Ein Happy Miez-Buch

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Die in diesem Buch zusammengestellten Informationen stellen keinen Ersatz für eine tierärztliche oder tierpsychologische Untersuchung dar.

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Vervielfältigungen, auch auszugsweise, egal in welcher Form, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin.

Spielstrategien für Stubentiger - Ausgeglichenheit und Spaß im Katzenalltag

© Christine Hauschild 2017

Coverillustrationen: Iwon Blum, www.iwonblum.ch

Bilder: Happy Miez-Logo S. →: © Christine Hauschild

Fotos: © Christine Hauschild

Aufzählungspfötchen: © Marco Birn - Fotalia.com

andere Illustrationen: Iwon Blum

Lektorat: Christina Nissen

Umschlagsgestaltung: Christine Hauschild

Gestaltung: Christine Hauschild

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783743172289

Inhalt

  • TEIL 2
  • Gemeinsames Spiel: Beutefangspiele
    • Verschiedene Spielelemente fördern
    • Ablauf einer gemeinsamen Spieleinheit
    • Spaßfaktor: Welche Ideen hat Ihre Katze?
    • Gute Spielbeute
    • Exkurs: Verteidigung des Spielzeugs
    • Bewegungsvariationen mit interaktiven Spielzeugen
    • Ideen für Spielzeuge
  • Gemeinsames Spiel: Rauf- und Verfolgungsspiele
    • Empfehlungen für Verfolgungs- und Raufspiele mit der Katze
    • Verfolgungsspiele mit Ihrer Katze: „Fangen“
    • Raufspiele mit Ihrer Katze
  • Besondere interaktive Spielarten
    • Laserpointer / LED
    • Wasserspiele
    • Interaktive Futterspiele
  • Hilfe zur „Selbstbeschäftigung“
    • Solitärspiel spannend machen
    • Erkundungsverhalten
    • Futterspiele zur Alleinbeschäftigung
    • Automatikspielzeuge
  • Noch einmal: Schwer bespielbare und nimmermüde Katzen
  • TEIL 3
  • Praktische Tipps zur Organisation
    • Wie oft & wann?
    • Wo?
    • Rituale
  • Sicheres Spielen
    • Mögliche Gefahren und Risiken
    • Gefahrenprävention
  • Viel Vergnügen!
  • Literatur
  • Anhang: Beutetiere der Katze - Größensilhouetten
  • Über die Autorin
    • Zum Weiterlesen

Für Monty.

Mögest du immer fröhlich unterwegs sein und gesund und munter nach Hause kommen.

Spielen für die Katz

Dieses Buch widmet sich einem Thema, das eng mit dem Wohlbefinden der Katze verbunden ist: dem Spiel. Einerseits lassen Aktivität und Spielbereitschaft der Katze Rückschlüsse auf ihre Stimmungslage zu, andererseits können wir als Halterinnen durch individuell angepasste Beschäftigungsangebote für Stimmungsverbesserung und Wohlgefühl im Katzenalltag sorgen.

Tatsächlich ist das jedoch oft leichter gesagt als getan. Viele Menschen bekommen auf ihre Spielangebote hin von ihren Katzen erst einmal nicht viel mehr als einen müden Blick. Verständlich, dass das nicht besonders motivierend wirkt. Gleichzeitig werden die Reaktionen der Katzen auf Spielangebote aber häufig etwas vorschnell als Desinteresse interpretiert.

Stellen Sie sich einmal bildlich vor, wie Sie versuchen, Ihrer Katze ein Spielangebot zu machen. Wie würden Sie die folgenden Verhaltensweisen Ihrer Katze deuten?

  • Die Katze guckt das Spielzeug an, bewegt sich aber nicht.

    Ihre Interpretation:

  • Die Katze legt sich auf die Seite.

    Ihre Interpretation:

  • Die Katze reagiert nicht auf das Spielangebot.

    Ihre Interpretation:

Hier die typischen Interpretationen, die durchaus zutreffen können. Oftmals kommen aber auch andere Bewertungen des Katzenverhaltens in Betracht, z.B.:

  • Die Katze guckt das Spielzeug an, bewegt sich aber nicht.

    Typisch: „Sie hat keine Lust.“

    Alternativ: „Juhu, sie lauert. Offenbar findet sie die Spielbeute zumindest halbwegs interessant. Mal gucken, was passiert, wenn ich das Spielzeug kurz um die Sesselecke verschwinden lasse.“

  • Die Katze legt sich auf die Seite.

    Typisch: „Katze ist fertig mit Spielen.“

    Alternativ: „Katzi muss sich kurz erholen. Also kleine Pause oder vielleicht erst einmal ein Wechsel zu ruhigerem Stocherspiel.“

  • Die Katze reagiert nicht auf das Spielangebot.

    Typisch: „Sie hat keine Lust.“

    Alternativ: „Schauen wir doch mal, ob sie ein anderes Spielzeug oder eine andere Spielart gerade spannender findet!“

Die erstgenannten Interpretationen führen zu einer Beendigung des Spielversuchs und damit der aktuellen Interaktion zwischen Mensch und Katze. Die alternativen Interpretationsvorschläge können der Türöffner sein, um durch ein darauf angepasstes Angebot das gemeinsame Spiel zu verlängern oder erst richtig in Wallung zu bringen.

Prinzipiell ist es für Katzen normal, bis ins hohe Alter hinein zu spielen. Art, Dauer und Intensität der Spiele variieren dabei zwischen verschiedenen Individuen, unterscheiden sich aber z.B. auch nach Geschlecht, Gesundheitszustand und der Lebensform der Katze – Freigänger haben meist weniger Energie für Spielaktivitäten übrig als Wohnungskatzen. Für „arbeitslose“ Wohnungskatzen stellt Spiel eine der wichtigsten Beschäftigungsmöglichkeiten dar. Im Spiel drückt sich Lebensfreude aus und es kann eine ausgleichende Wirkung auf die Katze haben.

Wenn eine Katze nicht (mehr) spielt, ohne dass es dafür einen guten Grund wie z.B. die tägliche mehrstündige Mäusejagd gibt, dann ist das ein Anlass zur Besorgnis (vgl. Teil 1 – Jagdverhalten als Vorbild – Was kann das Spielvergnügen bremsen?). Unsere Aufgabe als Katzenhalterin besteht dann darin herauszufinden, wodurch sie im Spiel gehemmt wird und wie wir diese spezielle Katze wieder für spielerische Aktivitäten gewinnen können.

Dafür ist es hilfreich, sich näher mit dem Thema Spiel zu beschäftigen. Denn der Mensch hat sich häufig noch gar nicht so richtig viele Gedanken um das Spielen mit Katzen gemacht. Man nimmt dafür halt ein Mäuschen oder eine Spielangel und dann geht es los – oder eben auch nicht, wenn die Katze nicht mitmacht. Tatsächlich ist das Spielverhalten von Katzen wesentlich variationsreicher und komplexer, als wir Menschen gemeinhin so annehmen. Damit Sie ein besseres Verständnis für das Spiel der Katze bekommen, beginnt Teil 1 dieses Buches mit einigen theoretischen Hintergrundinformationen: Was ist Spiel eigentlich und welche Funktionen hat es? Was für Spielarten gibt es bei Katzen überhaupt? Welche Verhaltenselemente gehören zum Spiel? Da Spiel und Jagd einige überschneidende Komponenten haben: Was können wir aus dem Jagdverhalten von Katzen lernen, um spannendes Spiel zu gestalten? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Katze sich dem Spiel widmen kann, und wie lassen sich Hemmnisse beseitigen? Kurzum: wir zerlegen zunächst das Spiel in seine Einzelteile.

Diese werden in Teil 2 dann wieder zusammengesetzt, um verschiedene Möglichkeiten des Spiels mit der Katze bzw. ihrer Beschäftigung daraus abzuleiten. Dabei bekommen Sie zum einen konkrete Anregungen für interaktives Spiel mit Ihrer Katze inklusive Vorschlägen für Variationen und Bewegungsarten z.B. beim Einsatz von Spielangeln oder Spielstäben sowie zahlreiche Ideen, was sich als Spielzeug verwenden lässt. Anschließend folgen Kapitel, die sich mit Futterspielen und anderen spezielleren Spielvarianten sowie der Anregung der Katze zur Alleinbeschäftigung im Solitärspiel beschäftigen. Dabei geht es jederzeit vor allem darum, die Prinzipien des Katzenspiels zu verstehen, damit Sie immer wieder neu auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Katze eingehen können. Es gibt nicht das eine Spiel oder das eine perfekte Spielzeug, mit dem man alle Katzen jederzeit und dauerhaft glücklich machen könnte. Aber das wäre ja auch langweilig, oder? Da auch Spiel an sich nicht für jede Katze jederzeit die perfekte Beschäftigung darstellt, wird die Anregung zu Erkundungsverhalten am Ende des zweiten Teils als Ergänzung oder Alternative beschrieben.

Der dritte Teil greift schließlich praktische und organisatorische Fragen zur Spielhäufigkeit und -dauer auf, aber auch zu möglichen Gefahren, vor denen Sie Ihre Katze bewahren sollten. Falls Sie das Buch häppchenweise lesen und dabei schon direkt mit Ihrer Katze losspielen, blättern Sie ruhig kurz ans Ende. Das ist ausnahmsweise erlaubt.

Bevor es losgeht, noch einige Hinweise zu möglichen Risiken und Nebenwirkungen.

„Risiken und Nebenwirkungen“ von Spiel

Regelmäßiges Spiel kann einen großen Effekt auf die emotionale Ausgeglichenheit und Zufriedenheit Ihrer Katze haben. Sie kann dabei Energie – überschießende Lebensenergie, aber auch Anspannung und Stress im weitesten Sinne – konstruktiv abbauen. Dadurch verringert sich das Auftreten negativer Emotionen wie Frustration oder Ärger und damit auch die Wahrscheinlichkeit daraus resultierender unerwünschter Verhaltensweisen, wie z.B. aggressivem Verhalten gegenüber Mitkatzen, übermäßigem Vokalisieren oder exzessivem Kratzen an Möbeln.

Während die Katze sich gerade auf eine vergnügliche Aktivität wie Spiel konzentriert, kann sie zudem nicht gleichzeitig ungute Gefühle haben und z.B. Angst empfinden. Spiel dient also nicht nur dem Abbau negativer Emotionen, sondern ist ein direkter emotionaler Gegenspieler. Steckt eine Katze in einer schwierigen Lebenssituation, tut es ihr gut, sich nicht nur mit ihren Problemen zu beschäftigen (z.B. der unfreundlichen Mitkatze oder dem beängstigenden Nachbarhund), sondern sich zwischendurch ausgelassen an etwas zu erfreuen. Im Spiel kann sie außerdem Erfolgserlebnisse sammeln, die dann dazu beitragen können, ihr Selbstvertrauen zu stärken und Ängstlichkeit zu verringern.

Ausgeglichenheit und Zufriedenheit entstehen aber nicht nur durch die körperliche, sondern vor allem auch durch die kognitive Auslastung: Einige Spiele, insbesondere Lauerspiele, sind durchaus als Denksport einzustufen, da sie mit großer Konzentration einhergehen und die Katze währenddessen zahlreiche Entscheidungen treffen muss: nämlich wann und wie sie sich am besten auf die Beute stürzen sollte.

Und die Zufriedenheit an sich wie auch der Abbau von Stress im Körper sowie die Bewegung im Spiel fördern die Gesundheit der Katze. Ihre Muskeln bleiben stark und trainiert – oder können es wieder werden. Ihre Gelenke bleiben geschmeidig und beweglich und das Herz-Kreislauf-System wird regelmäßig angeregt. Und vor allem bei zu Übergewicht neigenden Katzen nicht zu verachten: Sowohl Bewegung als auch Konzentration erhöhen den Kalorienverbrauch.

Katzen und Menschen können sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen treffen. Wir können zu hauptamtlichen Futterspendern mutieren oder liebgewonnene Kuschelpartner werden. Wenn wir mit Katzen spielen, bekommen wir eine zusätzliche und äußerst positive Bedeutung. Gemeinsame Beschäftigung, gemeinsames Spiel scheint die Bindung vieler Katzen zu ihren Menschen zu vertiefen – das gilt umgekehrt natürlich ebenso. Gemeinsam zu spielen heißt, gemeinsam Spaß zu haben. Aus Sicht der Katze können wir so zu ausgewiesenen, absolut positiv verknüpften Vergnügungsbereitern werden – eine durchaus schöne Rolle!

TEIL 1

KATZENSPIEL VERSTEHEN

„Spieltheorie“ für die Katz

Wenn es um das Spielverhalten einer Katze geht, ist Spiel nicht gleich Spiel. Wir haben es zum einen zu tun mit verschiedenen Arten von Spielen, z.B. Raufspielen und Jagdspielen oder Solitärspiel und interaktivem Spiel zwischen Katze und Mensch. Zum anderen gibt es verschiedene Spielvarianten, d.h. ein Jagdspiel kann z.B. mit einem Bällchen oder mit einer Federangel gespielt werden. Diesen Themen sind später einzelne Kapitel gewidmet. Vor allem aber stellen sich immer wieder verschiedene Herausforderungen: Wie kann ich diese eine Katze zu regelmäßigen und spaßigen Spieleinheiten animieren? Wie kann ich diese unermüdlich wirkende Katze vielleicht wirklich einmal zufriedenstellen? Warum lässt sich meine Katze überhaupt nicht mehr auf Spiel ein? Unter welchen Voraussetzungen könnte das wieder gelingen?

Für ein tiefergehendes Verständnis des Spielverhaltens einer Katze lohnt es sich deshalb, noch einige weitere theoretische Überlegungen zum Thema Spiel anzustellen:

Game oder Play?

Im Englischen gibt es eine sprachliche Unterscheidung zwischen Game und Play, die wir so im Deutschen nicht haben: Game meint ein Spiel, das bestimmten Regeln und Abläufen folgt und durchaus zielgerichtet ist. Brettspiele beispielsweise haben jeweils eigene Regeln. Bei vielen von ihnen ist es das Ziel, gegen die Mitspieler zu gewinnen. Dieser Punkt ist verschiedenen Menschen unterschiedlich wichtig – einige genießen einfach das gemeinsame Spiel, unabhängig vom eigenen Erfolg. Für andere scheint das Verlieren bei einem Spiel eine mittelschwere Krise herbeizuführen und nimmt ihnen jeden Spaß daran. Ähnliches gilt für Sportarten. Ein Fußballspiel folgt klaren Spielregeln, aber jenseits des Profisports bleibt es dennoch ein Spiel. Manche Kinder entwickeln beim Spielen klare Regeln. Sie bestehen dann darauf, dass man beim „Pferd spielen“ unbedingt bestimmte Bewegungsabläufe einhält oder Geräusche macht und andere vermeidet. Weicht man davon ab, bekommt man einen Rüffel und die Regeln werden klargestellt. Weicht man weiterhin von den Regeln ab, kann es gut sein, dass das Kind aufhört zu spielen. Ohne Einhaltung der Regeln macht ihm dieses Game keinen Spaß mehr (vgl. Teil 1 – „Spieltheorie“ für die Katz – Was macht Spiel aus?).

Im Gegensatz dazu ist Play ein Spiel ohne Regeln. Es meint das selbstvergessene und spontane Spiel, das von Augenblick zu Augenblick während des eigentlichen Tuns entwickelt wird. Während ein Game oft mit Konzentration und einer gewissen Ernsthaftigkeit einhergeht, ist die Stimmung beim Play ausgelassen, vergnügt und in einem schönen Sinne albern. Es gibt keine Vorgaben es wird frei improvisiert. Vor allem: Es gibt kein Ziel, sondern das Play dient dem Selbstzweck. Es soll nirgendwo hinführen, es drückt einfach gute Laune aus und steigert sie gleichzeitig.

Auch für das Spiel von Katzen lässt sich diese Unterscheidung treffen. So fällt das Leerpföteln eines Fummelbretts etwa unter den Begriff Game (vgl. Teil 2 – Hilfe zur „Selbstbeschäftigung“ – Futterspiele zur Alleinbeschäftigung). Die Katze zeigt dabei konzentriertes und zielgerichtetes Verhalten, um an das Futter zu kommen. Wenn sie anschließend im Zuge der „wilden fünf Minuten“ durch die Wohnung saust oder sich quatschig auf dem Teppich aalt und Fusseln fängt, haben wir es mit Play zu tun. Entsprechend der Ernsthaftigkeit und Zielgerichtetheit des Games können wir bei einer Katze im Game-Modus meist recht effiziente Bewegungen beobachten, während eine Katze im Play häufig stark übertriebene Bewegungen (z.B. große Sprünge oder wilden Hoppelgalopp) zeigt.

Um es etwas komplizierter zu machen: Es gibt im Spiel von Katzen vermutlich Grauzonen zwischen Play und Game. Denn gerade im sozialen Spiel mit befreundeten Artgenossen oder dem Menschen gibt es durchaus frei improvisiert wirkendes Spielverhalten (Play), das jedoch gleichzeitig bestimmten Regeln folgt (Game): Bei Raufspielen etwa gilt die Regel, dass man nur so tut, als würde man kämpfen, sich aber eben nicht verletzt. Nur wenn diese Regel von beiden Beteiligten eingehalten wird, bleibt der Spielcharakter erhalten und freies Spiel ist möglich.

Jagd, Spiel, Erkundung

Freilebende Katzen verbringen einen großen Teil ihrer wachen Zeit mit der Erkundung ihres Reviers und mit der Jagd. Wenn eine solche Katze in einem recht sicheren und beutereichen Revier lebt, wird es auch für sie Momente von Play geben, etwa wenn sie aus purer Lebensfreude auf einen Baum saust oder ein getrocknetes Blatt fängt, das der Wind bewegt hat. Letzteres, das Fangen eines Blattes, wäre ein Jagdspiel. Die Katze tut so, als ob das Blatt ein Beutetier wäre und erjagt es. Für die Freigängerin ist das ein reiner Spaß. Ihr ist klar, dass es sich um ein Blatt handelt und dass sie es nicht fressen wird.

Solche Beutefangspiele sind für Wohnungskatzen nahezu die einzige Möglichkeit, ihrer eigentlichen Hauptbeschäftigung nachzugehen oder zumindest so zu tun, als ob. Das Spiel hat für Nicht-Freigänger eine zentrale Bedeutung – es dient ihrer täglichen Auslastung und Beschäftigung in einem Leben, das sonst nicht viel Abwechslung bietet und in dem es nicht allzu viel zu tun gibt. Deshalb ist es sinnvoll, „Spiel“ in diesem Kontext recht weit zu fassen: Es kann gerne – und sollte sogar – verschiedene Elemente enthalten. Vom selbstvergessenen Vor-sich-hin-Spielen über Jagdspiele mit vom Menschen bewegter Spielbeute und Raufspielen bis hin zu vom Menschen initiierten Erkundungsaktivitäten. Erkundungsverhalten versetzt die Katze in eine wache und aufmerksame Stimmung und macht sie wiederum empfänglicher für weitere Aktivitätsangebote. Auch deshalb wird diesem Thema später ein eigener Abschnitt gewidmet.

An dieser Stelle sollen zunächst drei wichtige Punkte herausgestellt werden, die Sie dauerhaft motivieren könnten, mehr über die individuellen Spielbedürfnisse Ihrer Katze herauszufinden:

  1. Jagdverhalten, Jagdspiel, Sozialspiele, Spiel im Sinne von Play und Erkundungsverhalten haben eines gemeinsam: Sie können positive Gefühle auslösen. Dazu gehören aufgeregte Spannung, Vorfreude, Neugier, Freude am Erfolg und manchmal pures Glück. Vorausgesetzt natürlich, uns Menschen gelingt es, der Katze ein Spielumfeld zu schaffen, in dem sie erfolgreich spielen und fröhlich sein kann. Je häufiger eine Katze sich auf solche tollen Aktivitäten einlassen kann und sich damit wohlfühlt, desto mehr wird das ihre allgemeine Stimmung im Alltag beeinflussen und desto leichter wird sie langfristig zum Spielen zu animieren sein. Positive Gefühle sind die allerbesten Gegenspieler von Angst und Stress und anderem psychischen Unwohlsein und damit beste Prävention gegen viele Verhaltensprobleme. Es lohnt sich also, sich nicht entmutigen zu lassen und zu versuchen, auch eine schwer bespielbare Katze in kleinen Schritten wieder an solche Vergnügungsmomente heranzuführen.
  2. Katzen unterscheiden sich stark voneinander in ihrer Bereitschaft – oder womöglich auch Fähigkeit – sich auf Game- und Play-Spiele einzulassen. Jagdspiele scheinen viele Katzen als Game zu betrachten. Wenn wir Menschen uns nicht an bestimmte Regeln halten, vermiesen wir diesen Katzen damit leicht den Spaß. Das ist ein wesentlicher Grund, warum wir uns etwas später das Jagdverhalten von Katzen so genau anschauen. Wir können daraus einiges über die Regeln lernen, die Katzen vermutlich für das Jagdspiel aufstellen, und an die wir uns halten sollten.
  3. Im echten Leben gehen Erkundungsverhalten und Jagdverhalten nahtlos ineinander über. Und Katzen können auch mit einer echten Beute ins Play rutschen, wenn sie diese sicher in ihren Pfoten glauben, satt sind und sich in einem gefahrlosen Umfeld wähnen. Im Leben einer Wohnungskatze gilt das gleiche für Erkundung und Jagdspiel oder auch die Jagd einer echten Beute wie etwa einem Insekt. Wenn wir unsere Katze artgerecht beschäftigen möchten, ist die theoretische Unterscheidung zwischen Jagd, Jagdspiel und Erkundung (und anderen Spielarten) sowie von Game und Play zunächst hilfreich, um zu verstehen, wie man eine Katze erfolgreich animieren kann. Wenn Sie Ihrer Katze dann aber ein konkretes Beschäftigungsangebot machen, ist es letztlich nicht entscheidend zu verstehen, ob Sie damit im Einzelfall nun gerade Erkundungsverhalten oder eine Jagdspielsequenz auslösen und fördern und ob die Katze sich im Game- oder im Play-Modus befindet.

Voraussetzungen für Spiel

Wenn wir den Fokus auf die Beschäftigung für die Katze legen, besteht kein Unterschied in der Wertigkeit zwischen Game und Play. Gerade die eher game-artigen Jagdspiele sind als Imitation des Hauptberufs der Katze ein wertvoller, beliebter und biologisch sinnvoller Zeitvertreib.

Play hingegen kann ein Gradmesser für Ausgelassenheit und Unbeschwertheit im Alltag sein – nicht nur für Menschen, sondern auch für Katzen ein schöner und erstrebenswerter Zustand. Ob eine Katze in den Play-Modus kommen kann, ist zum einen abhängig von ihrem Charakter bzw. früheren Erfahrungen. Einige Katzen entwickeln Persönlichkeiten, die eben nicht zum Sich-fallen-Lassen neigen, und gehen eher mit einem ernsthaften Blick durchs Leben. Zum anderen ist für Katzen die Erfüllung von Grundbedürfnissen im Alltag eine entscheidende Bedingung dafür, ob sie sich in einem Play vergessen oder auf ein Game einlassen können. Spiel ist in einem gewissen Sinne ein Luxusgut oder anders formuliert: Es gibt zentrale Dinge, die für das Überleben einer Katze wichtiger sind.

  • Es wäre unklug von einer Katze, einem Bändchen oder auch einer echten Maus nachzujagen, wenn sie ihrerseits gerade von einem jagdlich motivierten Hund ins Visier genommen wird. Die eigene Sicherheit hat immer höchste Priorität. Deshalb sind Angst und Unsicherheit große Hemmnisse für Spiel. Empfindet die Katze ihre Lebensumgebung nicht als sicher, wird sie nur schwer zu bespielen sein. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Lebensumgebung objektiv sicher ist, sondern einzig, wie die Katze sie wahrnimmt.
  • Wer ernsthaft hungrig ist, wird kein Blatt mehr jagen, sondern nach fressbarer Beute Ausschau halten – oder sich eben im Wohnungsleben darum bemühen, dass der Mensch endlich die Dose aufmacht. Es wäre biologisch nicht sinnvoll, in einem aktiven und anstrengenden Spiel Energie zu verbrauchen, wenn der Körper davon gerade ohnehin zu wenig hat.
  • Gleiches gilt im Prinzip für mangelnde Ruhezeiten. Auch wenn einige Katzen für ein Spiel weit über ihre Energiegrenzen hinausgehen – die meisten sind eher für ein Spielchen zu haben, wenn sie sich zuvor angemessen ausruhen konnten und sich wach und actionbereit fühlen.

Außerdem können Ablenkungen jeder Art die Spielbereitschaft einer Katze beenden oder zumindest unterbrechen. Treten unbekannte Reize auf, so ist es aus Katzensicht klug, diesen zunächst die Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei spielt zum einen wieder das Thema Sicherheit eine Rolle – geht von diesem Reiz (z.B. dem lauten Poltern im Nachbarzimmer) vielleicht eine Gefahr für die Katze aus? Zum anderen kann es sein, dass die Katze prüfen möchte, ob sie vielleicht etwas noch besseres verpasst. Und schließlich kann die Ablenkung ein „ernsthaftes“ Jagdspiel aus Sicht einer Game-orientierten Katze ad absurdum führen im Sinne von „So kann ich nicht arbeiten. Da wäre jede echte Maus doch längst weg!“

Später werden noch weitere mögliche „Bremsen“ des Spielverhaltens vorgestellt (vgl. Teil 1 – Jagdverhalten als Vorbild – Was kann das Spielvergnügen bremsen?).

Nur für junge Katzen? Die Funktionen von Spiel

Viele Menschen scheinen ein sehr ernsthaftes Bild vom Erwachsensein zu haben: Da ist Schluss mit lustig und jedes ausgelassene Vergnügen vorbei. Zumindest kann man auf diesen Gedanken kommen, wenn man häufiger Sätze hört wie: „Meine Katze spielt nicht mehr. Aber die ist ja auch schon vier Jahre alt.“

Natürlich stimmt es, dass Spiel im Leben von Kindern und Jungtieren einen ganz besonderen Stellenwert ein- und entsprechend auch viel Zeit in Anspruch nimmt im Vergleich zum Leben von erwachsenen Säugetieren (zu denen ja auch wir Menschen zählen). Es ist recht unumstritten, dass Spielen in Kindheit und Jugend die körperliche Entwicklung fördert, dem Training artspezifischer Fähigkeiten dient und darüber hinaus allgemeine physische und auch psychische Fähigkeiten verbessert, z.B. die Resilienz, also die Widerstandskraft im Umgang mit Widrigkeiten und Krisen (Held/Spinka 2011). Gerade der letzte Punkt ist sehr spannend, wenn man die Prävention von Verhaltensproblemen im Hinterkopf hat.

Spiel hat jedoch nicht nur langfristige Funktionen, die der Verbesserung der Überlebenschancen gelten. Es hat für das spielende Individuum auch verschiedene unmittelbare Nutzen: Spiel macht Spaß, es bereitet Freude! Beim Spielen werden im Gehirn Opioide ausgeschüttet – einige Autoren vermuten deshalb eine mögliche „Selbst-Medikation“ durch Spiel (Pellis/Pellis 2009). Spiel ermöglicht es dem Individuum darüber hinaus, Informationen über seine Umwelt zu bekommen (z.B. über die Rolleigenschaften und die Essbarkeit dieses neuen kleinen raschelnden Kügelchens) oder seine Sozialpartner besser kennenzulernen. Außerdem kann Spiel dazu dienen, soziale Spannungssituationen zu lösen. Deshalb ist Spiel auch für erwachsene Lebewesen ein durchaus funktionales Verhalten.

Bei vielen Tierarten ist auch bei den erwachsenen Tieren regelmäßiges Spiel zu beobachten. Katzen sind beste Beispiele dafür, dass lebenslang und engagiert gespielt werden kann. In Abhängigkeit von ihren Lebensbedingungen und dem Gesundheitszustand spielen Katzen oft bis ins hohe Alter, wenn sich auch ihre Vorliebe für bestimmte Spielarten im Zeitverlauf verändern mag.

Was macht Spiel aus?

Nun haben Sie schon einiges rund um Spiel und Spielverhalten erfahren, aber eine klare Definition wurde Ihnen auf den vergangenen Seiten noch nicht präsentiert. Sie wird auch an dieser Stelle nicht folgen. Wirft man einen Blick in die wissenschaftliche Literatur zum Thema Spiel, findet man keine einheitliche Definition. Es scheint jedoch einige definierende Elemente zu geben, die allgemein weitgehend akzeptiert und die für unser Verständnis für das Spiel von Katzen hilfreich sind (Burghardt 2005):

  • Spielverhalten hat keine unmittelbare, dem Überleben dienende Funktion
  • Es ist selbstbelohnend und nicht zielorientiert, d.h. es geht um das Verhalten an sich und nicht darum, was man damit bewirkt; die Katze kostet also z.B. den Spaß aus, in einem Versteck zu lauern – und lauert nicht, um unbedingt am Ende das Spielzeug zu fangen oder gar zu fressen
  • Spiel enthält viele Verhaltenselemente aus dem echten Leben, aber diese werden leicht abgewandelt. Bewegungen werden übertrieben, normale Abläufe wild durcheinandergewürfelt oder zur drohenden Pfote ein freundliches Gesicht gemacht
  • Einzelne Spielverhaltensweisen werden häufiger wiederholt, aber dabei gerne leicht variiert – Spiel erfolgt in der Regel nicht stereotyp!
  • Spiel wird in solchen Situationen gezeigt, in denen das Tier nicht einer unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt ist

Bezieht sich die Definition von Spiel nicht auf Spiel von Tieren oder Säugetieren, sondern spezifisch auf den Menschen, kommen zwei weitere Punkte hinzu, die auch für das Spiel mit Katzen wirklich erhellend sein können:

Erstens: Spiel ist eine frei und freiwillig gewählte Beschäftigung – und sie kann nur als solche funktionieren. Wer sich zum Spiel gezwungen sieht, wird die Aktivitäten nicht als Spiel empfinden können. Wer ein Spiel nicht jederzeit beenden kann, wird den Spaß an diesem Spiel sehr schnell verlieren. „Eine Person, die sich gezwungen oder unter Druck gesetzt fühlt, sich an einer Aktivität zu beteiligen, und die nicht aussteigen kann, ist kein Spielender, sondern ein Opfer.“ [„A person who feels coerced or pressured to engage in an activity, and unable to quit, is not a player but a victim.” Gray 2008]

Auch wenn es uns ein Anliegen ist, eine Katze wieder mehr zum Spielen zu animieren, dürften wir also nicht über das Ziel hinausschießen und sie mit gut gemeinten Angeboten in Bedrängnis bringen. Dann wäre unser Vorhaben unter dem Motto „Gut gemeint, aber schlecht gemacht“ zum Scheitern verurteilt.