Nr. 186

 

Die Hypno-Kugel

 

Ein paradiesischer Planet wird der Treffpunkt – und Friedhof galaktischer Intelligenzen

 

von KURT BRAND

 

 

Seit dem 2. November 2328 kursiert die Nachricht vom Tode Perry Rhodans, Atlans und Reginald Bulls in der Galaxis. Die Unbekannten, die diese Meldung verbreiten, können auch mit Bildern von der völlig zerstörten CREST, des ehemals stolzen Flaggschiffs der Solaren Flotte, aufwarten. In Terrania weiß man, dass sich die drei wichtigsten Persönlichkeiten des Vereinten Imperiums zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich auf der CREST aufhielten. Die Todesnachricht lässt sich nicht dementieren, denn die Verschollenen können kein Lebenszeichen übermitteln. Sie können auch nicht verhindern, dass die Galaktische Allianz sich langsam, aber unaufhaltsam aufzulösen beginnt und die Mitglieder dieses Bundes in zunehmendem Maße ihre eigenen Interessen verfolgen.

Die Verschollenen verlieren jedoch nicht den Mut, obwohl nach der Injektion des tödlichen Giftes ihre Lebenserwartung nur noch nach Tagen zählt.

Das Gegenmittel ist für Rhodan, Atlan, Bully und Noir unerreichbar, denn es befindet sich im Besitz des Obmanns von Plophos – während sie, die Verschollenen, von den Gegnern des Obmanns zum Neutralistenstützpunkt Badun verschleppt werden.

Als diese Welt überraschend von der Plophoser-Flotte attackiert wird, ist das Schicksal der Neutralisten besiegelt – nicht aber Mory Abros Schicksal und das der Verschollenen! – Eine geheimnisvolle Macht greift ein, rettet sechs Menschen und bringt sie unter den Bann der HYPNO-KUGEL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Cuduh – Ein seltsames Wesen, das mit den Terranern Freundschaft schließt.

Kiri und Ori – Zwei Eingeborene des Planeten »Lovely«.

Mory Abro – Eine schöne Frau, die gut schießen kann.

Melbar Kasom – Der Ertruser räumt Steine aus dem Weg.

Perry Rhodan, Atlan, Reginald Bull und André Noir – Ihre Lebenserwartung beträgt nur noch Stunden – und trotzdem geben sie nicht auf.

1.

 

Cuduh befand sich auf der Jagd.

Seit Stunden stand er am Waldrand und blickte auf die bunte Ebene hinaus, die sich bis zum Horizont ausdehnte. Hier hielten sich sonst die Kellbaß auf. Sie und er waren die besten Freunde; aber er wurde ihr Todfeind, wenn er jagen musste.

Der Hunger trieb ihn zur Jagd. Der Hunger verwandelte ihn. Er schaltete seine Sinne um. Er sah, hörte und roch nur noch das, was ein Jäger auf der Jagd sehen, hören und riechen muss.

Cuduh war unempfindlich geworden gegenüber allen Schmerzen. Er nahm nicht wahr, dass er seit Stunden unbeweglich zwischen den Baumstämmen des Waldrandes stand und auf einen Kellbaß wartete.

Er hörte nicht, wie der warme Wind unaufhörlich in den dichten Baumkronen sein Lied sang; er sah nicht, wie das bunte Gras der Weiten Ebene vom Wind gegen den Boden gepresst wurde; Cuduh roch nicht den Duft von Millionen Blumen.

Er war auf der Jagd.

Die Sonne wanderte am blauen Himmel weiter. Jetzt verschwand sie hinter einer bauschigen, weißen Wolke, die von Osten herangezogen kam. Cuduh sah es nicht. Und als die Wolke die Sonne wieder freigegeben hatte, bemerkte er nicht, dass das Sonnenlicht ihn jetzt voll traf.

Im gleichen Moment veränderte sich Cuduhs Aussehen. Eben noch so dunkel wie der Schatten zwischen den Bäumen, war er jetzt so hell wie das Licht der Sonne. Auch die Farbe seiner Augen hatte diesen schnellen Wechsel mitgemacht.

Nach wie vor war er zwischen den Bäumen nicht zu erkennen.

Alle Kellbaß wussten, dass er auf der Jagd war; darum mieden sie die Ebene, wo sie sich sonst so zahlreich aufhielten. Bisher hatte Cuduh hier immer wieder ein Opfer gefunden. Sie konnten ja nicht den ganzen Tag fortbleiben. Vor Anbruch des Abends würden sich die Kellbaß wieder einfinden. Wie Cuduh vom nagenden Hunger auf die Jagd getrieben wurde, so trieb sie die Not zu den Orgeenfrüchten, die nur hier wuchsen.

In der Orgeenfrucht befand sich eine große Menge Tintor. Tintor war die einzige Flüssigkeit, die ein Kellbaß zu sich nehmen konnte. Trank ein Kellbaß Wasser, dann musste er sterben.

Cuduh stand und wartete. Die Sonne wanderte weiter. Nur noch die eine Hälfte seines Körpers war sonnenhell, die andere so dunkel wie der Schatten an seiner Seite. Ein Auge dunkel, das andere klar; er sah mit beiden gleich gut.

Was war Geduld? Cuduh wusste es nicht. Er war umgeschaltet. Ein Jäger darf auf der Jagd nicht ungeduldig werden.

Cuduh rührte sich nicht, als er einen Kellbaß auf die Ebene treten sah. Sein Blick wurde starr. Der Kellbaß spähte nach allen Seiten. Zögernd kam er näher. Die Orgeenfrüchte schienen wie ein Magnet auf ihn zu wirken.

In schillernden Farben schaukelten sie im Wind. Drei kleine weiße Wolken zogen am blauen Himmel entlang. Der Kellbaß schien mit den Millionen Blumen der weiten Ebene allein zu sein.

Aber seine Angst vor dem Waldrand war unverkennbar. Immer wieder suchte sein Blick die nähere Umgebung rechts und links der Orgeenbäume ab.

Cuduh wurde nicht mehr von der Sonne beschienen. Er war wieder am ganzen Körper so dunkel wie der Schatten, auch die Augen waren dunkel.

Jetzt griff der Kellbaß nach einer Frucht, die am tiefsten hing.

Cuduh rührte sich nicht. Es war noch zu früh, um zu springen. Der Kellbaß musste erst einmal Tintor getrunken haben. Die Flüssigkeit rief, kaum getrunken, einen schnell einsetzenden Rausch hervor, der die Reaktionsfähigkeit lähmte.

Der riesige Kellbaß trank. Die Frucht war überreif. Der Tintorsaft war nach allen Seiten gespritzt, als die Kugelschale unter seinem Biss platzte. Aber die größte Menge Flüssigkeit fing der Trinker auf. Wie eine Hülle, die aufgeblasen und danach beschädigt worden war, fiel die Orgeenfrucht zusammen. Der Kellbaß ließ sie fallen und griff unsicher nach der nächsten.

Schon zeigte sich an ihm die berauschende Wirkung des Tintors.

Da sprang Cuduh. Er flog wie ein Geschoss auf den Kellbaß zu. Der ahnte nicht die Gefahr. Er zerrte an der zweiten Frucht, die noch fest mit dem Ast verbunden war.

Schon landete Cuduh auf seinem Rücken. Unter der Wucht des Aufsprungs riss er den Kellbaß zu Boden. Der stieß nicht einmal einen Schrei aus, kam zu keiner Abwehrbewegung mehr. Der Rausch hatte ihn gelähmt.

Noch im Aufprallen saugte sich Cuduh an dem Kellbaß fest. Seine Kanülen stießen zu. Er spürte nichts von dem gewaltigen Aufprall. Die Sperren seiner fünf Vakuumorgane sprangen auf. Über kurze Leiter waren sie mit den Kanülen verbunden, diese steckten an mehr als dreißig Stellen in den Hauptschlagadern des Kellbaß.

Cuduh raubte ihm das Blut.

Über die Kanülen und Blutleiter strömte es in die Vakuumorgane.

Der Atem des Kellbaß wurde flacher; Cuduhs Vakuumorgane füllten sich mehr und mehr mit fremden Blut. Jetzt schloss der Kellbaß die Augen, und sein Kopf fiel kraftlos zur Seite. In diesem Moment waren Cuduhs fünf Organe prall gefüllt. Seine Kanülen zogen sich zurück. Die organischen Sperren schlossen sich wieder und verhinderten einen Blutabfluss. Die Saugkraft ließ nach. Cuduh trennte sich von dem Kellbaß. Er erhob sich und blieb neben ihm stehen.

Seine Jagd war zu Ende. Jetzt war er wieder Cuduh, der Freund aller Kellbaß.

Länger als jemals zuvor musste er warten, bis der Kellbaß die Augen wieder aufschlug, ihn anblickte und allmählich begriff, was geschehen war.

In seinem Blick lag keine Furcht, nur unbeschreibliche Müdigkeit. Mehrfach versuchte er sich aufzurichten. Als er endlich stand, zitterte er vor Schwäche am ganzen Leib. Wie ein Betrunkener torkelte er langsam dem Waldrand zu.

Cuduh sah ihm nach, bis er zwischen den Stämmen verschwunden war. Dann erst ging auch er.

Er wollte nach Hause. Sein Äußeres war jetzt nicht sonnenklar, obwohl er von der Sonne beschienen wurde. Die Fähigkeit zur Mimikry war mit dem Ende der Jagd verlorengegangen. Er wusste jetzt auch wieder, was Gut und Böse war; er kannte Ungeduld, Jähzorn, Freude und Überraschung. Er konnte wieder normal empfinden. Seine Sinne waren zurückgeschaltet worden.

Er war wieder Cuduh, – der Freund aller – nicht mehr der Vampir.

Kurz bevor er den Wald erreichte, vernahm er ein Geräusch, wie er es noch nie gehört hatte. Blitzschnell drehte Cuduh sich um.

Was er über der Ebene sah, hatte er noch nie gesehen!

War es das, wovon die anderen in der letzten Zeit schon mehrfach erzählt hatten?

Er empfand keine Furcht, wenngleich er sich nicht sagen konnte, was er beobachtete. So etwas gab es bisher auf seiner Welt nicht.

Die Vorsicht zwang ihn, den Waldrand aufzusuchen. Langsam ging er, rückwärts schreitend, darauf zu.

Das Unbekannte kam immer näher, viel schneller als er laufen konnte, und es machte viel Lärm dabei.

Da packte ihn die Angst, und er floh in den Wald.

 

*

 

Sie saßen in den Bäumen. Mit ihren sechs Beinen, die in den Füßen zum Greifen ausgebildet waren, umklammerten sie die dicken Äste, auf denen sie bewegungslos hockten.

Sie spähten zum Boden, der tief unter ihnen lag. Um sie herum herrschte jenes Halbdunkel eines Hochwaldes, wo Baumkrone an Baumkrone stößt und an keiner Stelle den Blick zum Himmel freigibt. Auf dem Boden war es noch dunkler als in ihrer Höhe. Aber das Licht reichte aus, sie die Abs sehen zu lassen, die in einer Kette über den schmalen Trampelpfad gingen.

Die Abs, ihre Todfeinde, waren unterwegs, um ihre Höhlensiedlung zu überfallen und jeden Monk zu morden, der ihnen unter die kräftigen zweifingrigen Fäuste kam. Die Abs entstammten derselben Rasse wie die Monks, hatten sich jedoch unterschiedlich entwickelt. Die Monks, von friedliebender Natur, hatten sich schon bald in Clans zusammengefunden und erkannt, dass die Höhlen, mit denen ihre Welt reich gesegnet war, der beste Schutz gegen alles Feindliche war. Je zahlreicher sie wurden, um so mehr Höhlen nahmen sie in Besitz, richteten sie wohnlich her und sicherten zugleich die Eingänge.

Aber immer wieder zeigte es sich, dass dieser Schutz nicht ausreichte, wenn sie von den Abs angegriffen wurden, die sich nur dann zusammenfanden, wenn es galt, wieder einmal einen Überfall auf die Monks zu machen. Sonst lebten die Abs nur zu Paaren zusammen. Die Natur hatte es so eingerichtet, dass sie sich um ihren Nachwuchs nicht zu kümmern brauchten. Im Gegensatz zu den Monks ernährten sie sich nur von Fleisch, und gerade das Fleisch der Monks galt bei ihnen als Delikatesse. Ein Gedanke, der bei den klugen Monks nacktes Entsetzen auslöste.

Heute jedoch war jeder einzelne der schimpansengroßen Monks von dem Willen durchdrungen, die mörderischen Abs in eine Falle laufen zu lassen. Neben Kiri, dem Alten mit langem Bart, hockte der junge Ori; sein Bart war kurz. Er war als Mann noch nicht anerkannt. Ihm fehlten noch vier Prüfungen, ehe er seinen Bart wachsen lassen durfte. Aber Ori war Kiris Enkel, und auf inständiges Bitten hatte der Großvater sich erweichen lassen: Ori durfte mit in den Kampf gegen die Abs.

Jetzt war der letzte Abs im Halbdunkel des Hochwaldes verschwunden. Schnell turnten die Monks von Ast zu Ast hinunter, zuletzt an den glatten Stämmen entlang, und federten auf ihren sechs Beinen wunderbar leicht, als sie aufsprangen.

Aus einer bastartigen Pflanze hatten ihnen ihre Frauen Taschen angefertigt, die abseits des Trampelpfades versteckt lagen. Sie kratzten das bunte Laub zur Seite, holten die prall gefüllten Taschen hervor und hingen sie um.

Kiri führte die Gruppe. Hinter ihm stand Ori, der dem Kampf gegen die verhassten Abs entgegenfieberte.

Sie konnten sich Zeit lassen, die Abs zu verfolgen. Denn sie waren im Wald dreimal schneller als die anderen. Leider war das Verhältnis umgekehrt, wenn sie sich auf einer freien Fläche trafen. Dort konnten die Abs unvorstellbar weit springen, wobei sie ihren Sichelschwanz als Steuerung benutzten. Und gerade diese Kunst machte sie für alle Monks so gefährlich.

Kiri gab das Zeichen zum Abmarsch. Lautlos schlichen die Monks durch das Halbdunkel des Waldes. Auf ihren sechs Beinen bewegten sie sich erstaunlich schnell vorwärts. Sie handelten zum ersten Mal nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan und ahnten nicht, dass sie damit in ihrer Evolution einen Schritt vorwärts getan hatten.

Vier weitere Monk-Gruppen, ungefähr so stark wie Kiris Mannschaft, erwarteten die Abs am Waldrand und in dem Gebüschstreifen vor dem Wald. Kiri sollte die Abs, wenn sie am Ende des Waldes durch einen Angriff aufgehalten worden waren, vom Rücken her angreifen und unter einem Steinhagel vernichten. In den prall gefüllten Basttaschen schleppten sie viele faustgroße Steine als Wurfmunition mit.

Kiri roch die Abs deutlich. Er konnte bis auf wenige Schritte Differenz angeben, wie weit der verhasste Gegner vor ihnen war. Deshalb fand er es jetzt auch nicht nötig, seine Gruppe langsamer gehen zu lassen. Als er wiederum die Entfernung zum Gegner prüfte, roch er auch den Waldrand. Er drehte sich um und flüsterte Ori seine Beobachtungen zu. Der gab sie weiter. Die Nachricht lief unverändert durch bis zum letzten Monk.

Es wäre auch undenkbar gewesen, dass ein Monk sie bei der Weitergabe hätte verändern können. Schon jeder Klein-Monk wurde darauf geschult, jeden Satz, den er hörte, so zu behalten, wie er in der Wortfolge gesprochen worden war. Die Monks ahnten nicht, dass sie, sofern diese Entwicklung keinen Bruch erlitt, auf dem besten Wege waren, in ferner Zukunft zu den größten Gedächtniskünstlern der Galaxis zu zählen.

Plötzlich war Zischgeschrei zu hören!

Kiri stürmte im gleichen Moment vor.

Die anderen Monk-Gruppen hatten die Abs gestellt. Das triumphierende Zischen wurde lauter. Kiri streckte den linken Arm senkrecht hoch. Seine Monks scherten nach rechts und links aus, verschwanden zwischen den hohen Bäumen und stürmten in breiter Front auf den Waldrand zu.

Laut Anweisung hatte Ori dicht neben seinem Großvater Kiri zu bleiben. Aber er war noch zu jung, um im Eifer seiner Angriffslust jetzt noch daran zu denken. Er war auch schneller als Kiri, und sein Vorsprung wurde immer größer.

Er sah als erster einen der verhassten Abs.

Im Laufen schleuderte er seinen Stein.

Der Abs ahnte nichts von der Gefahr hinter seinem Rücken.

Oris Geschoss traf mit aller Wucht. Er schleuderte schon den zweiten Stein auf den nächsten Gegner. Vor ihm, zwischen den Bäumen, wimmelte es plötzlich von Abs. Der zweite brach, auch tödlich getroffen, zusammen. In diesem Augenblick entdeckten sie, dass sie vom. Rücken her angegriffen wurden.

Ein Abs wagte den Sprung auf Ori. Der fühlte sich wohl herumgeschleudert, aber er konnte dem Zugriff des Feindes noch einmal entkommen.

Seine sechs Beine verhinderten einen Sturz. Doch bis auf einen Stein war seine Basttasche leer. Sie war geplatzt, und die wertvolle Munition lag verstreut auf dem Waldboden.

Ori handelte instinktiv, als er den Stein, den er in der Hand hielt, dem Todfeind an den Kopf warf. Aber er sah jenen nicht mehr zu Boden stürzen. Ein anderer Abs war ihm auf den Rücken gesprungen und versuchte ihn zu töten. Das letzte, was Ori hörte, war ein furchtbares Zischen. Dann verlor er das Bewusstsein.

Als er wieder zu sich kam, blickte er in Kiris Gesicht. Er hörte ihn zischen: »Ori, du warst Ungehorsam, aber weil du mehr Abs besiegt hast als jeder andere von uns, darum will ich dir verzeihen, du großer Mann!«

Mann hatte der Großvater ihn genannt?

Er war ein Mann?

Er durfte sich den Bart wachsen lassen?

Er vergaß den brennenden Schmerz am Hals. Er vergaß, wie elend er sich fühlte. Als Mann durfte er nicht zeigen, dass er Schmerzen hatte. Mit einem Satz sprang er auf – und fiel zur Seite.

Kiri fing ihn auf. Er war so stolz auf seinen Enkel, den er im letzten Moment davor gerettet hatte, von einem Abs ermordet zu werden. »Ruhe dich erst ein bisschen aus, Ori. Der Kampf ist ja zu Ende. Kein Abs ist entkommen. Ich glaube, du wirst eines Tages ein Leben ohne Kampf leben können.«

Ori aber wollte zeigen, dass er nun ein Mann war. Er machte sich aus Kiris Arm frei und stand allein.

»Komm!«, zischte Kiri seinem Enkel zu. Langsam gingen sie dem Waldrand entgegen. Lautes Zischen kam von dort. Ihre Freunde jubelten über den ersten Sieg, den sie errungen hatten.

»Hörst du, Ori, wie stolz die Männer sind?«, fragte Kiri.

Aber Ori hörte nicht nur das Zischen. Er rannte aus dem Wald und blickte zum blauen Himmel hinauf.

Dort sah er etwas, aber was war es?

Er fühlte, dass sein Großvater neben ihm stand. »Was ist das?«, fragte er ihn; sein Herz klopfte plötzlich heftig.

»Ori, Fragen, die keiner beantworten kann, darf man nicht stellen!«, sagte Kiri mit leichtem Vorwurf, denn Ori hatte – unwissend – gegen ein Gesetz verstoßen.

»Wie es rauscht, Kiri! Hörst du? Siehst du es auch zum ersten Male?«

»Nein, aber andere von uns haben es früher schon viel öfter gesehen als ich. Es kommt und geht.«

»Früher, ist das die Zeit, die zurückliegt?«

Und wieder war Kiri auf seinen Enkel stolz, der kluge Fragen stellte.

»Wie oft hast du es schon gesehen, Kiri?«

»Zwei und zwei und zweimal. Aber ich glaube, es tut nicht gut, es so lange anzusehen. Sieh einmal, wie viele tote Abs hier liegen!«

Doch Ori gehörte schon zu einer anderen Generation. Er hatte kein Verlangen, die Erschlagenen zu betrachten. »Kiri«, zischte er mit jugendlicher Begeisterung, »glaubt du auch, dass ich eines Tages wissen werde, was es ist, das so lärmt?«

Kiri blickte seinen Enkel entsetzt an. Er begann sich fast vor ihm zu fürchten. Was schlummerte in dem Kind seiner Tochter?

2.

 

Aus der Ferne kam Brodeln.

Ganz nah war metallisches Klingen.

Um ihn herum surrte ein großer Schwarm Insekten.

Plötzlich war es überall still.

Hastig richtete Perry Rhodan sich auf, öffnete die Augen und blickte sich um.

Aber zunächst erkannte er seine nächste Umgebung nicht. Eine einzige Frage beherrschte ihn: Wie viele Tage habe ich noch zu leben?

Er strich sich über die Augen.

Wo war er?

Er war besinnungslos gewesen.

Was hatte ihn nur besinnungslos gemacht?