Der zauberhafte Eisladen – Vanille, Erdbeer & Magie
Der zauberhafte Eisladen – Einmal Magie mit Schokosoße
Der zauberhafte Eisladen – Streusel, Magie und ein Klecks Sahne
Bazilla wird 10 Jahre alt – und damit endlich ein richtiger Vampir! Ganz Burg Morchelfels feiert. Doch an ihrem Geburtstag erlebt Bazilla eine riesige Überraschung: Statt der heiß ersehnten Vampirzähne wachsen ihr plötzlich durchsichtige Flügel! Und so kommt heraus, dass sie eigentlich eine Fee ist. Schleimiger Krötzenrotz aber auch! Als wäre das nicht schon schrecklich genug, muss sie nun auch noch aufs Feen-Internat gehen. Die freche Bazilla unter rosa gekleideten Feenkindern – ob das gutgeht?
Heike Eva Schmidt wurde in Bamberg geboren und lebt in Oberbayern. Nach einem Psychologiestudium war sie zunächst als Journalistin tätig, ehe sie ein Stipendium an der Drehbuchwerkstatt München erhielt. Seitdem arbeitet sie erfolgreich als freie Drehbuchautorin und Schriftstellerin. Nach DER ZAUBERHAFTE EISLADEN folgt mit BAZILLA nun der Auftakt ihrer neuen Reihe.
Angela Gstalter studierte zunächst Modedesign in Berlin und arbeitete anschließend als Grafikdesignerin für einige Jahre in einer Werbeagentur. Heute lebt sie mit ihrer Familie in der Nähe von Heidelberg und hat sich mit dem selbstständig gemacht, was sie am allerliebsten tut, dem Illustrieren von Kinderbüchern.
Bazilla
Fee wider Willen
Mit Bildern
von Angela Gstalter
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Boje in der Bastei Lübbe AG
Titel in der Regel auch als Hörbuch erhältlich
Originalausgabe
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung
einer Illustration von Angela Gstalter
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-0201-0
www.luebbe.de/boje
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Geisterstunde
und
Geburtstagsfieber
Der Vollmond stand rund und hell über dem Finsterwald, und sein bleiches Licht beleuchtete die Zinnen von Burg Morchelfels. Gerade als sich eine schwarze Wolke vor den Mond schob, fing die Uhr im Burgturm an zu schlagen. Der erste hallende Glockenton drang durch die schmalen Fenster der dicken steinernen Burgmauer.
Bazilla schlug die Augen auf. Um sie herum herrschte absolute nachtschwarze Finsternis. Nicht der kleinste Lichtstrahl drang an ihre Augen. Leise zählte sie die Glockenschläge mit: »Drei, vier, fünf …«
Noch etwas schlaftrunken traf sie die Vorbereitungen, um aufzustehen. Doch – halt! War da nicht ein Geräusch?
Klack, klack, klack … Bazilla spitzte die Ohren. Was war denn das für ein Klappern, das sich näherte? Gleich darauf ertönte ein Schleifen und Scharren. Ein heller Streifen Fackellicht fiel auf ihr Gesicht, und Bazilla kniff geblendet die Augen zusammen.
»Geisterstunde«, dröhnte eine tiefe Stimme. »Sie kommen, um dich zu hoooolen!«
Vorsichtig öffnete Bazilla die Augen – und schaute direkt ins Gesicht eines Ritters. Er klapperte mit seiner Rüstung, und durch einen Schlitz in seinem eisernen Visier blickte er Furcht einflößend auf sie herunter. Kichernd setzte Bazilla sich auf. »Darauf falle ich nicht rein, Sir Toby! Da kannst du deine Stimme verstellen, bis du klingst wie ein … ein untoter Walfisch!«
»Ach Menno«, grummelte der Angesprochene. Er schnaubte enttäuscht, und geisterhaft blauer Nebeldampf drang aus dem Visier der Ritterrüstung. Sir Toby war nämlich ein Geist. Besser gesagt ein Geisterritter und auf diese Bezeichnung legte er großen Wert. Wie bei fast jedem Gespenst war seine Gestalt beinahe durchsichtig. Trotzdem sah man anhand seiner – ebenfalls geisterhaften – Ritterrüstung, dass er nicht nur ziemlich klein, sondern auch ganz schön dick war. Jetzt rasselte er davon – sichtlich beleidigt, weil er Bazilla nicht hatte erschrecken können.
In diesem Moment schlug die Glocke zum zwölften Mal.
Mitternacht, dachte Bazilla zufrieden. Endlich! Sie rieb sich die Augen und gähnte herzhaft, ehe sie ihre schwarze Bettdecke zurückschlug. Dann rekelte und streckte sie sich in ihrem Sarg, der mit violettem Samt ausgekleidet war.
Sarg? Logisch! Schließlich war Bazilla ein Vampirmädchen, und alle Vampire schlafen in Särgen. Etwas anderes ging gegen die Ehre.
Schwungvoll hüpfte Bazilla heraus, sodass der zurückgeschobene Deckel des Sargs mit einem lauten Knall endgültig auf dem Boden landete.
Gleich darauf erhoben sich drei weitere Gestalten aus ihrer jeweiligen Schlafstätte. Die schlanke Frau ganz links war Bazillas Mutter, Gräfin von Morchelfels. Ihre dunklen Haare waren zu einem perfekten Knoten geschlungen, und ihr dunkelrotes Kleid aus schwerem Samt hatte die gleiche Farbe wie das Innenfutter ihres Sargs. Sie blinzelte ins Fackellicht, und auf ihrer glatten weißen Stirn erschienen zwei winzige senkrechte Falten. »Oh, Bazilla! Wie oft habe ich dir gesagt: Contenance!«, seufzte sie. Doch schon beim Anblick des wilden Haarschopfs ihrer Tochter und ihrem frechen Grinsen musste die Vampirgräfin lächeln. An Bazilla prallten ihre Ermahnungen ab.
»Jetzt chill mal, Mama«, erwiderte sie fröhlich. Diesen Ausdruck hatte Bazilla erst neulich auf einem ihrer nächtlichen Ausflüge aufgeschnappt, als sie einer Gruppe halbwüchsiger Menschen begegnet war. Einer von ihnen hatte diesen Satz in ein schmales, rechteckiges Gerät gesprochen, das die Menschen Handy nannten. Mit dessen Hilfe konnten sie miteinander sprechen, auch wenn sie Kilometer voneinander entfernt waren. Wirklich erstaunlich. Aber Bazilla war weniger von der Technik als von dem Satz begeistert. »Chill mal, Mama«, klang einfach lässig, fand sie. Richtig cool! Das wollte sie von nun an öfter benutzen!
»Was muss ich da vernehmen? Gar ungehörig erscheinen mir deine Worte, mein liebes Kind!« Die mahnende Stimme gehörte Graf von Morchelfels, Bazillas Vater. Sein Haar war ordentlich gescheitelt, und sein grauer Anzug saß perfekt. Seine blankpolierten schwarzen Lackschuhe wiesen nicht den kleinsten Kratzer auf.
»Ach, Papa, du weißt doch, wie unsere Kleine ist«, tönte es aus dem Sarg ganz in der Ecke hinten rechts.
»He, Bronchus!«, schrie Bazilla vergnügt und warf sich in die Arme ihres älteren Bruders, nachdem der ausgiebig gegähnt hatte.
Er grinste und wuschelte ihr durch die Haare, die daraufhin noch zerzauster wirkten. »Hallo, Schwesterchen. Gut geschlafen?«
»Klar!«, rief Bazilla. »Nimmst du mich später wieder zu einem Rundflug mit?«
Bronchus seufzte. »Also gut. Aber ich bin wirklich froh, dass du bald Geburtstag hast und dann selbst fliegen kannst. Es ist ganz schön anstrengend, dich dauernd huckepack zu tragen!«
»Was glaubst du, wie froh ich erst bin?«, gab Bazilla zurück. »Dann kann ich endlich hinfliegen, wo ich will. Und so schnell, wie ich will. Du bist ja so eine lahme Ente!«
»Wie nennst du den edlen Nachkommen derer von Morchelfels? Vampir in fünfter Generation und hochwohlgeborener Graf?« Bronchus packte seine kleine Schwester blitzschnell an den Trägern ihrer schwarzen Latzhose und warf sie sich über die Schulter. Anschließend hielt er sie mit einer Hand an den Füßen fest und ließ sie kopfüber baumeln.
Bazilla hatte ein Kitzeln im Bauch und einen Drehwurm im Kopf. Vor lauter Kichern konnte sie kaum sprechen. »Lass mich runter, Bronchus! Du bist der tollste Flugkünstler, ich schwör’s«, japste sie.
»Kinder, nun ist es aber genug!«, rief die Gräfin energisch. »Ein solcher Lärm direkt nach dem Aufstehen verursacht mir Kopfschmerzen!«
»Hä? Du bist doch schon lange tot. Da kannst du doch kein Kopfweh mehr haben«, warf Bazilla ein. Sie stand wieder mit beiden Beinen auf dem Boden und sah ihre Mutter an.
»Jedoch ist ein derartiges Gebaren zwei jungen Adligen nicht würdig«, machte Bazillas Vampirvater der Diskussion ein Ende.
Seine Sprösslinge tauschten einen Blick und rollten heimlich mit den Augen. Typisch Papa, sollte das heißen.
»Wir machen uns auf den Weg zum Essen«, bestimmte die Gräfin. »Bazilla, du wartest hier und machst bitte so wenig Unsinn wie möglich!«
»Mach ich doch nie, Mama«, sagte Bazilla und fügte schnell hinzu: »Ich setze mich in den Rittersaal und schreibe einen Wunschzettel für meinen Geburtstag. Schließlich werde ich morgen um Mitternacht zehn Jahre alt. Und dann werde ich endlich auch ein echter Vampir und darf mit euch mitfliegen!«
Sie zog ihre Oberlippe hoch und präsentierte die Zahnlücke links oben. »Seht ihr? Genau da wächst bestimmt ein extra-spitzer Superzahn!«
Ihr Vater nickte wohlwollend. »Schreib nur deine Wünsche nieder, mein Kind. Wie du weißt, ist dieser Geburtstag das bedeutendste Ereignis im Leben eines Vampirs!« Damit wandte er sich an Bronchus. »Bist du so weit, mein Sohn?«
»Gleich«, murmelte der. Wie jede Nacht versuchte Bronchus nämlich, seine dunkelblonden Haare mit Hilfe einer Tube Haargel, die er in seinem Sarg hortete, in Form zu bringen. Und wie jede Nacht ärgerte er sich darüber, dass er den Sitz seiner Frisur nicht überprüfen konnte.
»Schon blöd, dass Vampire kein Spiegelbild haben, stimmt’s?«, neckte Bazilla ihren Bruder.
»Du hast doch keine Ahnung, du kleine Kröte! Nur weil du niemals eine Frisur, sondern immer nur Haare haben wirst«, murrte Bronchus.
Bazilla lachte frech. »Na und? Ich muss mir wenigstens keine Gedanken machen, ob meine Frisur kuuuuuuuuhl ist«, ahmte sie ihren Bruder nach. Aber Bronchus hatte recht, denn seit sie Haare auf dem Kopf hatte, wuchsen die in alle Richtungen und widersetzten sich jedem Kamm. Deshalb war es Bazilla auch herzlich egal, dass es auf ganz Burg Morchelfels keinen einzigen Spiegel gab. Sie brauchte sowieso keinen.
»Genug. Wir brechen auf«, unterbrach die Gräfin die Kabbelei der Geschwister. »In spätestens zwei Stunden sind wir zurück.«
»Ist gut. Ich pass auf die Burg auf«, erwiderte Bazilla, während ihre Eltern und Bronchus die schwarzen Umhänge ausbreiteten und zum Fenster hinausflogen.
Fröhlich winkte sie ihnen nach, ehe sie sich umwandte. »Auf geht’s!«, rief sie laut. Aber – Moment mal: Da fehlte doch noch jemand! Bazilla beugte sich über ihren Sarg. »He, Elvis! Aufwachen, du faule Socke!«
Ein Rascheln war die Antwort, dann kam ein pummeliger Hamster schwerfällig aus dem Sarg geflattert. Geflattert? Ja, denn Elvis war ein Flederhamster und hatte Flügel! Schuld daran war ein Vampirgroßonkel von Bazilla. Der hatte nämlich vor ein paar Jahren, während seiner nächtlichen Jagd nach menschlichem Blut, versehentlich einen Betrunkenen erwischt. Als der Großonkel das jedoch merkte, war es schon zu spät, und er hatte bereits zugebissen. Alkohol bekam Vampiren nicht gut – das wusste jeder. Angeheitert war Bazillas Großonkel daraufhin ein paar Loopings über die Stadt geflogen. Da erblickte er auf dem Balkon eines Wohnhauses einen Hamster und bekam Appetit auf einen kleinen Snack vor dem Morgengrauen.
»Großonkel Inflatus hat ihn nicht wirklich gebissen, nur ein bisschen angeknabbert«, betonte Bazillas Vater jedes Mal, wenn er davon berichtete. Wie der Hamster später auf Burg Morchelfels gelandet war, blieb bis heute unklar.
Eigentlich war das auch ganz egal. Bazilla war froh, dass es Elvis gab, und hatte ihn von der ersten Sekunde an zu ihrem Haustier erklärt. Seither waren die beiden unzertrennlich. Mit seinen Fledermausflügeln, den langen Vorderzähnen und den dicken Hamsterbacken sah er ziemlich merkwürdig aus – aber genau das liebte Bazilla so an ihm.
Weil Elvis von dem Vampir nicht wirklich gebissen, sondern »nur ein wenig angeknabbert« worden war, würde aus ihm niemals ein richtiges Vamp-Tier werden. Deswegen mochte der Hamster auch kein Blut. Seine Leibspeise war Rote Bete – und zwar viel davon. Wegen seiner Fresslust war es mit dem Fliegen nicht weit her. Hatte Elvis die Hamsterbacken voller Nahrung, stürzte er regelmäßig ab. »Er ist eben der einzige Flederhamster auf der ganzen Welt und etwas ganz Besonderes«, erklärte Bazilla immer, wenn Bronchus sie mit Elvis und seinen nicht vorhandenen Flugkünsten aufzog.
Jetzt taumelte ihr Haustier mit halb geschlossenen Augen knapp über dem Boden, bis Bazilla sich erbarmte und ihn auf ihre Schulter setzte. Elvis brauchte immer mindestens eine halbe Stunde, um vollends wach zu werden.
»Ich muss dringend meine Geburtstagsfeier planen. Und du kannst mir beim Nachdenken helfen«, sagte Bazilla zu ihm, während sie in dem hölzernen Nachtkästchen neben ihrem Sarg nach Stift und Papier kramte. Zwischen einem angebrochenen Kaugummipäckchen und einer Sammlung Haarspangen – hübsch, aber leider völlig nutzlos – und unter ein paar Comicheften fand sie schließlich das Gewünschte: ein schon leicht zerfleddertes Heft mit ein paar bunten Monstern auf dem Umschlag sowie einen blutroten Filzstift.
Derart ausgerüstet hüpfte Bazilla mitsamt Elvis die Treppen hinauf in den Rittersaal. Dort setzte sie sich an den sechs Meter langen Tisch. Über der Tischplatte hingen drei mächtige eiserne Kronleuchter von der Decke, in denen unzählige Kerzen brannten und die genügend Licht zum Schreiben spendeten.
»Also, es muss auf jeden Fall Blutwurst-Pizza geben«, bestimmte Bazilla. Solange sie noch kein ausgewachsener Vampir war, ernährte sie sich wie alle anderen Vampirkinder von ganz normaler Nahrung. Mit besonderen Vorlieben natürlich. Später würden ihr diese Sachen sowieso nicht mehr schmecken, also hieß es die kurze Zeit noch zu nutzen.
Gewissenhaft notierte sie die Pizza als ersten Punkt auf ihrer Wunschliste, während Elvis neugierig von ihrer Schulter herablugte.
Nachdenklich kaute sie an ihrem Filzstift. Noch besaß sie keine spitzen Eckzähne, die würden erst einige Stunden nach ihrem Geburtstag anfangen zu wachsen. Trotzdem glaubte Bazilla, jetzt schon ein Ziehen zu spüren. Ganz bestimmt würden ihre Vampirzähne besonders lang und bissfest werden, dachte sie. Der Gedanke brachte sie wieder zurück zu ihrem Geburtstagsessen. »Als Vorspeise gibt es … Spatzenhirn-Suppe!«
Elvis stupste auffordernd seine Nase gegen Bazillas Hals. »Ja, du bekommst natürlich klein geschnittene Rote Bete. Ehrensache«, versicherte sie ihrem Flederhamster. »Jetzt fehlt nur noch der Nachtisch. Hmmmm. Wie wäre es mit einer schwarzen Lakritz-Torte? Mit blutrot kandierten Herzkirschen und Blutegel-Sahne obendrauf. Lecker!« Allein bei dem Gedanken rumorte es ein wenig in ihrem Magen. Auch die Torte notierte Bazilla in ihrem Heft.
Des Weiteren kamen noch Glühwürmchen-Lampions auf die Liste – schließlich sollte ihre Party ja auch eine besondere Beleuchtung kriegen. Und als letzter Punkt viele tolle Geschenke. Was das sein würde, darüber musste sich ihre Familie Gedanken machen, dachte Bazilla. Sie konnte sich schließlich nicht um alles kümmern.
»Fertig!«, rief sie anschließend und klatschte in die Hände. Sie pflückte Elvis von ihrer Schulter und setzte ihn auf den Tisch. »Und was machen wir jetzt?«
Ihr Hamster quiekte leise, dann lief er los: einmal an der Längsseite des Tisches entlang und auf der anderen Seite wieder zurück. Anschließend setzte er sich vor Bazilla hin und machte Männchen. Auffordernd sah er seine kleine Besitzerin an. Schade, dass Elvis nicht sprechen konnte, dachte Bazilla. Aber sie verstand ihn meist auch ohne Worte. So wie jetzt. Sie schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Natürlich! Ich muss ja noch alle Schlossbewohner einladen!«
Der Flederhamster blies seine Backen auf und fiepte zufrieden. Bazilla nahm ihn erneut hoch. Diesmal platzierte sie ihn jedoch nicht auf ihrer Schulter, sondern in der Brusttasche ihrer Latzhose. »Wir drehen eine Runde durchs Schloss und sagen allen Bescheid«, schlug sie vor.
Ein vorfreudiges Kribbeln machte sich in ihrem Bauch breit. Am liebsten hätte sie schon heute Geburtstag und wäre auf der Stelle zehn Jahre alt geworden. Aber leider konnten auch Vampire die Zeit nicht schneller laufen lassen, und so musste sie noch etwas warten. »Aber dann bin ich endlich ein Vampir«, freute sich Bazilla und blickte in Elvis’ dunkle Knopfaugen. »Wetten, dass es die aufregendste Geburtstagsparty wird, die Burg Morchelfels je erlebt hat?«
Große Vorfreude
und ein
kleines Rätsel
Einmal quer durch die ganze Burg, und dann vom Dachboden in den Keller – oder umgekehrt. Das ist ein ganz schön langer Weg, um alle Gäste einzuladen«, stellte Bazilla fest.
Elvis reckte seine rosafarbene Nase aus ihrer Latzhosentasche.
»Denkst du auch, was ich denke?«, fragte sie ihren Flederhamster. Elvis’ Barthaare zuckten, und Bazilla grinste. »Genau! Wozu auf zwei Beinen laufen, wenn man vier haben kann?«
Kurz darauf hallte im langen Schlossgang von Burg Morchelfels das Klappern geisterhafter Hufschläge wider. Sie kamen von Rosinante, dem Gespensterpony. Auf ihrem Rücken saß Bazilla, die gerade vom West- in den Ostflügel galoppierte.
Rosinante hatte bis gerade noch im Rittersaal neben ihrem schnarchenden Besitzer, dem Geisterritter Sir Toby, gestanden, und wäre sie nicht bereits ein Geist gewesen, hätte sie sich bestimmt zu Tode gelangweilt. Daher war es für Bazilla ein Leichtes gewesen, das Pony mit der Aussicht auf einen kleinen Ritt durchs Schloss wegzulocken.
Weil der Geisterritter es gar nicht mochte, wenn man sich sein Pony auslieh, hatte Bazilla sicherheitshalber noch Sir Tobys Kopf versteckt, ehe sie sich auf Rosis Rücken geschwungen hatte. Der Geisterritter gab es zwar nicht gerne zu, aber er war vor vielen hundert Jahren geköpft worden. Sir Toby behauptete, das sei schon so lange her, dass er den Grund dafür vergessen hatte. Bazilla und Bronchus hatten aber den Verdacht, dass ihm der Grund einfach nur peinlich war und er sie deshalb anflunkerte.
Jedenfalls konnte Sir Toby seinen Kopf im Ritterhelm nach Belieben abnehmen oder wieder aufsetzen. Manchmal vergaß er, das Visier mit zwei Eisenschnallen an der Halskrause seiner Rüstung zu befestigen. Dann fiel ihm mitten im Satz der Kopf ab und kullerte über den Boden.
Jetzt schnarchte Sir Tobys Kopf im Ritterhelm in der Waffenkammer weiter, während der Rest des Gespenstes nach wie vor im Rittersaal vor dem Kamin schlief.
Bei dem Gedanken daran, wie Sir Tobys Körper sich wankend auf die Suche nach seinem Kopf machte, musste Bazilla kichern, während sie auf Rosis Rücken durch die Gänge ritt. Das würde sicher eine Weile dauern! Sie konnte also in Ruhe alle Schlossbewohner besuchen und sie zu ihrem Geburtstag einladen.
Zuerst waren die beiden steinernen Wasserspeier dran. Sie befanden sich hoch oben an der äußeren Mauer des Turms und bewachten von dort Burg Morchelfels. Die zwei wären sicher stinkebeleidigt, wenn sie nicht die Allerersten wären, denen Bazilla Bescheid sagte. Daher galoppierte Rosinante mit Anlauf die Wendeltreppe zum Turm hinauf und wieherte laut.
»Nöfnöf! Aquila! Seid ihr da?«, rief Bazilla.
»Blöde Frage. Wir sind die Wächter der Burg! Natürlich sind wir da!«, tönte es zurück.
»Nöfnöf hat mal wieder miese Laune«, flüsterte Bazilla dem Geisterpony ins Ohr, und Rosinante schnaubte zustimmend.
Bazilla steckte den Kopf aus der schmalen Schießscharte und musterte die beiden steinernen Gesellen. Nöfnöf und Aquila waren eine Mischung aus Drache und Greif. Mit ihren weit ausgebreiteten Flügeln und grimmigen Gesichtern verbreiteten sie schon durch ihren Anblick Angst und Schrecken. Das war aber schon alles. Denn etwas anderes, als furchterregend auszusehen, taten sie eigentlich nie. Nun ja, außer die schlimmen Geräusche, die Nöfnöf manchmal von sich gab. Immer wenn er getrunken hatte. Denn er war zwar ein Wasserspeier, hatte aber eine Vorliebe für Limonade. Mindestens einmal in der Woche rief er nach einem Eimer süßem Sprudel. Am liebsten mit Kirschgeschmack. Ohne das Zeug weigerte er sich, die Burg zu bewachen und rechtzeitig Alarm zu geben, sollten sich tatsächlich einmal ungebetene Besucher nähern. Doch nach einem ganzen Eimer voll mit dem Blubbergetränk hatte er regelmäßig Sodbrennen – und schlechte Laune obendrein.
Sein Kumpan Aquila dagegen bevorzugte namensgemäß Wasser oder höchstens einen Schluck Eistee und schwieg die meiste Zeit. Wahrscheinlich hatte er einfach die Streitereien mit Nöfnöf nach vierhundert Jahren satt, glaubte Bazilla. Oder es war ihm peinlich, dass sein steinerner Nachbar nach dem Sprudel-Konsum dauernd aufstoßen musste. Nöfnöfs laute Rülpser schallten des Nachts bis weit ins Tal und hatten schon manchen Menschen mit leichtem Schlaf in Angst und Schrecken versetzt.