bis B. eintraf, begann ich zu grübeln.