Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Familie
  3. Kindheit und Jugend
  4. Kaiserin von Österreich
  5. Reiten und die Jagd
  6. Cousin Ludwig II
  7. Thronfolger Rudolf
  8. Die Lebenskrise
  9. Immer unterwegs
  10. Das Schicksal
  11. Nachwort

1. Vorwort

Natürlich gehört Kaiserin Sissi den Österreichern. Im Alter von 16 wurde sie in Wien mit Kaiser Franz Josef verheiratet und war Kaiserin bis an ihr Lebensende 1898. Sie gehört auch den Ungaren, sie wurde Königin von Ungarn und wohnte mehrere Jahre auf Schloss Gödöllö bei Budapest. Auch den Bayern gehört sie, am Starnberger See und in der Residenz in München ist sie als Elisabeth in Bayern aufgewachsen. Sie war Prinzessin aus der herzoglichen Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld-Gelnhausen des Hauses Wittelsbach. Ein wenig gehört sie auch den Engländern, sie wurde berühmt als überlegene Reiterin auf Jagden in den Midlands, zudem ist sie mit Queen Victoria verwandt. Weiter gehört sie den Griechen, sie ließ auf der Insel Korfu das Schloss „Achillion“ bauen und las Homer auf Altgriechisch. Auch die damals schon republikanische Schweiz erinnert sich an die schlanke Kaiserin. Ende ihres Lebens war sie einige Male Gast in Caux oberhalb Territet bei Montreux am Genfersee. Ihr Lebensschicksal ereilte sie an der Seepromenade in Genf.

Sie schrieb Gedichte, die Aufschluss geben über ihren jeweiligen Gemütszustand. Schon zu Lebzeiten wurde viel über sie geschrieben, ihr Bild war für die aufkommende Zeitungspresse sehr verkaufsfördernd. Sie wurde idealisiert, ihre Extravaganzen und zugleich ihre Scheu faszinierten Millionen.

Erst kürzlich sind weitere Dokumente freigegen worden. Dank dem Reichtum an schriftlichem Material aus Biographien, Briefen, Erinnerungen, diplomatischen Rapporten und Zeitungsartikeln wissen wir viel über sie und ihre Zeit.

Was bewegte sie wirklich? Neben ihrem Leben werden hier auch die geschichtlichen Begebenheiten ihrer Zeit beleuchtet. Haben die industrielle Revolution und die Kriege ihr Leben beeinflusst? War sie unter einem mentalen Zwang des Hofes in Wien und der Entourage?

Wie haben sich die Lebenserfahrungen auf ihren Glauben ausgewirkt? Ohne dass sie es wollte, wurde sie zu einem Vorbild der Frauenemanzipation. Ihr Sinn für Gerechtigkeit führte sie in eine soziale und republikanische Richtung. Sie hasste die strenge, monarchistische Hierarchie.

Im 20. Jahrhundert sind mehrere Filme über ihr junges, glückliches Leben entstanden, am schönsten wird sie von Romy Schneider in der Trilogie Ernst Marischkas dargestellt: Eine glückliche und kinderliebende Frau. Ihr späteres Leben, nach Mayerling, ist wenig bekannt.

Nachdenkliche Sisi in Territet bei Montreux

Dieses Buch möchte, aufgrund von Überlieferungen, auf ihre Persönlichkeit eingehen. Wieso wollte sie die Pflichten einer Kaiserin im späteren Leben nicht mehr erfüllen?

Welcher Zeitgeist umgab sie, wie wirkten sich die geschichtlichen Ereignisse aus, warum floh sie vor den Zeremonien des Hofes und begab sich jahrelang auf Reisen mit Kutsche, Schiff und Eisenbahn?

Die Abkürzung „Sisi“ wird hier verwendet, in Briefen hat Franz Josef sie so genannt und so unterschrieb sie ihre Gedichte. Die Form „Sissi“ wurde erst später in der Literatur und in Filmen gebraucht.

Original-Signatur: Sisi oder Elisabeth

Eine Bitte an den Leser: Nachsicht mit der zeitlichen Folge. In den einzelnen Kapiteln stimmt die Sequenz. Die geschichtlichen Ereignisse werden jeweils kurz gefasst.

2. Die Familie

In den Monarchien durften die Stufen Kaiser, König und Herzog nicht in tiefere Adelsstufen heiraten, um die Erbfolgen zu erhalten. Gegen Ende des 19. Jh. war der Hochadel in Europa kreuz und quer miteinander verwandt. Oft führte der Cousin die Cousine zum Traualtar. Ein Vorteil dabei war, die Verwandtschaft konnte den Frieden zwischen den Königreichen erhalten. Streitigkeiten wurden auf höchster Stufe besprochen und meistens ohne Krieg beigelegt. Gegen Ende der regierenden Monarchien standen die Könige unter dem Einfluss von ehrgeizigen und expansionistischen Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Bismarck.

Als Nachteil der Heirat unter nahen Verwandten gab es einzelne schwache Charakter, die sich nicht als Thronfolger eigneten. Das blaue Blut brachte oft Schwermut, Übersensibilität, überbordende Phantasie und verschiedene weitere Phobien.

Die Mutter von Sisi, Herzogin Ludovika, aus dem Hause Wittelsbach, war eine Tochter des bayerischen Königs Maximilian I. Sie heiratete den Herzog Max in Bayern, einen Cousin des Königs. Ihre Schwester Sophie heiratete den Habsburger Kaiser Franz Karl. Sophie erreichte mit politischem Ehrgeiz, dass ihr unsteter Mann auf den Thron verzichtete und ihr Sohn Franz Josef mit 18 Jahren österreichischer Kaiser wurde. Der junge Franz Josef war militärisch unerfahren. Seine Unentschlossenheit hat vermutlich zum Verlust der Lombardei und Venetiens geführt. 1854, mit 23, heiratete er die 16-jährige Elisabeth in Bayern, eine Cousine.

Elisabeth, Eugenia, Amalia von Wittelsbach (Sisi), wurde am 24. Dezember 1837 in eine Kinderschar geboren, die Geschwister sind: Ludwig, Helene (Néné), Carl Theodor (Gackl), Marie, Mathilde (Spatz), Sophie und Max Emmanuel (Mapperl).

Vater Max liebte seine naturverbundene Tochter Sisi, sie hatte viel von seinem Charakter. Er ließ sie schon als Kind reiten und manchmal nahm er sie mit auf die Jagd in die nahen Berge und übernachtete mit ihr in Landgasthöfen. Er lehrte sie Kunststücke auf dem Pferd und beide zeigten inkognito ihre Reitkunst vor Publikum.

In ihrem späteren Leben wird Sisi die Männer als Reiterin übertrumpfen. Ihre Begleiter erleiden Unfälle, sie nur selten. Das Weltbild Sisis wurde abseits des formellen Königshofes geformt. Als kleines Kind war sie unzertrennlich mit ihrem Bruder Karl Theodor (Gackl) der sie als erster „Sisi“ nannte. Ihre Spiele waren die eines Jungen. Sie war ein Bewegungstalent und kaum zu bändigen, nur auf dem Pferd konnte sie ruhig sitzen. Später, als Kaiserin, sagte sie einmal:

„Das einzige ehrliche Geld, das ich je verdient habe, sind ein paar Kupfermünzen, die ich nach Reitauftritten mit meinem Vater erhalten habe.“

Im Jahr der Revolutionen 1848, erbte der 18-jährige Franz Josef das habsburgische Kaiserreich. Seine Mutter Sophie wurde quasi die Regentin und bestimmte vorerst weitgehend die Regierungsgeschäfte. Aufgrund der Aufstände der Republikaner flüchtete die kaiserliche Familie von Wien nach Innsbruck. Die Münchner Linie besuchte ihre habsburgischen Verwandten, die nun näher wohnten. Die 11-jährige Sisi begegnete erstmals dem 8 Jahre älteren Cousin Franz Josef. Spielen konnte sie aber besser mit dessen jüngeren Bruder Karl Ludwig, er war in ihrem Alter.

In dieser Zeit heirateten die Kinder von Queen Victoria in die Königshäuser von Russland, Norwegen, Spanien, Rumänien und Griechenland. Das adlige Netzwerk verbreitete sich über weite Teile Europas. Dies interessierte aber Sisi nicht, sie war wohl die einzige Dame im ganzen Hochadel, die gerne durch die Wälder streifte, auf Berge stieg und exzellent reiten konnte. Aus ihr wurde eine sportliche, durchtrainierte, junge Frau, die sich nicht in formelle Zwänge pressen ließ. Ihr Vater führte sie auch in das blutige Weidwerk ein, töten und essen von Tieren erschienen ihr notwendig. Sie liebte die Freiheit in der Natur mehr als ruhig zu sitzen und etwas zu lernen. Ihre Ausbildung litt darunter, im Gegensatz zu ihrer fleißigen Schwester Helene (Néné). Die Mutter Ludovika wollte ihre schönen Töchter gut verheiraten - in dieser Beziehung war Sisi ihr Sorgenkind.

Sisi im Alter von 14

In Sisis Jugend, regierte am Königshof in Bayern der aus dem Elsass stammende, lebenslustige Ludwig I. Sisis um drei Jahre jüngerer Cousin, wird 1864 als Ludwig II. zum König von Bayern gekrönt.

Im Jahre 1852 besuchte der junge österreichische Kaiser Franz Josef seine Verwandten am preußischen Königshof in Berlin. Seine Blicke fielen auf eine Nichte des preußischen Königs: Prinzessin Anne. Sie war aber bereits dem Erben des Hauses Hessen-Kassel versprochen. Der preußische König war nicht zu bewegen einer Heirat Annas mit dem Österreicher zuzustimmen. Auch gab es seit einiger Zeit Spannungen wegen der österreichischen Provinz Schlesien. Es war bekannt, dass Preußen die Unabhängigkeits-Bewegung in Ungarn unterstützte, um Österreich zu destabilisieren. Franz Josef konnte in Berlin nichts erreichen, die Interessen waren zu gegensätzlich.

Kurze Zeit später versuchte der ungarische Freiheitskämpfer Libenyi den jungen Kaiser umzubringen, indem er ihm von hinten ein Messer in den Hals stieß. Durch die goldenen Rangabzeichen der Uniform wurde der Stich abgelenkt. Franz Josef überlebte, er brauchte vier Monate um sich zu erholen. Die adligen Habsburger waren besorgt, einen Erben der Kaiserkrone zu haben, es sei nun dringend, bevor der Kaiser wirklich umgebracht werde. Die Suche nach einer gleichrangigen Ehefrau wurde intensiviert.

3. Kindheit und Jugend

Sisis Vater Max in Bayern und Mutter Ludovika heirateten 1828 in München.

Wie üblich im Hochadel, war die Hochzeit aus politischen Gründen angebahnt worden, die beiden liebten sich nicht. Max führte bald einen lockeren Lebenswandel. 1831 erblickte der erste Erbe mit Namen Ludwig das Licht der Welt, Elisabeth (Sisi) folgte als vierte, am 24. Dezember 1837 (Weihnachten). Die Familie lebte im Winter in ihrem gut geheizten Schloss in München, im Sommer auf dem Anwesen Possenhofen am Starnberger See.

Schloß Possenhofen

Vater Max war viel auf Reisen, Ludovika wusste dass er zu Hause war, wenn sie sein fröhliches Pfeifen hörte. Er liebte die Jagd und das Reiten. Er besuchte gerne Vorführungen von Artisten im Zirkus, hin und wieder war er gar selber auf dem Pferde in Vorstellungen zu sehen. Ihm gefiel das Ambiente der Zigeuner, er spielte abends die Zitter und sang mit Freunden. Oft dauerten die Feste bis spät in die Nacht, nicht selten versuchte man, sich unter den Tisch zu trinken.

Einmal war Max mehrere Monate weg, er war zu Besuch bei seinem Neffen Otto, der König von Griechenland geworden war. Er reiste weiter in die Türkei, nach Arabien und Ägypten. Auf einem Markt in Arabien kaufte er drei sudanesische Diener, die er nach Bayern mitnahm.

Er liebte aber immer die heimische Tradition über alles und trug auch unterwegs Loden und Lederhosen. Er lebte mit dem bayerischen Bier, seine Kumpane ernannten ihn zum „Ritter des runden Tisches“. Er hatte Erfolg bei der weiblichen Gesellschaft. Aus einschlägigen Berichten geht hervor, dass dutzende außereheliche Kinder auf sein Konto gehen.

Das Jahr 1848 war in Europa ein Jahr der Revolutionen gegen die Monarchien, eine Spätfolge der französischen Republik (König ist das Volk). Die bereits republikanische Schweiz erhielt eine neue, liberale Verfassung. Am Wiener Kongress konnte sich aber der Hochadel Europas noch einmal durchsetzen, die Monarchien wurden restauriert und die republikanischen Strömungen unterdrückt (außer in der Schweiz).

Sisi war nun 10 Jahre alt und liebte die Freiheiten auf dem Lande und am Starnberger See. Sie tobte gerne mit ihrem Bruder Gackl in Wäldern und Wiesen herum und wurde ein richtiger Wildfang. Sie wuchs frei und ungezwungen auf, ohne die Enge der höfischen Etikette. In den warmen Monaten schwamm sie im nahen See und holte mit der Angel Fische heraus. Das ungezwungene Leben war nur möglich, weil ihre Linie der Wittelsbacher keine öffentlichen Funktionen am Münchner Hofe hatte. Wenn der Vater wieder einmal zu Hause war, durfte sie ihn auf die Jagd begleiten.

Mit 15 verliebte sie sich in den Grafen Richard, der in der Familie in herzoglichen Diensten stand. Vom Rang her war diese Liebe indiskutabel, er wurde deshalb aus dem Hause verbannt und verschwand aus ihrem Blickfeld. Sisi ist untröstlich und schrieb ihre ersten, traurigen Gedichte.

Im Sommer 1853war die Familie in Possenhofen. Schwester Néné erhielt eine Einladung nach Bad Ischl an die Festivitäten zum 23. Geburtstag ihres Cousins Kaiser Franz Josef von Österreich. Mutter Ludovika und deren Schwester in Wien, Kaisermutter Sophie, sind auf der Suche nach einer standesgemäßen Partie für den heiratsreifen Kaiser. Der Wildfang, die 15-jährige Sisi, darf auch mit nach Ischl, mit dem Gedanken, sie mit dem jüngeren Bruder des Kaisers, dem 15-jährigen Ludwig Victor, zusammen zu bringen.

Die nachfolgenden Szenen aus Filmen mit guten Schauspielern, schönen Uniformen und den modischen Kleidern der Zeit. Hier eine kurze schriftliche Darstellung (abgekürzt):

In Ischl verläuft die Begegnung Nénés mit Franz Joseph steif und verlegen. Sisi wird in ihr Zimmer verwiesen, weil sie sich weigert, eine der unbequemen und prunkvollen Roben anzuziehen, wie es von der Etikette verlangt wird. Sie entweicht aus dem Fenster und macht sich in sportlichen Kleidern auf, um im Bergbach zu fischen. Die Fischbüchse lässt sie am Straßenrand liegen. Die Kalesche des anreisenden jungen Kaisers hält an: Ist da eine Bombe versteckt? In dem herbeieilenden, übermütigen Mädchen erkennt Franz Josef seine jüngere Cousine aus Bayern. Er ist überrascht, das kleine Mädchen von früher hat sich in eine attraktive junge Dame verwandelt. Beide begrüßen sich freudig. Das unbefangene, unbekümmerte Mädchen verzaubert ihn, sie ist fröhlicher und freier als alles was er vom Hof zu Wien gewohnt ist.

Am Ball will Sisi auf keinen Fall teilnehmen, ihr ist die zwanghafte Etikette zuwider. Man wird ganz eng in Kleider eingeschnürt, nur um der Mode zu entsprechen. Mutter Ludovika versucht mit allen Mitteln, ihre jüngere Tochter doch noch umzustimmen, es kommt zu einer Szene mit Tränen. Endlich lässt sie sich überreden und kleidet sich ein. Ihr wird versprochen, der gleichaltrige Cousin Ludwig Victor warte auf sie.

Am Ball beobachten alle, wie der junge Kaiser nicht die schöne Néné mit den Augen verfolgt, sondern deren um 7 Jahre jüngere Schwester. Für den zweiten Tanz nimmt er alle Kraft zusammen und steuert auf Sisi zu. Helene lässt er links stehen, eine große Enttäuschung für die ältere Schwester und alle, die auf eine Liaison gehofft hatten. Sisi hat Angst und will nicht mit dem Kaiser tanzen. Vor den Augen des Hochadels darf sie aber nicht nein sagen und der Tanz beginnt.

Am Ende des Tanzfestes ist es Brauch, dass die Kavaliere ihren Favoritinnen eine rote Rose überreichen. Franz Josef sucht alle roten Rosen zusammen, denen er habhaft werden kann, und schenkt sie Sisi. Ein Raunen geht durch den Saal, beide Mütter können sich die Entwicklung nicht erklären. Franz Josef führt Elisabeth in einen Nebenraum und macht ihr einen Heiratsantrag, den sie aber vorerst ablehnt, sie will dies ihrer Schwester nicht antun. Auch Sophie mischt sich ein und versucht, ihren Sohn umzustimmen. Das Kind aus Possenhofen sei unvorbereitet, schlecht erzogen und nicht geeignet für die Repräsentationen einer Kaiserin.

Doch nichts hilft, Franz Josef ist entschlossen und beharrt auf seinem eigenen Willen, wie er es so vorher noch nie getan hatte. In der lauen Nacht gehen der Kaiser und die junge Sisi auf die Terrasse des Schlösschens in Bad Ischl und beobachten das kaiserliche Geburtstagsfeuerwerk über Ischl. Die Menschen vor der Terrasse rufen: „Hoch dem Kaiser“. Elisabeth steht scheu neben ihm und weiß nicht, wie sie sich verhalten soll. Sie ist gewohnt, in den Wäldern herumzutollen und mit ihrem Pferd zu galoppieren. Erstmals steht sie im Mittelpunkt und spürt sich eingeengt. Sie wird aber von der kaiserlichen Atmosphäre und den Huldigungen tief beeindruckt. Auf einen erneuten Antrag Franz Josefs antwortet sie endlich mit einem scheuen „ja“.

Einen Tag später verlangt der Kaiser, dass der Pfarrer ihn und seine Zukünftige in der Kirche segnet, danach findet die offizielle Verlobung statt. Die Zeremonie behagt Sisi nicht, all der Prunk, die glänzenden Roben und die Uniformen machen sie verlegen, sie bringt kein Wort hervor. Mutter Ludovika sagt: „Wie wird das unschuldige und wehrlose Kind gegen die grausamen Damen der Wiener Aristokratie bestehen können?“

Sisi weint bei ihrer Mutter:

„Was wird er denken über eine so junge und unwichtige Frau wie mich? Ich werde alles tun, um ihn glücklich zu machen, aber werde ich erfolgreich sein? Ich bin stolz auf Franz Josef, aber wäre er doch nicht Kaiser.“

Ludovika wusste, wäre er nicht Kaiser, Sisi wäre nicht auf ihn eingegangen und es wird keine Liebesheirat sein.

Néné brauchte lange, um sich von dieser Enttäuschung zu erholen. Später werden alle Geschwister gut verheiratet: Ludwig mit Baronin Marie Wallersee, die später zur Gräfin Larisch erhoben wird, Néné mit Maximilian Erbprinz von Thurn und Taxis, Marie mit König Franz II von Neapel-Sizilien, Sophie mit Ferdinand von Alençon.

Sisi und ihre Familie feiern in München eine Abschieds-Soirée. Sie trägt ein aufwendiges, helles Kleid mit ausladender Krinoline, das sogenannte „Polterabendkleid“. Es ist bis heute erhalten geblieben und in der Sisi-Ausstellung in Schönbrunn zu sehen. Am unteren Saum sind arabische Schriftzeichen zu erkennen, der Stoff ist offenbar ein Geschenk, das ihr Vater Max aus Ägypten mitgebracht hatte. In den arabischen Ländern war es der Brauch, den Gästen teure Textilien zu schenken.

4. Kaiserin von Österreich

Der Hochadel im Kaiserreich feierte hin und wieder rauschende Tanzfeste. Adlige und die Spitzen von Armee und Verwaltung wurden eingeladen. Es waren die wenigen Gelegenheiten, in denen die jungen Leute des Adels zu verkuppeln sind. Männer erschienen im Frack, in dekorierten Beamtenkleidern oder in der Galauniform. Frauen trugen fantasievolle, wallende Röcke in Pastellfarben, mit weißen Rüschen und teuren Schmuck. Die offiziellen Bälle unterstanden einem Zeremoniell mit strenger Hierarchie, Verhaltensregeln und Kleidungs-Vorschriften. Die Gesellschaft versammelte sich in prunkvollen Sälen mit Spiegeln und Kristallleuchtern auf denen hunderte Kerzen brannten, am Boden lag poliertes Parkett. Die Orchester spielten Walzer und Polka. Dem Schritt des eintretenden Souveräns folgend, bewegte sich eine Welle durch die Anwesenden, Knickse der Damen und leichte Verbeugungen der Herren. Der österreichische Kaiser ist der Mittelpunkt der Gesellschaft. In seiner hellblauen Uniform mit Orden und dem rotweißen Band über der Brust, verbreitete er eine erhabene Stimmung.

Nach einer Sage stammt das weiße Band auf rotem Grund aus der Zeit der Kreuzzüge. Die Schlachten von Mann zu Mann waren so blutig, dass auf dem weißen Kleid der Kreuzritter, nach der Wegnahme des Gürtels, ein weißes Band zum Vorschein kam.

Der junge Kaiser eröffnete den Tanz und forderte eine ranggleiche Dame auf, danach folgten weitere Paare dem Beispiel.

Stunden vor Beginn des Balles wurden die hochstehenden Damen von Kammerzofen in ihre aufwendigen Roben gezwängt. Passender Schmuck wurde herausgesucht und die Friseure arbeiteten an den modisch langen Haaren oder mit Perücken. In farbigen, oben engen und unten weiten Ballkleidern schwebten die Damen durch den Saal, ein speziell gleitender Schritt wurde vorher eingeübt. Die Eintretenden wurden mit Rang und Namen vom Adjutanten angekündigt, die Reihenfolge war durch das Protokoll vorgegeben.

Im August 1853, an seinem Geburtstagsball, hat sich Franz Josef für Sisi entschieden, gleich wird in Ischl die Verlobung gefeiert. Nach dieser Nachricht herrschte auch im Schloss Possenhofen große Aufregung, Sisi muss auf ihre zukünftige Rolle als Kaiserin vorbereitet werden. Dafür wurden eilig mehrere Hauslehrer beigezogen. Nach der Rückkehr Sisis unterrichtet auch der ungarische Lehrer Majlath über die Geschichte des österreichischen Kaiserreiches, er versucht ihr auch die ungarische Kultur näher zu bringen und sie für die Unabhängigkeit seines Landes zu begeistern. Diese Eindrücke werden Sisis Leben prägen.

In acht Monaten soll aus dem Wildfang eine Dame von Welt gemacht werden. In der vertrauten Umgebung zog es die sportliche Sisi aber wieder hinaus in die Natur: Verpasste Schulausbildung kann nicht in so kurzer Zeit nachgeholt werden. Zudem ahnte sie, in Wien würde sie ihre geliebte Freiheit verlieren.

Am 4. März 1854 wurde in München der Ehevertrag ausgehandelt. Die Aussteuer war nicht sehr groß und für eine zukünftige Kaiserin bescheiden. Ihre Schwestern trugen ihre schönsten Roben zusammen, die besten Schneider wurden beauftragt die Kleider für Sisi anzupassen. Die Aufregung und die Vorahnung haben jetzt ihre kindlichen Rundungen und ihre roten Wangen verschwinden lassen.

Aus Wien trafen Geschenke ein, auch eine Portraitminiatur von Franz Josef, wie es damals üblich war. Trotz seiner vielen Verpflichtungen kam der junge Kaiser nach Possenhofen, die Heirat muss vorbereitet werden. Eine Auswahl imperialen Schmuckes wird mitgebracht. Sogar eine Dispens des Papstes war nötig, wegen dem Bruch des kanonischen Rechtes: Die Habsburger und die Wittelsbacher haben zu viel untereinander geheiratet: Sisi ist Franz Josefs direkte Cousine auf Mutterseite und vierte Cousine auf Vaterseite.

die Verlobung

Abends besuchten sie eine Opernaufführung in München. Der preußische Botschafter war auch eingeladen und beobachtete die zukünftige Kaiserin. Er schrieb nach Berlin: „Die kleine Prinzessin wird sich in der großen Gesellschaft nicht wohl fühlen, es wird ihr sicher schwer fallen, ihr Heimatland zu verlassen und eine Kaiserin zu werden.“

Ein Gedicht Sisis aus jener Zeit:

„Ihr schlagenden Flügel nehmt mich mit

Führt mich wo ihr hinfliegt

Wie glücklich wer frei ist, Schwalbe

Brich aus deinem Käfig aus

Mit dir fliege ich ins Blaue

In den unendlichen Himmel

Ich singe mit allem was ich weiß

Über die göttliche Freiheit

Mein Kummer wird vorbei sein

Vorbei sind neue und alte Liebe

Morgen gibt es keine Angst mehr

Keine Tränen und keine Kälte“

Am 20. April 1854 verlässt sie München mit Familie, eine große Menschenmenge winkt der entschwindenden Kutsche nach, Sisi weint. Die Reise geht nach Osten, an die Donau. Bereits wartet die schönste Jacht der Habsburger. Auf der Fahrt die Donau hinunter ertönen bei Ortschaften vielfache Hochrufe auf die neue Kaiserin. Sisi steht an Deck und winkt, doch das große Aufsehen, das ihr zuteilwird, behagt ihr nicht.

Franz Josef reiste ihr entgegen und begleitete sie das letzte Stück. Am 22. April erreichen sie Wien, beim Hafen Nussdorf werden sie mit Musik und allen Ehren empfangen.

Eine der kaiserlichen Prunkkutschen

Am nächsten Tag fährt Sisi in der von acht Lipizzanern gezogenen, imperialen Kutsche durch die Hauptstraßen der Stadt. Ihr bezauberndes Kleid ist rosa und der imperiale Schmuck glänzt. Ihr langes, starkes, braunes Haar ist kunstvoll geflochten, unter einer Krone mit Diamanten. Ihre Reaktion auf den ganzen Prunk kommt in einer Bemerkung zu ihrer Mutter zum Ausdruck: „Ich fühle mich in einer Aufführung, wie ein Clown im Zirkus.“

Sie kann sich kaum an das protokollarische Zeremoniell halten und sieht nicht ein, warum sich alle vor ihr verneigen oder auf die Knie fallen. Sie hätte lieber die Hände geschüttelt und ein wenig geplaudert. Das Protokoll enthielt jeden Schritt und auch welche ausgesuchten, adligen Gäste ihr gratulieren durften

Am 24 April 1854 wurde die Trauung vor 70 Bischöfen in der Kirche der Augustiner zelebriert. Der ganze Tag war durchorganisiert, die Uhr gab den Takt an. Vor dem Brautwagen, acht der edelsten Pferde des kaiserlichen Stalles, blendend weiß, von barockem, goldverziertem Zaumzeug gehalten, harren scharrend des Augenblicks. Die Wagenburg in Schönbrunn hatte ihren glänzendsten Schatz hergegeben, den Brautwagen aus Gold und Kristall. Die Vorreiter, Fouriere, Kutscher und Lakaien trugen den goldverzierten Festanzug, weiße Perücken und den Dreispitz. Alle Glocken Wiens läuteten, Hochrufe aus tausenden Kehlen pflanzten sich am Wege entlang fort. An der Grenze zur Wiener Vorstadt wird Sisi vom Bürgermeister und den Gemeinderäten begrüßt. Bis zum Kärntner Tor stehen tausende Schaulustige Spalier. Weiß gekleidete Töchter von Patriziern streuen Blumen auf die Straße.

Am Hauptportal der Hofburg wartet der Kaiser. Der prunkvolle Zug betritt langsam die Kirche der Augustiner. Die Innenwände der Kirche sind mit kostbaren Gobelins verkleidet, Säulen, Stühle und Bänke mit Damast überzogen. Tausende Kerzen erhellen den Raum. Ein gewaltiges Gepränge ist versammelt: Rot und Grün die Garden, weiß die Generalsröcke, Scharlachrot die Kardinäle, Gold und Silber auf schwarz die Räte und Minister. Die Kostüme des ungarischen und polnischen Adels, Ornate, pelzverbrämte Attilas, Helme, Reiherbüsche, Ordensbänder, Edelsteine, Goldborten und Degen umrahmen den Hochaltar. Fürsterzbischof Rauscher nimmt die Trauung vor. Es wird ganz still, als er die Fragen an Braut und Bräutigam richtet. Sisi erzittert, als die ersten Kanonensalven donnern. Vom Bodensee bis Siebenbürgen, vom Po bis zum Weichselstrand gibt es große Feste: Das Reich hat eine Kaiserin!

die Hochzeit